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dem kleinen Raume des Kinematographen ein Behälter mit 28 Liter Aether aufbewahrt worden sei, während nach den gesetzlichen Vorschriften nur ein solcher von 3 Liter Inhalt erlaubt sei.
Paris, 19. Mai. Die „Agence Havas" meldet: Die Mächte sind einstimmig für eine nach den türkischen Kriegskosten zu berechnende Kriegsentschädigung, ebenso für eine auf strategischen Gründen beruhende Greuzregulierung. weisen jedoch jeden Versuch zurück, an den Kapitulationen zu rühren.
Unmittelbar nachdem die Griechen die Vermittlung der Großmächte zur Herbeiführung eines Waffenstillstandes und Friedenschlusses an- gerufen hatten, machten sie einen Vorstoß gegen Epyrus. so daß eS am letzten Montag zu einer neuen Schlacht zwischen Türken und Griechen bei Domokos kam. Die Türken blieben aber, mals siegreich und nun ists bei den Griechen Matthäi am letzten. Inzwischen haben sie die nach Epyrus geschickten Truppen wieder zurück- gezogen und auf den dringenden Wunsch der Großmächte haben auch die Türken nunmehr die Feindseligkeiten eingestellt. Jetzt handelt es sich um die Friedensbedingungen. Die griechischen Ehrenmänner machen sich die Sache leicht, sie erklären keinen Fuß breit Boden abtreten, aber auch keine Drachme bezahlen zu können, führen sich also auf wie ein Mensch, der einen andern auf Tod und Leben angreift, ihn an Leben und Gut empfindlich schädigt und nachher kurzer Hand erklärt, irgend welche Genugthuung zu geben sei er außer Stande. Die Großmächte bemühen sich, die türkische Kriegskostenentschädigungs- forderung möglichst herunter zu drücken.
K o n st a n t i n o p e l, 19. Mai. Nach einer Meldung hat Ed hem Pascha an den Kriegsminister telegraphiert, daß über Domo ko die türkische Fahne wehe und das Hauptquartier dorthin verlegt sei. Es wurden dort drei Gebirgsgeschütze, ein 12-Centi- metergeschütz und große Vorräte an Artillerie- und Jnfanteriemunition erbeutet.
Athen, 19. Mai. Der Ministerrat beabsichtigt für den Fall, daß der Friedensschluß noch nicht zustande kommt, die Kreter zur Verstärkung heranzuziehen. Man glaubi 5000 Mann aufbringen zu können.
Mostaganem (Allgerien, Provinz Oran), 19. Mai. Infolge eines blutigen Angriffes seitens der hiesigen Israeliten auf etwa zehn Radfahrer aus Oran entstanden heute gegen die Israeliten Kundgebungen, bei denen die Synagoge zerstört und etwa 15 israelitische Läden geplündert wurden.
Hlnterhaltender Heil.
Falsche Spuren.
Criminal-Novelle von Ferdinand Hermann. 1 (Fortsetzung.)
Da die eigentliche Amtshandlung der Testamentseröffnung nunmehr beendet war, bildeten sich sofort eifrig gestikulierende Gruppen, welche diese ganz unerwartete Wendung der Dinge besprachen, und in der allgemeinen Erregung blieb es völlig unbemerkt, daß sich der Referendar Tronow unmittelbar nach den letzten Worten des Notars mit allen Anzeichen einer tiefen und freudigen Genugthuung aus dem Zimmer entfernt hatte. Wer kümmerte sich auch um den jungen Mann! Begriff man doch überhaupt nicht, zu welchem Zweck und in welcher Erwartung er der Publikation des Testaments bcigewohnt hatte! Tronow selbst aber lief, unbekümmert um die spöttischen Mienen und Worte der Vorübergehenden, welche den in rasender Eile Dahinstürmenden wohl für einen Betrunkenen oder Schwachsinnigen halten mochten, geradewegs zu dem Juspzgebäude, in welchem er den Untersuchungsrichter noch zu finden hoffte. Er befand sich in der That in einer Aufregung, wie er sie ähnlich nie zuvor in seinem Leben empfunden hatte, und er fühlte selbst, daß er kaum im Stande sein würde, in einigermaßen ruhrgem Zusammenhänge vorzubringen, was er zu berichten hatte. Aber was kam jetzt auf die Form an, wo die Sache selbst von so ungeheurer
Wichtigkeit war! Nicht Therese und ihr Bruder waren die Mörder, sondern Jemand, der mit Paul Rellinghausen im Einverständnis gehandelt hatte, wenn nicht gar dieser selbst der einzige Schuldige.
Seine seltsame Reise, die in so merkwürdiger Weise mit dem an seiner Tante verübten Ver- brechen zusammengefallen war, sein verstörtes Aussehen und sein zerstreutes, unruhigesBenehmen, sein Eifer, den auf Therese Ulrich ruhenden Verdacht durch offenbar lügenhafte Behauptungen noch zu verstärken — vor Allem aber der Besitz jener im Testament beschriebenen Börse, die gewiß nur in diesem einzigen Exemplar vorhanden war, und endlich die Charakteristik, welche die Erblasserin selbst in ihrem letzten Willen von ihm entworfen — das Alles waren nach Tronow's Meinung so bedeutsame, vollwichtige Indizien, daß er keinen Augenblick zweifelte, es werde daraufhin binnen weniger als einer Stunde Rellinghausens Verhaftung und Theresens Freilassung erfolgen.
Zu seiner Freude war der Untersuchungsrichter in der That noch im Gerichtsgebäude anwesend und selbstverständlich geneigt, die Erzählung seines Protokollführers anzuhören. Aber je weiter Tronow in seiner Darstellung kam und je mehr er sich bei den Versicherungen von Theresens und ihres Bruders Schuldlosigkeit ereiferte, desto kälter und gleichmütiger wurde Pürwald's Gesicht, und als der Referendar endlich mit dem Ausdruck seiner Ueberzeugung schloß, daß man sich beeilen werde, den einmal begangenen, unbegreiflichen und unverantwortlichen Mißgriff der Polizei und der Anklagebehörde wieder gut zu machen, da schüttelte der Untersuchungsrichter mit einem nicht eben sehr wohl- wollenden Stirnrunzeln den Kopf und sagte:
„Um's Himmelswillen keine vorschnellen Urteile, Herr Referendar! — Angenommen selbst, es hätte hier eine Uebereilung Vorgelegen, so wäre es sicherlich völlig verkehrt, sie durch eine zweite Uebereilung wieder gut zu machen. Aber ich sehe noch gar nicht ein, daß überhaupt Etwas gut zu machen ist. Alles das, was Sie mir da mit so großer Begeisterung als vermeintlichen Entlastungsbeweis anführen, erscheint mir als vollkommen natürlich und hebt von den bereits vorliegenden Beweisen für die Schuld der beiden Inhaftierten keinen einzigen auf. Daß die Ermordete eine gute Meinung von dem Mädchen hatte, wußten wir ja ohnedies, und daß sie dasselbe in ihrem Testament zur Universalerbin eingesetzt, ist nur ein Belag mehr für die Geschicklichkeit dieser Person und eine Bestätigung dafür, daß sie ein Interesse daran hatte, die vertrauensselige alte Dame aus der Welt zu schaffen."
Der Referendar wollte diese unbarmherzigen Deduktionen lebhaft unterbrechen; aber der Untersuchungsrichter bedeutete ihn durch eine gebieterische Handbewegung, daß er weiter zu sprechen wünsche, und fuhr mit noch schärferer Betonung fort:
„Was nun endlich die sonderbare Anschuldigung betrifft, welche Sie da gegen einen Dr. Paul Rellinghausen erheben wollen, so möchte ich Sie dringend bitten, derselben nicht etwa auch an einem anderen Orte Ausdruck zu geben. Es möchte Ihnen recht schwer werden, die Verantwortung dafür zu tragen."
Jetzt vermochte der junge Mann, der sich so Plötzlich in all' seinen Erwartungen getäuscht sah, doch nicht länger an sich zu halten.
„Wie?" rief er aus. „Sie legen selbst dem Umstande, daß ich jene Börse, das unbestreitbare Eigentum der Ermordeten, bei ihm gesehen, keine Bedeutung bei?"
„Pah! Wer sagt uns, daß es wirklich der nämliche Geldbeutel gewesen ? Und selbst angenommen, Sie hätten sich nicht getäuscht, was wäre schließlich damitbewiesen? Das erste Testa- nmtj ist, wie Sie selber erwähnen, mehrere Jahre alt und Fräulein Hegemeister hat noch lange nachher im besten Einvernehmen mit ihrem Neffen gelebt. Halten Sie es da für so unwahrscheinlich, daß sie ihm jene Geldbörse einmal bei irgend einer Gelegenheit zum Geschenk
gemacht, daß sie also auf die natürlichste Weise von der Welt in seinen Besitz gekommen ist? Und wenn Sie nun gar seine Zerstreutheit und sein verstörtes Aussehen als einen vermeintlichen Schuldbeweis gegen ihn anführen wollen, so liefern Sie mir dafür nur den Beweis, daß es Ihnen für den künftigen Staatsanwalt noch recht sehr an der ersten Vorbedingung, der Unbefangenheit fehlt. Ich habe längst bemerkt, daß Sie sich für die Angeschuldigte Ulrich interessieren. und so begreiflich mir auch von diesem Gesichtspunkte aus Ihr übergroßer Eifer erscheint, so dringend möchte ich Sie doch noch einmal warnen, sich von demselben zu Unüberlegtheiten und verfehlten vorschnellen Handlungen verführen zu lasfen!"
Er grüßte mit einer gewissen ironischen Freundlichkeit und ging, ohne daß Tronow einen Versuch gemacht hätte, ihn zurückzuhalten. Die unfreundliche und spöttische Aufnahme, welche er gefunden, entmutigte ihn nicht im Geringsten. Noch standen ihm ja Wege genug offen, sein Ziel zu erreichen; denn er war gewiß, daß es ihm selbst dann, wenn er keinen Beistand finden sollte, gelingen würde, dem Rechte und der Wahrheit aus eigener Kraft zum Siege zu verhelfen.
Ein solcher Beistand aber schien ihm in der That versagt zu bleiben; denn als er sich bei dem ersten Staatsanwalt melden ließ und diesem in größerer Ruhe, als er sie vorher dem Untersuchungsrichter gegenüber an den Tag gelegt, den Stand der Angelegenheit vortrug, fand er zwar ein aufmerksames und freundliches Gehör, aber nicht die mindeste Neigung zu einem Einschreiten in dem von ihm gewünschten Sinne. Auch der Staatsanwalt war der Ansicht, daß namentlich die gegen Julius Ulrich vorliegenden Indizien unendlich viel schwerer wögen, als die sehr schwachen und gleichsam in der Luft schwebenden Verdachtsmomente, welche Tronow gegen Doktor Rellinghausen gefunden zu haben glaubte.
Bezüglich der Börse brachte er beinahe wörtlich die Anschauung des Untersuchungsrichters zu Tage, und für die auffällige Verstörtheit des Doktors fand er eine nicht minder plausible Erklärung in der Annahme, daß jener wahrscheinlich von der Absicht seiner Tante, ihn zu enterben, Kenntnis gehabt und von dem plötzlichen Tode der alten Dame schwer überrascht worden sei, weil er sich jedenfalls bis dahin mit der Hoffnung getragen, sie noch zu seinen Gunsten umzustimmen.
(Fortsetzung folgt.)
(Ein alter Lehrling.) Ein äußerst selten dastehender Fall ereignete sich auf der letzten Quartals Versammlung der Berliner Drechsler- Innung; dortselbst stellte sich neben den anderen auch ein 43jähriger „Lehrling" vor, der es noch auf seine alten Tage vorgezogen hatte, das ehrbare Drechsler-Handwerk zu erlernen. Da der Lehrling seltenes Geschick entwickelt hatte, erhielt er nicht nur eine Belobung, sondern wurde auch sofort nach seiner Lehrlinds-Ausschreibung als — Jnnungsmeister in die Innung ausgenommen.
Telegramme.
Berlin, 20. Mai. Ein Komitä hat einen Aufruf zur Sammlung für verarmte Gläubiger Griechenlands erlassen. Durch den betrügerischen Bankerott Griechenlands hätten deutsche Unter- thanen bis jetzt 400 Millionen Mark Kapital zum Teil ganz cingebüßt.
Petersburg, 20. Mai. Die „Nowoje Wremja" führt aus, daß der Kaiser Nikolaus seinen Geburtstag durch einen hohen Akt der Humanität verherrlicht habe, der in der ganzen Welt ein Gefühl der Freude und Dankbarkeit hervorgerufen habe. Der Kaiser habe sich telegraphisch an den Sultan gewendet und ihn gebeten, den Krieg einz u ste llen. Das Blatt fügt hinzu, man dürfe hoffen, daß auch Griechenland, erschöpft durch einen so schweren Krieg gegen die Türkei, die freundschaftliche Intervention Rußlands dazu benutzen werde, um endlich dem unnötigen Blutvergießen Einhalt zu thun.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.