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»uS Stadt, Beritt und Umgebung.

Altensteig. 19. Mai. Daß die Eisenbahn das ihrige zur allmählichen Abschaffung der Flößerei von selbst thut, erhellt daraus, daß in letzter Zeit der Verkehr mit Langholz. Papier- Holz. Brennholz und Schnittwaren auf hiesiger. Bernecker und Ebhauser Station sehr groß war und deshalb auf unserer Lokalbahn 2 bis 4 Sonderzüge gehen mußten. In der Zeit seit Freigebung des Floßwaffers gingen dagegen nur 3 Flöße mit Lamgholz von hier ab.

Altensteig. 19. Mai. Auch hier ist ein Geflügelzucht verein ins Leben getreten.

Pforzheim, 18. Mai. Auf dem heutigen Schweinemarkt waren 79 Ferkel zugeführt; davon wurden 72 Stück verkauft und zwar zu einem Durchschnittspreis von 32 »tL das Paar.

Deutsches Aeich.

Berlin, 20. Mai. Das sogenannte N o t v r r e i n s g e s e tz ist am Dienstag in namentlicher Abstimmung mit 207 gegen 53 Stimmen angenommen worden. Damit hat der Reichstag seinen Widerspruch gegen die neueste gesetzgeberische Aktion der preußischen Regierung zum Ausdruck gebracht.

Köln, 19. Mai. Wie nunmehr amtlich verlautet, erfolgte die Entgleisung des von Barmen über Köln und Trier nach Metz bestimmten Militärzuges bei Gerolstein infolge Zugtrennung in der zweiten Morgenstunde. Der zweite Teil fuhr aus den ersten auf. Eins Anzahl Wagen ist beschädigt. Getötet sind 9 Soldaten; 35 Soldaten sind verletzt, teilweise schwer. Im Zuge befanden sich ungefähr 1000 Reservisten, wovon nach Metz, der Rest nach Mörchingen bestimmt war. Zur Unter­suchung des schweren Eisenbahnunglücks begab sich der Geheimrat v. Misani vom Reichseisenbahnamt sofort an Ort und Stelle.

Darmstadl. 19. Mai. Der Flügel­adjutant des Kaisers von Rußland Oberst Nepokoischitzki, ist heute hier eingetroffen, um die neuen Slandartenbänder für das 24. Dragoner-Regiment zu überbringen. Der Oberst wurde vom Großherzog empfangen.

Nach einer beim Mannheimer Kneippverein eingegangenen telegraphischen Nachricht wäre Prälat Kneipp, dessen schwere Erkrankung nach den letzten Berichten kaum mehr die Aus­sicht auf Wiederherstellung zu bieten schien, am Donnerstag in Wörishofen gestorben.

Württemberg.

Die Kammer der Abgeordneten erledigt; in der laufenden Woche die außer- -ordentlichen Exigenzen, dann soll der Eisenbahn- und Polletat beraten werden und das Ein­kommensteuergesetz anfangs Juni an die Reihe kommen. Wie derSchwarzw. Bote" erfahren haben will, soll das Gemeinde- und Komunal- steuergesetz nicht in Verbindung mit dem Staats- stenerreformgesetz beraten, sondern zurückgestellt werden, bis man die Wirkungen der neuen Staats, steuergesetze einigermaßen kennt.

Am Sonntag hält der württ. Schutz- Verein für Handel und Gewerbe, der sich durch seine gemeinnützige Thätigkeit einen guten Namen gemacht hat, seine diesjährige Generalversammlung im Stuttgarter Bürger­museum ab. Dieselbe verspricht ziemlich inter­essant zu werden, da einerseits die Erfahrungen mit den neuen volkswirtschaftlichen Gesetzen betr. die Hausierer, Detailreisenden und den unlauter» Wettbewerb, anderseits sehr wichtige Steuer- fragen insbesondere betr. die Steuerpflicht der Konsumvereine und der großen Warenhäuser, Bazare re. zur Beratung gelangen werden.

Ulm, 20. Mai. Zur Königsparade am 3. Juni treffen I I. M.M. der König und die Königin, Herzogin Wera und Herzog Albrecht vormittags hier ein und steigen im Saalbau ab.

Ulm, 17. Mai. Wir lesen imBerliner Tageblatt" was folgt: Wo fährt man am billigsten? Antwort: mit der elektrischen Straßenbahn in Ulm, denn da kostet's gar nichts! Die Regierung hat die Tarifsätze usw., bis jetzt noch nicht genehmigt, und weil sich die

Stadtväter Ulms nicht mehr länger necken lassen wollten, und damit sich dieLeutle besser d'ran g'wöhnen", läßt man groß und klein seit vier­zehn Tagen umsonst spazieren fahren.

In Rottweil herrscht fortgesetzt große Aufregung wegen der beabsichtigten Wrgverleg- ung der Pulverfabrik nach Düneberg bei Hamburg. Die Rottweiler fürchten von dieser Maßregel mit Recht eine schwere Schädigung der Stadt und vieler Familien, die direkt oder indirekt bei der Pulverfabrik ihr Brotfiaden. Eine ganze Anzahl von Wohnungen würden leer stehen, die Stadtkasse eine beträchtliche alljährliche Einbuße erleiden u. s. w. Geh. Kommerzienrat Duttenhofer ist auf mehrfache Art von der Mehr­heit der bürgerlichen Kollegien gekränkt worden und hat deswegen der Entschließung des jetzigen Generaldirektors der Köln-Rottweiler Pulver­fabrik, Heidemann in Köln, die ganze Pulver­fabrik von Rottweil mit der Pulverfabrik Düneberg zu vereinigen, keinen Widerstand mehr entgegengesetzt, wie er dies früher gethan hat und als Präsident des Berwaltungsrats der Aktiengesellschaft auch heute noch hätte thun können. Eine große Versammlung, die in Rott- weil abgehalten wurde, beschloß an den ge­nannten Herrn eine Bitte zu richten, den ge­planten Schritt doch womöglich noch rückgängig zu machen und ihm den Dank der Bürgerschaft für sein bisheriges in der Thal äußerst segens­reiches Wohlwollen für die Stadt Rottweil aus­zudrücken. Ob dieser Schritt den gewünschten Erfolg haben wird, bleibt zunächst abzuwarten, ist aber nicht, wahrscheinlich. Bedauerlich ist aber eine bei dieser Gelegenheit begangene Takt- lostgkeit, die eine Rüge verdient und für die Herr v. Duttenhofer offenbar in keiner Weise verantwortlich ist. Wir meinen die öffentliche Bekanntgabe des Grundes der Wegverlegung der Rottweiler Pulverfabrik durch die Behaupt­ung, die Pulverfabrik in Rottweil habe eine so scharfe Steuererhöhung erfahren, daß die Weg§ Verlegung der Fabrik notwendig geworden sei. In Düneberg seien die Steuern um ein beträcht­liches niedriger. Hier sind offenbar die würltb. Steuerbehörden mit einem schweren Borwurf belastet worden, denn nicht um die städtischen, sondern um die Staatssteuern kann es sich in erster Reihe handeln, da das Besteuerungsrecht der Gemeinden bekanntlich ein eingeschränktes ist und sich nach der Höhe der Staatssteuern zu richten hat. Nun hat man erst mit großem Pomp das 25jährige Bestehen der Aktiengesell­schaft gefeiert, dem Generaldirektor Heidemann einen württembergischen Orden verschafft, um gleich hinterher Seiner Majestät dem König ver­stehen zu geben, daß man seinem Lande den Rücken kehrt, weil man sich von den königlichen Beamten die Steuerschraube nicht anziehen lassen will. Es wäre doch sehr interessant zu erfahren, ob man dem württemb. Ordenskanzler vor der Ordensverleihung an Heidemann von dieser Ab­sicht der Wegverlegung der Pulverfabrik Kennt­nis gegeben und ob man auch bei den königl. Steuerbehörden Versuche gemacht hat, die Steuer­erhöhung von der Fabrik abzuwenden. Nach Mitteilung von anderer Seite handelt es sich darum, daß der Fabrikbetrieb vor einigen Jahren erweitert wurde, ohne daß damals eine höhere Einschätzung zur Staatssteuer erfolgt wäre, so daß jetzt die Fabrik einen sehr beträchtlichen Betrag an Steuern nachzuzahlen haben soll. Für alle Fälle macht aber die Motivierung der Wegverlegung einen, gelinde gesagt, seltsamen Eindruck im ganzen Lande. Wenn der Kölner GeneraldirektorWürttemberg doch schädigen wollte, dann konnte und mußte er auch auf den württ. Orden verzichten. Den Ueberrcichern der mit 460 Unterschriften bedeckten Adresse legte Geh. Kommerzienrat v. Duttenhofer ausführlich dar, wie bei ihm nach und nach die Verstimmung gewaltsam hervoczerufen worden sei, wie alles gegen ihn gewirkt habe, und zwar aus ihm bis jetzt unbegreiflichen Gründen. Ec betonte, es wäre an der Stadtoertretnng gewesen, zu be­kennen, daß ihr Vorgehen gegen rhn unbegründet und nicht rm Interesse der Bürgerschaft gewesen sei. Aus der jetzigen ultramontanen Zusammen­setzung des Gemeinderals sei die systematische Durchkreuzung aller seiner wohlgemeinten Wünsche

erfolgt. Er erklärte sodann, daß die Verlegung des Geschäfts von hervorragenden einflußreichen Persönlichkeiten mit Nachdruck verlangt werde und er kaum mehr im Stande sei, dieselbe zu verhindern. Die am 29 d. M. in Köln statt­findende Generalversammlung mit anschließender Aufstchtsratssitzung wird nun die für Rottweil so hochwichtige Entscheidung bringen.

Hall, 20. Mai. Der von mehreren württemb. Gerichten steckbrieflich verfolgte ge­fährliche Einbrecher Jo h. Rögelin von Onolz- heim OA. Crailsheim, ist nun in Kirchhardt, Baden, ergriffen und gestern an das Kgl. Amtsgericht Neuenbürg eingeliefert worden. Rögelin trieb sich längere Zeit unter einem falschen Namen im Schwarzwald herum und gab sich stets als Sohn eines reichen Oeko- nomen aus. So wollte er auch in Kirchhardt eine Wirtschaft kaufen und als die dortige Be­hörde in dem von ihm angegebenen Heimatort Crailsheim sich nach seinen Bermögensverhält- nissen erkundigte, kam man ihm auf die Spur und so erfolgte seine Festnahme.

In diesem Sinn", die beliebte Wend­ung aller Bankettredner, hat Herr Oberbürger­meister Hegelmaier in Hellbronn bei dem Festmahl zur Eröffnung der Heilbronner Aus­stellung besonders diplomatisch angebracht. Er sprach von dem in Aussicht gestellten Besuch des Königs auf der Heilbronner Ausstellung und fuhr dann fort:Wir dürfen hoffen, daß der allerhöchste Besuch dazu beitragen wird, daß bestehende Gegensätze geebnet und daß, wie überall in Württemberg, die Bedeutung unserer Stadt, insbesondere auch bei der Kgl. Regierung die richtige Würdigung finde. (Lebhaftes Bravo) In diesem Sinne bitte ich Sie die Gläser zu erheben und mit mir einzustimmen in den Ruf: Se. Maj. der König, er lebe hoch!"

Ausland.

Wien, 19. Mai. DiePolitische Corre- spondenz" meldet aus Konstantinopel: Es verlautet, daß außer dem Zaren auch der deutsche Kaiser im sinne der sofortigen GewährungeinesWaffenstillstandes direkt beim Sultan interveniert habe.

Wien, 19. Mai. Nach derPolit. Corresp " berechnet man die türkischen Kriegskosten wie folgt: Bahntransporte 13 Millionen Franken, Seetransport 1 Mill., Echaltungskosten der Truppen 9,2 Mill., An­schaffung von Kriegsmaterial mit Abzug von 50 Prozent für das vorhandene 7 Mill., Jnvalioen- penstonen 2 Mill., Beschädigung durch die griechische Flotte 2 Mill., Rechenfehler 2 Mill., Gesamtsumme 36 Mill.

Die Frage, wer die Schuld an der Katastrophe in der Rue Jean Gou- jon trägt, ist aufgeklärt. Der Bediente bei dem Kinematographen. Bellsc, gestand dem Untersuchungsrichter, daß die Lampe des Appa­rates nicht genügend brannte. Er habe daher eine Flasche mit Äether genommen, um Aether in den Behälter einzugießen und habe den Ge­hilfen Bazarfchoff gebeten, ihm-zu leuchten. Bazacschoff zündete ein Streichhölzchen an, die Aetherdämpfe fingen sofort Feuer, die ganze Aetherflasche entzündete sich, und die Flamme ergriff augenblicklich die Draperien. Bellac und Bazarjchoff wurden vorläufig in Freiheit gelassen.

Die Urheber des schweren Brandunglücks in Paris, Bedienstete des Kinematographen, welche mit dem Licht äußerst unvorsichtig um- giengen, werden nunmehr vor Gericht gestellt werden. Mit ihnen aber auch nicht wenig männliche Besucher der Wohlthätigkcitsoeran- staltung, welche, um selbst der Gefahr entrinnen zu können, jüngere und ältere Damen, welche ihnen den Weg versperrten, mit Faust- und Stockhieben niedergeschlagen haben sollen. Die Entrüstung über diese ritterlichen Herren ist in der ganzen französischen Presse groß. An der Brand­stelle soll ein Wohlthättgkeitsinstirut mit einer Sühnekapelle gebaut werden. Denjenigen, welche zahlreiche Menschen von dem Feuertoae bei dem Brand gerettet haben, wurden nicht nur große Geldgeschenke, sondern auch Ehrungen aller Art zu Teil. Nachforschungen des Untersuchungs­richters Bertulus sollen ergeben haben, daß in