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für die Buren; sodann huldigen die Engländer dem Alkohol und schließlich müsse ihnen das Geld ausgehen. Die Nachrichten auS dem Kriegsfeld seien mit Vorsicht aufzunehmen, da die Engländer nur erlogene Berichte bringen. Entsetzlich sei das Los der Burenfrauen und Kinder in den Konzentrationslagern; es lebe kein Kind mehr unter 2 Jahren, da die Mütter keine Nahrung bekämen. Wenn die Frauen ihr Elend beklagen, so heiße cs: Sorgt, daß eure Männer die Waffen niederlegen, dann bekommt ihr Brot! England habe die Absicht, die Goldfelder zu bekommen und das Niederdeutschtum auszurotten. Er (Redner) möchte bitten, daß in Deutschland für die unglücklichen Frauen etwas geschähe, das Geld werde gewiß gut angewandt werden; heißer Dank der Buren sei allen gewiß, die die Not des Volkes lindern. Diesen schlichten und überzeugenden Darstellungen folgte stürmischer Beifall der Anwesenden. In weiteren Reden kamen die Gefühle der Sympathie für das stammverwandte tapfere Volk zu beredtem Ausdruck. Hr. Kaufmann Bäuerle kritisiert die grausame Kriegsführung der Engländer und Hr. Handelslehrer Stracke weist mit Entrüstung die schamlosen Angriffe des engl. Kolomalministers Chamberlain auf die deutschen Krieger von 1870,71 zurück. Der Krieg Englands sei ein Raubkrieg der schlimmsten Sorte, ein Krieg mit Mord und Todtschlag um des Diebstahls willen. Deutschland habe 400 000 Kriegsgefangene gehabt, aber keinen verhungern lassen, obgleich mancher Turko es wert gewesen wäre. Es sei der Gedanke leider nicht von der Hand zu weisen, daß England durch die Konzentrationslager die Buren ausrotten wolle; es sei deshalb not, daß andere Völker für die Buren ein- ! treten. Ganz abgesehen von der idealen Seite habe die Sache auch noch praktische Bedeutung. Unsere Interessen in ganz Afrika nämlich erfordern, daß die Buren Sieger bleiben, sonst seien unsere Kolonien wertlos. Zum Schluß forderte der Redner auf, den Buren unsere Sympathie zu zeigen und sie mit Geld zu unterstützen. In kerniger, humoristischer Weise zieht Hr. Oberamtsarzt I)r. Müller einen Vergleich zwischen den Engländern und den Deutschen, muntert die Buren zu tapferem Widerstand auf, und weiht ein Hoch der Jugendkraft der Germanen. Hr. Mittelschullehrer Müller empfiehlt hierauf folgende Resolution: Die heute hier versammelten 600 Frauen und Männer der Stadt Calw und Umgebung weisen nüt Entrüstung die schamlose Beschimpfung der deutschen Krieger von Seiten Chamberlains zurück, der sich nicht gescheut hat, die deutsche Kriegführung mit der Grausamkeit der Engländer auf eine Stufe zu stellen. Die Resolution fand einstimmige Annahme. Zahntechn. Bayer giebt der Entrüstung noch weiteren Ausdruck, worauf der Vorsitzende allen Rednern und Anwesenden herzlichen Tank für die Unterstützung der guten Sache ausspricht. Der gemeinsame Gesang des Liedes „Deutschland, Deutschland über alles"
schloß die erhaben verlaufene großartige Versammlung. — Eine am Saalausgang aufgestellte Sammelbüchse erzielte eine reichliche Einnahme, wie wir nachträglich hören, 350
* Calw, 17. Nov. Gestern abend fand in der Brauerei Dreiß das jährliche Prüflings- konzert der Höfer'schen Musikschule statt. Das Programm war sehr sorgfältig zusammengestellt und enthielt Orchester-, Violin-, Klavier- und Cellovorträge. Die Reihenfolge wurde eröffnet durch ein flottes Orchesterstück, hierauf folgten die Einzelvorträge der jüngeren Schüler. Es war interessant, die Fortschritte und die höheren Ansprüche zu beobachten, wie sie dem Zuhörer der Reihe nach zu Gehör kamen. In der 2. Abteilung des Programms wurden von den vorgerückteren Schülern und von sonstigen Musikfreunden sehr gute Leistungen geboten. Insbesondere zeigte sich der Leiter des Konzerts, Hr. P. Höfer, in einem brillant vorgetragenen Violinstück als ausgezeichneter Violinspieler. Das ganze Arrangement verdient rühmenswert hervorgehoben zu werden, sämtliche Leistungen wurden mit großem Beifall ausgezeichnet und die Vorträge zeigten, daß in der Musikschule Tüchtiges geleistet wird.
Calw, 17. Nov. Am gestrigen Tage erstattete der Landtagsabgcordncte Hr. Rechtsanwalt Kraut und der Reichstagsabgeordnete Hr. Redakteur Schrempf in Gechingen und Stammheim in zahlreich besuchten Versammlungen Bericht über die letzte Session des Land- und Reichstags. Ebenso fand heute im Waldhorn hier eine Versammlung statt, in welcher die beiden Herren ebenfalls über dieselben Verhandlungen zu den Wählern sprachen. Wir werden in nächster Nummer dieses Blattes Näheres darüber berichten.
Calw. Am letzten Samstag nachmittag ereignete sich in Liebenzell ein höchst bedauerlicher Unglücksfall. Der im Sägwerk von L. Wagner in Ernstmühl als Fahrknecht angestellte Karl Wilh. Günthner von Sprollenhaus kam auf dem Bahnhof beim Abladen eines Langholzwagens unter die herabstürzenden Stämme; innerlich schwer verletzt wurde er ins hiesige Krankenhaus gebracht, woselbst er eine Stunde später verschied. Er hinterläßt eine Frau und 5 Kinder.
sAmtlicheS aus dem Staatsanzeiger.f Von der Kaih. Oberschulbehörde ist am 15. d. M. die erledigte Lehrstelle in Nordstetten OA. Horb, dem Schnlamtsverweser Albert Wekemann in Calw übertragen worden.
x. Hirsau, 17. Nov. Nachdem die Schwierigkeiten, welche der Gemeinde Hirsau für den Erwerb einer zur Wasserversorgung erforderlichen Quelle in den Weg gelegt wurden, nach jahrelangen Verhandlungen vor kurzer Zeit endlich glücklich behoben worden sind, befindet sich gegenwärtig die Ausführung der Wasserleitung in flottem Gang. Im Gegensatz zu den von italien. Arbeitern ausgeführten Grabarbeiten, die rasch von statten gehen.
nimmt das Legen der Leitungsröhren, trotz der überaus günstigen Witterung, nur einen schleppenden Fortgang, so daß eine Fertigstellung der Anlage noch nicht abzusehen ist. Ein Gang durch Hirsau bei Nacht ist infolge der überall in Angriff genommenen Grabarbeiten, dank einer sehr tristen Beleuchtung zur Zeit recht gefährlich. So anerkennenswert der Fortschritt der Gemeinde Hirsau durch eine eigene Wasserversorgungsanlage ist, bleibt es bedauerlich, daß Hirsau nicht gleichzeitig zur Einführung der Gasbeleuchtung mit Anschluß an das städtische Gaswerk in Calw entschließen konnte, zumal der halbe Weg dahin für eine Rohrleitung geebnet war. Es darf dagegen wohl gehofft werden, daß mit dem Abschluß der Wasserleitungsarbeiien der Wiesenweg nach Calw — jetzt infolge der an demselben erstandenen 4 Landhäuser Villen-Straße genannt — seiner neuen Benennung entsprechend umgestaltet und beleuchtet wird. — In den Parterre-Räumlichkeiten des früheren Feldweg'schen Gebäudes wurden in letzter Zeit hübsche und geräumige Wirtschaftslokalitäten eingerichtet, welche der als Gastwirt und insbesondere als Koch im Nagoldthal wohl renommierte Herr Kuhnle, früherer Besitzer das Gasthofs z. Hirsch in Liebenzell, pachtweise übernommen hat. Zu der gegenwärtigen Entwicklung Hirsau's in jeder Beziehung, paßt allerdings eine veraltete ortspolizeiliche Vorschrift, wonach der Aufenthalt in Wirtschaftslokalen nur bis abends 11 Uhr gestattet ist, nicht mehr, und wäre es daher zu wünschen, daß die zur Zeit hier kursierende Petition um Aufhebung der sogenannten Polizeistunde von Erfolg begleitet ist.
Freudenstadt, 15. Nov. Die seit Anfangs J-nuar vorigen Jahrs im Bau befindliche, 18 km lange Murgthalbahn Freudcnstadt —Kloster- Reichenbach wird kommende Woche dem allgemeinen Verkehr übergeben. Als erster Betriebstag wird amtlich der 21. Nov. genannt. Der 20. hätte ein allgemeiner Fest- und Einweihungstag werden sollen. Aber die drei beteiligten Gemeinden Freudenstadt, Baiersbronn, und Kloster-Reichenbach konnten sich bedauerlicherweise über eine gemeinsame Feier nicht verständigen.
Von der Iller, 13. Nov. Auf der Straße Steinheim-Memmingen kamen mehrere Radfahrer mit Bauernburschen in einen Streit, der so ausartete, daß auf beiden Seiten die Messer benützt wurden. Ein Schreinergeselle aus Memmingen erhielt dabei einen Stich in das Herz und blieb xiuf der Stelle tot. Ein Kaufmann von dort wurde als mutmaßlicher Thäter verhaftet.
Augsburg, 15. Nov. Ein erfreuliches Ergebnis hatte die von hiesigen Chinakriegern an das Kriegsministerium eingereichte Eingabe. Es wurden nämlich dieser Tage 16 aktive Teilnehmer an der Expedition und 1 Reservist vor das hiesige Bezirkskommando geladen, woselbst ihnen versichert wurde, daß ihren Wünschen um Zivilversorgung
„Nein, nein, meine Liebe!" erwiderte die Alte hastig. „Niemand weiß cs. Legen Sie sich nur ruhig hin!"
„O. jetzt weiß ich es, Matthews! Sie sprachen von Antony! Kommt, gesteht mir die Wahrheit: hat dieser Mann gelogen oder ist Antony Melstrom das Kind, von dem Ihr mir gesagt, cs habe nie geatmet?"
„O, meine liebe Lady, was soll ich Ihnen darauf antworten?" entgegnete die Dienerin in sichtlicher Verwirrung.
„Die Wahrheit, nichts als die Wahrheit!" war die ungeduldige Erwiderung. „Ihr wißt um die Sache und bei Gott, ich erwürge Euch, wenn Ihr es mir nicht sagt!"
Sie sah so drohend aus in ihrer leidcnschaftlilchen Erregung, aus ihren Augen brach ein so wilder, qualvoller Blick hungernder Menschenliebe, daß die Alte erschreckt zucückwich.
„Ich kann nicht, Wilady!" stammelte sie, „ich habe einen Eid geschworen, das Geheimnis nie zu verraten. Wollen Sie mich meineidig machen?"
„Aber mein Bruder dachte ja nicht daran, daß andere es ergründen würden. Matthews, im Namen meines toten Bruders spreche ich Euch von dem Schwure los! Und nun um Gotteswillen, quält mich nicht länger, sagt mir die Wahrheit."
„Ich kann es Ihnen nicht verweigern, Milady! Ja, Antony ist Ihr Kind. Auf Milords Befehl nahm ich ihn von Ihrer Seite weg und übergab ihn meiner Schwester, bis er nach Gardenholm gebracht wurde, um Lady Culwarren's toten Sohn zu ersetzen. Aber bitte, vergessen Sie nicht, daß es auf Befehl Ihres Bruders geschah und daß wir beide glaubten, es sei so am besten für Ihre Ehre und Ihre Zukunft."
Miß Paget schien dis letzten Worte nicht gehört zu haben. Hie war von ihrem Lager aufgesprungen und unfähig, den entfesselten Sturm ihrer Gefühle zu beherrschen, ging sie heftig erregt im Zimmer auf und ab.
„Mein Kind!" murmelte sie. „Antony mein Kind! Wie konnten Sie es wagen, mir weiß zu machen, daß es tot sei. O, jetzt begreife ich, warum rs mich immer so mächtig zu ihm hinzog! Es war die Kraft der Mutterliebe, die sich unbewußt in mir regte! O, mein Kind, mein Sohn! Matthews!" wandte sie sich an die alte Dienerin, die ängstlich nach ihr hinblickte, „Ihr braucht Euch nicht zu fürchten! Ich verzeihe Euch Eueren Anteil an dem Betrug, — Ihr habt es ja gut gemeint. Und ich bin so glücklich, daß mein Knabe lebt, — so glücklich, — ich könnte jetzt selbst die bittere Vergangenheit segnen."
„Doch, Milady, was wird nun geschehen?"
„Ich weiß es noch n'cht. Vorläufig kann ich nur an das Eine denken, — daß er mir gehört. O Matthews, es war doch grausam mir mein Kind wegzunehmen!"
„Aber wir dachten, es sei das Beste für Sie, Milady!" entschuldigte sich die Alte schluchzend Ihr Bruder wollte Sie vor weiterer Sorge und Schande bewahren und als er Sie nach einigen Jahren hierher brachte, ließ er mich schwören. Ihnen nie zu verraten, daß Antony Ihr Sohn sei."
„Mein Bruder hatte die besten Absichten, aber es war doch eine Grausamkeit. Das Recht einer Mutter sollte unantastbar sein. Jetzt verstehe ich auch, warum er mich unter anderem Namen hierher zu meinem Sohne brachte! Und als er im Sterben lag, hat er mir so oft geboten, Antony zu lieben, zu behüten! O welches Glück, daß ich meinen Liebling wieder habe. Doch, o mein Gott!" rief sie, sich plötzlich besinnend, „ich darf mich ihm ja nicht zu erkennen geben, darf niemals das süße Wort: „Mutter" von seinen Lippen vernehmen! Matthcw's, wie soll ich das ertragen?"
„Sie waren bisher so stark und tapfer, Milady, — um seinetwegen bleiben Sie mutig!" (Fortsetzung folgt.)