daran hatte auch ein sanftes, strahlendes Augen­paar gehabt, dem der erste Blick des wieder zum Bewußtsein Erwachenden begegnet war und das sei dem fast unausgesetzt mit dem Ausdruck liebevoller Sorge auf seinem bleichen Antlitz geruht hatte. Als Tronow's Vater zum Tode erschrocken, an das Krankenbett seines Sohnes geeilt war, hatte er an demselben zu seiner nicht geringen Ueberraschung ein schönes, junges Mädchen gefunden, das den Verwundeten mit wahrhaft rührender Opferwilligkeit und Hingeb. ung Pflegte, und seinen Samariterdienst mit einer so geräuschlosen Anmut und Sorgfalt verrichtete, daß der alte Herr sofort erkannte, eine bessere Pflegerin würde sich niemals staden lassen.

Sie hatte ihm ihren Namen genannt, den er zum ersten Mal in seinem Leben vernahm, und hatte ihren Platz mit so viel Gelassenheit und Ruhe behauptet, als wäre es ganz selbst- verständlich, daß sie auf demselben weilte. Er hatte es nicht gewagt, eine Frage an sie zu richten; aber er hatte sich bei dem Diener seines Sohnes und bei verschiedenen anderen Personen erkundigt, was für eine Bewandtnis es mit dieser jungen Dame habe, und erst bei dieser Gelegenheit hatte er die Geschichte jenes seltsamen Kriminalfalles kennen gelernt und erfahren, welche Rolle sein Sohn und seine gegenwärtige Pflegerin, die Schneiderin Therese Ulrich, in demselben gespielt.

Nun hatte er erst recht nicht mehr daran gedacht, sie vom Bette des schwer Kranken zu entfernen, um so weniger, als der wunderbar wohlthätige Einfluß, welchen ihre Nähe auf denselben übte, mit jedem Tage deutlicher und unverkennbarer hervortrat. Er hatte sich viel­mehr darauf beschränkt, sie im Stillen zu be­obachten und Erkundigungen über ihre Herkunft und ihre Vergangenheit einzuziehen. Alles, was er da in Erfahrung gebracht hatte und Alles, was ihn seine eigenen Augen lehrten, sprach so gewaltig zu Gunsten Theresens, die Dankbarkeit, welche er ihr für die Pflege seines einzigen geliebten Sohnes zollte, fiel so schwer für sie ins Gewicht, daß er sie bald von ganzem Herzen lieb gewonnen hatte, und daß er selbst Nichts sehnlicher wünschte, als daß die Liebe seines Sohnes für das schöne und tugendhafte Mädchen eine echte und dauerhafte sein möge. Es erfüllte ihn mit einiger Besorgnis, daß zwischen dem jungen Referendar und seiner Pflegerin fast niemals ein Wort gewechselt wurde, obwohl der Kranke, dessen Rekonvales- zenz die besten Fortschritte machte, längst kräftig genug dazu gewesen wäre. Aber seine Besorg­nisse sollten sich bald als unbegründet erweisen; denn eines schönen Tages, als er das Kranken­zimmer zu einer ungewöhnlichen Stunde betrat, kam er gerade recht, um zu sehen, wie sein Sohn beide Hände Theresens in den seinigen hielt und mit bangem, fragenden Blick in das mit der purpurnen Glut jungfräulicher Scham überzogene nnd doch von dem Ausdruck unnenn­baren Glückes verklärte Antlitz Theresens schaute. Sie waren offenbar so vertieft in die eigentüm­liche Unterhaltung, welche sie da führten, daß sie den Eintritt des alten Herrn gar nicht bemerkt hatten, und dieser zog sich denn auch ganz sacht und geräuschlos wieder zurück. Aber als er nach einem Weilchen mit pfiifig schmun­zelndem Gesicht abermals den Kopf durch die Thürspalte steckte, da hatte sich das Bild schon wesentlich verändert, denn Therese war neben dem Lager, auf welchem der junge Mann, der mutige Retter ihrer Ehre, ruhte, in die Knie gesunken, hatte ihre erglühende Wange an seine Schulter geschmiegt und duldete es ohne Wider- streben, daß er seinen Arm um ihren Nacken schlang. Erschreckt wollte sie empor fahren, als sie den alten Herrn erblickte; aber dieser machte selbst ein so überaus vergnügtes Gesicht, daß ihre Befürchtungen wohl schwinden mußten, und als der junge Mann anfangen wollte zu sprechen und eine Erklärung abzugeben, winkte kr ihm mit der Hand, zu schweigen und sagte:

Ich habe es ja längst gewußt, meine lieben Kinder, und habe längst mit Unschuld darauf gewartet, daß Ihr Euch gegen einander aus­

sprechen möchtet. Hättest mir wahrlich keine liebere Tochter in's Haus bringen können, als diese! Gott segne Euch! Meine Einwilligung hängt nur an einer einzigen Bedingung nämlich, daß Ihr mit mir forteilt aus dieser entsetzlichen Stadt und mir das Vergnügen gönnt, mich bis zu meinem letzten Ständlein an Eurem Glücke zu erfreuen!"

Und diese Bedingung wurde denn auch ge­wissenhaft erfüllt. Bon ihrem großen Erbe aber, der Hinterlassenschaft der ermordeten Elmira Hegemeier, nahm Therese auf den ausdrücklichen Wunsch ihres Verlobten Nichts mit sich. Es wurde bis auf den Pfennig an die wohlthätigen Stiftungen der Stadt H. verteilt.

Metz, 17. Juni. Der Rabe ein Raub- Vogel? Wir lesen in derMetzer Ztg.": Ganz in der Nähe der Stadt, in einem kleinen Ge­höfte am Moselufer war Einsender dieses vor drei Tagen Zeuge, wie in eine niedliche Schar kaum flügge gewordener Kücken (Hähnchen) ein Rabe (kein Falke oder Sperber) plötzlich einbrach und eines der Tierchen windschnell in die Lüfte entführte. Als der Pächter mit der Flinte hinzurilte, den Frevler zu erlegen, da flog er, die Beute sichtbar im Schnabel, dem Dickicht der Pulverinsel zu. wo der Familienschmaus jedenfalls willkommen war. Mir war diese Eigenschaft des Rabenviehes neu. Aber ein Freund teilte mir mit, daß die Bedrohung der jungen Hühnergeschlechter durch Raben, Krähen und Elstern zur Zeit in der Mark Brandenburg förmliche Verbände zur Vertilgung des Raub- zeuges ins Leben gerufen habe.

(Farbige Ansichtspostkarten in Aquarell- manier.) Die Firma Greiner u. Pfeiffer in Stuttgart hat in letzter Zeit Postkarten an- gefertigt, welche nicht wie bisher üblich in Lithographie oder Lichtdruck, sondern mit der Buchdruckpresse von Clichos gedruckt werden. Diese Clichäs sind nach Aquarellen erster Künstler hergestelll und ist bei diesem Verfahren die Gewähr geboten, daß das Aquarell des Künstlers mit handschriftlicher Treue wiedergegeben werden kann. Die Karten finden überall ungeteilten Beifall.

Das bayerische Ministerium des Innern hat den Vertretern der Presse detaillierte Mit­teilungen zukommen lassen über neuerdings von verschiedenen europäischen Städten aus nach Italien gesandte gefälschte italienische Bank­noten zu 500, 100 und 50 Lire der Banca d'Jtalia und der ehemaligen Banca Nationale. Hieraus ersteht man. daß trotz der größten Vor- sicht bei der Herstellung von Papiergeld dieses immer noch nicht gegen Nachahmung geschützt ist und wäre wohl die Frage aufzuwerfen, ob von den Regierungen und den Bankinstituten nicht öfters Wettbewerbe mit größeren Preisen arrangiert werden sollten, um die Entdeckungen und Neuerungen auf den verschiedensten graphi- schen Gebieten besser kennen und verwerten zu lernen und um gleichzeitig den wirklich genialen Köpfen als Ansporn zu neuer Thätigkeit zu dienen.

(Als Mittel gegen den Fußschweiß), der für so unendlich viele eine schwere Pein ist, empfiehlt sich ein allmorgendlich und allabendlich erfolgen­des Fußbad von lauwarmem Wasser und täg­licher Wechsel der Strümpfe. In die Strümpfe streue man auch stets ein Pulver. Man em­pfiehlt als solches eine Mischung von je einem Teil gepulvertem, gebrannten Alaun und ge- pulverter Stärke und Teil gepulverter Veilchen- Wurzel, besser und zweckentsprechender ist indessen Dermatolpulver. Dasselbe saugt den Schweiß auf, ohne der Transpiration zu schaden, verdeckt den penetranten Geruch und dient zugleich auch zugleich als Heilmittel, wenn, was an Fußschweiß Leidenden im Sommer sehr leicht passiert, wunde Stellen in Erscheinung treten. Derartig wunde Stellen bestreue man sofort tüchtig mit Dermatol und lege Verbandswatte auf. (Nachdr. Verb.)

(Ein leicht löslicher, schnell wirkender Dünger ist der Ruß.) Man unterlasse es somit auch

nicht, ihn sorgfältig zu sammeln Besonders eignet er sich für Gemüse- und Mistbeete und zwar vermischt mit Salz und Asche. Ueberstreut man mit dieser Mischung die Beete, so zeigen die jungen Pflänzchen nicht nur ein kräftiges, üppiges Wachstum, sondern sie bleiben auch von der schädigenden Einwirkung der Erdflöhe und Blattläuse verschont. Vorzüglich wirkt eine Ruß. düngung auf Rasen, man bestreue denselben aber nur bei Regenwetter leicht mit Ruß. Für Ge- müsebeete empfiehlt es sich noch den Ruß mit feinen Hornspänen zu vermischen, auf diese Mischung kochendes Wasser zu gießen und mit demselben hin und wieder zu düngen, es ist dies ein geradezu vorzügliches Düngematerial, das kräftige Pflanzen erzielt. (Nachdr. Verb.)

(Meierei.) Richter:Sie haben Sich dadurch Kredit verschafft, daß Sie Sich als Inhaber einer Meierei aufsvielten; die Meierei existierte aber nur in Ihrer Einbildung." Die Angeklagten:Durchaus nicht; wir sind doch drei .Meier'!"

Telegramme.

Köln, 18. Juni. Der Kaiser und die Kaiserin trafen heute Nachmittag 5 Uhr mittelst Sonderzug hier ein und wurden am Bahnhofe von dem Oberpräsidenten, dem Gouverneur von Köln, dem Oberbürgermeister und dem Polizeipräsidenten empfangen. Nach dem Abschreitender Front der aufgestellten Ehren­kompagnie fuhr das Kaiserpaar unter dem Ge­läute der Glocken nach dem Denkmalsplatz am Kaiser-Wilhelm-Ring. Die Festrede hielt der Oberbürgermeister, als Vorsitzender des Denk­malsausschusses, in welcher er einen Rückblick auf das reich bewegte Leben Kaiser Wilhelms warf und bat darauf den Kaiser, den Befehl zur Enthüllung zu geben. Unter dem Donner der Festungsgeschütze fiel die Hülle. Nach dem ChoralNun danket alle Gott" brachte der Oberbürgermeister ein Hoch auf den Kaqer aus. Gegen 7 Uhr war die Feier beendet und das Kaiserpaar fuhr zum Bahnhof zurück, von wo es nach kurzem Aufenthalt sich zu dem von den städtischen Körperschaften im Gürzenich-Saale veranstalteten Prunkmahle begab. Wenige Mieten, nachdem das Kaiserpaar angekommen war, traf auch die Kaiserin Friedrich hier ein. Die Majestäten traten an den Wagen und unterhielten sich längere Zeit, worauf die Kaiserin Friedrich ihre Reise nach London fortsctzte.

Berlin, 18. Juni. Der Kaiser hat in Genehmigung der von dem Präsidenten des Reichsversicherungsamts, Dr. Bödiker, nach­gesuchten Dienstentlassung demselben unter Ver­leihung des Wilhelmsordens seine besondere Zufriedenheit mit dessen Dienstführung bezeichnet.

Bern, 18. Juni. Der Ständerat beschloß in seiner heutigen Nachmittagssitzung mit 28 gegen 17 Stimmen in die Einzelberatung der Eisenbahnrückkaufs-Vorlage einzutreten.

Paris, 18. Juni. Der Prinz von Neapel stattete dem Präsidenten Faure heute Nachmittag einen Besuch ab. wobei er bürgerliche Kleidung trug und von einem Ordonanzoffizier begleitet war. Eine Kompagnie Infanterie erwies dem Prinzen die militärischen Ehren. Die sehr herzliche Unterredung dauerte Stunde. Präsident Faure erwiderte alsbald den Besuch des Prinzen in dessen Hotel.

In den bei Paris gelegenen Ortschaften Bezone und Colomber wütete heute Nachmittag 5 Uhr ein Wirbelsturm 1 Haus stürzte ein. Mehrere Personen wurden verletzt, schwere Bäume wurden entwurzelt, und die Telephon- und Telegraphendrähte zerrissen.

Lugano, 18. Juni. Infolge wieder­holter heftiger Gewitterregen in den letzten Tagen ist der Verkehr auf der Zwifchenstrccke der Gotthardbahn zwischen Maccagno und Pino- am Lago Maggiore durch Erdrutsche seit 2 Tage unterbrochen. Auf der Hauptstrecke bei Maroggia am Lugano-See wurden 4 Güter­wagen eines Zuges verschüttet. Die Freimachung der Linie ist mit großen Arbeitskräften in Angriff genommen.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.