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Selo gegen den Zaren geplanter Revolver- Anschlag vereitelt worden.
Die Türkei geht planmäßig vor. Zur Verpflegung der türkischen Armee wurde im Gebiete von Turnavo. Trikkala, Karditza, Larissa und Pharsala die Konfiskation der Ernte gegen Quittung angeordnet. Einige Eskadrons der Konstantinopeler Garnison erhielten Marschbefehl nach dem Kriegsschauplätze. Die Besatzung auf den Archipelinseln wird durch 8000 Mann In- fanterie und 300 Mann Artillerie verstärkt. — Am Sonntag und Montag fand in Konstanti- nopel ein Ministerrat statt. Die Nachricht der „Morning Post" von einer angeblichen Konzentrierung von 30 Bataillonen an der serbischen und montenegrinischen Grenze wird als falsch bezeichnet.
ImOrient geht es mit den Fr ieden s- Verhandlungen nicht recht vorwärts. Die Griechen wollen noch immer keine Kriegsentschädigung zahlen und keinen Fuß breit Landes abtreten und behandeln die Vertreter der Groß- Mächte noch immer ebenso unverfroren, wie vor dem Krieg. Den Türken geht allmählich die Geduld aus. Sie verlangen, daß der abgeschlossene Waffenstillstand nunmehr einen gewissen Endtermin erhalten soll, und daß. wenn dieser Termin abgelaufen sei. ohne den definitiven Frieden zu bringen, die Feindseligkeiten wieder ausgenommen werden sollen. Die vollständig demoralisierten griechischen Truppen könnten einen neuen Ansturm der Türken noch weniger standhalten, als bisher und es würde den Türken nicht all zu schwer fallen wenige Tage nach der Eröffnung der Feindseligkeiten in Athen einzumarschieren. Dabei gebärden sich die kretensischen Aufständischen als Herren der Insel, haben den Bewohnern von Kandia die Wasserleitung abgeschnitten und drohen auch mit weiteren Angriffen, wenn nicht die letzten türkischen Truppen von der Insel Kreta zurückgezogen würden.
Konstantinopel, 2. Juni. Morgen wird auf der Pforte die erste Sitzung stattfinden, in der über den Friedensabschluß verhandelt werden soll. Es werden der Minister des Auswärtigen und die Botschafter an derselben teilnehmen. Man hofft, es werde zu einer raschen Verständigung und einem baldigen Abschlüsse der Verhandlungen kommen.
Sofia. 2. Juni. Infolge anhaltender Regengüsse sind die Flüsse des Landes ausgetreten und haben zahlreiche Brücken u. Straßen zerstört. Seit einigen Tagen ist keine Post hier ein getroffen.
Unterhaltender Heil.
Falsche Spuren.
Criminal-Novelle von Ferdinand Hermann' (Fortsetzung.)
Am folgenden Tage hatte sich Paul sogar die Erlaubnis ausgebeten, ihn zu besuchen, und er war mehrere Tage hinter einander in seine Mansarde heraufgckommen, um sich durch den Augenschein zu überzeugen, wie es mit seinen Arbeiten stände, und um ihn durch freundlichen Zuspruch zum Ausharren in seinem mühevollen Streben zu ermutigen. Dabei hatte der junge Herr eine ganz merkwürdige Wißbegierde an den Tag gelegt, sich eingehend nach dem Inhalt all' der Flaschen und Fläschchen erkundigt, welche Fredersdorfs Schätze bildeten, und bei seinem zweiten Besuche lachend geäußert, wenn er schon einmal den Ehrentitel eines Giftmischers habe, so solle er ihm zeigen, worin denn eigentlich sein Giftvorrat bestände. Fredersdorf war allen Wünschen seines vornehmen und so überaus liebenswürdigen Gastes auf das Bereitwilligste entgegengekommen und hatte sich glücklich geschätzt, einen solchen Gönner und Freund gefunden zu haben. Freilich habe es ihm den Anschein gewonnen, als ob nach einigen Tagen der Eifer und die Anteilnahme des Doktors erheblich erkaltet wären; denn er habe seine Besuche nicht nur nicht wiederholt, sondern er hätte ihn auch des Abends in der Weinstube nur eines kurzen Grußes und im besten Falle einer ganz flüchtigen Unterhaltung gewürdigt. Nur ein einziges Mal hatte er eine Ausnahme
davon gemacht, und das war gar sehr zr Fredersdorf's Schaden gewesen; denn es geschah in jener Nacht, in welcher er auf der Straße krank und ermattet zusammenbrach, und in welcher er vielleicht draußen im Freien elend umgekommen wäre, wenn sich nicht ein menschenfreundlicher Mann seiner erbarmt und ihn wenigstens unter Dach und Fach gebracht hätte. In jener Nacht war Rellinghausen, der allerdings kaum eine halbe Stunde in der Weinstube zugebracht hatte, von einer ganz ausgelassenen, geradezu fieberhaften Lustigkeit gewesen. Er hatte alle Anwesenden mit Champagner bewirtet und namentlich ihm, dem armen Fredersdorf, so tapfer zugetrunken, daß der schwächliche Alte, dem ein ähnlicher Genuß seit Menschengedenken nicht mehr zu teil geworden war, bald die Herrschaft über seine Sinne verlor und nicht mehr wußte, was mit ihm geschah; so hatte er auch von jenem Tausendmarkscheu, nichts gewußt und erschöpfte sich jetzt in Ausdrücken glühender Dankbarkeit für seinen anwesenden Wohlthäter und Retter.
„Sie werden den Kassenschein, welchen Ihnen Ihr vermeintlicher Freund zugesteckr hat, nicht behalten dürfen, Herr Fredersdorf; denn derselbe wird unzweifelhaft berufen sein, die Stelle eines wichtigen Beweisstückes in einem sehr traurigen Drama zu spielen. Aber Sie haben deshalb keine Veranlassung, sich deshalb auf's Neue der Betrübnis abzngeben; denn ich verspreche Ihnen, daß sie hinfort vor einer Wiederkehr so unwürdiger Szenen, wie es die oben von mir beobachtete war, bewahrt bleiben sollen. Geben Sie mir nur noch Antwort auf wenige Fragen. Befand sich unter Ihren Vorräten an Chemikälen auch Chloroform?"
„Allerdings: „Ich bewahrte ein kleines Fläschchen davon auf, obwohl ich eigentlich keine Verwendung dafür hatte."
„Gut! Und besaßen sie nicht auch Blausäure ?"
„Blausäure," murmelte der Alte, indem er mit dem Kopf nickte, „freilich! Ich selbst hatte es aus Mandelkernen destilliert: Ein einziges Fläschchen: da oben steht es."
„Wo?"
„Dort! Hinter den beiden großen Schwefelsäureballons: Ich habe es ein wenig versteckt; denn obwohl kaum je Einer hier herein kommt, könnte es doch sein, daß einmal ein Unglück geschähe!"
Tronow war aufgestanden und hatte den von dem Alten genau bezeichnten Platz auf dem Regal untersucht. Derselbe war leer.
„Sie müssen im Irrtum sein, Herr Fredersdorf!" sagte er. „Hier finde ich nichts."
„Ah, ist unmöglich! Ich kann mich nicht täuschen! Ich würde mitten in der Nacht jedes Schächtelchen in meinem Laboratorium finden. — Lassen Sie mich selbst Nachsehen! — Wenn Sie mir nur ein wenig behilflich sein wollen!"
Es kostete dem Alten eine große Anstrengung, sich unter Tronow's Beistand zu erheben; aber der Gegenstand, um den es sich hier handelte, war zu wichtig, als daß der Referendar einer Regung unzeitigen Mitleids hätte nachgeben dürfen. So geleitete er denn den „Giftmischer" an jene Stelle und sah in höchster Spannung zu, wie Jener mit zitternden Fingern die Flaschen. Büchsen und Gläser bei Seite schob, um den verhängnisvollen Behälter zu finden. Er suchte vergeblich, und auch das Gefäß mit dem Chloroform war spurlos verschwunden. Er geriet darüber in große Aufregung; aber Tronow sprach ihm beruhigend zu und führte ihn zu seinem Lager zurück.
„Aengstigen Sie sich jetzt nicht! Ich glaube, Ihnen über den Verbleib beider Stoffe eine Aufklärung geben zu können. Ich habe Sie nicht ohne Grund nach denselben befragt. Hatten Sie nicht auch dem Doktor Rellinghausen die Blausäure gezeigt?"
„Gewiß! er interessierte sich in sehr hohem Grade dafür, erkundigte sich nach der Herstel- lungsweise, nach der Wirkung auf den Menschen und nach Allem, was eben über dies Gift zu berichten ist."
„Nun wohl! Und wäre es nicht möglich,
daß er bei dieser wie bei einer anderen Gelegenheit das Fläschchen unbemerkt zu sich gesteckt hätte?«
Fredersdorf starrte den Fragenden verwundert an. Die Erregung und das viele Sprechen hatten ihn ein wenig verwirrt gemacht. Er mußte sich stark zusammennehmen, um seiiw Gedanken bei einander zu halten und sich den Besuch des Doktors noch einmal mit allen Einzelheiten ins Gedächtnis zurück zu rufen. Aber es gelang ihm doch endlich, und er sagte:
„Das ist freilich wohl sehr möglich; denn ich ließ ihn hier ungehindert schalten und walten. Wie hätte ich auch auf eine solche Vermutung kommen sollen? Aber wenn er das Gift genommen hat. so ist cs in guten Händen! Er wird sicherlich keinen Mißbrauch damit treiben!"
Der Referendar hütete sich sehr wohl, ihm schon jetzt milzuteilen, welchen Gebrauch Rellinghausen von dem gestohlenen Fläschchen gemacht. Er empfahl ihm nur ernst und eindringlich, alles das, was er ihm jetzt mitgeteilt und was zwischen ihnen besprochen worden sei, wohl im Gedächtnis zu behalten, und für den Fall, daß er noch einmal von einer anderen Seite darum befragt werden sollte, unbedenklich die volle Wahrheit zu sagen, da Leben und Ehre zweier Menschenkinder davon abhängen könnten. Auch bat er ihn dringend, sich zu schonen und sein Lager nicht zu verlassen, ehe er seine Kräfte in ausgiebiger Weise wiederkehren fühle. Er empfahl sich ohne seinen Namen genannt zu haben, und ohne daß Fredersdorf in seiner Verwirrung daran gedacht hätte, nach demselben zu fragen. Auch der wackeren Wirtin, welche am Fuße der Hühnerstiege „zufällig" mit ihm zusammentraf, und welche sehr geneigt schien, ihn auf das Gründlichste auszusragen, befahl er nur sehr kurz und bündig, für den Kranken in gehöriger Weise Sorge zu tragen, und ließ ihr zu diesem Zweck noch einen weiteren Geldbetrag zurück (Fortsetzung folgt.)
(Eingesendet.) Pfingsten, das Fest des heiligen Geistes, zugleich das Fest der vollen Entfaltung in unserer deutschen Natur, fällt vom Ostersonntag ab gerechnet auf den 50. Tag (pontelrostö) und wurde schon bei den Juden, freilich in anderm Sinne, nämlich als Erntedankfest gefeiert, woran sich Brand- und Sündopfer schloffen. Pfingsten gilt uns Christen zugleich als Stiftungsfest unserer hehren, christ. lichen Kirche, der wir unsere heutige Kultur und Gesittung danken. Denn am Pfingstfeste war's, daß sich die erste christliche Gemeinde um die begeisterten Apostel scharte. Es ist dies Fest frühe in der Christenheit gefeiert worden, schon im 2. Jahrhunderte in Südeuropa. Frohe Begeisterung und Bethätigung christlicher Liebe waren sein Charakter, und in manchen Gegenden wurde auch die Konfirmation der erwachsenen Jugend erst zu Pfingsten vorgenommen, was passend erscheint, wenn man das Fest als Stiftungsfest der christlichen Kirche ansieht. Freilich will sich manche bürgerliche Einrichtung, z. B. der rechtzeitige Antritt der Lehrlinge, Schüler re. nicht mehr mit jenem Brauche decken. Echter Pfingstgeist ist es, wenn jeder Besucher des Gottesdienstes jenen Geist christlicher Bruderliebe und Wohlwollens mit hinaus nimmt ins Werktags- und Gemeindeleben, den Paul Gerhard, unser wärmster, subjektivster Liederdichter mit den köstlichen Verseu kennzeichnet Du bist ein Geist der Liebe,
Ein Freund der Freundlichkeit;
Willst nicht, daß uns betrübe Zorn, Zank, Haß, Neid und Streit.
Der Feindschaft bist du feind,
Willst, daß durch Liebesflammen Sich wieder thun zusammen,
Die voller Zwietracht sind.
Die Glückstage in Straßburg.
Die Ziehung der großen Straßburger Geldlotterie findet nunmehr garantiert am 15. und 16. Juni statt. Der Ziehungsplan mit 3681 Gewinnen zu 180 000^6, darunter Hauptgewinne von °-L 75 000, 30 000, 10000 u. f. w., ist ein außerordentlicher günstiger. Wegen des Bezugs von Losen wird auf den der heutigen Nummer beiliegenden Prospekt hingewiesen. Der Vorrat an Losen ist im Abnehmen begriffen, weshalb schleunige Bestellung ratsam ist. ,
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.