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württb. Brauereien ist bisher alles erlaubt, wenn es auch naturgemäß möglich geheim gehalten wird. Bekommen wir ein bayerisches Biergcsetz, so können sich die kleinen und mittleren Bierbrauer gegen die großen weit eher halten als bisher. Das biertrinkendr Publikum wird seine Freude daran daben und nicht mehr nach Münchner oder Pilsner Bier fragen, wenn es wirklich gutes und gesundes württb. Bier haben kann.
Sulzbach a./M., 24. Juni. Der Landtagsabgeordnete, Bierbrauereibesitzer Tag hier, hat durch Kauf das Gasthaus zur „Linde" (Besitzer Kicnzle) erworben.
Geislingen. Die Köchin des hiesigen Gasthofs zur Post ist ganz besonders vom Glücke begünstigt, denn sie gewann jetzt 30000 »lL in der Lotterie, nachdem sie erst im vorigen Jahr einen Gewinn von 8000 viL gemacht hat.
Ausland.
Der französische Kriegsminister und einige Generale haben die Umgebung der Stadt Nancy einer genauen Besichtigung unterworfen. Es handelt sich hiebei um die Anlage einer großen Festung, wofür die Franzosen selbstverständlich, wie für alle Kriegsrüstungen unweigerlich das nötige Geld bewilligen.
London, 23. Juni. Anläßlich der Jubelfeier wurden in England 20000 Gefangene freigelassen, darunter 400 Galeeren-Sträflinge.
In Konstantinopel scheinen die Friedens- Verhandlungen nun etwas rascher voran zu gehen. Die Türkei begnügt sich in Thessalien blos mit der endgiltigen Besitznahme der Pässe, welche sie bei Beginn des Krieges erstürmen lassen mußte und einem ganz kleinen, von Menschen bewohnten Distrikt. Schwieriger freilich gestaltet sich die Frage der Kriegskostenentschädigung. Die Griechen haben mit einer Darlegung ihrer finanziellen Not neuerlich den Versuch gemacht, die Großmächte zu veranlassen, daß die Türkei gar keine Kriegsentschädigung solle fordern dürfen, indem sie mit einer ganz unqualifizierbaren Frechheit behaupten, die Türkei habe den Krieg angefangen und dürfe nach dem Ausspruch des russischen Ministers Murawiew, wonach der Sieger keine Vorteile vom Siege haben dürfe, nun auch keine Kriegskostenentschädigung beanspruchen. Die Großmächte werden eine derartige Unverschämtheit sicher zurückweisen, wenn auch England es vielleicht versuchen wird, den Griechen beizustehen. Die Aufständischen auf der Insel Kreta wären jetzt mit der Einrichtung einer selbständigen Verwaltung nach dem früheren Vorschläge der Großmächte einverstanden, sie verlangen aber die vorherige Entfernung sämtlicher türkischer Truppen aus der Insel, was schon aus dem Grunde vorerst nicht angeht, weil irgend eine andere Macht die Garantie dafür übernehmen müßte, daß die muhamedanischen Bewohner der Insel ihre niedergebrannten Häuser wieder auf- bauen und ungefährdet darin wohnen können.
In Petersburg sind mehrere Verhaftungen vorgenommen worden, welche zum Teil hochgestellte Persönlichkeiten, sowie einige Frauenspersonen betreffen. Sie werden angeschuldigt, Mobilisationspläne an Oesterreich verkauft zu haben. Besonders bloßgestellt ist die Tochter eines Generals.
Innsbruck, 23. Juni. Ein vierzehnjähriger Knabe aus Aßlin (Pusterthal), der am 19. ds. nach den Hochgebirgseen zum Fischen ging, ist im Schneesturm erfroren.
Florenz, 22. Juni. Durch Großfeuer sind die hiesigen militärischen Fouragemagazine gänzlich vernichtet worden. Mehrere Personen haben bei den Löscharbeiten Verletz- ungen erlitten. Der Schaden beträgt viele Millionen.
Moskau, 22. Juni. In der Stadt Staroschesminsk, Gouvernement Simbirsk, wurden von einem furchtbaren Brande über vierhundertWohnhäuser ein geäschert. Das Elend ist entsetzlich. Die Abgebrannten lagern auf dem freien Felde. AchtPersonen sollen verbrannt sein.
Wie man aus Paris schreibt, ist die kürzlich gefundene Bombe nunmehr von Herrn Girard, Chef des städtischen Laboratoriums, untersucht worden. Sie besteht aus einer kleineren Röhre, die mit Dynamit gefüllt war. Während die vorherigen Bomben bloß eine Füllung von fernem Pulver und Eisensplittern hatten, gehörte die von der Place de la Concorde zu den gefährlichsten und mörderischsten ihrer Art und hätte mit ihrer starken Dynamitladung unzweifelhaft außerordentliches Unheil angerichtet, wenn Menschen in der Nähe gewesen wären.
Am Montag vormittag wurde eine mit Sprengpulver geladene Bombe, ähnlich den- lenigen, welche seinerzeit in Villanueva entdeckt wurden, auf einem Grundstück in der Umgebung Barcelonas aufgefunden. Nachmittags wurde eine zweite Bombe mit brennender Zündschnur vor der Artilleriekaserne von einem städtischen Polizisten entdeckt, welcher den brennenden Zünder auslöschte.
Aus Madagaskar. Die letzten Nach, richten aus Madagaskar melden, daß der Ge- sundheitszustand in Tananarivo und Tamatave infolge starker Regengüsse ungewöhnlich schlecht sei. Selbst unter den Eingeborenen richtet das Fieber große Verheerungen an. — Auf den in der Nähe von Madagaskar liegenden Inseln der Seychellen ist eine ungewöhnlich große Riesenschildkröte gefangen worden, welche von Baron v. Rothschild für 12000 Franken erworben wurde.
Stehendes Heer oder Miliz?
Die traurige Rolle, welche die Freiwilligenscharen in dem türkisch-griechischen Kriege gespielt haben, hat wohl das Zukunftsideal der deutschen Demokratie, den Ersatz der stehenden Heere durch Miliztruppen, für immer zerstört. So wie in Griechenland würden sich die je nach Bedarf zusammengestellten, undisziplinierten und unaus- gebildeten „Volksheere" ben stehenden Heeren gegenüber wohl immer Verhalten. Der Hinweis der sozialdemokratischen Blätter auf die „Wunder- thaten" der Bürgerheere in den französischen Revolutions- und deutschen Befreiungskriegen, sowie in dem nordamerikanischen Unabhängigkeitsund Sezessionskampfe ändert an dieser Thatsache nichts. Bor kurzem hat der sächsische General- lieutenant z. D. v. Nostiz in einem Vortrag Gelegenheit genommen, die bisherigen Leistungen der Miliztruppen etwas näher zu beleuchten, und sie kommen dabei recht schlecht weg.
In dem nordamerikanischen Unabhängigkeitskampfe von 1775—82 traten Miliztruppen zum ersten Male wohlformierten Truppen gegenüber. Der Erfolg war für die Miliztruppen der denkbar ungünstigste, obgleich die englischen Regimenter selbst kaum den Namen geschulter Soldaten verdienten. Erst als Washington durch den preußischen General v. Steuben ein trefflich ausgebildetes Heer hatte schaffen lassen, heftete sich der Sieg an seine Fahnen, woran allerdings auch ein französisches Hilfsheer seinen Anteil hatte.
In dem amerikanischen Sezessionskriege von 1861—65 standen sich auf beiden Seiten nur Miliztruppen gegenüber; dieses Beispiel fällt also ganz aus. Im übrigen waren die Leist- ungen auf beiden Seiten so mangelhaft, daß der Krieg volle 5 Jahre bis zu seiner Entscheidung gebrauchte. Operationen im größern Stil konnten auf beiden Seiten erst nach Jahresfrist unter- nommen werden. Füglich waren nicht weniger als 280000 auf dem Schlachtfelde und durch Krankheiten dahingerafft und etwa 20 Milliarden Mark vergeudet worden. Ein kleines schlagfertiges Heer hätte den Krieg in wenig Wochen beendet.
Nicht minder bedenklich sieht es mit den „Großlhaten" der französischen Revolutionsarmee aus. Sie war durch ihre Zuchtlosigkeit eine wahre Geißel für die Franzosen selbst, ohne jeden militärischen Wert und nur dadurch vorübergehend erfolgreich, daß die Verbündeten ihre Sache geradezu strafwürdig führten. Und was die preußische Landwehr von 1813 betrifft, so erhielt sie ihre Bedeutung erst durch die An
lehnung an das stehende preußische Heer, dessen neu belebter Geist sich unwillkürlich auf sie übertrug.
Genug. General v. Nostiz läßt die Legende von dem „Wunder der Bolksheere" unter keinem Gesichtspunkte bestehen. In der That sind sie ihrem innersten Wesen nach auch nichts als Haufen von Bummlern, deren militärischer Wert gleich Null ist. Wohl aber haben sich die steh, enden Heere noch immer nicht nur als der beste Hort der staatlichen Selbständigkeit, sondern auch als wahre „Hochschulen für das Volk" erwiesen, wo der einzelne Mann an Ordnung und Sauberkeit, an Ehr- und Vaterlandsliebe, an Gehorsam. Mut und Selbständigkeit im Denken und Handeln gewöhnt wird. Es wäre müßig, darüber noch zu rechten, aus welcher Seite die wahren Vorzüge eines Heeres zu suchen sind.
Vermischtes.
Paris, 20 Juni. Wenn die fahrenden Leute der Jahrmärkte selbst ihre Herzensangelegenheiten an die große Glocke hängen, so kann man ihnen das nicht verdenken, denn Klappern gehört zum Handwerk und bei dem großen lauteren und unlauteren Wettbewerb muß man den Stoff zum Klappern nehmen, wo man ihn findet. So ist denn auch heute alle Welt und Presse voll von der Hochzeit des Riesen, die gestern in Pantin stattgefunden hat. Dieser Riese ist ein Mensch von nicht weniger als zwei Meter und 29 Centimeter Höhe. Die Auserkorene dieses wandelnden Menschenturmes ist nur von mittlerer Größe und erst in dem süßen Alter von 17 Jahren. Um sich von den Körperverhältnissen des heiratenden Riesen einen Begriff zu machen, wolle man folgende Angaben lesen. Der Riese wiegt 178 Kilogramm. Mit seinem Daumen kann er ein Fünffrankenstück bedecken. Ein Zehncentimesstück geht bequem durch seinen Fingerring, und seine Schuhe haben die achtbare Länge von 41 Centimeter» und eine Breite von 16 Centimetern. Das junge Ehepaar hielt einen feierlichen Hochzeitsumzug in Pantin unter schmetternden Fanfaren. Glückliche Hochzeitsreise!
EinschlauerPrinz. Es kursiert eine artige Geschichte über den elfjährigen Prinzen Alexander von Battenberg. Letzthin erhielt er einen Sovereign von seiner Mutter. Er hatte ihn schnell verbraucht und bat um einen neuen. Da seine Mutter ihm die Bitte abschlug, so wandte er sich keck an seine Großmutter, die Königin Viktoria. Diese war wahrscheinlich auf die Epistel gefaßt gemacht worden und schickte statt des gewünschten Sovereigns eine Ermahnung. Die Antwort des jungen Prinzen Alexander lautete: „Ich habe Deinen Brief erhalten und hoffe, daß Du nicht glaubst, daß ich enttäuscht worden bin, weil Du mir kein Geld schicken konntest. Es war sehr nett, daß Du mir einen guten Rat gabst, ich habe Deinen Brief für 4 Pfd. St. verkauft."
(Dacapo.) Ein junger Student hatte das „Pech", im Examen durchzufallen. Es quälte ihn nun die Angst, seine Eltern könnten von dem schlimmen Ausgange etwas erfahren, weshalb er folgendes nach Hause telegraphiert: „Prüfung glänzend verlaufen. Professoren begeistert, wünschen Wiederholung im Oktober!"
Telegramme.
Wiesbaden, 24. Juni. Das Endergebnis der Reichstagsstichwahl ist: v. Fugger (Zentr.) 8438, Wintermeyer (freis. Volksp.) 13 526 Stimmen.
London, 24. Juni. In Ueberein- stimmung mit dem von der Prinzessin von Wales angeregten Plane, wurden heule an verschiedenen Stellen der Stadt 300000 arme Leute, darunter viele Kinder gespeist. Die Prinzessin von Wales erschien selbst an drei Stellen, wo Speisungen stattfanden.
Mit einer Beilage.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neue nbürg.