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Annahme des ganzen Gesetzes gegen die Stimmen I der Freisinnigen und Sozialdemokraten. Es folgte die namentliche Abstimmung über das von der Rechten beantragte Margarrnegesetz, das­selbe wurde endgiltig mit 186 gegen 101 St. angenommen. Zuletzt befaßte sich der Reichstag noch mit der zweiten Lesung des Gesetzentwurfes über die Organisation des Handwerks. Doch gelangten lediglich die §§ 81 und 81a, welche von den fakultativen Innungen handeln, zur Erörterung und schließlichen Annahme, die An- träge der konservativen Abgeordneten v. Viereck und Werdeck auf Einführung obligatorischer Innungen wurden abgelehnt. In der Debatte hatte der Handelsminister Bceseld namens der verbündeten Regierungen nochmals bestimmt er- klärt, dieselben hielten an ihrer Forderung fest, daß Zivangsinnungen nur dann zur Einführung gelangen dürfen, wenn die Mehrheit der be­teiligten Handwerker des Bezirks für die Zwangs­innung ist.

In Dresden sind zwei sozialdemo­kratische Redakteure wegen schwerer Beleidigung von Militärbeamten zu 10 Monaten und einem Jahre Gefängnis verurteilt worden.

Wörishofen. 20. Mai. Die von Mannheim aus verbreitete Nachricht vom Tode des Prälaten Kneipp hat sich nicht b e st ä t i g t.

Kurort Wörishofen. 16. Mai. DerKurverein Wörishofen ersucht uns um Aufnahme folgender Berichterstattung über das Befinden des greisen Herrn Prälaten Kneipp: Die bis zum 10. ds Mts. bestandene entschiedene und nach des Patienten eigenem Ausspruche zu den schönsten Hoffnungen berecht- igende Besserung hat in verflossener Woche nicht angehalten, vielmehr trat eine Wendung zum Schlimmem ein, die das Aeußerste befürchten ließ. Heute, am Vorabende seines 77. Geburts- tagsfestes, war der Zustand wiederum ver­hältnismäßig recht günstig, so daß Herr Prälat eine Abordnung von Kurgästen und Einwohnern zur Beglückwünschung und lleberreichung eines Bildes, welches den aus den Spenden der Kur­gäste zu errichtenden Kneipp.Brunnen darstellt, Mit gutem Humor empfangen konnte. Der alte Herr scherzte und gab sich der Hoffnung hin. daß er in 12 Tagen wieder heraus könne, das Wetter beeinflusse seine Krankheit sehr stark. Den verschiedenen Nachrichten gegenüber ist der Wahrheit gemäß festzustellen, daß sich eine Stockung im hiesigen Badeleben bisher nicht bemerkbar gemacht, daß vielmehr der Zuzug von Kurfremden aller Nationen in der letzten Zeit trotzdem Herr Prälat in ver­schiedenen Blättern schon tot gesagt wurde ein sehr lebhafter war und die verschiedenen Hotel« und Billen der Jahreszeit nach gut besetzt sind. Daß für eine würdige Vertretung des Herrn Prälaten Kneipp schon längst mit Erfolg gesorgt war, beweisen u. A. die warmen Sympathien und der lebhafte Zuspruch, deren sich seine langjährigen Mitarbeiter von Anfang an zu erfreuen hatten.

Württemberg.

Stuttgart, 19. Mai. Die Steuer­kommission hat letzten Samstag mit einer bis in die Nacht dauernden achtstündigen Sitzung ihre Arbeiten im wesentlichen beendigt. Die in den letzten Sitzungen vorgenommene Feststellung des Berichts über die Verhandlungen der beiden Kommissionslesungen führte zu einer teilweisen Revision der gefaßten Beschlüsse, und es wurde über einige höchst wesentliche Punkte ein über­einstimmendes Votum aller Kommissionsmitglieder erzielt. Insbesondere wurde die Besteuerung nach Haushaltungen beschlossen und eine Privi­legierung der verheirateten Steuerpflichtigen der unteren Stufen in der Weise eingeführt, daß die verheirateten Steuerpflichtigen mit einem Ein­kommen bis 1900 <^L je um eine Stufe niedriger als ihrem Einkommen entspricht, und die Ver­heirateten mit 3 Kindern und mehr bei einem Einkommen bis 3100 ^ je um zwei Stufen niedriger eingeschätzt werden. Das Steuer- Minimum würde danach für ledige Steuerpflichtige auf ein Einkommen mit 500 »fL. für Verheiratete auf ein solches von 650 »fL und für Verheiratete

oder Verwitwete mit 3 Kindern und mehr auf 800 «^1 festgesetzt. Diese Staffelung erscheint um so mehr als eine zweckmäßige Lösung, weil im übrigen die unteren Stufen sehr niedrig, erheblich niedriger als im preußischen Einkommen, struerenlwurf bestimmt wurden. Durch diese einstimmigen Beschlüsse der Kommission werden die weitschichtigen Arbeiten des Plenums wesent­lich erleichtert. Die Mitglieder der Volkspartei knüpften an ihre Abstimmung die Erwartung und Bedingung einer Aufhebung der Wohnsteuer.

Die diesjährige Aushebung der Mili- tärpflichtigen findet wie folgt statt: 1. Bezirk der 51. Jnf.-Bcig. im Landwehrbezirk Calw vom 31. Mai bis 9. Juni, in Stuttgart vom 10 bis 25. Juni; Horb vom 26. Juni bis 6. Juli; in Rottweil vom 7. bis 15. Juli, in Reutlingen vom 16. bis 23. Juli; in Ludwigsburg vom 9. bls 22. Juni; in Leonberg vom 23. Juni bis 2. Juli; in Hall vom 9. bis 18. Juni, in Heilbronn vom 19 Juni bis 2. Juli; in Mergentheim vom 9. bis 18. Juni, in Ellwangen vom 19. Juni bis 1. Juli, in Gmünd vom 2. bis 13. Juli; in Eßlingen vom 14 bis 28. Juli, in Ulm vom 29. Juli bis 8. August; in Ravensburg vom 21. Juni bis 2. Juli, in Biberach vom 3. bis 13. Juli; in Ehingen vom 14. bis 21. Juli.

Von Wolf egg wird derRemsztg." ge- meldet: Aus der hies. fürstlichen Baukasfe kamen vor einigen Wochen auf unaufgeklärte Weise 5000 abhanden. Da gerade zu der kritischen Zeit ein noch junger Handwerksmeister aus Ravensburg im betreffenden Zimmer beschäftigt war, so lenkte sich der Verdacht trotz der Unbe­scholtenheit seiner Person auf ihn. Glücklicher- weise sind die vermißten Gelder an das Tages­licht gekommen. Die 5 Tausendmarkscheine sollen nämlich in voriger Woche von außen herein an das Fenster des Schlafzimmers gelegt worden sein und so der Verdacht von dem allgemein als rechtlich bekannten Geschäftsmann genommen worden. Leider ist der Vater desselben infolge dieser Sache gestorben. Man sagt der Gram habe ihm das Herz abgedrückt.

Biberach. 20. Mai. Robert Langer, der frühere langjährige Kreisoertreter des Turn­kreises Schwaben beging am Mittwoch ein seltenes Jubiläum. Es waren an diesem Tage 50 Jahre verflossen, daß derselbe zum Vorstand der hies. Turngemeinde gewählt und dieses Amt ununler- brachen bis heute geführt hat. Die eigentliche Feier wird seitens des Vereins am Sonntag gehalten werden, und es ist zweifellos, daß die gesamte schwäbische Turnerschaft im Hinblick auf die großen Verdienste des Jubilars um die Turnersache sich einmütig an derselben beteiligt und ebenso wird in weiten Kreisen der deutschen Turnerschaft in ehrender Weise seiner gedacht werden. Langer ist ein geborener Schlesier und kam seinerzeit als wandernder Konditorgehilfe nach Biberach, hat aber im Laufe der Zeit durch seine mustergiltige Lebensführung und Energie sich zu einem der geachtelten Männer Ober­schwabens emporgeschwungen. Als Sladtrat wirkt er schon viele Jahre in seiner zweiten Vaterstadt; seine Hauptverdienste aber liegen auf dem Gebiet des Turnwesens, um dessen willen er in bewegter Zeit selbst Kerkerhaft er- duldete. Als der schwäbische Turnvater Buhl in Gmünd das Zeitliche gesegnet hatte, wußten die Turner Schwabens keinen Würdigeren an seine Stelle zu setzen als Langer, und es sind gewaltige Fortschritte, welche der schwäbische Kreis unter seiner Leitung zu verzeichnen hat. Als ein Meister der Rede, ausgestattel mit reichen geschichtlichen Kenntnissen hat er durch das Feuer der Begeisterung seine Turngenossen auf deutschen Festen öfters dazu hingerissen, daß sie den kleinen Mann mit dem klugen Kopse auf die Schultern hoben und im Triumph davon­trugen.

Ausland.

Der Waffenstillstand ist abgeschlossen, und zwar auf 17 Tage, in Thessalien sowohl wie in Epyrus. .Kampfgerüstet bleiben sich die Heere gegenüber, denn noch ist nicht sicher vorauszusagen, ob an den Waffenstillstand sich der Friede schließen wird. Die Türkei hat ihre

Forderungen an das zerschmetterte Griechenland bekanntlich hoch gespannt. Nun haben sich die Mächte ja beeilt, dem Großherrn diplomatisch in die gierig nach Thessalien und nach den un- findbaren griechischen Millionen ausgestrcckten Arme zu fallen. Wenn aber der Sultan die Botschafter reden läßt und dabei in Thessalien oder Böotien oder Attika thut, was er will? Was dann? Sollten die Mächte mit ihren Soldaten und Kanonen für Griechenland die Kastanien aus dem Feuer holen? Dazu dürfte keine Macht Lust haben und darauf kann der Tücke ruhig ein Spekulatiönchen bauen. Vor­läufig verkündet die Pforte zur Beschwichtigung der siegestrunkenen Dränger im eigenen Lande: Die Bedingungen der Waffenruhe seien keines­wegs milden Fciedensbedingungen zu verwechseln." Heber Thessalien und über die Millionen will sie mit sich handeln lassen; auf der Aushebung der Kapitulationen aber müsse sie bestehen. Als Kuriosum sei noch erwähnt, daß die türkischen Offiziösen eifrig das gute Herz des Sultans zu retten bestrebt sind, indem sie versichern, der Sultan habe sich gerade in dem Augenblick auch zum Waffenstillstand entschlossen gehabt, als der telegraphische Wunsch des Zaren bei ihm eintraf, lieber die letzten Kämpfe bei Domokos laufen noch langatmige Berichte ein, mit denen die Griechen an ihrer militärischen Ehre zu flicken versuchen. Beim Stand der Dinge sind sie nicht mehr von Bedeutung.

Die neueste Panamaskandal-Affäre in Frankreich gilt als beigelegt. Wie die PariserAgence Havas" zu melden weiß, hat der Untersuchungsrichter Prittevin erklärt, eS würden in der Panama-Angelegenheit weder neue Anträge auf gerichtliche Verfolgungen ge­stellt, noch neue Beschuldigungen erhoben werden. Dies würde einer Vertuschung dieses Skandälchens freilich verdächtig nahekommen.

Die Verwüstungen, welche die drei Eis­männer (11., 12. und 13. Mai) diesmal in Frankreich angerichtet haben, sind ganz außer­ordentlich. Etwa in 20 Departements sind die Odstbäume, die Weinstöcke, die Kartoffeln und die Bohnen erfroren. Der Schaden kann noch nicht ganz übersehen werden, doch beläuft er sich allein für das Aonne-Departement auf über 20 Millionen.

Die englische Regierung und viele Par­lamentarier scheinen den Gedanken eines Krieges gegen die Transraalrepublik nicht aufgeben zu wollen, obgleich der Volksraad der Transoaal- republik ein Gesetz beschlossen hat, das den Forderungen der sogen. Uitlanders weit ent­gegenkommt und deshalb in der englischen Kap- kolonie mit großem Beifall ausgenommen wurde.

Die am 24. Mai 1819 geborene Königin Viktoria von Großbritanien und Ir­land bestieg am 20. Juni 1837 den Thron ihres kinderlos verstorbenen Oheims. Wilhelm IV. und begeht in der Woche vom 20.26. Juni ihr 60jähriges Regierungsjubiläum, zu welchem schon zahlreiche exotische Fürsten und Häuptlinge aus Indien, Afrika re in London ewgetroffen sind. Große Festlichkeiten sind geplant. An einem der Hauptfestlage ruht in ganz Groß­britanien die Arbeit. Die Sozialdemokraten wollen aus den Städten ausziehen und auf Dörfern Pcotestverjammlungen gegen das Re« gierungsjubiläum abhalten.

Etwa tausend Metallarbeiter Antwerpens sind in den A u s st a n d ein­getreten. Sämtliche Metallwaren.Fabriken, mit Ausnahme einer, sind geschlossen.

Durch einen großen Brand in Nischny Nowgorod sind 108 Gebäude eingcäschert worden. Drei Personen sind m den Flammen umgekommen.

Unterhaltender Heil.

Falsche Spuren.

Criminal-Novelle von Ferdinand Hermann.

(Fortsetzung.)

Nach diesen ersten Mißerfolgen, die ihn wohl ein wenig ärgerten, ihn aber keineswegs verzagen ließen, faßte der junge Mann den festen Entschluß, nunmehr zunächst auf eigene Hand vorzugehen und selbst auf die Gefahr hin,