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Geschichte, die Sie unS da erzählt haben; aber; eine glaubwürdige Erklärung ist es keineswegs, ! und Sie werden mir schon erlauben müssen, so S lange an Ihrer Wahrhaftigkeit zu zweifeln, bis j Sie mir noch einen klassischen Zeugen gebracht hoben, der Sie und Ihren Bruder aus dem Kirchhofe gesehen hat! Ich frage Sie noch etnmal, ob Sie mir nichts weiter zu sagen haben, und ich wiederhole Ihnen dabei in der besten Absicht, daß Ihr Beharren auf dem bisher eingeschlagenen Wege nur zu einer Verlängerung Ihrer Untersuchungshaft und der damit verbundenen mannigfachen Quälereien führen kann. Haben Sie mir also gar kein Bekenntnis zu machen?"
„Keines außer dem, was Sie bereits von mir erfahren haben!" erwiderte Therese mit dem Stolz der Unschuld; aber gleichzeitig flog doch ein Hilfe flehender Blick zu dem Referendar hinüber, der von diesem sehr wohl bemerkt und entsprechend erwidert wurde.
„Nun gut!" sagte der Untersuchungsrichter kurz, indem er auf den Kopf der vor ihm stehenden Glocke deutete. „Ich werde Sie jetzt in Ihre Zelle zurückführen lassen und werde dafür sorgen, daß Sie Zeit und Muße genug zum Nachdenken über ein vernünftigeres Verhalten finden!"
Ein Gerichtsdiener erschien, der auf einen Wink seines Vorgesetzten Therese hinwegführte und der zugleich den Befehl erhielt, den Arrestanten Julius Uhrich in das Verhörzimmer zu bringen.
Für eine kurze Zeit war der Untersuchungsrichter mit seinem jungen Protokollführer allein, und der Letztere war so ergriffen von der Schönheit und Unschuld Theresens und im Grunde des Herzens so sehr entrüstet über die Rauheit des Untersuchungsrichters, daß er sich nicht enthalten konnte, zu sagen:
„In diesem Falle dürfte die Polizei und die Anklagebehörde doch wohl etwas zu rasch vorgegangen sein und einen recht bedauerlichen Mißgriff begangen haben."
Der Vorgesetzte betrachtete ihn durch seine funkelnden Brillengläser mit einem nicht eben wohlwollenden Blick und meinte in etwas scharfer Betonung:
„Woraus wollen Sie das schließen, Herr Referendar?"
„Nur aus meiner persönlichen Ueberzeugung von der Unschuld dieses beklagenswerten jungen Mädchens, und ebenfalls aas der ziemlich offenkundigen Haltlosigkeit der durch die polizeilichen Erhebungen festgestellten Indizien. ES ist doch wahrlich ein seltsamer Gedanke, dieses Mädchen für eine Mörderin zu halten, nur weil sie zu den näheren Bekannten der Getöteten gehörte, und weil ihr Bruder zufällig in der Lage war, sich in den Besitz von Giften zu setzen!"
Er hatte diese Aeußerung so bescheiden als möglich gemacht, obwohl es ihn Mühe kostete seine innerliche Erregung insoweit zu verbergen, als es der Respekt gebot; aber der Untersuchungsrichter schien nichts destoweniger durch diese Nascweisheit in hohem Grade verletzt.
„Ihr kriminalistisches Genie ist wahrscheinlich ein sehr bedeutendes. Herr Kollege," sagte er mit unverkennbarem Hohn, „aber Sie werden es mir hoffentlich verzeihen, wenn ich in der Anerkennung nicht so weit gehe, die beiden Angeschuldigten ohne Weiteres auf freien Fuß zu setzen. Ein wenig Gewicht muß ich doch auch wohl der Erfahrung der Polizei und Anklagebehörde beilegen, von meiner eigenen Meinung gar nicht zu reden, die eben auch nur, wie die Ihrige, eine persönliche Ueberzeugung ist! Wenn Sie späterhin einmal auf ihr eigenes Risiko handeln können, werden die Verbrecher sich ja gewiß nicht über Sie zu beklagen haben!"
Das war eine ziemlich herbe Lektion, und dem Doktor Tronow stieg das Blut in die Schläfen; aber er wußte wohl an sich halten mit Rücksicht auf die Hochachtung, welche er dem in seinem Beruf ergrauten, erprobten und verdienstvollen Beamten schuldig war, und mit Rücksicht auch auf die Erwägung, daß ein weiterer Widerspruch seinerseits der Arretierten durchaus nichts nützen, ihnen wohl aber empfind
lichen Nachteil in der ihnen zu Teil werdenden Behandlung bringen könnte. So schwieg er i denn still und beugte sich bescheiden auf sein Protokoll herab; aber gleichzeitig war auch sein Entschluß gefaßt, mit allen ihm nur immer zu Gebote stehenden Kräften an der Rechtfertigung des schönen jungen Mädchens und der Beschaffung vollgültiger Beweise für ihre Unschuld arbeiten zu wollen.
Die nun folgende Vernehmung deS jungen Apothekers förderte ebensowenig ein den Untersuchungsrichter befriedigendes Ergebnis, oder auch nur ein einziges neues Moment von irgend welcher Bedeutung zu Tage, und Pürwald brach darum auch dieses Verhör verhältnismäßig kurz ab. da er durch die Hartnäckigkeit der beiden Angeschuldigten nur noch mehr, als vielleicht durch den Widerspruch des Referendars im Grunde des Herzens verstimmt war, und da er stch's seit Langem zum Grundsatz gemacht halte, in solcher Gemütsverfassung seine amtlichen Handlungen auf das unumgänglich Notwendige zu beschränken.
Er entließ auch Julius Ulrich mit den nämlichen wenig tröstlichen Ermahnungen, welche er vorhin seiner Schwester in ihre einsame Zelle mitgegeben hatte, und verabschiedete sich von seinem Protokollführer in viel weniger liebens- würdiger Weise, als er es sonst zu thun pflegte. Tronow nahm sich diese Ungnade seines Chefs indessen nicht übermäßig zu Herzen; denn er hatte einen edlen männlich festen Charakter, dem Recht und Wahrheit über Alles gingen, und der selbst vor einem Königsthron keinen Augenblick Anstand genommen haben würde, das, was er nach bester Ueberzeugung für die Wahrheit hielt, mit allen Mitteln zu vertreten. Außerdem war er von Haus aus in der glück- lichen Lage, der Gunst oder Ungunst seiner amtlichen Vorgesetzten nur eine geringe Bedeutung beimessen zu müssen; denn er war im Besitz eines bedeutenden Vermögens, und die juristische Laufbahn, weiche er auf Wunsch seines Vaters eingeschlagen hatte, sollte nur dazu dienen, seine Welt- und Menschenkenntnis zu erweitern, um ihn späterhin, wenn er die selbstständige Führung der ausgedehnten Besitzungen und der großen industriellen Etablissements seines Vaters übernähme, zu dieser vielseitigen und verantwortungsreichen Thätigkeil recht geschickt zu machen.
So kümmerte es ihn den sehr wenig, ob sich in diesem Fall seine verstohlene Thätigkeit gegen die Meinungen der Staatsanwaltschaft und des Untersuchungsrichters wenden würde. Aber er verfehlte sich keineswegs, daß es eine sehr schwere Aufgabe sein würde, die Wahrheit zu erforschen, wo sie selbst den scharfen und geübten Augen längst erprobter Beamten verborgen geblieben war. Auch war er sich über den Weg, den er zunächst einzuschlagen habe, um zu diesem Ziel zu gelangen, noch durchaus nicht im Klaren, und erst nach längerer Ueber- legung kam er zu dem Entschluß, vorläufig auf Umwegen vorsichtige Erkundigungen über etwaige weitere Bekanntschaften, über die Gewohnheiten und die Lebensweise der Gemordeten einzuziehen. Am vorteilhaftesten erschien es ihm für diesen Zweck, den einzigen Verwandten des Fräulein Hegemeier, seinen Studiengenossen und guten Bekannten Doktor Paul Rellinghausen zu suchen, der dem Untersuchungsrichter heute schließlich seine soeben erfolgte Rückkehr angezeigt und sich für jede etwa wünschenswert erscheinende Auskunft zur Verfügung gestellt hatte. Da Klarheit und Entschiedenheit einen hervorstechenden Zug in seinem Charakter bildete und da er niemals ein Freund vom Zögern und Aufschieben gewesen war, so machte er sich vom Gerichtsgebäude aus schnurstracks auf den Weg zu der in einem der besten Stadtteile gelegenen Junggesellenwohnung
deS Doktors. —-
(Fortsetzung folgt.)
Hannover, 7. Mai. In einem hies. Blatte steht folgendes drollige Inserat zu lesen: „Laut Kontrakt habe ich bei meinem Wohnungswechsel mein Logis im selben Zustand zu übergeben, in dem ich es vor drei Jahren
übernommen habe. Um diese Bestimmung erfüllen zu können, suche ich 50 Mäuse. 200 Motten und 500 Wanzen lebend zu kaufen."
Wer teuer kaufen will, der kaufe billig in einem Schleudergeschäft. In einem Hamburger Schleudergeschäft kaufte eine Haus, frau ein wollenes Umhängetuch für 1 M. „Es ist waschecht gefärbt", sagte der Verkäufer, als aber die Käuferin mit dem Tuche in den Regen kam. lief die Farbe aus und verdarb die übrigen Kleider. Die Frau war klug genug, auf Schaden- ersatz zu klagen. Nun erhält sie 100 Mark und der Inhaber des Schleudergeschäfts hat außer diesen auch noch die Prozeßkosten zu bezahlen.
Falbs Wetterprophezeihung 8. bis 15. Mai : Bei normaler Temperatur ist das Wetter sehr trocken in ganz Mitteleuropa. Um den 13. dürfte eine Neigung zu Gewittern bemerkbar werden. Am 16. bis 24. Mai: Es treten in ganz Mitteleuropa ausgebreitete und ergiebige Regen ein, die meist von Gewittern stammen, die sehr zahlreich sind. Das Wetter ist warm. Der 16 Mai ist ein kritischer Termin I. Ordnung. 25. bis 31. Mai: Es wird wieder ziemlich trocken in ganz Mitteleuropa bis in die letzten Tage. Der 30. ist ein kritiicher Tag 3. Ordnung und dürfte zahlreiche Gewitter in Deutschland und Oesterreich zur Folge haben. Die anfangs normale Temperatur sinkt in den letzten Tagen ziemlich stark unter das Mittel.
Telegramme.
Straßburg. 13. Mai. Nach einem dem meteorologischen Landesdienste vom Titisee im badischen Schwarzwalde zugegangenen Telegramm von nachmittags 4'/4 Uhr ist der heute früh 5 Uhr aufgelassene Militärballon dort glücklich mit den beiden Insassen gelandet, nach- dem er eine Höhe von 2800 Mtr. erreicht hatte.
Auxerre, 13. Mai. In dem ganzen Departement Ionne herrschte in der vergangenen Nacht sta r k er Fr o st. Der hierdurch angerichtete Schaden an den Wein- und Obstanpflanzungen wird auf 20 Millionen Franken geschätzt.
London, 13. Mai. Hier einlaufende Depeschen von Augenzeugen, die sich auf Seiten der Griechen bei Domokos befinden, berichten von ziemlich kleinlauter Stimmung, ungenügender Vorbereitung zum Kampfe und Nachteilen der griechischen Stellungen, die nur in der Front wirklich stark, aber auf dem Flanken der Umgehung ausgesetzt seien. Der Vertreter des „Standard" in Athen meldet, die Stellung des Kronprinzen sei gegenwärtig besonders gefährdet. Seine Rückkehr nach Athen würde großen Mut voraussetzen und zu leicht verständlichen Folgen führen können. Eine Depesche des „Standard" aus Konstantinopel erklärt, der Sultan sträube sich gegen ein Eingreifen der Mächte und bekunde ein Verlangen nach unmittelbaren Verhandlungen mit Griechenland; andernfalls würden die türkischen Forderungen gesteigert werden.
Athen, 13. Mai. Auf dem Kriegsschauplatz fanden gestern nur kleine Scharmützel bei Domokos und bei Arta statt. Die aus Thessalien abberusenen Adjutanten des Kronprinzen sind hier eingetroffen. Die Kronprinzessin Sophie besuchte gestern die Verwundeten in der Kadettenschule, sprach ihren Trost zu und verteilte Liebesgaben. Die Presse erörtert die Möglichkeit des Friedensschlusses, sowie die der Fortführung des Krieges ohne jede Erregung. Manche Blätter beginnen Lehren aus den schlimmen Erfahrungen der letzten Zeit zu ziehen und dringend innere Reformen zu fordern.
K o n st a n t i n o p e l, 14. Ma>. Sämtliche hiesigen Botschafter haben von den betreffenden Regierungen Weisungen erhalten und versammelten sich gestern Nachmittag zu einer Besprechung. Heute Nachmittag wurde der Pforte eine Verbalnote überreicht, welche besagt, Griechenland habe die Friedensvermittlung der Mächte nachgesucht; die Mächte beantragten, um erfolgreich vermitteln zu können, die Einstellung der Feindseligkeiten.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.