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Düsseldors. 23. Juni. Hiesige Zeitungen verzeichnen heute das Gerücht, der begabte Düffel- dorfer Regierungspräsident v Rheinbaben solle Staatssekretär des Reichsschatzamtes werden, eine Bestätigung dieser Meldung liegt bis jetzt nicht vor

Aus Gründen der öffentlichen Wohlfahrt hat das daher. Staatsministerium des Innern den in Augsburg thätig gewesenen aus­ländischen sozialdemokratischen Agi­tator, Spenglergehilfen Gollerstetter, auf Grund des Art. 50 des daher. Gesetzes über Heimat. Verehelichung und Aufenthalt aus dem Königreich Bayern ausgewiesen. Es heißt, Gollerstetter wolle sich nach Württemberg wenden.

Attona. 22. Juni. Die bedeutende Goldleisteniabrik Bahr und Gerkens ist in der vergangenen Nacht gänzlich nieder- gebrannt. Der Schaden ist enorm.

Geestemünde. 23. Juni. Der Brauer­sohn Otto aus Meyerhof erschoß aus Eifersucht seinen älteren Bruder, der heute heiraten wollte, und tötete sich dann selbst.

Ein großes Vermächtnis. Es ist dies die Schenkung von Frau Bergsträßer, Gattin des verstorbenen Landtagsabgeordneten Bergsträßer. Sie stiftete der Stadt Darmstadt 165000 «ft zur Unterstützung bedürftiger Rekon­valeszenten. Die Genehmigung des Gcoßherzogs ist erfolgt.

Ettlingen. Die Besitzer größerer Beeren­obstanlagen dahier haben sich vereinigt und eine Zentralstelle geschaffen, um den Verkauf ihres Produkts besser zu regeln. Es gilt dies nament­lich für die Johannisbeeren, deren Anbau im großen immer mehr zunimmt und die für die Weinbereitung namentlich in den kleinen Fami­lien eine immer größere Rolle spielen. Dieses Projekt dürfte auch in hiesigen Kreisen Beachtung verdienen.

Weiler i. E., 22. Juni. Der gefürchtetste Feind der Reben, der Sauerwurm, ist zur Zeit in den Rebgeländen wieder eingekehrt und macht großen Schaden, indem er die Gescheine zerfrißt und einspinnt. Heiße trockene Witterung ist allein imstande, ihn aus den Reben verschwinden zu lassen.

Württemberg.

Stuttgart, 23. Juni. In der Ab­geordnetenkammer ist heute eine Note des Staatsministeriums eingelaufen, wonach dem Haus infolge der Entschließung des Königs vom 21. d. M ein Gffetzesentwurf zugehr, betr. die Bestellung und die Amtsobliegenheiten der Ortsvorsteher und Berwaltungsaktuare. Das i. I. 1895 eingebrachte Gesetz betr. die Wahl der Ortsvorstcher in größeren Städten ist damit als erledigt anzusehen. Der Haupt­inhalt des Gesetzentwurfs ist folgender: 1. Die O r tS v o rst eher werden von jetzt ab auf eine Dauer von 10 Jahren gewählt. 2. Wird einer der von jetzt ab zu wählenden Orts­vorsteher, welcher der Pensionskaffe angehört, nach Ablauf der 10jährigen Amtsdauer nicht wiedergewählt, obwohl er sich zur Wiederwahl bereit erklärt hat, so hat er Anspruch auf ein lebenslängliches Ruhegehalt, wenn er eine mindestens zwanzigjährige Dienstzeit hinter sich hat. Ist seine Dienstzeit kürzer, so hat er An- spnich auf ein Ruhegehalt für 3 Jahre; 3. diejenigen Ortsvorsteher, die sich gegenwärtig im Amte befinden, haben ihr Amt niederzulegen, sobald sie es 10 Jahre bekleidet haben und seit dem Inkrafttreten des Gesetzes 3 Jahre ver­flossen sind. Wird einer derselben, obwohl er sich zur Wiederwahl bereit erklärt hat. nicht wiedergewählt, so hat er Anspruch auf lebens­länglichen Ruhegehalt in der Höhe seiner festen Besoldung, nicht aber vom Gehalt seiner Neben­ämter, mit Ausnahme der Ratschreiberstelle. Ferner rst ,m Lause der Sitzung ein Antrag, unterzeichnet von einer Reihe der Landwirtschaft nahestehender Abgeordneter, ein- grlaufen: In Anbetracht, daß seit der Auf» ftellung der landwirtschaftl. Kataster sich die Verhältnisse der Landwirtschaft wesentlich anders gestaltet haben, möge die Kammer die Regierung ersuchen, die Grundlagen der landw. Kataster einer Neubearbeitung zu unterwerfen und deren

Ergebnis der Kammer mitzuteilen, bevor ein Entwurf betr. die Abänderung des Gesetzes über die Grund» und Gebäudesteuer vorgelegt würde.

Stuttgart. Die Abgeordneten- kammer nahm bei Beratung der Ein­kommensteuer nach langer erregter Debatte den Artikel 10 in folgender durch den Abg. Sachs vorgeschlagener Fassung an: Den Maß­stab für die Besteuerung bildet das steuerbare Jahreseinkommen des Steuerpflichtigen. Das steuerbare Jahreseinkommen ist nach dem Stande der Vermögens-, Besitz- und Einkommensverhält- niffe der Steuerpflichtigen bei Beginn des Steuerjahres zu berechnen. In Fällen, wo im Laufe des Steuerjahres eine Einschätzung zur Einkommensteuer für einen Teil des Steuerjahrcs einzutreten hat. ist der Stand dieser Verhält­nisse bei Beginn der neuen oder veränderten Sleuerpflicht maßgebend. Feststehende Ein- nahmen aus Kapitalien und Renten, sowie aus Dienst und Beruf sind nach dem Stande der Einkommensquellen am maßgebenden Tage mit ihren im Laufe des Jahres zu erwartenden Be­trägen. unbestimmte oder schwankende Einnahmen aus Kapitalien und Renten, sowie aus Dienst und Beruf nach dem Ergebnis des der Ein­schätzung unmittelbar vorausgegangenen Steuer­jahres, und wenn Einahmen dieser Art noch nicht so lange bestehen, nach dem mutmaßlichen Jahresbetrage in Rechnung zu nehmen. Sonstige Einnahmen sind nach dem Durchschnitt der drei der Einschätzung unmittelbar voraus­gegangenen Steuerjahre zu berechoen. Wenn solche Einnahmen noch nicht so lange bestehen, so sind sie nach dem Durchschnittsbetrag des Zeitraumes ihres Bestehens, nötigenfalls nach dem mutmaßlichen Jahresbetrage, in Ansatz zu bringen. Bei der Berechnung des Durchschnitts ist das festgestellte Einkommen der Vorjahre zugrunde zu legen und darf der Verlust eines Jahres an dem Gewinn der anderen Jahre nicht in Abzug gebracht werden. Dem Steuerpflichtigen ist gestattet, für die Durchichniltsberechnung statt der Steuerjahre diejenigen der Einschätzung un­mittelbar vorausgegangen Geschäfts- oder Wirt­schaftsjahre zugrunde zu legen, deren Ergebnisse zur Zeit der Steuererklärung festgelegt werden können. Die gleichen Grundsätze gelten für die Berechnung der abzugsfähigen Ausgaben. In der Samstagssitzung wurde weiter dann der Kommissionsantrag zu Artikel 15 angenommen, wonach den Aktiengesellschaften, Kommandit­gesellschaften auf Aktien und den Gesellschaften mit beschränkter Haftung zu gestatten ist, an dem steuerbaren Einkommen den Gesamtbetrag der unter die Gesellschaftsmitglieder zur Ver­teilung kommenden Dividenden oder Gewinn­anteile bis zum Höchstbetcage von 3 Prozent des eingezahlten Aktien-, bezw. Stammkapitals in Abzug zu bringen. Der Kommunalbesteuer, ung aber soll das ermittelte Einkommen ohne den Abzug von 3 Prozent zugrunde gelegt werden. Bei Fortsetzung der Beratung nahm die Kammer unter Ablehnung verschiedener Anträge den Artikel 7 des Gesetzes an, demzufolge von der Einkommensteuer befreit ist das Einkommen an Zinsen und Dividenden, das die Mitglieder der Erwerbs- und WirtschaftSgenoffenschaften aus ihren Geschäftsanteilen beziehen, sowie das Einkommen der Mitglieder der Konsumvereine an Warenumsatzbividenden. Weiter wurde ein Kommissionsantrag angenommen, wonach als steuerbares Einkommen der Versicherungsgesell­schaften auf Gegenseitigkeit das Einkommen aus den in Artikel 7 Ziffer 13 aufgeführten Ein­kommensquellen gilt, wobei das Einkommen aus Kapitalien und Renten in dem Verhältnis außer Berechnung zu bleiben hat. als unter der Ge­samtversicherungssumme Bersicherungs - Beträge solcher Personen begriffen sind, welche außerhalb Württembergs wohnen; falls sich bei einem Versicherungszweig eine Gesamtoersicherungs» summe nicht ergibt, tritt an die Stelle der Versicherungssumme die Jahreseinnahme an Versicherungsbeiträgen. Das hienach sich er­gebende steuerbare Einkommeu wird indessen nur im hälftigen Betrag der Einkommenssteuer unterstellt. Für jede Etatsperiode wird durch das Finanzgesetz bestimmt, wie viele Prozent des Einheitssatzes der Einkommenssteuer zur

Erhebung kommen. Endlich fand die Zustimm­ung der Kommissionsantrag: Wer neben einem steuerbaren Einkommen ein nach Artikel 7 Ziffer 1 und 2 steuerfreies Einkommen bezieht, hat die Einkommenssteuer für elfteres nach Verhältnis desjenigen Steuersatzes zu entrichten, welcher zur Anwendung kommen würde, wenn sein gesamtes Einkommen der Steuerpflicht unterläge.

Die Kammer der Abgeordneten ist noch immer mit der Beratung der Steuer­reform beschäftigt. Während man bei Beginn der Verhandlungen nicht streng genug alle mög­lichen Wohlthätigkeits-Jnstitute, Stiftungen rc. zur Steuer heranziehen konnte, zeigt sich bei einem Teil der Abgeordneten nunmehr ein, gelinde gesagt, sonderbares Wohlwollen für das werbende Großkapital, speziell für die Aktien­gesellschaften und die Aktionäre, die Konsum­vereine und deren Mitglieder, die großen Warenhäuser und die Geschäfte, welche da und dort noch Filialen unterhalten. Unter dem Motto, man dürfe die Industrie aus dem Lande nicht vertreiben, werden ds kapitalistische Unter» nehmen protegiert, die eine ganze Reihe von steuerkräftigen Mitgliedern des gewerblichen Mittelstandes um ihre Existenz bringen. Große kapitalistische Vereinigungen sind nur da ein Segen, wo eine Reihe von Einzelexistenzen das nicht leisten kann, was die Aktiengesellschaften leisten müssen, z. B. Privateisenbahnen, große Maschinenfabriken u. dergl. Wo sich aber das Kapital zusammen thut, um die Geschäfte des Mittelstandes an sich zu reißen, da kann es wahrlich nicht hoch genug besteuert werden.

Von der volkswirtschaftlichen Kommission der Kammer der Abgeordneten wurde nach demSchw. Merk." die Bahn GeißlingenWiesensteig, sowie Untergröningen Gaildorf, beide als Schmalspurbahnen, der Regierung zur Besichtigung empfohlen. Die Linie GöppingenGmünd wurde gegen eine kleine Minderheit, die für Berücksichtigung stimmte, zur Kenntnisnahme übergeben; ebenso einstimmig die Projekte Sulzdorf Bühlerzell und KißleggWurzachOchsenhausen.

Der kürzlich in Heilbronn abgehaltene württb. B r a u e r t a^hat entgegen den Ab­machungen des Landtagsabgeordneten Betz ein­stimmig einen Beschluß gefaßt, der nach jeder Richtung freudig begrüßt zu werden verdient und dem der erwünschte Erfolg gar nicht ausbleiben kann. Die fragliche einstimmig angenommene Resolution geht nämlich dahin, daß die gesetz» gebenden Faktoren des Landes ein Gesetz er» lassen mögen, wonach wie in Bayern und Baden, bet der Bierbereitung jede Verwendung von Reis und anderen Surrogaten verboten sein soll und das Bier nur aus Gerstenmalz, Hopfen, Wasser und etwas Hefe hergestellt werden dürfe. Gerade die Genehmigung von Surrogate» zur Bierbereitung hat schon manchem Biertrinker das würltembergische Bier vollständig entleidet. Eben diese Surrogate ermöglichen es auch den Großbrauern, den mittleren und kleineren Kon­kurrenten ihres Gewerbes eine rötliche Konkur­renz zu bereiten und sie scheinen sich mit den bisherigen Mirtelchen zur Füllung ihrer Geld­schränke noch nicht einmal zufrieden zu geben. Ein bekannter württb. Großbrauer hat ja eine eigene Reise nach Amerika unternommen, nicht um. wie er durch einen Pceßkosaken verbreiten ließ, Pferde einzukaufen, sondern wie man nach» her bestimmt erfuhr, um die verschiedenen Triks der Amerikaner zur Bierbereitung an Ort und Stelle kennen zu lernen. In Amerika macht man schon lange aus dem billigen Mais Bier und es läßt sich denken, daß Matsbier nicht ge­rade angenehm schmeckt. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, sind die Amerikaner sehr erfinderisch. Man kauft ja in Amerika schon gefälschte Hühner­eier und gefälschte Mandeln, welch letztere ein­fach aus Runkelrüben in Mandelform gepreßt werden. Die Bayern haben bezüglich der Bier­bereitung ein sehr scharfes Gesetz und es ist gar kein Grund ersichtlich, warum man in Würt­temberg nicht das gleiche Gesetz einführen sollte. In Bayern kann die Entdeckung von einem Schächtelchen Sacccharin in einer Brauerei schon 1000 «M Geldstrafe im Gefolge haben. In den