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erstellten Verschönerungen auf dem Kühlenberg bei Emmingen demoliert und auf den Feldern die Krautköpfe herausgerissen zu haben; Hoffent- wird ihnen eine empfindliche Strafe werden.
Blaubeuren, 24. Sept. Ein nettes Schauspiel war cs, als die Arbeiterinnen der Leinenindustrie, welche eine Menge Tuch ent- wendet hatten, vor Gericht geführt wurden. Die im Wachlokal untergebrachten Weiber (etwa 20 an der Zahl) gerieten mit einander in Streit, hieben auf einander los und demolierten schließlich noch in ihrer Wut den Oien. Der Stationskommandant mit seinen Landjägern war diesem Treiben gegenüber ohnmächtig und mußt? sich begnügen, die Weiber mit ihrer Wut austoben zu lassen.
Ausland.
Am letzten Sonntag wurden in der deutschböhmischen Stadt Te Ischen statt des verbotenen Volkstages zwei zahlreich besuchte Versammlungen abgehalten, an welchen auch mehrere Hunderte Reichsdeutsche teilnahmen. Die Versammlungen nahmen eine Resolution an. welche den deutschen Abgeordneten für ihr Verhalten Dank und Anerkennung, sowie die Erwartung ausspricht, daß sie im Kampf um das Deutschtum nicht erlahmen und vor den äußersten Mitteln nicht zurückschrecken werden. Das sind fatale Aussichten für die Versöhnungsträume des Grafen Badeni.
U n t e r i t a l i e n ist von einem furchtbaren Wirbelsturm heimgesucht worden. Derselbe richtete große Verwüstungen an, wobei auch zahlreiche Menschenleben verloren gingen; es sollen bei dieser elcmentarischen Katastrophe über 100 Menschen umgekommen sein.
König Oskar von Schweden und Norwegen feierte in voriger Woche sein 25- jähriges Regierungsjubiläum. Seine Uriter- thanen anerkennen ihn als einen sehr humanen und kunstsinnigen Fürsten, was aber die Norweger nicht abhält auf eine Loslösung ihres Landes von Schweden und auf die Errichtung einer norwegischen Republik hivzuarbeiten.
Die englische Presse macht viel Aufhebens von dem weder beglaubigten noch bisher widersprochenen Gerüchte, daß der König von Italien bei seinem neulichen Besuch der deutschen Kaisermanöver in Homburg sich zum Vermittler besserer Beziehungen zwischen Deutschland und England gemacht habe, und glauben wunder was zu diesem Zweck beigetragen zu haben, wenn sie in der letzten Zeit ihre bösartigen Beschimpfungen des deutschen Kaisers nicht wiederholten. Die „Nordd. Allg. Ztg." macht indessen die Engländer darauf aufmerksam, daß Deutschland nur deutsche Politik treibe und nicht überall den Engländern die Kastanien aus dem Feuer holen könne. Wenn die Engländer den andern Nationen und namentlich Deutschland dasselbe Recht zuerkennen würde, das sie sür sich immer beansprucht haben, nämlich zuerst für die eigenen Interessen zu sorgen, dann stehe wirklich guten Beziehungen zwischen Deutschland und England nichts mehr im Wege. — Die englischen Truppen haben im Norden von Ostindien einen der aufständischen Stämme besiegt, sind aber andererseits von andern Stämmen zweimal empfindlich geschlagen worden, so daß an eine rasche Beendigung des Aufstandes kaum zu denken ist. — Die Muhamedaner in Ostindien haben an den türkischen Sultan eine Glückwunschadresse zu dessen Siegen über die Griechen gerichtet und darin ausgesprochen, daß sie sich mehr als Unterthanen des Sultans, denn als Engländer fühlen. Dieses Wort ist für die Engländer ein böses Ohmen.
Die Aufständischen auf Kuba erringen immer mehr Vorteile. Ihr General Dacosta griff die spanische Besatzung von Managua, drei Meilen von Havanna gelegen, an und besiegte sie. Die Aufständischen besetzten Managua und erbeuteten alle Waffen und Munitionsvorräte in den Forts. Ein von Havanna abgesandtes Entsatzkorps wurde von den Aufständischen zer- streut. Gomez nahm Placetas in der Provinz Santa Clara ein. Der nordamerikanische Gesandte Woodfoot hat dem spanischen Minister des Auswärtigen erklärt, wenn der Krieg nicht vor Ende Oktober beendet wäre, würden die
Vereinigten Staalen sich für berechtigt halten, die ihnen entsprechend erscheinenden Maßnahmen zur Sicherung des vollständigen dauernden Friedens auf Kuba zu treffen. Die einem Ultimatum verzweifelt ähnlich sehende Forderung, Kuba binnen sechs Wochen zu unter- werfen, hat in Spanien großes Aufsehen erregt.
Die frühere Assistentin an der Augenklinik Dr. Wicherkiwiez zu Posen, Fräulein Dr. Barbara Brrrbo, ist an den Hof des Schah von Persien berufen worden um die Damen des Harems zu behandeln.
Vermischtes.
Die Berechtigung für den Ei n j ä h rig e n - Dienst hat ein Schlossergesclle Namens Ernst Newes auf Grund des sogenannten Künstler. Paragraphen der Wehrordnung erlangt. Er hatte während seiner Lehrzeit das Modell einer Lokomotive aus Eisen so kunstvoll gearbeitet, daß es den Beifall und die Bewunderung seines Meisters und seiner Genossen hervorrief. Der Meister veranlaßte den Gesellen, die Arbeit der zuständigen Militärprüfungskommission einzu- reichen und auf Grund dieser Leistung die Zulassung für den Einjährigen-Dienst zu beantragen. Der Antrag hatte Erfolg.
Paris, 20. Sept. Die Pariser Radfahrer sind in großer Aufregung, weil die Polizeipräfektur im Begriffe steht, eine neue Fahrordnung zu erlassen, welche vierhundert und etliche Artikel zählt. Durch diese Fahrordnung wird die Freiheit der Velofahrer getötet. Die Boulevards, sowie gewisse andere belebte Straßen und Plätze sollen ihnen auf Grund der Unfälle, die sich alle Tage zutragen, untersagt werden. Höchstens will man ihnen noch gestaten, dieselben zu Fuß mit dem Fahrrad an der Hand zu passieren. Die Ansichten der Presse über diesen Punkt sind zwar gcteilif; aber die Mehrheit der Blätter stellt sich auf Seiten des Polizeipräfekten und der Fußgänger, welche behaupten, sie seien mitten in dem Radfahrgetriebe ihres Lebens nicht mehr sicher.
(Die X-Strahlen als Bazillentöter) scheinen in der Medizin eine ungeahnte Bedeutung erlangen zu sollen. Ein Pariser Professor namens Chanveau machte nämlich kürzlich die interessante Entdeckung, daß bei Tieren, denen Koch'sche Bazillen eingeimpft worden waren und deren Impfstellen mehrmals und auf längere Zeit der Einwirkung von Röntgen-Strahlen ausgesetzt wurden, jedesmal eine Zunahme der Besserung im Befinden dieser Versuchstiere eintrat. Bei den in gleicher Weise geimpften, aber nicht mit X-Strahlen behandelten Tieren blieb dagegen nach einer Mitteilung des Patent- und technischen Bureaus von Richard Lüders in Görlitz die Besserung aus und es nahm vielmehr die eingeimpfte Krankheit den erwarteten Verlauf. Diefe Entdeckung erregte an der Pariser Akademie bei ihrem Bekanntwerden berechtigtes Aufsehen.
Der große Goldklumpen. Ein Goldgräber hat dieser Tage in Coffee-Crcek (Kalifornien) einen Goldklumpen gefunden, der noch den berühmten Welkome-Nugget (Willkommen-Klumpen) von Balarat in Australien übertrifft und daher den neuesten Weltrekord auf dem Gebiete der Goldbuddelei darstellt. Er wurde auf 43000 Dollars geschätzt, während der australische bloß einen Wert von 41882 Dollars hatte. Zwei englische Meilen weiter wurde gleichzeitig eine außerordentlich reiche Goldausbeute im Wert von 80,000 Dollars gemacht, und zwar in einem Raum von bloß fünf Kubikfuß.
(Diamanten!) In der Nähe von Prätoria ist ein reiches Diamantenlager entdeckt worden.
Aus dem Reiche der siebenten Großmacht. 12000 Millionen Zeitungen werden nach einer kürzlich herausgekommenen Statistik jährlich verausgabt. Um sich einen Begriff von dieser ungeheuren Menge machen zu können, sei nur erwähnt, daß man mit diesen Zeitungen eine Fläche von 30000 Quadrat-
Kilometern bedecken könnte. Das Papiergewicht würde 781240 Zentner betragen. Sollte diese Auflage von einer einzigen Maschine gedruckt werden, so würde die Gesamtauflage, wenn pro Sekunde eine Zeitung gedruckt würde, nach 333 Jahren endlich erscheinen können. Aufeinander geschichtet, würde sie die respektable Höhe von rund 80000 in erreichen. Angenommen der einzelne Mensch widmet dem Lesen seiner Zeitung nur 5 Minuten pro Tag, so würde die Zeit, die von der Gesamtbevölkeruug der Erde zum Zeitungslesen pro Jahr verbraucht wird, gleich sein 100 000 Jahr.
(Knöpfe und Billardkugeln aus Kartoffeln) sind das Neueste, was der Industrie mit Hilfe der Zauberin Chemie herzustellen gelungen. Durch Behandlungen mit bestimmten Säuren, erhalten die Kartoffeln eine solche Härte, daß sie wie Horn, Knochen oder Elfenbein behandelt werden können und sich vorzüglich zur Knopf- und Billardfabrikation eignen. Da sie auch das täuschende Aussehen von Elfenbein bekommen, im klebrigen ihnen mit Leichtigkeit jeder beliebige Farbevton beigebracht werden kann, so daß selbst Kenner dieses künstliche Elfenbein vom echten fast gar nicht zu unterscheiden vermögen, so dürfte diese neueste Verwendung der Kartoffel große Verbreitung finden, zumal der Billigkeit des Materials wegen.
(Mäusefang mit Musik.) Ein belgischer Fabrikant hat festgestellt, daß die Mäuse einen ausgesprochenen musikalischen Sinn haben, (wunderbar!) und er hat diese Entdeckung zu einer neuen Art von Falle benutzt. An die Stelle von gebranntem Speck und ähnlichen Genüssen, die den Mäusen verdächtig geworden sind, hat der Fabrikant automatische Musikwerke gesetzt, die die „Holzauktion," die „Fischerin" und ähnliche anreizende Stücken spielen. Die Mäuse fühlen sich unwiderstehlich nach der Musikkiste hingezogen, sie nähern sich, um besser zu hören, dringen sie in die Falle ein, die zuschnappt und die sie zu Gefangenen macht. Wir entnehmen diefe interessante Sommcr- mitteilung der Pariser „Monde artiste," der wir auch die Verantwortung dafür überlassen.
(Wie ist das Alter einer Gans zu ermitteln?) Diese für Hausfrauen sehr wichtige Frage läßt sich leicht beantworten. Es befinden sich am äußersten Rücken jedes Gänseflügels, dicht bei den größten Schwungfedern, zwei kleine, besonders festsitzende schmale, spitze und harte Federchen. An der größeren derselben zeigt sich nach Ablauf des ersten Jahres eine kleine Rinne, die aussieht, als ob der Kiel durch eine dreikantige Pfeile querüber eingekerbt wäre. Nach Ablauf jedes weiteren Jahres bildet sich eine feinere neue Rinne und die Zahl derselben zeigt das Alter der Gans an.
Telegramm.
Mainz, 24. Sept. Der Schnellzug von Bingen fuhr gestern Abend 9^/i Uhr auf der Station Budenheim auf den im Fahrgeleise haltenden Gülerzug nach Mainz. Die Vor- spannmaschine des Schnellzugs entgleiste. Bon dem Güterzug sind mehrere Wagen entgleist oder beschädigt.
Coblenz, 24. Sept. Die „Coblenzer Ztg." meldet: In der Station Capellen ist heute Morgen zwischen 8 und 9 Uhr bei dem Personenzuge 105 ein Luftkessel explodiert. Die Explosion war so heftig, daß die Fenster der umliegenden Häuser zersprangen. Der Maschinenführer und der Heizer wurden leicht verletzt, außerdem wurde ein Streckenkundiger, der den Zug von Mainz nach Coblenz begleitete, unerheblich verletzt.
Palermo, 24. Sept. In Casteltermini, Provinz Girgenti, wurden gegen 100 Arbeiter durch den Einbruch einer Mine verschüttet. Die Rettungsarbeiten wurden begonnen. Die letzten Nachrichten melden, daß aus den weniger tief gelegenen Stollen drei Tote und drei Verwundete an das Licht gebracht wurden.
Mit einer Beilage
Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.