Ein, zwei, drei Monate vergingen, seit Johann Rumpel seine neue Freiheit genoß, und Herr von Tunpe fing schon zu denken an, daß der Einbrecher sein Rachcgelüst aufgegeben habe. Sorgloser begann der Villenbesitzer nachts seine Glieder auszustrecken, ja. er brachte sogar in seiner Mappe allerhand Wertpapiere heim, um sie in seinem Geldschrank aufzubewahren.
Eines Nachts jedoch, als der Herr Staats- anwalt in süßem Schlummer auf weichem Pfühle lag, schob ein dünner Streifen weißen Lichts in seinem Hintergarten für einen kurzen Augenblick auf. Die mächtige Bulldogge, Bendigo, die mit einem Auge offen schlief, meinte etwas wahrzunehmen, was rechtmäßig nicht in den Garten gehörte, und stieß ein tiefes Warnungsgeheul aus.
Zu ihrer Ueberraschung fiel aber ein hastiges, für eine epikuräische Hundeschnauze stilgerecht zubereitetes Stück Pferdefleisch wie durch Zauber gerade vor ihre Nase hin.
Mit dem schnarchenden Geknurre, das bei ihr den Ausdruck der Freude bezeichnte, fiel die Bulldogge darüber her und beschnüffelte es; dann ließ sie die Zunge darüber fahren und es schmeckte noch delikater, als es roch.
Bendigo verschlang es und da sie keine weiteren Stücke umher liegen sah, machte sie Kehrt, um nach der Hundehütte zurückzukehren. Bevor sie dieselbe jedoch zu erreichen vermochte, wurden ihre Glieder steif und sie rollte ohne einen Laut in den Sand — starr und tot.
Wenige Minuten später arbeitete ein wundervoll geschliffener Zentrumbohrer seinen Weg still, aber sicher durch die eisernen Fensterläden des Herren Staatsanwalts.
ES dauerte nicht lange, so wurden die Fensterläden leise herausgehoben und wieder geschloffen und Johann Rumpel hatte im Frühstückszimmer Platz genommen, auf das sein Blendlaternchen seine leichten Blitze schießen ließ.
Die Lichtscheue haftete einen Augenblick auf einem Schränkchen, dessen Schloß Herr Rumpel sodann gemächlich in Angriff nahm.
„Rechnungen," brummte er, „un' alle beglichen. Wat vor'n Verschwender der Mensch sin muß, um sein Geld mit Rechnungen bezahlen zu vergeuden, 's giebt Leute, die den Wert des Geldes ihr Lebtag nicht cinsehen lernen. Der verdient sein Geld nich' so sauer wie ich."
Darauf schlich er sich auf Filzsohlen, die nicht das leiseste Geräusch verursachten, in ein Zimmer, das dem Herrn Staatsanwalt als eine Art Privalbureau diente.
„Del >s ichon besser", kicherte der Einbrecher vor sich hin, als er einen Sicherhcits- schrank in der Ecke gewahrte, und wieder trat der Zentrumbohrer seine Arbeit an. Aber es war keine leichte Arbeit und Herr Rumpel mußte zu Brecheisen und Feile greisen und seine Stirn bedeckte sich mit dicken Schweißtropfen, ehe die Thür die leiseste Neigung zeigte, sich in ihren Angeln zu bewegen.
„Hätte ich den Hallunken, der die Arbeit gemacht hat, unter meinen Fäusten," knurrte Rumpel, „so sollte ihm die Lust vergehen, eine zweite solche Arbeit zu machen. So'n Einfall von Leuten, sich dergleichen ungeschicktes Zeug's in ihre Wohnung uffzustellen! Det thun se nur um Unseren unnötigen Plack zu verursachen."
Schließlich aber gaben die Thürangeln den stillen aber brutalen Angriffen des Brecheisens und der Feile nach, und schnell die inneren «Schubladen aufbrechend, sah Herr Rumpel unter dem Schein der Blendlaterne den Inhalt der Fächer durch.
„Ooch gut!" sagte er und begann zu fluchen. „Nach all' dem sauren Schweiß nischt, als en'n Haufen schmierigen Pergaments, der kaum lO Märker wert is!" und er warf aufgebracht die Papiere durcheinander, deren Nennwert sich auf Hunderttausende belief.
Als er jedoch die letzte Schublade aufbrach, entfuhr ihm ein vergnügtes „Endlich!" Da breitete sich ein Haufen sauberer Bläulinge aus, die dem Herrn Staatsanwalt behufs Ausfertigung von llebergabsurkunden nach Schluß der Geschästsstunden von einem Klienten übergeben worden waren.
Diese stattliche Summe hat der späten Stunde wegen ihrem Bestimmungsort heute nicht mehr zugcführt werden können.
Herr Rumpel stopfte sich die Taschen mit den Banknoten voll und wollte sich eben seiner Handwerkszeuge bemächtigen, um seiner Wege zu gehen, als er zu seiner Freude auf dem Tisch eine Flasche Portwein und — ein Bierglas gewahrte.
„Is doch 'en guter Mensch," monologisierte er, „det er nich' nur für Unterhaltung, sondern ooch noch für 'uen juten Droppen sorjen dhut. Aber een Bierjlas! Hält er nich' jleich cne Suppenschüssel Herstellen können? Ick drinke keenen Portwein jern aus 'n Bierjlase. Muß det 'ne durschtge Seele sind!"
Dabei ergriff Herr Rumpel die Flasche, setzte sie an die Lippen und trank — und trank — trank sie leer bis auf die Hefe.
Er stellte die Flasche auf den Tisch und griff nach seinen Werkzeugen. Er war ein Bischen müde nach den gehabten Anstrengungen, hatte es aber vorher so überwältigend wie jetzt nicht empfunden.
Einen Augenblick mußte er ausruhen, so schläfrig fühlte er sich. Wenn die Portweinflasche mehr als zur Hälfte angefüllt gewesen wäre, so hätte er geglaubt, er sei betrunken.
„Det jeht aber nich!" murmelte er. „Ick muß an die Geldklappe zurück. Herrjemine! Wat bin — ick — schläfrig! Ahhh!" Und er gähnte laut.
Er versuchte aufzustehen, konnte es aber nicht. Einen Augenblick durchrieselte ihn ein banges Gefühl, aber es erstarb in einem tiefen betäubenden Schlummer Seine Arme sanken auf den Tisch und der Kopf sank dazwischen.
Und so fand ihn fünf Stunden später der Herr Staatsanwalt Doktor Emil von Timpe, der gemütlich in seinem Schlafrock daherkam. Einen Augenblick fuhr er zusammen, dann be- merkte er:
„Mein Freund ist ein Mann von Wort — wofür ich ihn von Anfang an gehalten habe. Aber freilich fing ich bereits an, an ihm zu zweifeln. Die Glasscherben aus der Mauer, die Bulldogge, die elektrischen Klingeln und die Eisenläden haben also insgesamt nichts geholfen. Nur mein eigener Einfall mit der stark gewürzten Portion Portwein, die ich seit dem Urteilsspruch dieses würdigen Herrn auf den Tisch gestellt habe, hat ihre Sache vortrefflich gemacht."
Und darauf begab sich der Herr Staats anwalt zu der patentierten Alarmpfeife in seinem Zimmer und weckte alle Schläfer im Hause, nur den Einbrecher nicht, der noch stundenlang weilerschlief und erst erwachte, als er sich schon längst auf der harten Pritsche einer Polizeistationszeüe befand.
Er sitzt jetzt eine Strafhaft von zwölf Jahren im Zuchthause ab und hat Muße genug, darüber nachzugrübeln, daß es nicht ungefährlich ist, mit den „Herren vom Recht" anzubandeln.
In der Voraussicht, daß der Husarenoberst a. D. v. Podbielski zum Generalpostmeister in Berlin ernannt wird, bringt der „Kladderadatsch" folgenden Beitrag: „So lang wie breit". In politischen Kreisen wird das Gerücht verbreitet und allgemein geglaubt, der Generalmajor a. D. v. Podbielski sei zum Staatssekretär des Reichspostamts bestimmt. Geringeren Glauben findet die Nachricht, daß der bisherige Unterstaatssekretär im Reichspostamt Dr. Fischer nächstens eine Kavalleriebrigade erhalten werde. Warum diese Mitteilung auf Widerspruch stößt, ist unklar. Herr Fischer würde doch jedenfalls das bischen Reiten schneller heraushaben als Herr v. Podbielski das komplizierte Postwesen. Ferner: „Ist es richtig, daß General Podbielski darum einkommen will, seinen Namen in Po st- bielski umändern zu dürfen?"
Der kommende Man«.
Siehste woll, da kimmt er,
Lange Schritte nimmt er,
Siehste woll, da naht er sich,
Bloß wer's is, des weetzte nich! (Lu st. Bl.
(Die Pappel als Blitzableiter.) Nach einer genauen Prüfung von zehn Fällen von Blitz
schlägen in Pappeln, von denen der Blitz auf benachbarte Gebäude übersprang und Zündung oder Schädigung hervorrief, wodurch die landläufige Vorstellung als Schutzbaum also gründlich zerstört ist, kommt Dr. C. Heß zu folgenden Ergebnissen: Die Pappel bildet einen Anzieh, ungspunkt für den zur Erde niederfahrenden Blitz. Als wirksame Blitzableiter können nur diejenigen Pappeln angesehen werden, welche eine vollkommene, bis nahe zum Boden reichende Krone besitzen, mindestens 2 Meter vom nächsten Punkte des Gebäudes entfernt sind, auf vollständig durchnäßtem Grunde stehen oder auf ihrer Seite einen Wasserbehälter (Teich. Grube, Bach) haben und denen am Gebäude keine Metallmassen gegenüberstehen, die nicht abgeleitet sind. Hochbesstete oder nur spärlich be- astcte und belaubte Pappeln in der Nähe der Gebäude (näher als 2 Meter) bilden stets eine Blitzgefahr, die um so größer ist, je kürzer die Krone und je näher der Standort am Gebäude ist.
Kirschwein. Zur Herstellung desselben müssen die zur Verwendung gelangenden Kirschen vollkommen reif sein. Die Kerne werden nicht entfernt, vielmehr dieselben mit dem Fleisch so fein als möglich zerquetscht, denn durch das in den Kernen enthaltene Bittermandelöl erhält der Saft einen besonderen Wohlgeschmack. Die zerkleinerte und zerquetschte Kirschmaffe bringt man in hölzerne Tröge und läßt sie in denselben einige Tage. Darauf wird der Saft gut ausgepreßt und nachdem er mit Cognac und Zucker — auf 50 Liter Saft '/» Liter guten Cognacs und 2'/» Kilo besten Zucker — versetzt ist, in Fässer gefüllt. (Nachdruck verboten.)
Neben den amerikanischen Aepseln tauchen jetzt auch australische auf. Da es mit der deutschen Obsternte nicht besonders aussteht, findet das fremde Obst guten Absatz.
(Schutz der Bäume gegen Spatzen.) Ein Gartenfreund kam auf den Gedanken, eine Spule weißen Nähfaden (25 ^Z) fortwährend über den Baum zu werfen; letzterer wurde nun so mit Faden überzogen; die Spatzen bleiben mit den Flügeln hängen und meiden dann sorgfältig diese Bäume.
(Geistvoll.) Auf einer Mastfiehausstellung wird der Landesfürst umhergeführt. „Sehen Durchlaucht nur jene Embleme über der Eingangsthür, weidendes Vieh darstellend," führt dieser unter anderem aus, „sogar jene hohen Stangen rechts und links mit den Fähnlein deuten als Mastbäume finnig den Zweck der Ausstellung an."
(Wie das Volk spricht.) „Das ist der schönste Abschnitt meines Lebens." sagte Studiosus Klamm, da schnitt er den Coupon einer ihm eben durch den Geldbricfträger zagestellten auf vierhundert Mark lautenden Postanweisung ab.
(Diagnose.) Phrenologe: „Was sagen Sie zu dem Zerstörungssinn dieses Mannes?" — Freund: „Sehr bedeutend; ist wohl ein Verbrecher?" — Phrenologe: „Nein, aber ein Möbelpacker!"
Telegramme.
Nürnberg, 4. Juli. Der Festzug nahm bei zwar trübem aber für den Festzug außerordentlich günstigem Wetter einen großartigen Verlauf. Er dauerte l'/r Stunden. Im Zuge waren 5000 Schützen und 30 Musikkapellen vertreten. Auf dem Marktplatz erfolgte in Gegenwart des Kultusministers die Üebergabe des Bundesbanners an die Stadt Nürnberg. Um 3 Uhr nachmittags war Festmahl in der großen Festhalle, woran 3000 Personen teil- nahmen. An den Kaiser und den Prinzregenten wurden Huldigungstelegramme sbgesandt.
Auch, 5. Juli. Der durch die Ueber- schwemmung angerichtete Schaden ist außerordentlich umfangreich. Zahlreiche Häuser sind eingestürzt. l4 Leichen wurden aus dem Wasser gezogen. Die Bevölkerung verlangt Hilfe. Die Gers tritt jetzt in ihr Bett zurück.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.