376
legenen Bezirksorten wird Eisbildung gemeldet. Um die Apfelblüte, die schon durch lange Stück- ung viel gelitten hat. dürfte es in der Haupt- suche geschehen sein.
Pforzheim. 13. Mai. Der schon mitgeteilte Bescheid des hies. Bezirksamtes, welches im Gegensatz zu der Meinung des Stadtrates die Abhaltung einer öffentlichen Fronleichnams Prozession gestattete, hat weite Kreise der hies. protestantischen Bevölkerung in Erregung ge bracht. Der Prälat v. Schmidt aus Karlsruhe hat in der Kirchengemeindeversammlung auf dem Rathaus die Mitteilung gemacht, daß der Oberkirchenrat sich gegen die Zulassung der Prozession ausgesprochen, aber vergebens. Der hiesige Stadtpsarrer van der Floe regt einen energi- schen „Protest- in Form einer „Mossenpetitwn- an das Ministerium an, event. auch einen sofort zu fassenden, dem Ministerium mitzuteilenden Beschluß der Kirchengemeindeverjammlung. Hie für sprach auch der Oberbürgermeister und in der That wurde dieser Beschluß einstimmig ge faßt. Bis jetzt haben Protestanten und Katholiken hier im besten Einvernehmen gelebt und es wäre bedauerlich, wenn durch die Prozessions. Angelegenheit dieses gestört würde.
Pforzheim, 14. Mai. Die hiesigen Sozialdemokraten haben sich nunmehr auch ein „eigenes Heim- zugelegt, wenn dasselbe auch noch nicht in ihr Eigentum übergegangen ist. Die Aktienbrauerei Wulle in Stuttgart hat näm- lich das „Gasthaus zum Löwen- hier um 125000 «/L käuflich erworben und es vorerst auf 10 Jahre pachtweise an die hiesigen „vereinigten Gewerkschaften- überlassen. Als Pachtsumme ist außer den Nebenkosten die Verzinsung der Kauissumme zu 4°/o festgesetzt. Es darf nur Wulle'sches Bier ausgeschänkt werden. Die Brauerei Wulle hat die Verpflichtung über- nommen, das Anwesen jederzeit zum Ankaufs- preise dem Pächter zu überlassen. Der Vertrag, welcher gestern perfekt wurde, besteht bis zur Geltung des neuen bürgerlichen Gesetzbuchs auf Grund des württembergischen Rechts.
Deutsches Aeich.
Im Reichstage herrscht die bekannte „S ch l u ß st i m m u n g-, nach einem Beschlüsse seines Seniorenkonvents sollen daher nur noch die schwebenden Vorlagen finanziellen Charakters, die beiden Nschtragsetats, der neue Servistarif und die Besoldungsvorlage, zur Erledigung gelangen; außerdem würden wohl noch die aus stehenden Schlußabstimmungen über das Margarinegesetz und über das Auswanderungsgesctz zu ermöglichen sein. Alles andere aber müßte natürlich bei einem vielleicht schon binnen einer Woche erfolgenden Schluffe der Reichstagssession unter den Tisch fallen, wie namentlich die Handwerker-Vorlage und die verschiedenen Novellen zu den Unfallversicherungsgesetzen und zur Invalidenversicherung. Die vielberufene Vorlage über die Reform der Militärstrafprozeßordnung, heißt es, werde noch in den nächsten Tage dem Reichstag zugehen.
Württemberg.
Stuttgart, 14. Mai. Die Kammer der Abgeordneten verhandelte seit Dienstag wieder über die verschiedenen Eisenbahnwünsche, wobei es wiederholt zu interessanten Tournieren zwischen den Abgeordneten derjenigen Bezirke kam, deren Eisenbahnwünsche mit einander konkurrieren. Es wurden im Verlauf der Verhandlungen der Regierung zur Berücksichtigung. zur Kenntnisnahme oder zur Erwägung übergeben folgende Bahnprojekte: Jsny-Siebraz- hofen; Kirchheim u. T.-Oberlenningen; Schorndorf-Welzheim; Bretten Derdingen und Fortsetzung der Zabergäubahn nach Zaberfeld oder Leonbronn; Amstelten-Herbrechtingen; Errichtung eines Südbahnhofs in Heilbronn; Ebingeu- Onstmettingen. Staatsbeiträge werden verwilligt für die Jagstthaleisenbahn Möckmühl-Dörzbach; für die Albthalbahn Ettlingen Herrenalb und für die elektrische Bahn von Meckenbeuren nach Tettnang. Zu der Denkschrift bezüglich des Projekts Tübingen Herrenberg sagte der Abg. Schurer-Herrenberg: er beschränke sich darauf, dasselbe dem Wohlwollen der Kammer zu empfehlen.
Stuttgart, 14 April. Auf dem großen Exerzierplatz bei Cannstatt nahm heute Vorm. Se. Maj. der König die diesjährige Frühjahrsparade über die Truppen der Garnison Stuttgart. Ludwigsburg und Cannstatt ab. Sämtliche Truppen (Jnf.Regtr. 119, 121, 125, Drag.Regtr. 25 und 26. Ul.Regt 20. 4. Abt Feldart.Regts. 13, sowie Feldart. 29 und Trainbat. 13) waren in 2 Treffen aufgestellt der rechte Flügel nahe der Straße Cannstatt- Untertürkheim. der linke Flügel beim Kugelfang. Beim ersten Vorbeimarsch erschien die Infanterie in Kompagniefronten, die Kavallerie in Eska- dronssronten mit halben Abständen im Schritt, die Artillerie in Batteriefronten ebenfalls im Schritt, das Trainbataillon in Zügen ebenso; beim zweiten Vormarsch die Infanterie in Regimentskolonne, die Kavallerie in Eskadrons- fronten mit ganzen Abständen im Trabe, die Artillerie in Batteriefronten im Trabe und das Trainbataillon in Kompagniefronten gleichfalls im Trabe. Bei beiden Vorbeimärschen führte der König sein Dragonerregiment der Königin vor.
Anstand.
In den Tiroler und Kärnthner Alpen sind einzelne Orte meterhoch erngeschneit.
P a r i s. 13. Mai. Die 3 „Eis heiligen- Pankratius Servatius und Bonifatius haben diesmal in Frankreich erheblichen Schaden ange richtet. Sogar in dem milden Paris herrscht eine empfindliche Kälte. Besonders betrübend lauten indes die Nachrichten aus der Provinz. Die Weinberge von Bordeaux haben namentlich in ihren niederen Lagen schwer gelitten. Aus Montlu § on wird gemeldet, daß in der vorgestrigen Nacht bei einer Kälte von 5° unter Null sämtliche Weinberge der Umgebung dieser Stadt und diejenigen des > ganzen Cher-Thales erfroren sind. Ebenso wurde die Hoffnung der Winzer in der Umgeb ung von MLcon und Chalon a. d. Saone vernichtet. Dort herrscht eine Kälte von 3°. Die Weinberge glichen am Tage nach dem Froste großen Brandstätten. Auch Kartoffeln und Bohnen sind erfroren.
Vom Pariser Brandunglück. Die Subskription des „Figaro- ist bereits auf 1 054 000 Franken gestiegen, diejenige des „Rappel- auf 12 500 Franken. Für diejenigen Personen, welche sich an den Rettungsarbeiten hervorragend beteiligt haben, sind 'bereits über 80 000 Franken gesammelt worden. Von den verunglückten Personen befinden sich noch drei in hoffnungslosem Zustande. Der Untersuchungsrichter hat festgestellt, daß sich bei dem Unglück die Männer sehr feige gezeigt haben.
Unterhaltender Teil.
Falsche Spuren.
Crinnnal-Novelle von Ferdinand Hermann.
(Fortsetzung.)
Die verwitwete Frau Hauptmann von Langefeld hatte drei elegant eingerichtete Zimmer ihrer Wohnung an den Doktor Paul Nelling- Hausen vermietet, und wenn auch der junge Herr in der Bezahlung des Mietszinses nicht jederzeit ganz pünktlich gewesen war, so war er seinen Verpflichtungen schließlich doch immer nachaekommen, und hatte der Dame in anderer Hinsicht niemals einen Anlaß zum Tadel gegeben.
Wenn auch Paul Rellinghausen von seinen verstorbenen Eltern ein nicht unbeträchtliches Vermögen geerbt hatte, so war es doch ein offenes Geheimnis, daß er dasselbe im Laufe weniger Jahre bis auf den letzten Thaler vergeudet hatte, und Tante Elvira Hegemeier schon wiederholt für. die Bezahlung der Schulden ein» getreten war. Ebensogut wußte Jedermann, daß der Dokkor durch seine eigene Thätigkeit auch nicht einen Pfennig verdiente; denn wenn auch seine Kenntmsse und Fähigkeiten ihn sehr wohl in den Stand gesetzt hätten, eine eindringliche Stellung auszufüllen, so fehlte ihm doch so sehr jegliche Neigung zu ruhiger und gereltcr Arbeit, daß die vereinzelten Versuche, die er in besonders schwierigen Lagen wohl einmal unternommen.
stets gar bald wieder auf das Kläglichste ge. scheitert waren. Seine üppige und verschwenden» sche Lebensweise aber halte er niemals geändert, und man nahm darum allgemein an. daß die gutmütige Freigebigkeit der allen Dame es sei, welche ihn ungeachtet seines bodenlosen Leichtsinns vor schimpflichem Untergange bewahre.
Ihrem Grundsätze getreu, sich nicht in die Privatangelegenheiten ihres Mieters einzumischen, hatte sich Frau von Langefeld nicht nach dem Ziel seiner Reise erkundigt, und sie war darum auch nicht im Stande gewesen, ihn von dem entsetzlichen Schicksal seiner unglücklichen Tante in Kenntnis zu setzen. Doch wurde sie in der Erwartung, daß der Doktor das Ungeheuerliche aus den Zeitungen ersehen und daraufhin ichleunigst zurückkehren würde, nicht getäuscht; denn am dritten Morgen nach seiner plötzlichen Abreise erhielt sie durch das Dienstmädchen die Nachricht, der Herr Doktor sei wieder angekommen und habe sich sofort in sein Schlafzimmer begeben — mit dem strengen Befehl, ihn erst um die Mittagszeit zu wecken.
Dabei konnte das Mädchen nicht unterlassen hinzufügen, der junge Mann habe recht angegriffen und aufgeregt ausgesehen und scheine sich den Unglücksfall doch sehr zu Herzen zu nehmen.
Bis zum Mittag blieb in den Gemächern des Dokters Alles todenstill. Er mußte also jedenfalls ziemlich weit von H. entfernt gewesen sein, wenn ihn die Strapazen der nächtlichen Reise zu so langem Ausruhen nötigten und als sich gegen ein Uhr ein Herr einfand, welcher ihn zu sprechen wünschte, zögerte das Dienst- mädchen lange, ehe es die Meldung übernahm. Nur die ruhige Entschiedenheit, mit welcher der Fremde auf seinem Verlangen beharrte, bewog sie endlich dazu, und sie erstaunte nicht wenig, als sie den Doktor völlig angekleidet und in dem nämlichen Anzuge, in welchem er heute von der Reise gekommen war, vor seinem Schreibtische sitzen sah, während ihr ein Blick durch die offenstehende Thür des Schlafzimmers zeigte, daß sein Bett völlig unberührt geblieben war. Er hatte den Kopf in die Hände gestürzt und starrte wie geistesabwesend vor sich auf die Tischplatte nieder. Sein Gesicht war fahl und verwüstet; Haar und Bart, auf die er sonst so große Sorgfalt verwendete, waren wirr und unordentlich, und die schmale, weiße Hand, in welche er seine Stirn gelegt hatte, zitterte wirklich. Er hatte den Eintritt des Mädchens nicht bemerkt, und als sie nun anfing, ihre Meldung abzustatten, fuhr er in jähem Erschrecken empor, als sei hinter seinem Rücken etwas ganz Ungeheuerliches geschehen.
„Warum klopfen Sie nicht, bevor Sie ein- treten?- sagte er heftig, indem er mit den Händen durch sein Haar fuhr, um es notdürftig zu glätten. „Oder, wenn Sie es gethan, warum warteten Sie nicht, bis ich Sie aufforderte, hereinzukommen! Was wünschen Sie?-
„Es ist ein Herr draußen, der Sie zu sprechen wünscht,- meinte das Mädchen ganz eingeschüchtert, „hier ist seine Karle! -
Paul war abermals erschrocken zusammengefahren, so sehr er sich auch äußerlich zu Ruhe und Fassung zu zwingen suchte. Aber als er einen Blick auf die ihm überreichte Karte geworfen hatte, hellten sich seine düsteren Züge auf, und er sagte mit angenommener Gleichgiltigkeit.
„Doktor Tronow? Einer meiner näheren Brannten, der mir eine Beileidsvisite abstatten will! Lassen Sie den Herrn eintreten!-
(Fortsetzung folgt.) ^
Telegramme.
Canea, 14. Mai. Zum zweiten Mal haben der englische Admiral und der englische Konsul ohne Wissen ihrer Kollegen einen Aufruf an das kretische Volk gerichtet.
Athen, 14. Mai, 6 Uhr nachmittags. Ein Telegramm aus Arta berichtet, daß seit heute früh bei Gribovo in der Richtung auf Philippiades ein blutiger Kampf statlfindet Die Verluste auf beiden Seiten sollen beträchtliche sein; der Kampf dauert fort. Einzelheiten fehlen.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.