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in Hedelfingen bedienstete, verheiratete Knecht Eberhardt. Derselbe wollte von seinem Wagen Hopfenstangen in einen Eisenbahnwagen ein- laden. Als er die Ketten losgemacht hatte und sich bückte, rollten einige Stangen über den Wagen herunter und schlugen ihm das Genick ab. Derselbe war sofort tot.
Ausland.
Der ö st e r r. - u n g a r. Minister des Aus> wärtigen, Graf Goluchowsky. weilte in letzter Zeit mehrere Tage in Paris und hatte auch mehrfache Unterredungen mit dem französ. Minister des Auswärtigen Hanotaux. Was die beiden Minister mit einander ausgemacht haben, wird natürlich nicht bekannt gegeben. Allem Anscheine nach dürfte es sich bei diesen Besprechungen um die kretische Frage gehandelt haben, die nach dem erfolgten griechisch-türkischen Friedens- schluß wieder in ein recht akutes Stadium ge- treten ist.
Die französische Panama-Untersuchungskommission befindet sich in einer geradezu komischen Lage. Der Justizminister verweigert ihr die Herausgabe von Akten unter dem Vorgeben, er habe keine solche im Besitz. Von Cornelius Herz ist auch keine schriftliche Zeugenaussage zu erlangen und die Kommission persönlich zu empfangen, hat der berühmte Ober- panamist bekanntlich nach anfänglicher Zusage wieder abgelehnt und doch soll die Untersuchungskommission in kürzester Frist einen ausführlichen Bericht erstatten.
Infolge der energischen Vorstellungen der fremden Botschafter in K o n st a n t i n o p e l hat sich der Sultan endlich dazu herbeigelassen, die von den Großmächten vorgeschlagenen Friedensbedingungen anzunehmen. Griechenland hat 4 Mill. Pfd. Sterl. an die Türkei als Kriegsentschädigung zu zahlen und bis zur fälligen Bezahlung dieser Schuld dürfen die Türken Tyrnawo und den weiter nördlich liegenden Teil Thessaliens besetzt halten. Das übrige Thessalien ist innerhalb 21 Tagen nach Unterzeich- nung des Friedensvertrags von den türkischen Truppen zu räumen. Die Türken behalten aber alle Uebergangspässe nach Thessalien, sowie einige Dörfer südlich des Gebirges. Nun beginnen aber neuerdings die Schwierigkeiten auf der Insel Kreta. Die Großmächte können und wollen die Insel nicht auf die Dauer besetzt halten. Ziehen sie aber ihre Schiffe und ihre gelandeten Truppen zurück, so werden die Muhamedaner auf der Insel zweifellos samt und sonders abgeschlachtet. Die Türkei will daher etliche 30 Personen nach Kreta entsenden, um dort den Ausstand niederzuwerfen. Dies wollen aber die Großmächte auch nicht dulden und so befindet sich die ganze Geschichte wieder in einem fehlerhaften Zirkel, au» welchem herauszukommen noch kein Weiser einen praktischen Rat finden konnte.
Einer in politischen Kreisen umlaufenden Meldung zufolge hat der Zar verfügt, daß d er serbischenKriegsverwaltung 40000 Berdangewehre aus dem Arsenal von Tula und 25 Millionen Patronen aus dem Arsenal von Moskau als Geschenk des Kaisers überlassen Verden.
Die Japaner sind allen Ernstes gewillt, eine Annexion der Insel Hawai durch die Vertreter von Nordamerika nicht zu dulden. Einstweilen haben die Amerikaner ein ganzes Schiff (viele haben sie nicht) nach Honolulu, der Hauptstadt von Hawai, gesandt. Wenn aber die Japaner ihre Kriegsflotte gleichfalls dorthin senden, wie sie jetzt förmlich angedroht haben, so muß daraus eine Katastrophe entstehen. Die europäischen Großmächte sind schlau genug, sich in diese Differenzen zwischen Japan und den Vereinigten Staaten nicht einzumischen.
Unterhaltender Teil.
Schurkenhoheit.
Eine wahre Begebenheit, nacherzählt von C. Schott.
Vor ungefähr 40 Jahren war es im freien Amerika mit den Gesetzen noch recht absonderlich bestellt. Wurde Jemand erschlagen oder auf
andere Weise getötet, so wurde gerichtlich nur auf Veranlassung eines Dritten gegen den Mörder eingeschritten; die Staatsgewalt war nicht verpflichtet, eine Anklage zu erheben. Kein Wunder, daß unter solchen Umständen rohe Gewalt herrschte.
Es mögen wohl 35 Jahre her sein, daß ich zum ersten Male San Franziskos Straßen durchwanderte.
Hier und da blieb ich stehen, um Eigenartigkeiten, die sich mir im vollsten Maße dar- botcn, zu betrachten. Plötzlich wurde meine Aufmerksamkeit auf ein Lokal gelenkt, aus welchem wutschäumende Laute drangen. Ich schaute in die offen stehende Thür.
Dichter Tabakqualm hielt zuerst jeden Blick ab, aber nach und nach vermochte ich eine Anzahl Männer zu erkennen, welche um einen Tisch bei den Karten saßen. Einer dieser Männer schlug mit der geballten Faust auf den Tisch und versicherte mit dem Gebrüll eines Löwen, übervorteilt worden zu sein.
„Falsch gespielt!" hörte ich aus dem Wortschwall einige Mal heraus. Ich suchte mich aus der Menge, die sich nach und nach angesammelt hatte, frei zu machen und schritt weiter.
Kaum hatte ich jedoch zwei Straßen passiert, als ich wiederum verworrenes Schreien hinter mir vernahm.
Mich umwendend, sah ich zwei Männer die Straße heraufstürmen. Man sah sofort, daß der Eine vor dem Andern floh. Als sie näher kamen, erkannte ich in dem Verfolger den Mann, der sich benachteiligt im Spiele geglaubt.
Jetzt hatte er den Flüchtenden eingeholt. Keuchend stieß er nochmals „falsch gespielt!" hervor, zog einen Revolver und feuerte ihn auf die Brust seines Zechbruders ab. Ohne ein Laut von sich zu geben, fiel der Getroffene tot zu Boden.
Abermals entstand ein Auflauf, aber niemand machte Miene, den Mörder zu ergreifen, der jetzt unbehelligt mit erschreckendem Gleichmut seinen Rückweg antrat. Polizisten, die sich indessen ebenfalls eingefunden, machten sich daran, den Leichnam fortzuschaffen.
„Aber mein Gott", wandte ich mich an einen vorübergehenden Herrn, der gleich mir die erschütternde Szene gesehen hatte, „weshalb verhinderte man das Unheil nicht, und warum läßt man den Mörder laufen?"
„Weshalb?" erwiderte der Mann und sah mich erstaunt an. „Es ist ja Jim. Kennen Sie ihn nicht?"
„Jim? wer ist das?"
„Jim ist ein Räuberhauptmann, vor dem ganz San Franzisko zittert. Wer je unter seine Finger kommt, hat zu leben aufgehört. Er ist das Haupt einer organisierten Bande, und in seiner Hand liegt auch das Wohl und Wehe seiner Spißgesellen. Der Erschossene war sicher einer derselben."
„Um des Himmels willen, warum schreitet die Polizei nicht gegen diese Bande ein?"
„Die Polizei? ha, ha ha! — Woher kommen Sie denn?"
Eine Antwort wartete der Herr nicht ab, er wandte sich um. steckte seine Hände in die Paletottasche und ging seiner Wege.
Ungefähr fünf Jahre nach diesem Erreignis ritt ich von * nach *, um mich von dort aus mit dem Dampfer nach San Franzisko zu begeben.
Bereits 5 Stunden saß ich zu Pferd. Die Sonne war längst untergegangen, als ich eine Farm passierte.
Zur damaligen Zeit stand die amerikanische Gastfreundschaft noch in hoher Blüte. Ein Farmer stand vor seinem Hause und ersuchte mich abzusteigen.
„Paßt auf," warnte er, „die Dunkelheit ist hereingebrochen, Euer Pferd ist müde, Ihr erreicht den Hafen nicht mehr, bis dahin aber giebt es weder Farm noch Zelt."
„Ich komme noch hin. Freundchen", antwortete ich unbesorgt, „mein Pferd trägt mich noch zwei Stunden, und ich kenne den Weg."
Noch eine kurze Strecke legte ich zurück, dann ward es dunkel, daß ich die Hand nicht
vor Augen sehen konnte. Langsam ritt ich nun vorwärts. Plötzlich sträubte sich mein Pferd weiter zu gehen und war durch nichts von der Stelle zu bringen. Was blieb mir übrig? Ich stieg ab, band mein Roß an einen nahestehenden Baum, breitete meinen Mantel auf die Erde, streckte meine vom Reiten steif gewordenen Glieder darauf aus, und bald war ich von Müdigkeit übermannt eingeschlafen.
Als ich am frühen Morgen erwachte und mich erheben wollte, konnte ich kein Glied rühren. Hilfesuchend sah ich mich um, keine Menschenseele rings umher. Nur das Rauschen des Meeres vernahm ich, und dies machte mir klar, wodurch ich gelähmt war. Ich hatte zu dicht am Meere gelegen, der Wind hatte meine Glieder erstarrt. Dem Instinkt meines Tieres hatte ich mein Leben zu verdanken; ich wußte nicht, als ich es antrieb. daß gerade die Fluth eingetreten war und das Wasser über die gewohnten Grenzen hinausgedrängt hatte.
Die Sonne kam höher herauf und durchwärmte meine steifen Glieder. Ich konnte jetzt, wenn auch mit Anstrengung, wieder mein Pferd besteigen.
Ich ritt lange, ohne den nächsten Ort zu erreichen, und ich glaubte doch den Weg genau zu kennen. Endlich bemerkte ich mit Schrecken, daß ich mich verirrt hatte.
(Schluß folgt.)
Im Leipziger Tagblatt findet sich folgende neue Form eines Heiratsgesuchs: „Zwanzigjährige junge Dame, einfach und liebenswürdig, einziges Kind eines Millionärs, ist behufs Ehe gegenwärtig in der Sommerfrische kennen zu lernen." — (Da kann doch der Erfolg unmöglich ausbleiben!)
(Aus dem Aufsatzheft der kleinen Ella.) „Ein Gewitter entsteht, wenn zuviel Wärme und Elektrizität in der Luft vorhanden ist, und dann kommt Regen. Blitz und Donner, und man darf nicht telephonieren, und davon kühlt sich die Luft ab."
(Hausherr) (in vorgerückter Stunde, als die Gäste, lauter gute Bekannte, nicht ausbrechen wollen): „Und nun ersuche ich Sie, meine Herrschaften, auf mein Wohl den Saal zu leeren . . ."
Auflösung der Charade in Nr. 117.
Der Korkzieher.
Buchstaben-Rätsel.
12 3 Ihr Jagdgesellen,
Macht Euch fertig schnell zum Schuß!
Laßt die Hunde wacker bellen!
3 2 1 ich haben muß 2 1 3 2 hat gemacht Uns schon manches Mal die Jagd;
1 2 3 3 soll nicht schelten.
Das mit Undank wir vergelten.
Telegramme.
Heilbronn, 30. Juli. Die Gemeindekollegien haben in gestriger Sitzung in der Bottwarthalfra ge das Projekt, die Tunnellinie auszuführen, einstimmig genehmigt. Die Stadt tritt den erforderlichen Grund und Boden kostenlos an den Staat ab; auch wird ein Beitrag von 165 000 vlL zu den Mehrbaukosten geleistet. Damit ist eine lange schwebende Frage hoffentlich zum Wohle der Stadt erledigt.
Kirchheim, 30. Juli. Seine Majestät der König hat genehmigt, daß die Ermsthalbahn verstaatlicht wird. Es ging soeben der Privatgesellschaft die betr. Kündigung zu. Vom 1. Januar 1899 soll der Betrieb vom Staat übernommen werden.
P h i l i p p o p p e l. 30. Juli. Urteil im Prozeß Boitschew. Rittmeister Boitschew und Polizeipräfekt Novclitsch wurden zu lebenslänglichem schweren Kerker, der Gendarm Wanliew zu 6 Jahren 8 Monaten verurteilt. Nikola Boitschew wurde sreigesprochen.
Warschau. 30. Juli. In der Stadt Studzianki im Gouverment Grodno brannten 117 Häuser ab.
Redaktion» Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.