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Sie wollte ihrer Mutter erst Alles gestehen, und nach einigen Tagen sollte er kommen, sie würde ihn durch einen ersten Liebesbrief rufen. Man trennte sich in der Besselstraße und Willy ging seelig nach Hause.
Nach zwei Tagen kam sein Freund zurück; für einen Trauernden, der einen lieben Angehörigen verloren hatte, sah er ziemlich vergnügt aus, doch freute Willy sich mit dem Freunde, als ihn jener von seiner großen Erbschaft in Kenntnis setzte. — Bis jetzt war noch kein Brief von seiner Asta eingetroffen, und es vergingen auch noch einige Tage, die dem unglücklich wartenden Glücklichen eine Ewigkeit dünkten. Endlich erhielt er einen Brief, allerdings nicht von seiner Braut, sondern von deren Mutter. Diese bat ihn, sie am Nachmittag zu besuchen. Er ging hin.
Willy ballt die Faust, wenn er an diesen Tag denkt, an den schrecklichsten seines Lebens. Alle Weiber, namentlich die Mutter, und alle Freunde, Alles Lügner und Betrüger, die von Verstellung und Hinterlist leben! — Asta hatte er damals nicht zu Gesicht bekommen. Frau von Langen nötigte ihn sehr kühl, Platz zu nehmen; darauf erklärte sie ihm. daß ihre Tochter ihr von seiner und Astas Abmachung im Tiergarten gesprochen habe. Nun kam die gewöhnliche Redensart: Ihre Tochter und sie fühlten sich zwar sehr geehrt durch den Antrag eines Mannes, der schon in so jungen Jahren durch sich selbst etwas geworden sei, jedoch Asta wäre sich wohl in ihrem Gefühl für ihn nicht ganz klar. Wenn sie ihn auch hoch achtete, so wäre es doch wohl keine echte, Alles überdauernde Liebe, und ohne diese könnte man doch nicht heiraten. Er, Willy, sei ja so verständig und würde das wohl einsehen. — Er wankte fort aus den trauten Räumen, die ihm eine zweite Heimat geworden waren, fort, wohin, er wüßte nichts. Ihm war, als wenn er sterben müßte. Doch das Schlimmste kam nach. Einige Tage verstrichen und er erhielt einen Brief seines Freundes Otto, der die kurze Nachricht enthielt, daß er sich soeben verlobt hätte mit — Asta vori Langen. —
„Freundschaft! Liebe! Und da soll man heiraten!" Willy springt auf, „die Menschen taugen alle nichts, scheinheilige Kreaturen sind sie!"' Er sieht nach der Uhr. „Donnerwetter! gleich ein Uhr! ich muß machen, daß ich zum Mittag komme. Der Doktor hat ganz Recht, allein sein taugt nichts, doch heiraten! hol' der Teufel die Weiber! — Ich schaffe mir einen Hund an!" Er kleidet sich rasch an und geht dann nach dem „grünen Baum" zum Mittagesten.
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Am Nachmittag kam der Gärtner aus Ketschendorf mit einem hübschen echten Teckel an. Willibald kaufte diesen für einen sehr geringen Preis und fing, als der Verkäufer fort war, an sich mit seinem neuen Hausgenossen zu befreunden; er gab ihm Futter und freute sich unendlich, daß „Männe" so zutraulich war und aus der Hand fraß. Er ging gleich darauf mit seiner neuen Errungenschaft zum Sattler, kaufte ein schönes Halsband und eine Leine und trat dann mit seinem Hund den gewohnten Spaziergang nach der Veste an.
Einige Tage sind vergangen und wieder sehen wir um die bestimmte Zeit Herrn Fleisch. Hauer seinen gewohnten Spaziergang machen. Männe trabt, jetzt als vollständig zugehörig zu seinem neuen Herrn ohne Leine, vergnügt vor und hinter demselben her. Ihnen begegnen Spaziergänger, die bereits den Rückweg angetreten haben. Auf einmal hört er eine Knaben- stimme rufen: „Männe, Männe, sieh'Mütterchen, das ist unser Männe." — Der Teckel spitzt die Ohren und mit einem Freudengeheul springt er zu dem rufenden Knaben hin. Fleischhauer pfeift und ruft, doch sein Hund kümmert sich nicht mehr um ihn, sondern springt freudig immer an dem Knaben hoch und an einer Dame — der dikke Willy traut seinen Augen nicht — ist rS Wahrheit, ist es nur Täuschung?
Nachdem die Dame sich überzeugt hat, daß der Hund, der sie so freudig begrüßt, wirklich ihr ihnen vor einigen Wochen entlaufener Teckel
ist, will sie auf den dort pfeifenden Herrn zugehen. um Erklärung zu fordern, wie er in den Besitz ihres Hundes gekommen sei, — doch sie stutzt.
„Herr Fleischhauer! Sie hier und — mein Hund?"
Der dicke Willy macht ungefähr ein solch verdutztes Gesicht beim Klang dieser Stimme, wie damals, als er bei seinem ersten Ball bei der Damenwahl zum Tanz aufgefordert wurde. — Heute steht abermals dieselbe Dame vor ihm, „seine" Dame, die ihn einige Zeit so glücklich gemacht und dann ihn jäh herausgerissen hatte aus der Glückseligkeit, heraus in die Einsamkeit, die ihn zum Sonderling, zum Menschenoerachter, zum Melancholiker gemacht.
„Asta!" zornig und herbe kommt es von seinen Lippen.
,,Ja, Herr Fleischhauer, Asta Kern steht vor Ihnen", verwirrt zieht sie ihren Knaben zu sich an ihre Seite, „das ist mein Kind, mein Sohn Willy." Dieser betrachtet erstaunt den so böse dreinschauenden Fremden.
Fleischhauer blickt auf und sieht den frischen Knaben, der seinen Namen trägt, wohlwollend an, er sieht das Gesicht der Mutter und bemerkt erst jetzt, daß sie in Trauer ist. Da verschwindet die Bitterkeit.
„Ist das Ihr Hund", fragte er, „ich habe ihn erst vor ein paar Tagen gekauft."
„Ja, das ist unser lieber Männe, ganz gewiß", erwiderte der Knabe.
„Der Hund", fährt Frau Kern fort, „ist uns vor zwei Wochen entlaufen, und seitdem suchen wir ihn. Wir haben schon Annoncen in die Coburger Zeitung setzen lasten."
„Das habe ich nicht gewußt", sagt Fleisch. Hauer, „ich lese die hiesige Zeitung niemals, nur die Tante Voß aus Berlin. — Nun habe ich keinen Hund mehr!" Er sieht wieder so betrübt aus, wie damals auf dem Ball.
Asta Kern war die gewandte Dame der Gesellschaft geblieben So führte sie auch auf dem Heimweg, auf dem der dicke Willy sich ihnen angeschlossen hatte, die Unterhaltung. Als sich ihre Wege auf dem Schloßplatz trennten. ver- sprach Willy, den Gärtner betreffs des Hundes zur Rechenschaft zu ziehen und Asta dann in ihrer Wohnung Bericht zu erstatten. Darauf trennten sie sich nach diesem seit so vielen Jahren ersten unerwarteten Wiedersehen.
(Schluß folgt.)
Man beachte folgende Baderegeln: Die bekannte Vorschrift: „Man gehe mit Vorsicht in das kalte Bad" wird oft falsch anfgefaßt und giebt dann gerade Veranlassung von Erkältungen. Um nämlich nicht erhitzt ins Bad zu gehen, entkleiden sich viele Menschen vollständig und warten dann so lange auf die Abkühlung, bis sie zu frieren anfangen; das ist natürlich falsch. Man muß Wärme zuzusetzen haben, wenn man ins kalte Bad geht, sonst erkältet man sich, weil das kalte Wasser schon an und für sich dem Körper Wärme entzieht, und zwar einem schwächlichen leicht zu viel. So lange man noch erhitzt ist, darf man allerdings nicht baden, man bleibe also angekleidet, bis sich der Herzschlag beruhigt hat: dann entkleide man sich rasch, nehme '/r Minute Brause und gehe schnell ins Wasser, ehe man kalt wird, selbst wenn die Haut noch etwas feucht ist, was an heißen Sommertagen kaum zu vermeiden sein wird. Ferner bleibe man nicht zu lange im Wasser, sondern verlasse das Bad sofort bei eintretendem Frösteln, denn dies ist das Zeichen, daß der Wärmebestand des Körpers erschöpft ist, worüber hinauszugehen leicht gesundheitsschädlich werden kann.
Rudolf Falb sagt im Ganzen sehr annehmbares Wetter voraus. Die ersten zehn Tage des Juli werden wunderschön sein, es wird zwar gewittern, aber nicht allzu sehr regnen. Dann wird es kühl, was doch auch seine Vorzüge hat. Der Schluß des Monats freilich wird Wasser bringen, aber der August wird trocken sein. In den ersten Tagen soll er noch ein weinerliches Gesicht machen, dann
aber wird die Sonne scheinen, in der zweiten Hälfte vielleicht etwas gar zu warm. Und noch in der ersten Hälfte des September, wo besonders anspruchsvolle Naturfeinschmecker noch unterwegs sind, wird jene Trockcnheitstendenz noch nicht gebrochen sein.
Telegramme.
Berlin, 25. Juni. Die Nachricht, daß der Finanzminister Dr. Miquel nach Kiel zum Kaiser berufen sei, wird bestätigt.
Berlin, 25. Juni. Wie die „Kölnische Zeitung" erfährt, wird der Kaiser am nächsten Sonntag, den 27. d. M., in Kiel ein Festmahl zu Ehren des Jubiläums der Königin Viktoria veranstalten. Der britische Botschafter wird sich mit dem gesamten Botschaftsversonal nach Kiel begeben, um auf Einladung des Kaisers an dem Feste teilzunehmen.
Helgoland. 25. Juni, 8 Uhr 15 Min. vorm. Als erste der Jachten, welche an dem Rennen um den vom Kaiser gestifteten Juki- läumspokal teilgenommen haben, und am 23. d. M. von Dover abgefahren sind, ging heute früh 7 Uhr 35 Min. die dem Lord Jveagh gehörige „Cetonia" durch das Ziel. Als zweites Schiff passierte vier Minuten später die „Ariadne" der Frau Meynell Jngramm. Die „Cetonia" ist em Schooner von 203 Tonnen Raumgehalt und mißt 107 englische Fuß in der Länge und 12,4 Fuß in der Tiefe. Die „Ariadne" hat 380 Tonnen Raumgehalt und ist 138 Fuß lang bei 14,7 Fuß Tiefe. Vier weitere Jachten sind in Sicht.
Helgoland, 25. Juni. Der König der Belgier hat sich kurz nach seinem Eintreffen an Bord der „Hohenzollern" zum Besuch des Kaisers begeben.
Paris, 25. Juni. Dem „Matin" wird aus Kairo telegraphiert, man sei in Aegypten durch die Meldung vom Auftreten der Pest in Djeddah in hohem Maße beunruhigt, zumal die Seuche immer mehr um sich greife. Die beschwichtigenden Nachrichten, die von amtlicher Seite ausgingen, fänden keinen Glauben. Man werfe der englischen Regierung vor, sie wolle keine Veränderung der Sperre in Suez, die mit 14 Tagen zu gering bemessen sei. Ein anderes Gerücht, das der Berichterstatter desselben Blattes verbreitet, lautet dahin, das Oberkommando und die Regierung seien mit Bezug auf den Sudan- Feldzug sehr verlegen. Die Ausgaben seien erheblich über die angesetzte Höhe gegangen und es sei nicht unmöglich, daß man den Versuch erneuere, die ägyptische Schuldenkaffe zur Deckung heranzuziehen.
Mit dem 1» Juli beginnt ein neues vierteljährliches Abonnement auf den
„GrrxtlMer".
Wir bitten unsere geehrten Leser die Bestellungen bei der bisherigen Bezugsstelle alsbald zu erneuern, wenn keine Unterbrechung im Empfang des Blattes eintreten soll.
In Reuenbürg abonniert man bei der Geschäftsstelle, sonst überall bei den betreffenden Poststellen und Postboten.
Der Enzthäler enthält bekanntlich die amtlichen Bekanntmachungen sämtlicher Behörden des Oberamtsbezirks. Wie er über die wissenswerten Ereignisse im Bereiche der Politik schnell orientiert, was ihm besonders durch telegraph. Nachrichtendienst möglich ist, so legt die Redaktion großen Wert auf gediegenen Unterhaltungsstoff und Mitteilung gemeinnütziger Sachen.
Wir bitten deshalb alle unsere Freunde, mit uns dafür zu wirken, daß
„Der GuMMer"
in jedem Hause bekannt und heimisch werde.
Privat-Arizeigen
aller Art finden durch den Enzthäler in unserem Oberamtsbezirk die dichteste Verbreitung und sind deshalb von bestem Erfolg.
Wed. u. Merlag des Knzthälers.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.