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ihre Erbschaft rechnete, sondern weil er ihr überhaupt alles erdenkliche Schlechte gönnte. Schließlich habe er trotz seiner sonst fleißig geübten Vorstellungskunst die Wut, die in seinem Herzen kochte, nicht länger zurückhalten können und habe ihr einmal, als sie ihm abermals eine Geldsumme, deren er dringend bedurfte, in ihrem filzigen Geiz geradezu verweigert habe, so gründlich und mit so unzweideutigem Ge- bcrdenspiel seine Meinung gesagt, und daß sie sich veranlaßt gesehen habe, laut um Hilfe zu rufen.
„Vielleicht gab er ihr Ursache dazu." schrieb er, „denn wenn ich nicht draußen näher kommende Schritte gehört hätte, so würde ich mich vielleicht schon damals versucht gefühlt haben, der guten Parze Atropos ein wenig in's Handwerk zu pfuschen."
Aber er hatte sich gesagt, daß ein solches Beginnen ein vollkommen unsinniges gewesen wäre, da es ihm nicht den geringsten Nutzen gebracht haben würde; doch da ihm nun einmal der Gedanke gekommen war, hatte ihn derselbe nicht wieder verlassen und ihn um so heftiger und mahnender verfolgt, als er bald genug erfahren hatte, daß seine Aussichten auf die glänzende Erbschaft vollständig zu Wasser ge» worden seien. Zwar hatte er noch einmal den Versuch gemacht, die Tante zu versöhnen; aber sie hatte ihn nicht einmal vorgelassen und hatte seine Briefe uneröffnet zurückgeschickt. Das hatte, im Verein mit seinen immer peinigender werdenden Geldverlegenheiten und mit der Befürchtung, daß sie sterben könnte, ohne ihm auch nur einen Pfennig zu hintcrlassen, seinen Entschluß immer mehr befestigt und ihn endlich mit kältestem Blute an die Ausführung desselben gehen zu lassen. Er wußte längst, daß Elmira Hegemeicr in jenem Schränkchen, welches sie gar manches Mal aufgethan hatte, und ihm zu helfen, sehr große Summen in barem Gelde aufzubewahren pflegte, und er wußte auch, daß sie in den Abendstunden, nachdem die Aufwärterin gegangen war. sich ganz allein in dem kleinen, isoliert liegenden Häuschen befand. Daraus hatte er mit teuflischer Bcdachtsamkeit seinen Plan aufgebaut, dessen Gelingen ihn absolut sicher schien. Nachdem cs ihm durch seine zufällige Bekanntschaft mit dem „Giftmischer" möglich geworden war, sich in den Besitz des Chloroforms und der Blausäure zu setzen, die ihm als die sichersten und für ihn selbst gefahrlosesten Waffen zur Vollbringung der gräßlichen That erschienen, hatte er sich über ihre Wirkung und über die Art ihrer Anwendung genau informiert, und er hatte dann an jenem Abend das Haus so lange umschlichen, bis die Aufwärterin gegangen war und bis er die Gewißheit gewonnen hatte, daß sich auch kein zufälliger Besucher bei seiner Tante befand. Dann hatte er die Glocke gezogen und von der alten Dame, die sich anfänglich entschieden weigerte, ihn zu empfangen, Einlaß begehrt und erhalten.
In der Maske eines reuigen, bußfertigen Sünders war er gekommen und hatte durch sein geschicktes Gaukelspiel das Mitleid des alten Fräuleins wachgerufen, wenn sie ihm auch trotz alledem kein Hehl daraus gemacht hatte, daß ihr Entschluß hinsichtlich der letztwiüigen Verfügung über ihr Vermögen ein unabänderlicher sei und daß sie in dieser Richtung bereits Schritte gethan hätte, welche nicht mehr rückgängig gemocht werden könnten. So sehr auch diese offene Mitteilung seine Wut von Neuem aufgestachelt hatte und so verhängnisvoll sie auch der unglücklichen alten Dame werden sollte, er hatte es doch auch jetzt noch verstanden, die demütige Maske der Zerknirschung vor dem Gesicht zu behalten, bis ihm der geeignete Moment zur Ausführung seines teuflischen Vorsatzes gekommen schien. Ohne daß sie es bemerken konnte, hatte er fast den ganzen Inhalt des Chloroform- fiäschchen über sein Taschentuch gegossen und dasselbe der alten Dame, während er sie scheinbar in überströmender Zärtlichkeit in seine Arme schloß dergestalt an den Mund und Nase gedrückt, daß sie, ohne auch nur den schwächsten Versuch eines Widerstandes zu machen oder einen einzigen Hülfe heischenden Laut auszustoßen.
schon nach dem zweiten Atemzuge bewußtlos niedergefunken war. Er hatte sie in den Lehnstuhl am Tische gleiten lassen, der, wie er wußte, ihr gewöhnlicher Platz war. und er war nun mit einer Kaltblütigkeit, wie man sie sonst nur bei einem ganz abgefeimten und verhärteten Verbrecher voraussetzen kann, an den zweiten Teil seiner wohlvorbereiteten Aufgabe gegangen. So tief auch die Betäubung fein mochte, von welcher ihre Sinne umfangen waren, es war doch immerhin nur eine Betäubung, sie mußte binnen einer kurzen oder längeren Zeit aus derselben erwachen und dann hatte er sich ans Messer geliefert, ohne für sich selbst auch nur das Geringste da- bei zu profitieren. Damit konnte es also nicht abgethan bleiben, und er hatte auch zu seiner Genugthuung ein Mittel in der Hand, um die vorübergehende Betäubung in einen Schlummer zu verwandeln, von dem es keine Auferstehung mehr zum irdischen Leben gab. Aber auch dabei mußte er mit großer Vorsicht zu Werke gehen; denn es galt ja nicht nur. die That selbst mit gutem Erfolge zu vollbringen, sondern es galt vor allem die Möglichkeit einer Entdeckung nach Kräften auszuschließen. Er hatte einen Teil des in seinen Händen befindlichen Giftes in eine kleine Metallspritze gefüllt, deren feine Ocffnung ihm gestattete, das furchtbare Gift selbst zwischen den geschlossenen Lippen hindurch einzuflößen. Es war ihm sogar gelungen, das kleine Instrument so tief in den Mund der Unglücklichen zu bringen, daß sie beim Entleeren der Spritze notwendig eine unwillkürliche Bewegung des Schluckens machen mußte, und damit war die schändliche That vollbracht.
(For tsetzung fo lgt.)
Liebenzell, 9. Juni. Ein Brautpaar sollte letzter Tage getraut werden. Obgleich die Aushängefrist schon acht Tage verflossen war, liefen jedoch die für den Bräutigam nötigen Papiere nicht ein, weshalb die Trauung nicht zur festgesetzten Stunde vollzogen werden konnte. Nach mehrmaligem Telegraphieren lief endlich die Nachricht ein, daß der Schließung des Ehe- bundes kein Hindernis im Wege stehe. Während der Verzugszeit konnte das Brautpaar mit den Gästen nichts Praktischeres thun, als das bereit gehaltene Hochzeitsmahl einzunehmen.
Der bekannte Augenarzt Herzog Dr. Karl Theodor von Bayern war einige Tage in Meran. Hier wurde er von Augenkranken bestürmt. Er nahm während einiger Tage 65 Star Operationen und 100 kleinere Augen- Operationen vor.
„5 2 Geschäfte." Der Kaufmann S., Inhaber eines Warengeschäfts zu Frankfurt a. d. O., hatte in seinen Schaufenstern Plakate mit der Aufschrift angebracht: „52 große Geschäfte in den ersten Städten Deutschland". Ein Kaufmann E. erwirkte beim Amtsgericht eine einstweitige Verfügung auf sofortige Entfernung der Plakate. Das Landgericht bestätigte diese Verfügung, da die Angabe auf den Plakaten in keiner Beziehung den Thatsachen entspreche. In Wirklichkeit verhalte sich die Sache so, daß eine Vereinigung von 52 Kaufleuten, darunter auch S., bestehe, welche gemeinsame Einkaufsquellen habe. — Die hiergegen eingelegte Revision wurde vom Kammergericht zurückgewiesen.
(Fabrik.) Der Kaufmann Sch. bezeichnete sein Geschäft als „Fabrik", obwohl er eine solche thatsächlich nicht hatte, sondern seine Waren von anderen Fabrikanten bezog. Er wurde auf die Klage eines Konkurrenten vom Landgericht verurteilt, die Bezeichnung „Fabrik" zur Vermeidung einer fiskalischen Strafe zu unterlassen.
(Harzflecke aus Kleidern zu entfernen.) Man reibt den Fleck mit einem Flanellstück ab, das man wiederholt mit gutem reinen Spiritus befeuchtet.
(Auch ein Kalender.) Sie: „Alter, ich kann mich absolut nicht besinnen, was haben wir denn heute für einen Tag?" — Er (an den
Finger zählend): „G'selchtS . . . Leberwürst ... Knödel . . . saure Haxen heut' ist Donners- tag!"
(Im Theater) Schauspieler (in der Rolle des Don Carlos): „Hör' an. erstarre, doch er- widre nichts: Ich liebe meine Mutter!" —, Stimme von der Galerie: Ei Herrchäses, „warum sollen Se denn Ihre Frau Mutter nich lieben, mein Kuter?"
(Die praktische Hausfrau.) Dame: „Sie waren ja auch in China. Herr Kapitän; ist es wahr, daß man dort Regenwürmer ißt?" Kapitän: „Als Delikatesse sogar; ich habe sie selbst verspeist!" Dame: „Ach, da kommen Sie doch auf ein paar Tage zu uns, in unserem Garten nimmt das Zeug nämlich überhand!"
(Die verliebte Köchin.) Hausfrau: „Warum kaufst Du denn jetzt nur immer so viel Petersilie auf dem Markte ein, Marie?" — Maries: „Ach, gnädige Frau, mein Schatz heißt halt Peter!"
Viersilbige Scharade.
Die ersten Zwei sind stets bedacht Zu loben laut, was sie vollbracht.
Es nennt das letzte Silbenpaar Uns einen Spiegel hell und klar.
Eins — Zwei — Drei — Vier, zum Wort
vereint,
Sind oft der guten Laune Feind.
Wer wandert über Berg und Thal,
Dem macht das Ganze oftmals Qual.
Prof. Falbs Witterungsprog, nose v. 11. Juni lautet: Vereinzelte Gewitter ausgenommen, dürfte das schöne Wetter auch in der nächsten Woche noch andauern und der kritische Termin vom 14. (2. Ordnung) nicht besonders merklich hervorlrelen. Doch vom 20. ab ist ein Umschlag der Witterung und der Eintritt von ausgebreiteten und ergiebigen Regen und Gewittern, namentlich um den 20. und 28., bei hoher Temperatur wahrscheinlich. (Also wäre nur in dieser Woche günstiges Heuwelter.)
Telegramme.
Potsdam, 13. Juni. Der langjährige Chef des Mllitärkabinets Kaiser Wilhelm I. General der Kavallerie v. Albedyll, ist heute früh hier gestorben.
Rheinfelden, 13. Juni. Von der gestern Abend in Brand geratenen hölzernen Rheinbrücke stürzte um 9 Uhr das große Joch in den Rhein und schwamm brennend stromabwärts.
P a r i s, 13. Juni. Als Präsident Faure sich heute Nachmittag zu dem Rennen nach Longchampsstch begab, gab ein junger Mann einen Revolverschuß gegen ihn ab. Es ist niemand getroffen worden. Der Verbrecher wurde sogleich verhaftet. Waffen und Bombenstücke wurden bei ihm gefunden.
Paris, 13. Juni. Nachmittags 4 Uhr 55 Min. Aus den letzten Feststellungen ergiebt sich, daß auf den Präs. Faure nicht ein Revolverschuß abgegeben wurde, sondern daß es sich um ein gußeisernes Rohr mit einer Pulverladung handelte, das in dem Augenblick der Vorbeifahrt des Präsidenten explodierte. Durch die Explosion wurde niemand verletzt. Bei dem Rohre fand man eine Schmähschrift gegen den Präsidenten, eine Pistole einen Schlagring und ein kleines Dolchmesser, auf dem Todesdrohungen gegen Faure eingraviert waren. Man glaubt, daß es sich um die That eines Wahnsinnigen handelt. Ein Individuum, das im Augenblick der Explosion flüchtete, konnte bisher nicht wieder aufgefunden werden.
Paris, 13. Juni. 9 Uhr 50 Min. Die Vorrichtung war eine Röhre von 15 cm Länge, 6 cm Durchmesser und 2 cm Dicke. Der Inhalt bestand aus Pulver und Rehposten. Das Individuum, welches bei der Menge im Verdacht steht, der Urheber des Attentats zu sein, wurde festgenommen und heißt Galtet. Bei dem Verhör gab er fast keine Antwort. Auf dem Kolben der gefundenen Pistole ist folgende Inschrift eingraviert: „Faure ist verurteilt. Elsaß- Lothringen-Köln."
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.