384
Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.
Seine Majestät der König hat die bei dem Forst amt Neuenbürg erledigte Assistentenstelle dem Revieramts - Asistenten Bühl er in Göppingen übertragen.
Pforzheim, 18. Mai. Ein Brauer- ausstand steht hier in Aussicht. Die Pforz- heimcr Brauereiarbeiter haben von den Brauerei besttzern verlangt: Zehnstündige Arbeitszeit, ein. ständige Frühstücks- und Mittagspause. Freigabe der Hauptfeiertage, Beschränkung der Sonntags arbeit auf 3 Stunden. Die Brauereibesitzer sind nur teilweise auf die Forderungen eingegangen und haben überhaupt erklärt, nicht mit der sogen. „Lohnkommission", sondern direkt mit ihren Arbeitern verhandeln zu wollen. Die Arbeiter einer der größten Brauereien haben sich auch mit den ihnen gemachten Zugeständnissen ein. verstanden erklärt. Die Angestellten der anderen Brauereien beharren aber auf ihren Forderungen und haben den betr. Besitzern eine Frist bis nächsten Samstag gesetzt. Sollten sie es nicht thun, dann sei die gesamte Arbeiterschaft da. die das Pforzheimer Bier nicht mehr trinken würde
Pforzheim. 18. Mai. Wie sehr hier geradelt wird, ist daraus zu entnehmen, daß die Zahl der hier polizeilich angemeldelen Fahrräder jetzt über 1000 beträgt.
Deutsches Aeich.
Mit der Vorlegung der Novelle zum Vereinsgesetz im preußischen Abgeordneten- Hause ist gerade gegen AuLgang der parlamentarischen Sessionen im Reiche und in Preußen ein Zündstoff in die parlamentarischen Kreise wie unter die öffentliche Meinung geworfen worden. Für die Tagespresse der verschiedensten Parteirichtungen bildet diese Vorlage einen Haupt- erörterungsstoff, und es muß hervoigehoben werden, daß sich selbst Organe der Rechten nicht verhehlen, von welcher bedenklichen Tragweite die meisten Bestimmungen des genannten Gesetz entwurfes werden könnten. Bemerkenswert ist es auch, daß der Reichstag durch das aus seiner Mitte beantragte „Notvereinsgesetz" so rasch und entschieden gegen die Vereinsgcsetz - Novelle Stellung genommen hat, was vielleicht nicht ganz ohne Einfluß auf den jchlicßlichen Ausgang der Verhandlungen des Abgeordnetenhauses über die Novelle bleiben dürfte.
Zur Militär st rafprozeßreform versichert die „Köln. Bolks-Ztg.", daß bis jetzt noch keine Einigung zwischen Berlin und München zu Stande gekommen sei in der Frage des obersten Gerichtshofes. Es werde darüber noch immer verhandelt. Die übrigen Bundesstaaten hätten auf besondere Gerichtshöfe für ihre Kontingente verzichtet.
Berlin. Wie der „Post" aus Athen telegraphiert wird, bestätigt man in gut unter, richteten Kreisen zu Athen die Nachricht, daß in Athen ein Komplott zur Ermordung des Königs und zur Entthronung der Königlichen Familie entdeckt worden sei. Zahlreiche Verhaftungen wurden vorgenommen; es befinden sich unter den Festgenommenen auch zwei italienische Anarchisten, angeblich die Rädelsführer.
Berlin, 18. Mai. Der deutsche Botschafterin Konstantinopel ist angewiesen worden, bei der Herbeiführung eines Waffenstillstandes mitzuwirken.
Berlin, 18. Mai. Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht die Verleihung des roten Adler- ordens 1. Klasse an den württembergischen Finanzminister Dr. v. Ri ecke.
Berlin, 17. Mai. Im Reichstagsgebäude hatte sich heute der Gewerbekammertag versammelt, auch die Handels- und Gewerbe kammer von Stuttgart war durch ihren Sekretär Prof. Dr. Huber und durch Buchdruckereibesitzer Alb. Crönlein vertreten Im Großen und Ganzen stellte sich die Versammlung auf den Boden der Handwerkervorlage.
Der Begriff: „Verkauf zu Fabrikpreisen". wie er oft in Anpreisungen sich findet, ist in einem Rechtsstreite auf Grund des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb folgendermaßen festgestellt worden: Wenn
Kaufleute anzeigen, daß sie zu Fabrikpreisen verkaufen, so dürfen sie nur zu den Preisen die Waren verkaufen, dre sie laut Faktura selbst bezahlen. Sie dürfen für sich dann nur diejenige Provision in Anspruch nehmem. die ihnen die Fabrik, sei es durch Barzahlung oder wegen kurzen Zahlungsziels, bei der Bezahlung prozentual vom Fabrik Engrospreise abläßt. Keineswegs aber sind in solchem Falle unter Fabrikpreisen diejenigen Preise zu verstehen, zu denen dieFabrikanPrivatezu verkaufen pflegt
Das Kriegervereinswesen in Elsaß- Lothringen. das unter den dortigen Verhältnissen von ganz besonderer Bedeutung ist, erfreut sich, wie aus dem soeben erschienenen Jahresbericht des vor sechs Jahren gegründeten Landesverbandes hervorgeht, einer recht guten Entwicklung. Am 1. Januar d. I. zählte der Verband 181 Vereine mit 474 Ehren- und 18477 ordentlichen Mitgliedern, 11 Vereine und 1305 Mitglieder mehr als im vorangegangenen Jahre. Die Zahl der eingeborenen Mitglieder beträgt 9901; 851 mehr als im Vorjahre. Im Unterelsaß betragen sie bereits 70, in Lothringen dagegen nur etwa 35 Prozent der Gesamtzahl. Die Kriegervereine des Reichslandes verfügen über ein Vermögen von 247 170 -^6; zu Unterstützungszwecken können daher bedeutende Summen verwendet und auch entsprechende Beträge zur Schmückung der Kriegergräber auf den Schlachtfeldern ausgegeben werden. Verschiedene Vereine stellen sich auch die Ausgabe, den vom Militärdienst zurückkehrenden Reservisten Stellungen zu verschaffen. Es soll damit verhindert werden, daß die Betreffenden aus Mangel an Beschäftigung nach Frankreich gehen, wo sie dem Deutsch tum entfremdet werden und in vielen Fällen auch dem deutschen Militärdienste verloren gehen
Württemberg.
Neuenbürg. Der zweite Abend des V. Stuttgarter Musikfestes (Sonntag abend) ist sehr schön verlaufen. War es auch zu bedauern, daß der Berliner Tenorsängcr Nawal nicht kommen konnte, so ist doch Hr. Sistermans aus Frankfurt mit seiner klangvollen, sympatischen Baritonstimme mit 2 Liedern in die Lücke ge- treten zur vollen Befriedigung der Zuhörer. Von demselben Sänger folgten „vier ernste Gesänge" von dem jüngst verstorbenen Komponisten Brahms, von denen der vierte, welcher nach trübseliger Stimmung über die Hinfälligkeit des Menschen sich zu Glaube, Liebe und Hoffnung aufschwingt, außerordentlichen Beifall fand. Unsre einheimische Kammersängerin Frl. Hitler errang mit der Mozart'schen Arie „Laß, o Freund, uns standhaft scheiden" ungeheuren Erfolg. Von den übrigen Nummern des Programms heben wir hervor das ewig schöne ^.vo verum von Mozart, das vom Streichorchester und Chor wunderbar schön gegeben wurde. Wie gerne hätten wir dieses prachtvolle aber kurze Tonstück zweimal nach einander gehört! Den Schluß dieses Abends bildete die Brahm'sche Symphonie Nr. 2, welche, von dem berühmtesten Kapellmeister Hans Richter aus Wien vorzüglich dirigiert, trotz ihrer langen Dauer (1 Stunde) vom Publikum sehr dankbar ausgenommen wurde. — Der dritte Abend des Musikfestes war unstreitig der schönste, denn da wurden zwischen reinen Orchesterstücken eine schöne Anzahl herrlicher Lieder von Schubert, Brahms und Schumann teils mit Klavier- teils mit Orchesterbegleitung gesungen. Frau Mar- cella Sembrich und Frl. Gmeiner aus Berlin zeichneten sich hiebei in gleicher Weise aus und ernteten ungeheuren Beifall. In Frau Sembrich mußten wir die Biegsamkeit der Stimme und die Vortragskunst bewundern, an Frl. Gmeiner das Anmutige und Duftige des Vortrags. Letzteres kam am schönsten zur Geltung in Schuberts „Ständchen", bei welchem auch der Frauenchor alles Lob verdient. Den Schluß des 3. Abends und die Krone aller Kunstleist- ungen^ bildete Beethovens 9. Symphonie mit dem Schlußchor „An die Freude". Hier zeigten sowohl das Orchester (120 Mitwirkende) als auch der Chor (600 Sänger und Sängerinnen) ihr bestes und schönstes Können. Bei dem ein- g'flochtenen Solistenquartett fanden wir die
Fräulein Hiller und Gmeiner, die Herren Roth, mühl und Sistermans in schönster Harmonie. Dr. Hans Richter dirigierte dieses großartige Werk zum Erstaunen des Publikums ohne Partitur frei aus dem Gedächtnis. Der Eindruck war überwältigend. Wir dürfen sagen, daß dieses V. Musikfest sich seinen Vorgängern würdig zur Seite stellen darf. Was aber die Sängerhalle betrifft, so glauben wir, daß derartige Konzerte nicht mehr in der wenig akkustischen Gewerbehalle staltfinden werden, da die feineren Nüaneieruugen der Solovorträge in den gar zu weiten Räumen der Halle verloren gingen. Wie ganz anders hätten sich diese herrlichen Konzerte im Festsaal der Liederhalle ausgenommen!
Stuttgart, 17. Mai. Das Gesuch des Vereins für fakultative Feuerbestattung zu Stuttgart vom 14. Februar 1894 um Zulassung der fakult. F B., ist vom kgl. Staats Ministerium unter dem 8. Mai 1897 abschlägig beschicden worden.
Stuttgart, 18. Mai. Infolge heftiger Gewitter in ganz Mitteldeutschland sind seit 2^/, Uhr heute nachmittag die telephonischen und telegraphischen Verbindungen von Berlin mit Süddeutschland unterbrochen.
Heilbronn, 17. Mai. Welches Interesse unserer Ausstellung enlgegengebracht wird, erhellt am besten daraus, daß bis gestern für Dauerkarten 22 000 Mark vereinnahmt waren, im Etat waren nur 7000 Mark hiefür vorgesehen.
Stuttgart. jLandesproduktenbörse. Bericht vom 17. Mai von dem Vorstand Fritz Kreglinger.) Die feste Stimmung im Getreidegeschäft hat sich in der abgelaufenen Woche gut behauptet, alle Exportländer stellen höhere Forderungen. Es herrscht überall gute Kauflust, da die Vorräte in den Mühlen sich sehr reduzieren. Auch in Mühlenfabrikaten sind größere Umsätze zu verzeichnen. Die Landmärkte zeigen bei schwacher Zufuhr erhöhte Preise. Wir notieren per 100 Kilogramm frachtfrei Stuttgart, je nach Qualität und Lieferzeit: Weizen, württ. 17 ^ bis 17 -4L
25 bayr. 17 ^ 25 bis 17 -4L 50 Ulka
18 -Lk 25 -j bis 18 75 , Saxonska IS -4L 25
bis 18 -4L 50 Rostosf Azima 17 -4L 75 bis 18 -4L — Rumänier 18 -4L 25 bis 19 -4L 25 Ameri
kaner 18 -4L 50 ^ bis 19 -4L 25 Walla-Walla 18 -4L 75 Kernen, Oberländer 18 -4L 25^ bis 18 -4L 50 Dinkel, gering 10 -4L — -t, gut 12 -4L — -f, Roggen russ. 14 -4L 25 ^4 bis 14 -4L 50 Hafer, württ. 13 -4L — ^ bis 14 -4L 70 russ. 15 -4L 25 ^ bis 15 -4L 70 MaiS, Mixed 9 -4L 30 Laplata gesund 9 -4L 50 bis 9 -4L 75 beschädigt 8 -4L 50 bis 9 -4L 75 — Mehlpreise pr. 100 Kilogr. inkl. Sack:
Letztwöchentlich.
Ausland.
Brüssel, 18. Mai. In der Kathe - drale zu Lüttich brach während der Firmung ein Feuer aus. Infolge der dadurch entstandenen Verwirrung wurden 18 Kinder verletzt. Das Feuer wurde bald gelöscht.
Die längste Afrika-Debatte in der italienischen Deputierten-Kammer zeitigte am Samstag ein längere Erklärung des Ministerpräsidenten di Rudini. Aus derselben geht hervor, daß das Ministerium Rudini am liebsten auf die erythräische Kolonie verzichten möchte, wenn sich dies mit der nationalen Ehre Italiens Verträge, und wenn nicht aus einem solchen Verzicht internationale Schwierigkeiten für Italien zu befürchten stünden. Wohl aber ist die Regierung, wie dies Rudini mit dürren Worten zugestand, für die Beschränkung der militärischen Besetzung Erythräas auf Massauah und Umgebung, für Umwandlung der von der italieni- scheu Souveränität abhängenven Territorien in ein von den eingeborenen Häuptlingen zu verwaltendes Gebiet und jür Abtretung Kassalas an-Egypten, oder, was dasselbe bedeutet, an die Engländer. Falls die Kammermehrheit mit diesem kolonialpolitischen Programm nicht , einverstanden sein sollte, so will Rudini mit seinem Kabinet zurücktreten.
Paris. 18. Mai. Der F i g a r o sagt in einem Artikel, der von Whist (Valsrey) unterzeichnet ist. nur die Erhaltung des Königs Georg auf dem Throne kann Griechenland den Beistand Englands, Rußlands und Franksichern und dasselbe vor dem endlichen Ruin bewahren.
Fortsetzung in der Beilage.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.