441
Aus Stadt, Be,irk und Umgebung.
Nagold, 11. Juni. R. Fröhlich hier, Kat ein Eisenpräparat erfunden, das vom chem. Laboratorium der K Zentralstelle für Land- Wirtschaft für gut befunden wurde und das den Hühnern im Futter gegeben werden soll. Die von diesen Hühnern stammenden Eier sind dann viel eisenhaltiger als andere und bilden sür Blutarme re. ein wertvolles Mittel, weil das Eisen in anderer Form genommen, schwerer verdaulich ist.
Pforzheim, 9. Juni. Der in Ellmen- dingen schon seit längerer Zeit stationierte Gensdarm Seeger hat sich heute früh durch einen Schuß in die Brust mit seinem Dienst gewehr zu entleiben versucht. Der Bedauernswerte hat die That in dem Wahne, seine Pflicht nicht mehr voll erfüllen zu können und deshalb bei der Beförderung übergangen worden zu sein, verübt. Die Kugel, welche den Körper durchschlug, blieb in der rückwärtigen Thürwand stecken.
Pforzheim, 10. Juni. Unsere Theater- angelegenheit scheint durch die gestrige Bürgerausschußsitzung also doch zur endlosen Seeschlange werden zu sollen. Mit Spannung sah man in vielen Kreisen dem gestrigen entscheidungsvollen Tage entgegen, wurde aber durch das Ergebnis der Sitzung nur allzusehr enttäuscht. Nach nahezu Sstündiger Beratung wurde mit 45 gegen 43 Stimmen der Antrag der Herren Dr. Wieland, Kiehnle und Ringer angenommen: nach weiteren geeigneten Plätzen unter fernerer Berücksichtigung des alten Theaterplatzes Umschau zu halten. Der Antrag des Stadtrates, nach neuen Plätzen Umschau zu halten ohne Berücksichtigung des alten Platzes konnte leider gar nicht mehr zur Abstimmung gelangen, nachdem der obige Antrag schon durchgegangen war. Unsere Stadt wird also allem Anscheine nach später einmal nur ein Theater von mäßiger Größe und Bedeutung erhalten, vorerst aber wahrscheinlich gar keines.
Calw, 9. Juni. Auf den heute statt- gehablen Viehmarkt waren 302 Stück Rind. Vieh, 18 Körbe Milchschweine. 56 Stück Läufer, sowie 8 Pferde zugeführt. Handel in Rindvieh anfangs flau, am Schlüsse lebhafter. Fette Ochsen, wovon nur wenige am Platze waren, wurden hoch bezahlt. Höchst erlöster Preis 1030 , für minder fette Ware wurden 992
und 845 erlöst. Im übrigen Vieh waren die Preise weichend. Auf dem Schweinemarkt ging der Handel ziemlich lebhaft, Milchschweine wurden mrt 25 bis 36 vIL pro Paar bezahlt, Läufer lösten 45—80 »-L je nach Gewicht.
Deutsches Aeich.
Der Kaiser gedenkt seine angekündigte Reise nach Rußland zur Ausführung seines Gegenbesuches am Petersburger Hofe Anfang nächsten Monats anzutreten, und zwar zur See. Die „Hohenzollern". an deren Bord der Kaiser die Fahrt von Kiel nach Petersburg unternimmt, wird von einem stattlichen deutschen Geschwader begleitet sein. Ueber die Einzelheiten des bevorstehenden jüngsten Aufenthaltes des erlauchten Monarchen in Rußland ist jedoch nichts Näheres bekannt.
Der Prozeß gegen den Kriminalkommrssär v. Tausch und den Polizeiagenten und Jour- nalisten v. Lützow ist bekanntlich Freitag vor Pfingsten zu Ende gegangen. Lehrreich und folgenschwer ist dieser Prozeß für die Zukunft. Ganz abgesehen davon, daß Tausch in seiner bisherigen Stellung unmöglich verbleiben kann, indem er nicht nur schwere Dummheiten, sondern auch wirkliche Ungezogenheiten gegen Se. Maj. den Kaiser verübt hat» wird die ganze politische Polizei einer gründlichen Umwandlung unter- zogen werden müssen; aufheben kann man sie leider nicht, aber der Nachfolger des Herrn von Tausch wird notwendigerweise einer scharfen Kontrolle seiner Vorgesetzten unterworfen wer- den müssen und letztere werden sür den Kriminalkommissar eine Mitverantwortung zu übernehmen haben. Dinge wie sie der vorwöchige Prozeß enthüllt hat, dürfen nun einmal nicht mehr wiederkehren, das ist die allgemeine Ueberzeugung. Daß jeder Stand unangenehme Elemente in sich hat, ist eine bekannte Thatsache, aber so nichts
nutzige Subjekte, in solcher Zahl und in einer so hochgradigen Verkommenheit des Charakters zählt wohl kaum ein anderer Stand wie der Stand der Journalisten. Der in dem Tausch- Prozeß wiederholt genannte Normann-Schumann ist ein wahres Musterbild der denkbar ärgsten Niederträchtigkeit; aber auch verschiedene andere Journalisten, die das Erschießen kaum wert sind, zeigten sich bei dieser Gelegenheit in ihrem rich- tigen Lichte. Daß solche Subjekte Mitarbeiten können an den Organen, welche die öffentliche Meinung «iederspiegeln sollen und sie häufig machen, ist indessen demjenigen Publikum zu verdanken, das am liebsten solche Zeitungen liest, welche die pikantesten Meldungen, auch wenn sie scharf übertrieben oder völlig erlogen sind, in größter Anzahl ihren Lesern vorsetzen. Es wäre nachgerade an der Zeit, für jede pikante und nicht in allen Teilen wahre Nachricht, ohne Rücksicht darauf, ob eine Privatklage dagegen auftritt oder nicht, den Verleger der betreffenden Zeitung mit empfindlichen Haftstrafcn zu belegen. Mit einem solchen Strafparagraphen würden die verschiedenen Notizen über das angeblich krebsartige Ohrenleiden des Kaisers, über die Schulden des Kaisers rc. (lauter frei erfundene Meldungen) für die Folge unmöglich gemacht.
Berlin. (Getreidemarkt-Bericht) Die Getreidefelder standen in letzter Zeit andauernd unter der Gunst der Witterung, welche im west- lichen Europa warmen, sommerlichen Charakter angenommen und mit geringen Ausnahmen auch bewahrt hat. Aus dem engern deutschen Vaterlande lauten die Saatenstandsberichte bisher so günstig, daß man bei ungestörter Blütezeit und gutem Erntewetter auf besonders reichliche Erträge rechnen kann. Diese Anschauung findet unverkennbaren Ausdruck in den stärkern Ablieferungen der Landwirte. Infolge dessen gingen am Berliner Platze der Weizen und Roggen um etwa 2 Mk. zurück. Der Mehl- konsum beschränkte sich auf prompte Waren.
Königsberg, (Pr.) II. Juni. Bei der gestrigen Reichstagsersatzwahl für den verstarb. Sozialdemokraten Schultze erhielt Rechtsanwalt Haase (Sozialdemokrat) 11917 Stimmen, Gutsbesitzer Papendieck (freisinnig) 5008, Rechtsanwalt Krause (natl.) 4049, Strömer (Antisemit) 2160 Stimmen. Haase ist somit gewählt. Der Sieg ist zum ersten Mal ohne Stichwahl erfolgt.
Wiesbaden, 10. Juni. Reichstagsersatzwahl Wintermeyer (freis. Volksp.) 6566, Graf Fugger (Ztr.) 5355, Dr. Quarck (Soz.) 5166 und Bartling (nat. lieb.) 3072 Stimmen. Es ist somit Stichwahl zwischen Wintermryer und Graf Fugger erforderlich.
Leipzig. 9. Juni. Die dritte Tagung des Alldeutschen Verbandes wurde heute eröffnet. Unter den zahlreichen Teilnehmern be» finden sich solche aus Oesterreich, der Schweiz, Belgien, London, Südafrika und von Rußland. Die Versammlung sandte Ergebenheitstelegramme an den Kaiser, den König von Sachsen und den Fürsten Bismarck.
Regensburg, 9. Juni. Die Versammlung der Vorstände aller christlichen Bauern- vereine Bayerns, welche heute hier tagte, war aus allen Gegenden Bayerns sehr zahlreich besucht. Einen Hauptgegenstand der Beratung bildete die Gründung eines allgemeinen christlichen Bauernvereins für Bayern. Ein dahin gehender Beschluß wurde gefaßt.
Vom Kniebis. Ende dieses Monats sollen auf dem Kniebis Hebungen des 14. badischen Armeelorps, insbesondere der Artillerie, stattfinden, denen, wie badische Blätter bemerken, voraussichtlich auch der Kaiser beiwohnen wird. Es soll gegen die Höhe des Schliffkopfs, auf dem vom bad. Pionierbataillon 1891 ein Beobachtungsturm errichtet wurde, von badischer Artillerie unter den nötigen Vorsichtsmaßregeln scharf geschossen werden. Vorher soll der Weg Allerheiligen-Zuflucht, der dis zum Wahlholz, also zur Hälfte des Wegs, schon zu einer Fahrstraße erbceitert ist, bis zur Höhe der Zuflucht vom badischen Pionierbataillon zu einer Fahr- straße ausgebaut werden.
Baden, 10. Juni. Ueber die Pfingst- feiertage (5.-8. Juni) kamen hier 16717
Personen an und fuhren wieder ab 15 692 Personen. — Ein Ladenmädchen in Baden gewann in der Roten-Kreuz-Lotterie 2000 Mk.
Der große Treffer der Badischen 100-Thale r-Lose, 300000 Mark, soll einem Karlsruher Zimmermeister zugefollen sein.
Aus Thann im Elsaß wird gemeldet, daß dort am Mittwoch früh ein heftiger Erdstoß verspürt worden ist.
Württemberg.
Tübingen, 10. Juni. Gestern nachmittag kamen der König und die Königin mit Exirazug auf dem hiesigen Bahnhofe an, empfangen von einer zahlreichen Volksmenge. Vom Bahnhof begaben sich die Herrschaften in offenem Wagen nach dem Exerzierplätze, wo daS Militär Paradeaufstellung genommen hatte. Nachdem der König die Begrüßung des Oberst v. Dresky entgegrngenommen, führte Major Seible das Bataillon im Parademarsch vor. Nach der Parade drückte der König den Offizieren seine volle Zufriedenheit aus und verließ alsdann unter vrausenden Hochrufen das Paradefeld. Die Majestäten begaben sich hierauf mit ihrem Gefolge zu längerem Aufenthalte nach Beben- Hausen.
Die Kammer der Abgeordneten hat in voriger Woche den Etat der Eisenbahnen» Posten, Telegraphen und der Dampfschiffahrt auf dem Bodensee erledigt und ist nunmehr in dieser Woche an die Beratung des neuen Steuer- gesetzenlwurfs gegangen. Letztere wird eine Arbeit des Kammerplenums von mehreren Wochen beanspruchen, was um so mehr anzuerkennen ist, als der Aufenthalt in Stuttgart während der größten Sommerhitze an sich nicht zu den Annehmlichkeiten des Lebens gehört und unser Halbmondsaal, trotz der schon vor mehreren Jahren eingerichteten Kühlvorrichtung, im Hochsommer eben doch nicht ganz kühl zu machen ist. Freilich mag sich die Kammermehrheit gesagt haben, daß sie mit der weiteren Hinauszögerung dieser Beratung seitens der Wähler Vorwürfe sich zuziehen könnte. Gerade die kleineren Stcuerzähler erwarten ja von dem neuen Steuergesetze eine Entlastung und in Geldsachen hört bekanntlich nicht nur die Gemütlichkeit, sondern auch die Parteifreundlichkeit auf, und zwar um so mehr, als mehrere Angehörige der führenden Fraktion in unserer zweiten Kammer zu den bestsituierten Leuten im Lande gehören, welche von der neuen Steuer ganz anders getroffen werden, als von der alten. Schon aus dem Grund, daß kein Verdacht darüber auf- kommen kann, als ob die betreffenden Abgeordneten die erhöhte Steuerlast möglichst spät an sich herankommen lassen möchten, muß die Kammer wohl oder übel nunmehr das längst erwartete und von allen Seiten versprochene Gesetz durchberaten, wenn es auch manchen Schweißtropfen kosten und mancher ländliche Abgeordnete in seinem eigenen Geschäft schwer vermißt wird.
Weinsberg, 9. Juni. Am kommende« Montag den 14. ds. feiert der Dichtersoh« Hofrat Dr. Theobald Kerner hier, seinen 80. Geburtstag. Aus diesem Anlaß wird hier eine öffentliche Feier folgendermaßen veranstaltetr Sonntag Abend allgemeine Illumination und Beflaggen der Stadt, Ständchen des Männer- liederkranzes am Kernerhaus; Montag früh Böllersalven von der Burg Weibertreu, Choralblasen vom Turm, vormittags 10 Uhr Sitzung der bürgerlichen Kollegien zur Verleihung deS Ehrenbürgerrechts und anschließend Hiera« Gratulation bei dem Jubilar und Uebergabe eines Kunstwerkes im Werte von ca. 400 «T zur Erinnerung an den Tag; abends 8 Uhr allgemeines Bürgerbankett im Gasthof z. Traube.
Weiler st eußlingen, 10. Juni. Jagdpächier Stark von hier hatte das Waidmannsglück kürzlich 2kämpfende Rehböcke, einen Sechser und einen Spießbock, auf eine« Schuß zu erlegen.
Ausland.
Um den angekündigten Gegenbesuch des Präsidenten Faure am russischen Kaiserhose beginnt sich bereits ein förmlicher SagenkrerS z» weben. Schon der Umstand, daß der Zeitpunkt