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Unterhaltender Teil.

Herzens-Adel.

Von R. B e y e r.

(Fortsetzung)

Vier Wochen vor dem Tod meiner Herrin war es, daß er mir seine pekuniäre Verlegenheit offenbarte. Ein zu seinem beruflichen Zweck paffendes Grundstück wäre unter sehr günstigen Bedingungen zu erwerben, doch fehlte ihm die zur Anzahlung erforderliche Summe. Ich sprach darüber mit der Frau Geheimrätin, und da die. selbe damals die baare Hinterlassenschaft meiner Eltern in Verwahrung hatte, so händigten wir Herrn Buchwald die ganze Summe, im Betrage von sünftausendsiebenhundert Mark» ein. der hochbeglückt über das Darlehn, uns verließ.

Seit dieser Zeit sah ich ihn nur noch einmal, und zwar einige Wochen nach dem Tod der Geheimrätin. Er nahm damals für längere Zeit von mir Abschied, da. wie er sagte, ihn Erbschafts-Angelegenheiten nach der Heimat riefen. Daher kam es denn wohl auch, daß ich erst nach Verlauf von zwei Monaten ein längeres Schreiben von ihm erhielt, dessen Inhalt wie der Maifrost auf die junge Blüte meiner Liebe fiel. .Ja, ihm gehörte damals, warum sollte ich es leugnen, mein Herz ungeteilt an, und aus der Größe des Schmerzes, den seine Treulosigkeit mir bereitete, konnte ich ermessen, wie teuer er mir gewesen war. In glühenden Ausdrücken versicherte er mich seiner Liebe und beklagte sein Geschifl. das ihn gebieterisch anweise, Bahnen zu wandeln, die ihm ein fremder Wille vor- gezeichnet habe.

Wie gern hätte ich ihn noch einmal sehen, sprechen mögen, um ihm sagen zu können, daß ich aus der Größe meiner Liebe die Kraft geschöpft habe, ihm zu verzeihen, daß ich bereit sei. das Glück meines Lebens für die Förderung seiner irdischen Wohlfahrt hinzugeben!

Doch diese Gunst ward mir nicht gewährt, denn ich sah ihn nie wieder!"

Und das Darlehn, mein Fräulein? Haben Sie es wieder erhalten?" fragte der alte Herr, von dem Gehörten aus's Tiefste bewegt.

Die Dame verneinte es, hinzufügend, daß Buchwald in seinem Schreiben ihr zugesagt habe, er werde Kapital nebst Zinsen nach seiner Verheiratung ihr übermitteln.

Und sie glauben das?" rief der Kranke unwillig.Nach Lage der Dinge dürfen Sie sich der Ueberzeugung nicht verschließen, daß ein Unredlicher, ein gewissenloser Betrüger es war, der Ihren sonnigen Lebenspfad kreuzte. O. meine Tochter!" fuhr er fort.Zürnen Sie mir nicht, wenn ich meine Stimme erhebe, um Sie zu warnen, Sie von einem Irrtum zu beßceien, der Ihnen eines Tages zum Verhängnis werden könnte."

Der Elende, der Sie getäuscht, betrogen hat, ist unwürdig, daß Sie ihm noch jetzt Ihr edelstes Empfinden weihen, unwürdig, daß Sie auch nur an ihn denken, fuhr er fort." Darum hinweg mit seinem Bild aus Ihrem Herzen." Der Sprecher hatte sein Haupt erhoben, jetzt sank er wie kraftlos in die Kissen des Lagers.

In diesem Augenblick ertönte die Hausglocke, Olga eilte hinaus.

Der Postbote war es, der ihr einen Brief übergab.

Kaum hatte sie denselben erbrochen und die wenigen Zeilein des Inhalts überflogen, als Leichenblässe ihre Wangen bedeckte. Die erhaltene Botschaft schien sie innerlich gebrochen zu haben. Doch sie drängte gewaltsam das Wehe in ihre Brust zurück und kein Laut kam über ihre Lippen.

Nachdem sie ihre Fassung einigermaßen wieder erlangt hatte, begab sie sich zu dem Kranken.

Soeben habe ich von meinem Bruder ein Schreiben bekommen," sagte sie,dessen Inhalt das harte Urteil, das Sie, mein Herr, über meinen ehemaligen Verlobten gefällt haben, leider nur zu sehr bestätigt. Alles, was derselbe über seine Familie und sein Herkommen mir gesagt hat, beruht, wie nun erwiesen, auf Unwahrheit. Und darum will, ja muß ich ihn vergessen! Doch," fügte sie nach kurzem

Schweigen hinzu,wenn ich jetzt gezwungen bin, ihn für einen auf Abwegen irrenden Unglücklichen zu halten, so darf ich ihm meine Teilnahme nicht versagen, und ich werde, wie bisher, ihn auch künftig in mein tägliches Gebet einschließen, damit er aus der Gnade des Allgütigen den verlorenen, sittlichen Halt wieder erlange und dem Abgrund des Verderbens entrinne, an dessen Rand er wandelt."

Ja, beten Sie für ihn, meine Tochter!" flüsterte der Kranke mit schmerzumzuckten Lippen, beten Sie für den verlorenen Sohn, für den Unglücklichen; die Fürbitte eines Engels wird ihm gewiß zum Segen gereichen, wird ihn viel­leicht noch vor dem Lose gänzlicher Verworfenheit bewahren!"

Die Sonne neigte "sich zum Untergang, als eine elegante Equjpage an der Billa vorfuhr und hielt.

Der Arzt und ein Diener eilten in's HauS, und eine Viertelstunde später war für den Transport des Verunglückten Alles vorbereitet.

Der alte Herr saß angekleidet im Lehnstuhl des Krankenzimmers, ihm gegenüber stand Olga, sie waren allein.

Eine Bitte, mein Fräulein, bevor wir scheiden!" begann der Leidende mit matter Stimme. Die junge Dame, die sich seltsam ergriffen fühlte, neigte stumm ihr Haupt. Wollen Sie mir gütigst ein Andenken verehren, eine Photographie von Ihnen, die mir Ihr liebes Bild stets vergegenwärtigen soll?"

Olga errötete.Leider bin ich nicht in der Lage, diesen Wunsch erfüllen zu können, denn ich besitze keine Photographie von mir."

Nicht?" rief der alte Herr und sein Blick flog nach der Wand zu dem verhüllten Rahmen hinüber.

Ein einziges Mal, und zwar aus einem ganz besonderen Beweggrund, habe ich mich photographieren lassen, denn ich besitze." fügte Olga lächelnd hinzu,einen unerklärlichen, doch ganz entschiedenen Widerwillen gegen das sogenannte Sichabnehmenlassen."

Ein Bild besitzen Sie also, wenn ich Sie recht verstanden habe?"

Ja, mein Herr; allein"

Dann bitte ich. es mir gütigst anvertrauen zu wollen," sagte er in flehendem Ton,denn ich werde, unter Wahrung peinlichster Diskretion, für mich eine Kreidezeichnung darnach anfertigen lassen und Ihnen dann die Photographie mit herzlichstem Dank zurückstellen."

Einen Augenblick überlegte das Mädchen.

So sei es denn," sagte sie hierauf und nahm den verschleierten Rahmen von der Wand, eilte damit ins Nebenzimmer und kehrte gleich darauf mit dem Gegenstand zurück, den sie in Papier eingeschlagen und verschnürt hatte.

Hier ist mein Bild," sagte sie mit einem bezaubernden Lächeln,ich vertraue es gewiß guten Händen an!"

Zitternd vor Erregung, nahm es der alte Herr entgegen.Ihr Bild, Ihr Vertrauen werden mir heilig sein!" sagte er, mit einem Hellen Aufleuchten im Blick.Und nun noch eine Bitte," sprach er, sich aus dem Sessel erhebend,Ihren vollen Namen, mein Fräulein!"

Die Dame zog den vorhin erhaltenen Brief aus der Tasche, dessen Kouvert sie ihm hinhielt.

Wie, Fräulein Olga Mühlfeld? rief er, nachdem er einen Blick auf die Adresse geworfen hatte.

Sie haben es soeben gesehen, mein Herr", bemerkte Olga lächelnd.

Und Ihr Herr Bruder ist der Schreiber des Briefes?"

Ja."

Wie heißt er mit Vornamen?"

Eugen"

Eugen!" wiederholte der Kranke mit großer Innigkeit im Ton und Ausdruck und sank zurück in den Sessel.

Einen Moment lang preßte er sich beide Hände gegen das Gesicht.

Eugen Mühlfeld!" hörte Olga ihn flüstern. Dann griff er in seine Tasche und zog eine Karte hervor, die er auf den Tisch legte.

Wenn Ihr Herr Bruder von seiner Reise

wieder eintrifft, dann bitte Fräulein, grüßen Sie ihn von dem da!"

Er deutete bei den letzten Worten aus die Karte und erhob sich abermals.

Auf den Arm Olga's sich stützend, verließ er mit stillem Seufzer das Gemach.

Als die junge Dame nach der Abfahrt des Wagens dorthin zurückkehrte, griff sie schnell nach der Karte, und fand darauf gedruckt:

Baron. Heinrich von Hohenwart."

Elektrisch durchfuhr es sie bei diesem Namen, und sie griff sich an's Herz, darin es gar selt­sam, so wohl so wehe aufgezuckt war.

(Fortsetzung folgt.)

Acht Kisten voll Staatspapiere in einem Nennwert von über 10 906 500 »fL gingen am Samstag in Dresden in Flammen auf. Der der Aktiengesellschaft für Gasindustrie vormals Friedrich Siemens gehörige Hoch­ofen, welcher zur Hartglasfabrikation dient, nahm diesen kostbaren Schatz auf und verzehrte ihn in einer reichlichen halben Stunde zu flüchtiger Asche. Es handelte sich um solche Stücke 3°/o sächsischer Rente, deren Inhaber ihren Besitz in das Staaisschuldenbuch hatten eintragen lassen, und andererseits um eine Anzahl Schuldverschreibungen, welche einen eigentlichen Umlaufswelt nicht hatten, teils weil sie eingetauscht worden, teils weil sie nicht zur Verausgabung gelangt waren. Sämtliche Papiere waren Tags zuvor von der Staats- schulden-Kommisston übernommen, bündelweise in Kisten verpackt und diese versiegelt worden. An dem Orte des Autodafes hatten sich die Herren vom Landtagsausschuß zur Verwaltung der Staatsschulden eingefunden und stellten die llnverletztheit der Siegel fest. Dann öffnete man die Kisten und warf ihren Inhalt in den feurigen Rachen des Ofens, dessen Hitzeaus­strahlung dabei in empfindlicher Weise zunahm.

(Baumwachs) erhält man. wenn man 6 Teile Fichtenharz, 3 Teile gelbes Wachs. 2 Teile Talg und ein Teil Terpentin zusammenschmilzt. Den Terpentin kann man event. fortlassen, es muß dann aber mehr Talg genommen werden.

(Enttäuscht.) Fräulein!Sie haben mir neulich eine recht vergnügte Stunde bereitet, Herr Kritzler!" Schriftsteller (geschmeichelt): Sie haben sich mein neues Lustspiel angesehen ?" Fräulein:Das nicht, aber ich habe Ihnen vom Fenster aus zugeschaut, wie Sie das Rad­fahren erlernten!"

(Entgegenkommend.) Gast (im Auswählen der Speisen begriffen):Vor vierzehn Tagen habe ich hier Rehbraten gegessen, der war ausgezeichnet!" Kellner:O, bitte sehr, wenn Sie befehlen, können Sie noch von demselben bekommen!"

Telegramme.

Homburg, 12. Sept. Die Kaiserin ist gestern abend 8 Uhr 50 Min. nach dem neuen Palais bei Potsdam und der Kaiser 9 Uhr 10 Min. nach Totis in Ungarn abge­reist. Die Stadt war wieder glänzend beleuchtet, zahlreiches Publikum brachte dem Kaiser und der Kaiserin bei ihrer Abreise lebhafte Huldig­ungen dar.

Totis, 13. Sept. Gestern Nachmittag um 4 Uhr traf der deutsche Kaiser hier ein und wurde von Kaiser Franz Joseph, den Erzherzögen Rainer, Eugen und Joseph in preußischen Uniformen, sowie den Spitzen der Behörden am Bahnhofe unter brausenden Eljen"-Rufen empfangen. Nach der Begrüßung begann der Einzug in die Stadt, wobei ein Reiterbanderium in Nationaltracht voranritt. Auf dem ganzen Wege bis zum Schluß wurden die Majestäten von einer vielköpfigen Menge mit endlosenEljen"-Rufen begrüßt.

Aoko Haina, 12. Sept. Ein Taifun, der am 9. ds. Mts. wütete, verursachte Ueber- schwemmungen, sowie große Verluste an Leben und Eigentum.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neue nbürg.