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Aus Stadl. Berirk und Umgebung.

Neuenbürg, 23. Juni. Von dem Kom- mando der Ettlinger Unteroffizierschule ist dem Stadtschultheißenamt folgendes Dank- schreiben zugekommen:Dem Stadtschult- heißenamt spricht die Unteroffizierschule ihren verbindlichsten Dank für die gute Aufnahme aus, welche dieselbe gelegentlich der Gefechtsübung in vergangener Woche in Neuenbürg gefunden hat. Gleichzeitig bittet die Unteroffizierschule, den Quartiergebern für die vorzüglichen Quartiere und das große Entgegenkommen den Dank der Unteroffizierschule gefälligst übermitteln zu wollen."

Neuenbürg. 23. Juni. Gestern wurden die Hauptarbeiten für unsere Hochdruck- Wasserleitung aus dem Eyachthal vergeben, nachdem die Arbeiten der Freilegung der Tröst­bachquelle mit günstigem Resultat vollendet sind. Während für die Zuleitung des Wassers 125 min weite eiserne Röhren projektiert waren, werden letztere nun 150 mw weit, wodurch sich der Voranschlag um ca. 10 000 ^ erhöht. Die Lieferung und Legung der Röhren, sowie die Ausführung sämtlicher hiezu erforderlichen Grab­arbeiten wurde an das Kgl. Hüttenwerk Wasseralfingen vergeben, dessen Beding­ungen sich für die Stadtgemeinde als die günstigsten und annehmbarsten erwiesen. Die Betonierungs-, Maurer- u. Steinhauer-Arbeiten erhielt Maurer­meister Haizmann hier. Insgesamt sind nun an den Boranschlagspreisen ca. 8800 ^ abge­boten. Das K. Hüttenwerk hat sich zur Aus­führung der übernommenen Hauptarbeiten bis 15. Oktober ds. Js. kontraktlich verpflichtet. Die Stadt wird also bis zu dem genannten Termin eine für alle Bedürfnisse und für alle Zeiten ausreichende Wasserversorgung bekommen. Bei dieser erfreulichen Aussicht werden die Hausbesitzer gut daran thun, wenn sie sich mög­lichst rasch zur Einrichtung von Hausleitungen entschließen und ihre Anmeldungen machen.

Neuenbürg. 22. Juni. Anläßlich des am kommenden Sonntag in Calmbach stattfind­enden Gausängerfestes mußte hauptsäch­lich mit Rücksicht auf die Sänger uns Festbesucher von Calw und Unterreichcnbach re. wegen passen­den Anschluffes um einen Extrazüg nachge- sucht werden. Ein solcher ist nun zufolge Er­lasses der hohen Generaldirektion der K. Württ. Staatseisenbahnen genehmigt worden. Demgemäß kommen am Sonntag den 27. ds. folgende außerordentliche Personenzüge zur Ausführung:

1) Pforzheim

ab

8.40

vorm.

Brötzingen

8.52

Anschluß von Calw.

Birkenfeld

8.59

Engelsbrand

9.07

Neuenbürg

9.15

s»

Rothenbach

»»

9.24

Höfen

9.32

»»

Calmbach

an

9.38

Wildbad

9.50

2) Wildbad ab 9.45 abends Calmbach 9.S4

Höfen an 10.00

Rothenbach 10.06

Neuenbürg 10.14

Engelsbrand 10.20

Birkenfeld 10.27

Brötzingen 10.33 Anschluß nach

Calw.

Pforzheim 10.40

Dir auf abends 9.45 ab Wildbad gelegte Rückfahrt des Extrazugs entspricht zugleich der Zeit, zu welcher während der Sommerszeit von vielen Seiten längst ein Zug gewünscht wird.

Pforzheim, 21. Juni. Hier hat sich eine Anzahl Verehrer des Fürsten Bismarck zusammen- gethan, um Sammlungen für ein Denkmal desselben in hiesiger Stadt einzuleiten. Bismarck ist Ehrenbürger Pforzheims und hiesige Fabri- kanten haben ihm bekanntlich auch die goldene mit edlen Steinen besetzte Feder zum Geschenk gemacht, mit welcher der Frankfurter Friede im Jahre 1871 unterzeichnet wurde. Der Stadt­rat hat 2 seiner Mitglieder gestern nach Heil- vronn gesandt, um die von der dortigen Feuer-

I wehr eingeführten Weckerlinien kennen zu lernen. Einer der Herren, der zugleich Kommandant der hiesigen Feuerwehr ist, hat sich ihrem Kor- respondentcn gegenüber sehr befriedigt ausge- sprachen.

Aus dem Pfinzthal. Welche Blüten der Hausierhandel oder das Wandergewerbe treibt, davon sind dem Einsender dieses in jüngster Zeit einige Fälle zu Ohren gekommen, die er weiteren Kreisen als Wirnung vor derlei Ge­schäftsmanipulationen mitteilen möchte. Zur wohlhabenden Bauersfrau oder Wirtsfrau rc. in T. kommt einbesserer" Hausierer und legt Muster von Lsinenzeug vor, abgepaßte Tisch decken. Handtücher zum fabelhaft billigen Preise von 10 pro Meter. Die betreffende Haus­frau, erfreut ob einer so billigen Gelegenheit, bestellt auch für 1020 und die Bestellung wird votiert. Nun aber bringt der Geschäfts­mann ein anderes Päckchen unterm Arm hervor. Es birgt Stoff zu einem oder mehreren Herren­anzügen. Geheimnisvoll vertraut er der Frau an, daß das Geschäftshaus A. in Z. daran sei, Bankerott zu machen und wolle nun noch bei Seite schaffen, was losgebracht werde. Er heischt 40 sie bietet die Hälfte und ist glückliche Besitzerin des Anzugstoffes, der vom Schneider beim Verarbeiten als Schundware bezeichnet wird. Auf das bestellte Leinenzeug aber wartet die sparsame Hausfrau heute noch und darf fichs auch nicht verdrießen lassen, denn sie kriegt ihr Lebtag nichts. Darum aufgepaßt und vorsichtig!

Deutsches Aeich.

Helgoland, 22. Juni. Der Kaiser ist heute Abend unter dem Jubel der Bevölker- ung bei herrlichstem Wetter hier eingctroffen.

Kaiser Wilhelm hat bei seinem jüngsten Aufenthalt in Westfalen und am Rhein in markigen Ansprachen nochmals die Grundzüge» hervorgehoben, nach denen er die innere Politik Preußens und des Reiches geleitet zu sehen wünscht.Schutz der nationalen Arbeit aller produktiven Stände, Kräftigung eines gesunden Mittelstandes, rücksichtslose Niederwerfung jeder umstürzlerischen Bestrebung, strenge Bestrafung jedes Versuches der Verhinderung freiwilliger Arbeit". Diese programmatischen Sätze stellte der Monarch in seiner Bielefelder Rede auf, und ihre Verwirklichung kann man gewiß nur aufrichtig wünschen. Und denselben Wunsch kann man auch gegenüber den Programmpuaklen hegen, welche der Kaiser in seiner zu Köln ge­haltenen Rede aufgestellt hat: Fortführung der schon vom unvergeßlichen ersten Kaiser des neuen deutschen Reiches so erfolgreich eingeleiteten Friedenspolitik, Wahrung der nationalen Ehre nach außen, nachhaltiger Schutz und Schirm den im Auslande lebenden Reichsbürgern, Sicher- ung und Erhaltung der Absatzgebiete für unsere vaterländische Arbeit und für die Industrie unserer produzierenden Stände wohl, auch diese Forderungen des kaiserlichen Redners sind es gewiß wert, daß sie praktisch bethätigt werden. Vielleicht werden die Männer, die sich nach Beseitigung der gegenwärtigen ministeriellen Wirren als Leiter der Geschicke Preußens und des Reiches bestellt sehen, ihre erste und Haupt- sächlichste Aufgabe in der energischen und ziel­bewußten Durchführung der Forderungen zu erblicken haben, welche soeben aus dem Munde des Kaisers in Bielefeld und Köln erklungen sind.

Zum Stande der inneren Krisis ist augenblicklich nichts Neues von positivem Werte zu verzeichnen, Niemand vermag eben etwas Bestimmtes über die künftige Gestaltung der Dinge zu sagen. Nur dürfte das Eine feststehen, daß eine Lösung der gegenwärtigen Schwierig­keiten nicht erst zum Herbst, wie man hie und da annimmt, sondern schon früher erfolgen wird, die ganze unhaltbar gewordene Lage drängt auf erne Beschleunigung der Entscheidung. Dabei ist noch immer unklar, wer eigentlich Alles von den jetzigen Mitgliedern des Kabinets Hohenlohe gehen wird, alsTodeskandidaten" werden, nachdem der Wechsel zunächst im ReichSmarine- amt erfolgt ist, die Staatssekretäre Dr. von Bötticher und Freiherr v. Marschall, sowie der Minister v. d. Recke genannt. Neuerdings wird

indessen auch der Staatssekretär im Reichsjustiz- amte, Nieberding, als amtsmüde bezeichnet, nur daß dessen angeblichen Rücklrittsgedanken nicht mit politischen Ursachen, sondern mit einem ernsten Augenleiden des Herrn Nieberding Zu­sammenhängen sollen. Die Hauptsache bleibt aber die künftige Verwendung des H-rrn v. M-qael, über welche bald dies, bald das ge­meldet wird, doch ist es mindestens zweifellos, daß dem vielgewandten preußischen Finanz­minister künftig .ine noch einflußreichere politische Stellung winkt.

Berlin. Wie von Anfang an ange­nommen und wie jetzt bestätigt wird, begleitet der Reichskanzler Fürst von Hohenlohe- Schillingsfürst den Kaiser auf dessen Gegen­besuchs am russischen Hofe, der im August vor- genommen wird.

Berlin, 22. Juni. DieNordd. Allg. Ztg." schreibt:Der kaiserliche Botschafter in Rom, v. Bülow, wird dem Vernehmen nach heute von dort abreisen, um sich an das Hof­lager desKaisers zu begeben. Man gehe wohl nicht fehl, wenn man annimmt, daß diese Reise mit dem Gesundheitszustände des Staats­sekretärs Frhrn. v. Marschallin Zusammen. Hang steht." Dasselbe Blatt schreibt:Die Mitteilung derNationalztg." von der AmtS- müdigkeit des Staatssekretärs Nieberding infolge eines hochgradigen Augenleidens kann, wie so viele andere, nur auf grundlosen Kombinationen beruhen." Ferner meldet dieNordd. Allg. Ztg.":Einem über Kapstadt eingetroffenen Telegramm des Landeshauptmanns von Süd- westafrika zufolge ist die Rinderpest im Schutz­gebiete festgestellt. Major Leutwein fügt hinzu, die Seuche schreite im Hererolande langsam vor, während es gelungen erscheine, sie bei Windhoek zu lokalisieren.

Gegenüber abweichenden Mitteilungen über ; das Leiden des Staatssekretärs Freiherrn v. Marschall erfährt dieNational-Zeitung" von zuverlässiger Seite, daß es sich lediglich um ein nervöses Leiden handelt, dessen Heilung bei entsprechender Schonung innerhalb einer nicht zu langen Frist als sicher be­zeichnet wird.

Der Rücktritt des Präsidenten Dr. Bödiker. Dr. Bödiker ist seit der Be­gründung des Reichsversicherungsamtes im Juli 1884 dessen Präsident gewesen. Als solcher hat er die Durchführung der Unfallversicherung be­werkstelligt und sich dabei als ein hervorragen­des organisatorisches Talent erwiesen. Am 1. Oktober 1885 schon konnte dank seiner energ­ischen Thätigkeit das Unfallversicherungsgesetz in vollem Umfang in Kraft treten. In den folgenden Jahren hatte er die Ausdehnung de- Gesetzes auf Land- und Forstwirtschaft, See­schiffahrt, Transporlbetriebe und Bauarbeiter durchzuführen. Darauf nahm die Ausführung der Jnvaliditäts- und Altersversicherung seine volle Kraft in Anspruch. Es ist vor allen Dingen sein Verdienst, daß in der Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes sich weder bureau- kcatische Engherzigkeit noch ein Haschen nach Volkstümlichkeit finden. Man darf also wohl sagen, daß er sich auf dem schwierigen Posten, die neue sozialpolitische Gesetzgebung m die Praxis zu übersetzen, die größten Verdienste errungen hat. Seine Aufgabe war um so schwieriger, als unter den modernen Staaten kein einziger uns in der sozialpolitischen Gesetz­gebung vorangegangen und nirgends an etwa schon erprobten Einrichtungen und gemachten Erfahrungen etwas zu lernen war. Im Gegen­teil sind von den Staaten, die uns in der sozialpolitischen Gesetzgebung gefolgt sind, die von ihm geschaffenen Einrichtungen als muster- giltig studiert worden. Es ist sehr zu wünschen, daß das Reichsversicheruagsamt auf der vor­trefflichen Grundlage, die ihm sein bisheriger Präsident gegeben hat, auch in Zukunft fort­arbeiten möge.

Berlin. 21. Juni. Der bisherige Präsident des Reichsversicherungsamtes. Dr. Bödiker. wird am 1. August d. I. als Direktor (an Stelle des Herrn Otto Langner) in die Firma Siemens u.Halske eiatreten.