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stimmig von dem badischen Landtag angenommen worden ist. Daß auch in Baden Fälle vor» kommen, in welchen die Uebernahme der Farren in das Eigentum der Gemeinde den erhofften Erfolg nicht gebracht hat, soll gar nicht be- stritten werden. Es sind da eben ungünstige lokale Verhältnisse im Spiel, welche für die Beurteilung des Systems als solchen nicht in Betracht kommen können. Uebrigens ist auch Hessen dem Vorgang Badens gefolgt und ist sehr gut dabei gefahren. Auch in Württemberg giebt es 296 Gemeinden und Teilgemeinden (12,35°/°). in welchen die Farren schon jetzt un Eigentum der Gemeinden stehen. Es ist also kein Sprung ins Dunkle, kein Experiment, das mit dem neuen Gesetze gemacht wird. Ohne einige Opicr geht es ja allerdings nicht ab, allein der Mehraufwand ist keineswegs jo bedeutend, daß von einer erdrückenden Ausgabe die Rede sein könnte. Nach der Ansicht erfahrener Land- wirte wird ein schönes Zuchttier 2300 »fL mehr kosten als seither für minderwertige ausgegeben wurde. Dieser Mehraufwand, auf eine mindestens 34jährige Verwendungszeit verteilt» ergiebt eine jährliche Mehrausgabe von höchstens 70 viL Jedenfalls aber werden die Opfer, welche der Gemeinde zugemutet werden, durch den höheren Wert des nachwachsenden Viehs und dadurch, daß wir uns unabhängig von der Schweiz und von Baden machen, reichlich sich bezahlt machen. Der Herr Berichterstatter über den Gesetzentwurf in der Kammer der Abgeordneten hat in dieser Be­ziehung Folgendes ausgcführt:In einer bäuer­lichen Gemeinde mittlerer Größe werden jährlich etwa 400 Kälber verkauft. Es haben mir tüch- tige Oekonomen gesagt, daß Kälber, die von raffeechten Farren abstammen, bedeutend mehr Fleischgewicht haben, bis zu 20 ja 30 Pfd. Es kann daher für eia Kalb durchschnittlich minde- stens 34 mehr beim Verkauf an den Metzger

erzielt werden. Dadurch wird in der ganzen Gemeinde pro Jahr ein Mehrerlös von 121600 Mark erzielt, was für die Gemeindeangehörigen von großer Bedeutung ist. Ich glaube, es ist eine kurzsichtige Rechnung, wenn man an den paar Mark für eine verbesserte Farrenhaltung sparen will." Es wird nun aber gegen die Uebernahme der Farrenhaltung in das Eigentum der Ge­meinde eingewendet, daß tüchtige Farrenhalter, welche bisher gute Zuchttiere gehalten haben, die Farrenhaltung nicht mehr übernehmen wer- den, wenn die Gemeinde Käuferin und Ver- käuferin sei, und daß sich auch sonst Mißstände daraus ergeben werden, wenn die Farrenhalter kein direktes eigenes Interesse mehr daran haben, ob das Tier gut behandelt und sorgfältig ge­pflegt werde oder nicht. Diese Befürchtung ist wvhlbegründet, wenn die Farrenhalter, wie das bis jetzt vielfach der Fall ist, eine so gering bemessene Vergütung erhalten, daß um dieselbe eine bessere Haltung und Pflege füglich nicht beansprucht werden kann. Nun schreibt aber Art. 2b. des neuen Gesetzes vor, daß die Be­lohnung des Farrenhalters so bemessen sein muß, daß sie demselben eine angemessene Ent­schädigung für den ihm bei ordnungsmäßiger Erfüllung seiner Verpflichtungen erwachsenden Auf­wand an Mühe und Kosten bietet. Diese Be­stimmung war schon bisher in § 4 der Voll;.- Berf. enthalten, wurde aber häufig nicht be­achtet. Es ist von besonderer Wichtigkeit, daß diese nunmehr in das Gesetz aufgenommene Vorschrift von nun ab wirklich zur Durchführung gelangt. Bei angemessener Entschädigung des Farrenhalters in Baden wird ein Vertrag beanstandet, welcher nicht mindestens 300 Pro Farren Entschädigung gewährt ist ihm eine gute Verwertung seines Futters garantiert. Die Gemeinde wird die Farrenpflege nur einem Manne übertragen, bei dem sie eigenes Interesse an einem guten Stande der Farren und so viel Ehrgefühl voraussetzen darf, daß er die Farren nicht deshalb in Verwahrlosung geraten läßt, veil sie nicht sein Eigentum sind. Auch ist zu erwarten, daß die Gemeinde als Eigentümerin der Tiere das Interesse des Farrenhalters .da­durch erweckt und erhält, daß sie demselben bei besonders tüchtiger Erfüllung seiner Pflichten jähr- liche Prämien in Aussicht stellt» auch ihm die Staats- Prämie bei den BezirkSrindviehschauen überläßt.

Wie ich nun aber schon früher angedeutet habe, ist der Grundsatz, daß du Farren künftig im Eigentum der Gemeinde stehen sollen, im Gesetze durchaus nicht konsequent durchgeführt. Zunächst ist eine Ausnahme statuiert für Gemeinden, in welchen eine erhebliche Zahl von Viehbesitzern in Parzellen wohnt. Hier genügt es, wenn die Gemeinden an die>enigen Farrenhalter, welche ihre eigenen Farren mit Zulassungsscheinen I. oder II. Kl. zum Gebrauch für die Tiere der andern Viehbesitzer zur Verfügung stellen, ange messene Beiträge gewähren. Sodann kann und das ist gerade für unsern Bezirk von be­sonderer Wichtigkeit das Ministerium des Innern aus erheblichen Gründen von der Ueber­nahme der Farren in das Eigentum der Ge­meinde Ausnahmen zulassen. Dispensation ist insbesondere zu erteilen, wenn in einer Gemeinde vorherrschend Milchwirtschaft getrieben wird, wenn die Gemeinde sich in bedrängter ökono­mischer Lage befindet oder wenn durch Leistung erheblicher Beiträge zu den Kosten der Anschaff­ung oder Unterhaltung der Farren Sicherheit dafür geboten ist, daß in der Gemeinde nur Farren mit Zulassungsschein I. u. II. Kl. ge- halten werden.

Die übrigen Bestimmungen des neuen Ge­setzes sind von geringer Bedeutung. Es ist zu erwähnen, daß nach Art. 3 des Gesetzes dem Farrenhalter ein Anspruch auf den beim Ver­kauf eines Farren gegenüber dem Ankaufspreis etwa erzielten Mehr-Erlös (den sog. Vorwachs) nicht eingeräumt werden darf. Mit einer solchen Einräumung will freilich zunächst nur bezweckt werden, den Farrenhalter von der möglichst guten Haltung der Farren zu interessieren. Tatsächlich ist dann aber der Farrenhalter noch darin interessiert, daß möglichst billige Farren angekauft werden» an welchen bei dem späteren Verkauf an den Metzger ein möglichst hoher Gewinn gegenüber dem Ankaufspreis er- i zielt wird. Der Farrenhalter wird demgemäß seinen direkten und indirekten Einfluß ber dem Ankauf in selbstsüchtigem Interesse zum Schaden der Allgemeinheit der Viehbesitzer geltend machen. Noch mehr aber wird der Farrenhalter in seinem Interesse die Haltung der Farren so einrichten, daß die Farren möglichst bald fett und schwer an den Metzger verkauft werden müssen und daß ein möglichst häufiger Umsatz stattfindet. Eine weitere bemerkenswerte Aenderung des Ge­setzes ist die, daß die Giltigkeit des Zulassungs­scheins sich nicht mehr wie bisher aus das ganze Landesgebiet erstreckt, sondern auf den Bezirk der Schaubehörde, welche ihn ausgestellt hat, beschränkt werden soll. Die Neuerung ist ver­anlaßt durch vielfache Klagen darüber, daß der Maßstab, welchen die Schaubehörden der ver­schiedenen Bezirke bei Erteilung der Zulassungs­scheine anlegen, ein sehr ungleicher sei und daß das zu Unzuträglichkeiten führe, sofern es da- durch ermöglicht werde, verhältnismäßig gering­wertige Farren in Gemeinden mit vorgeschrittener Viehzucht aufzustellen und dort unter Umständen längere Zeit zur Zucht zu verwenden.

Der Bortrag wurde sehr beifällig aufge- nommen und B. Weiß sprach dem Vorstand und Ausschuß den Dank der Versammlung für die ersprießliche Thätigkeit aus.

Unterhaltender Teil.

Eine Hundegeschichte.

Eine Erzählung von Franz Walter.

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

Der Arzt geht und Willibald sitzt wieder allein. Die Unterhaltung hat ihn sehr aufgeregt. Vorerst ist er nicht im Stande, seinen gewohnte« Gang nach der Grübelei anzutreten. Er hat nun schon ein ganzes Jahr geglaubt» er sei krank, recht krank, und nun heute sagt ihm der alte Doktor, der einzige Mensch, zu dem der in diesem Nest, wie er die Perle Thüringens zu nennen pflegt, Vertrauen hat, er sei gar nicht krank, das wäre Einbildung. Wenn es der Doktor sagt, wird es wohl so sein, also hätte er Grund» ganz vergnügt zum Frühschoppen zu gehen.

Einen Passus in der Red« deS Doktor-

aber hört er immer noch, der zwingt ihn, zu sitzen und zu brüten. Wollten die Menschen denn Alle ihn zum Narren haben? Er soll heiraten? Er sinnt und sinnt ....

Er dachte zurück an seine Jugendzeit. Ja, auch er war einmal jung, auch er hatte einst, wie jeder Andere seines Alters, daran gedacht, sich ein Weib zu nehmen, sich eine Häuslichkeit zu gründen. Er war allerdings anders wie seine damaligen Altersgenossen. In der Jugend hatte er, aufgezogen als Waise im Hause eines kinderlosen Ehepaares, nicht viel Zerstreuungen erlebt. Es war der frühere Freund seines ver­storbenen Vaters, ein Subalternbeamter, der nur seiner Pflicht lebte; dort wurde dem jungen Willibald keine Gelegenheit geboten, Gesellschaften mitzumachen. Er konnte sich also auch nicht den Schliff aneignen, durch den allein sich so mancher Hohlkopf zum Liebling in dieser oft nur durch Heuchelei und Verstellungskunst groß gepäppelten Gesellschaft macht. Er hatte aber bei diesen mürrischen, pedantischen, dabei aber durchaus rechtschaffenen Leuten gelernt, zu arbeiten.

Mittellos trat er, nachdem er die Reife für Obersekunda erlangt hatte, als erst 15 jähr. Jüngling in die Welt. Sein Onkel hatte ihm bei einem bekannten Kaufmann in Berlin eine Lehrlingsstelle verschafft. Damals gab es noch nicht das Gesetz der Sonntagsruhe. Der junge Willy mußte auch Sonntags im Laden Dienst ihan, so wurde er davor bewahrt, sich in die Fluten des Großstadtlasters zu stürzen. Als er ausgelernt hatte, wechselte er seine Thätigkeit. Nun verbot ihm wieder das kleine Salair, von dem er sich vollständig beköstigen und kleiden mußte, Geselligkeit zu suchen. Die Entbehrungen, die er sich erst recht jetzt auferlegen mußte, trieben ihn immer weiter zur Arbeit, sie wurde ihm ja nicht schwer. So kam es, daß er bald bessere Stellungen erhielt, und mit noch nicht 24 Jahren bereits eine Vertrauensstellung bekleidete, die ihm ein schönes Gehalt einbrachte.

Nun zog es ihn auch, sich die Welt, v. h. das Leben der Welt anzusehen, aber was er davon sah, paßte nicht für ihn. Wenn er sich einmal, was selten geschah, dem einen oder anderen Kollegen anschloß, die ihn ihrem Be­kanntenkreis zuführten, so war er meist still und langweilte sich. Wenn dann die Zeit vorgerückt war und die Köpfe vom Bier oder Wein erhitzt waren, dann machte man über ihn Witze. Er blieb eben allein und ein Sonderling.

Doch einer seiner Kollegen, ein lustiger Mensch, der viel Geld für Zerstreuungen brauchte, machte immer wieder von Zeit zu Zeit de« Versuch, ihn teilnehmen zu lassen an seine« Freuden. An diesen lustigen Menschen schloß Willibald sich an mit dem ganzen Vertrauen, in dem Bewußtsein, endlich einen Freund ge­funden zu haben. Die Freundschaft wuchs, und Willy sah es als ganz selbstserständlich an, wenn der Freund ihn bat, die nicht unerhebliche Zeche vorläufigauszulegen". Wenn auch dessen Schuld-Konto bei ihm immer größer wurde, so that ihm das ja nichts. Es war ja sein Freund!

Als im Januar der Verein, dem sei« Intimus angehörte, seinen Ball gab, erhielt auch Willy eine Einladung. Nach vielen Bitte« endlich gab er nach und besuchte diesen erste« und einzigen Ball seines Lebens. Er stand nun im hell erleuchteten Saale, rings um ihn her schwirrte es von Musik und Stimmengewirr, er sah die Paare im Tanze sich drehen, er sah einen Kranz hübscher Damen, die Jungen und . Jüngeren, oh wie gern hätte auch er eine solche Sylphide in die Arme geschlossen, um mit ihr dayinzufliegen nach den flotten Takten der Musik! Doch er konnte ja nicht tanzen! Die Borstandsherren hatten, der guten Sitte folgend, einige flüchtige Worte mit ihm gewechselt, die er jedesmal überhöflich beantwortet hatte. Sein Freund wollte ihn auch einigen Damen vorstellen, aber er hatte gebeten, dies zu unter­lassen. Er wußte ja nicht, was er reden sollte. So stand er und sah zu. Immer trauriger wurde ihm, dem Alleinstehenden, zu Mut und langsam wandte er sich von der Gesellschaft, u« den Saal zn verlassen.