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Korridor hinschreitend, kam er zu einer Thür, vor der er unwillkürlich stehen blieb.
Wie oft war er hier eingetreten, und mit welchen Empfindungen! Wurde er doch drinnen im Musiksaal stets von seiner Schülerin erwartet, deren holdes Erröten bei seinem Anblick und Gruß auch den Pulsschlag seines Herzens in schnelleres Tempo versetzte!
War cs darum zu verwundern, wenn es ihn jetzt wie mit Zaubergewalt in diesen durch selige Erinnerungen ihm geweihten Raum zog. bevor er das Haus auf Nimmerwiederkehr verließ?
Zögernd, leise öffnete er die Thür, und da er drinnen Niemand gewahrte, so schritt er über die Schwelle, den Eingang hinter sich schließend.
Das Instrument, ein prächtiger Flügel, stand geöffnet da, ein aufgeschlagenes Notenheft, der gepolsterte Doppelsessel, Alles befand sich am gewohnten Platz, nur sie fehlte, sie — seine Schülerin!
Seit drei Tagen bereits hatte er, weil Arthur, der zwölfjährige Bruder Gisela's, in Folge einer Erkältung krank darniederlag, sämtlichen Unterricht eingestellt. Da der Knabe nach seiner Wiedergenesung ein Gymnasium besuchen sollte, die wissenschaftlich-musikalische Ausbildung der Baronesse aber für abgeschlossen erachtet werden durfte, so war der Thäligkeit eines Lehrers hier im Hause ein Ziel gesteckt. —
Eugen nahm am Instrument Platz und begann zu präludieren.
Wie zögernd glitten anfangs seine Finger über die Tasten hin, gleichsam als scheuten sie sich, mit der Erinnerung an bekannte Melodien auch den Schmerz zu wecken, der jetzt dort schlummernd ruhte, wo ehedem jauchzende Luft ihre goldenen Schwingen geregt hatte.
Ausdrucksvoller, klangreicher wurden die Akkorde.
Die Harmonieverbindungen leiteten ihn unwillkürlich über in die Weise einer Arie, die er, sich selbst begleitend, mit gedämpfter Stimme zu singen begann:
„Weine nicht, es ist vergebens!
Alle Freuden dieses Lebens Sind ein Traum der Phantasie;
Mühe Dich, es zu vergessen,
Daß Du einst ein Glück besessen,
Denke: Du besaß'st es nie!"
Mit einer harten Dissonanz, die wie der Aufschrei einer vom Weltschmerz zerrissenen Seele in den harmonischen Schlußakkord hineinschrillte, endigte Spiel und Gesang.
„Mühe Dich, es zu vergessen,
Daß Du einst ein Glück besessen!"
zitterte es von Eugen's Lippen, der überwältigt vom Ansturm seiner Empfindungen, sich das Gesicht mit beiden Händen bedeckte.
Ta fühlte er sich sanft an der Schulter berührt, und rasch aufjehend, wandte er sich um: Seine ehemalige Schülerin stand ihm gegenüber.
Doch nicht seine Herzerkorene, sondern eine Grafenbraut sah er jetzt vor sich.
Und wie erhaben, wie hoheitsvoll stellte sich ihm in diesem Moment ihre Erscheinung dar! Das war nicht mehr die Jdealgestalt der Angebeteten, deren Bild er einst in seiner Seele getragen hatte, das war die stille, unnahbare Majestät der Jungfrauenschöne, die ihm aus den edlen Körperformen, aus dem Madonnen-Antlitz mit den Rosenlippen, den himmelblauen Augen, von der klaren, lockenumwallten Stirn entgegen- leuchtete.
„So willst Du wirklich fort, Eugen?" sprach Gisela mit einem rührenden Lächeln, während ihre großen, seelenvollen Augen im feuchten Schimmer erglänzten.
„Mein Wille kommt hier nicht in Betracht, gnädigste Baronesse, da, wie Ihnen —"
„Aber wie sprichst Du denn zu mir, Eugen," unterbrach sie ihn, indem sie dicht an ihn herantrat.
Der junge Mann ergriff ihre schöne Hand, und zog die zarten, schlanken Finger an seine Lippen.
„Baronesse," sprach Eugen mit bebender Stimme, „ich habe kein Recht mehr, Ihnen gegenüber die Förmlichkeiten der Gesellschaft außer Acht zu lassen! Ihre Bestimmung, die Gattin des Herrn Grasen von Stolzenberg zu werden —"
„Ich, die Gattin meines Kousins?" unter brach sie ihn abermals. „Nie wird dieser Plan Verwirklichung finden. Ich habe es dem Papa bereits wiederholt gesagt, daß ich Richard nicht leiden mag. denn sein Charakter, seine Manieren
— doch, ich will mich jeven harten Urteils über ihn enthalten und nur noch wiederholen, daß nichts auf der Welt im Stande sein wird, mich zu bewegen, ihm die Hand zum Lebensbund zu reichen."
Es war etwas vom Heiligsten in der Menschenseele, was jetzt, aus ihrem reinen Herzen hervorbrechend, wie der verklärende Schmerz einer opfermutigen Dulderin über ihre engelgleichen Züge sich ergoß, als sie nach kurzem Schweigen hinzufügte: „Und sollte ich Dir, mein Eugen, nicht angehören dürfen, dann
— dann wird in der Enisagung mir ein stilles Glück erblühen, in dem Bewußtsein daß ich von einem edlen Herzen geliebt worden bin!"
Thränen entperlten ihren schönen Augen.
Mächtig ergriffen, stand der junge Mann da, und der Kampf zwischen Pflicht und Liebe, der sich in seiner Brust entfacht hatte, war deutlich in seinen Zügen ausgeprägt
„Gisela!" hauchte er mit freudig errötenden Wangen. „Unsere Herzen haben wieder einen Vereinigungspunkt gesunden — in der Entsagung!" Zärtlich schloß er die holde Maid in seine Arme, und der Engel der Hoffnung nahm sie Beide wieder unter seine himmlischen Fittige.
„Das ist der Liebe heil'ger Götterstrahl,
Der in die Seele fällt und schlägt und zündet,
Wo sich Verwandtes zu Verwandtem findet.
Da giebt's kein Widerstand und keine Wahl;
Es löst der Mensch nicht, was der Himmel bindet."
(Fortsetzung folgt.)
Die „Nordd. Allgem. Ztg." schreibt: Den Katzen, denen in den Militär-Proviantämtern die Vertilgung der Mäuse anvertraut gewesen, ist „gekündigt" worden Nach einer Verfügung des Kriegsministeriums sollen bei diesen Aemtern die Katzen abgeschafft und durch den Löffler- schen Bacillus den Mäusetyphus eine Vernichtung der Mäuse versucht werden. Man er- wartet, daß das neue Verfahren besser und auch billiger ist. Für die Unterhaltung einer Katze waren bisher etatsmäßig 18 ^ jährlich ausge worfen, während das neue Verfahren einen Kostenaufwand von 12 verursacht. Außer- dem hatten sich die Katzen insofern nicht bewährt, als sie zu viel Schmutzereien machen. Das neue Verfahren ist an sich sehr einfach. Der Inhalt eines Reagenzglases wird in einem Liter Wasser, dem ein Theelöffel voll Kochsalz zugesügt tst, aufgeschwcmmt, alsdann werden Würfel altbackenen Brotes mit der Flüssigkeit getränkt und an den Orten, an denen die Mäuse vernichtet werden sollen, ausgelegt. Mit einem Liter können etwa 1000 Brotstücke getränkt werden. Die Mäuse, die von dem Brot naschen, erkranken alsbald, verkriechen sich dann aber nicht in ihre Löcher, sondern zeigen im Gegenteil das Bestreben, die frische Luft aufzusuchen, so daß sie, nachdem sie verendet sind, leicht beseitigt werden können. Es empfiehlt sich aber, die toten Mäuse zunächst liegen zu lassen, da die Kadaver sehr bald von anderen Mäusen angenagt und so neue Gelegenheit der Krankheits- Übertragung und Vernichtung der Mäuse gewonnen wird. ,
Ueber dasRecht der Presse, öffent- licheUebel stände zu besprechen und zum Gegenstand ihrer Kritik zu machen, hat das Reichsgericht ein für die gesamte Presse wichtiges Urteil gefällt, indem darin der Presse das Recht Anerkannt wird, Uebelstände zur Sprache zu bringen. Einerseits werden dadurch den Be- Hörden solche bekannt gegeben, andererseits wird ein gewisser moralischer Druck auf die borge- setzten Behörden ausgeübt, eine Untersuchung einzulciten, event. eine Abhilfe herbeiführen. Rügen in der Presse über wahrgenommene Mißstände handeln in Wahrnehmung des berechtigten Interesses, das jeder Staatsbürger daran hat, daß solche Handlungen nicht Vorkommen.
Schnell zumMillionär avanciert. Wie man in Berlin innerhalb weniger Wochen
Milionür werden kann, das lehrt der folgende von der „Allgemeinen Fleischerzeitung" mit- geteilte Vorfall. DaS im Harifaviertel unter dem Namen Judcnwiesen bekannte große Terrain wollte der Besitzer verkaufen. Der damit beauftragte Kommissionär erhielt das Terrain auf seinen Wunsch auf drei Monate fest an die Hand gegen ein Angebot von l 600 000 Inzwischen ist es ihm gelungen, die Hälfte des Terrains für 1 700 000 zu verkaufen, während die ihm noch gebliebene zweite Hälfte jetzt, nachdem der Bau einer Brücke von der Stadt beschlossen ist. auf einen Wert von 2 Millionen Mark geschätzt wird! Die Verantwortung für diese Mitteilung glauben wir dem zitierten Blatte überlassen zu müssen.
(Nützen oder schaden die Sperlinge?) Die lange bestrittene Frage, ob der Sperling mehr Schaden oder mehr Nutzen ihut, scheint endlich durch eine in England kürzlich erschienene Broschüre der Ornithologen Mc. Tegetmeir und Mrs. Ormerod endgitlig entschieden zu sein. Jahre lang haben beide Sperlinge seziert und alle möglichen Informationen über den Vogel gesammelt. Sie können nicht umhin, das Todesurteil über den Sperling zu sprechen. Die Sperlinge sagen sie, treiben viele Vögel, wie Schwalben fort, die nur von Jnseklen leben. Selbst die Nahrung junger Sperlinge besteht nur zur Hälfte aus Insekten, während ausgewachsene Sperlinge fast gar keine Insekten fressen. Ihre Speise besteht aus Samen uns kleinen Vege- tabilien aller Act. Das landwirtschaftl Amt der Bereinigten Staaten will eine Strafe darauf gesetzt wissen, wenn Jemand Sperlinge beschützt, und der kanadische Minister der Landwirtschaft erlaubt Jedem Sperlinge zu schießen.
Wirsingsuppe: Man entfernt von einem mittelgroßen Wirsingkopf die äußeren rauhen Blätter, die größeren Blattrippen und den Strunk, wäscht die übrigen zarten Blätter und das Herzchen in frischem Wasser und wiegt es dann nicht allzufein. Nun wird es in eigroß, gutem Bratenfett mit einer fein geschnittenen Zwiebel durchdünstet, mit einem Kochlöffelchen Mehl angestäubt, nach einigen Minuten mit Fleischbrühe oder siedendem Wasser aufgefüllt und mit dem nötigen Salz, etwas weißem Pfeffer und geriebener Muscatnuß noch eine Weile gekocht. Beim Anrichten verstärkt man die Suppe mit 3 Theelöffelchen Maggi und erspart damit das Legieren mit Eigelb vollständig.
(Geistesgegenwart) Ein Herr unterhält eine Gesellschaft durch Nebelbilder, indem er zu jedem Bilde eine Erklärung giebt. Plötzlich versagt der Apparat, und die Leinwand erscheint völlig dunkel. Der Darsteller weiß sich aber zu helfen und erklärt: „Kampf zwischen Negern in einem Tunnel!"
(Ein Schmeichler.) Hausierer: „Kaufen Sie mir doch eine Stiefelbürste ab, gnädiges Fräulein!" — Dame: „Das sind doch keine Stiefelbürsten, das sind ja Zahnbürsten!" Hausierer: „Ja, das sind sie allerdings, aber bei Ihren kleinen Füßen sind sie als Stiefelbürsten groß genug!"
(Vernichtende Kritik.) Dichter: „Interessieren Sie sich auch für Lyrik, mein Fräulein?" — Junge Dame: „O ja, ich habe Goethe im Kopf und Schiller im Herzen!" — Dichter: „Da haben Sie also für meine Gedichte kein Plätzchen mehr übrig?" — Dame: „Doch, die habe ich im Magen!"
(Kathederblüte.) Professor: „Ich führe Ihnen jetzt, meine Herren, den Phonographen vor. Zum Lobe dieser genialen Erfindung brauche ich nichts weiter zu sagen — die spricht für sich selbst!"
(Auch eine Ausrede.) „Kellner, ich hatte Kartoffeln bestellt, hier lregt aber nur eine einzige Kartoffel auf der Schüssel! — „Ach, entschuldigen Sie, Herr, ich hatte das „n" nicht gehört."
Rtdaltto», Druck uud Verlag von L. M«h i« Nrueubürg.