Wirren ausgesprochen wird. Verdient ist dieses Lob freilich nur in Bezug auf Rumänien, das nicht die geringste Miene machte, die Verlegen- heilen der Türkei für sich auszunutzen, wogegen man das Lob in Belgrad und Sofir, wo man einen Druck auf die Piorte in den makedonischen Kirchenfragen auszuüben versucht hatte, und ebenso auch in Montenegro mehr als eine Warnung aufzufassen haben wird.
Diese Kundgebung läßt darauf schließen, daß ihr eine Verständigung über die Balkan- angelegenheit unter den beiden meistbeteiligten Großmächten vorangegangen ist. Eine solche Annäherung wird weder in England noch in Frankreich mit ungemischter Freude angenommen werden. Wenn sich aber französische Blätter zum Tröste emreden wollen, die Annäherung bedeute ein Abrücken Oesterreich Ongarns von der Seite Deutschlands, so sind sie ganz auf dem Holzwege. Wohl in keinem Punkte ist die deutsche Politik mehr sich gleich geblieben, als darin, daß sie stets die Balkanfragen als sie sich nicht direkt berührend betrachtet und behandelt hat und daß ihr diplomatisches Streben darauf gerichtet war, die vorhandenen russischen und österreichisch-ungarischen Interessen Unterschiede zu mildern. Weiß sich unser Verbündeter an der Donau gut mit Rußland in den Orientfragen zu stellen, um so freier wird das Deutsche Reich dadurch in der Vertretung des obersten Drei- bundzweckes, der Wahrung des Friedens, und in der Pflege freundnachdarlicher Beziehungen mit Rußland, mit dem wir keine politischen Jnteressen-Gegensätze auszumachen haben.
Paris, I. Mai. Der „Gaulois" meldet, der Sultan sei infolge der thessalischen Siege von großer Zuversicht in die Kraft der Türkei erfüllt und entschlossen, seine Souveränetät überAegypten in wirksamerer Weise geltend zu machen. Der Sultan sei hierbei der Unter- stützung mchrerer Großmächte sicher. Demselben Blatte zufolge hätte der neue griechische Ministerpräsident Ralli offiziös kundgegeben, Griechenland werde (! ?) eine Vermittlung durch Europa dankbar annehmen.
Athen, 1. Mai. Nach girier Meldung aus Bolo lagern 15000 Griechen vor Velestino, um den Weg nach Bolo abzuschneiden. In der Umgebung von Velestino gab es mehrere Zusammenstöße, über deren Ergebnis noch nichts bekannt ist. In Phersala liegen nur 30 000 Mann. Das griechische Geschwader ist vor Bolo eingetroffen. Die Türken sind bei Velestino endgiltig zurückgcworfen worden. Oberst Smolentz bat den Kronprinzen, die Truppen zu dem Erfolge zu beglückwünschen.
K o n st a n l i n o p e l, 1. Mai. Unpartei, ische Nachrichten schildern den Rückzug der Griechen auf Volo als eine Widerstands- lose panikartige Flucht. Die Türken sind wahr- scheinlich in Bolo. Alle Berichte loben höchlichst die türkische Mannszucht. Einige Gesandte in Athen suchten vertraulich für einen Waffenstillstand zu wirken, angeblich um dem erregten griechischen Volk die Möglichkeit zu geben, in Ruhe Beschlüsse zu fassen, thatsächlich um dem König in dessen bedrängter Stellung zu Hilfe zu kommen. Der Versuch bleibt bei den Mächten ohne Entgegenkommen. Das deutsche Rote Kreuz kommt nun doch.
Phersala, 1. Mar. An dem Gefecht bei Velestino nahmen türkischerseits 8000 Mann, 600 Mann Kavallerie und 13 Geschütze teil. Die Türken wurden von der Brigade Smolentz mit großem Verluste geschlagen. Ein Kavallerie- Angriff wurde von den Griechen ebenfalls zurückgeschlagen. Auf den Höhen von Kasantaß wurde ein türkisches Regiment stark mitgenommen. Mehrere hundert Freischärler unterstützten die Operation der griechischen Truppen. Die letzteren verloren 50 Tote,
Im spanischen Ministerrat hat die Königin- Regentin das Dekret über die Einführung von Reformen auf Kuba unterzeichnet, nachdem General Weyler erklärt hat, daß im westlichen Teil der Insel friedliche Zustände hergestellt seien.
New-Aork, 1. Mai. Aus Point-L Pitre auf Guadelupe kommt die Nachricht von
einem heftigenErdbeben. durch welches 40 Personen verletzt und 4 getötet wurden.
Paris. 20. April. Gestern sollte der staunenden Welt endlich von Leon Taxil in dem Saale der „Loeiötö äs ZsoZrapIiis" jene mysteriöse Diana Vaughan vorgestellt werden, deren Enthüllungen über die Missclhaten des Frei- maurerlums so großes Aufsehen fortdauernd er- regten, daß selbst Kirchenfürsten der unbekannten Bekämpferin der Freimaurer Beglückwünschungsund Ermutigungsschreiben zusandten und daß sie selbst vom Kardinal Parocchi den pästlichen Segen mik der Aufforderung erhielt, weiter in ihrem löblichen Thun fortzufahren. Verschiedene scharfsichtige Katholiken hatten jedoch bereits seit langer Zeit gegen die hartnäckig sich den Augen der Menge entziehende Diana Vaughan Arg- wohn geschöpft, um so mehr, als sie von Leon Taxil. dem ehemaligen wütenden Bekämpfer der katholischen Kirche und urplötzlich ohne Ueber- gang zu ihrem Verteidiger gewordene Polemiker, vorgestellt und in die Kirchenkreise, freilich unversöhnlich durch ihre Schriften, eingeführt worden war. Ihr Argwohn sollte gestern bestätigt und der Wahn der Gläubigen aufs grausamste zerstört werden. Kein weibliches Wesen erschien nämlich auf der Tribüne des Saales, sondern Leon Taxil persönlich, der unverfroren erklärte, daß er seit 12 Jahren die katholische Welt an der Nase herumgcführt. Der Gipfelpunkt der Mystifikation, der größte Ulk aller Zeiten sei die Eifindung jener Diana Vaughan, welche Briese von Bischöfen, Erzbischöfen und den Segen des Papstes erhalten habe, weil sie die tollsten hirnverbranntesten Dinge über die Beziehungen des Teufels zum Fceimaurertum mitgeteilt hatte. Miß Vaughan ist ein armes Mädchen, das er als Maschinenschreiberin mit 150 Franken monatlich anstellte, um seinen ungeheuren Briefwechsel mit Kirchenfürsten zu bewältigen. Unter seinem Diktat schrieb sie die Enthüllungen über die Freimauerei, den „Teufel Bilru" u. s w. Doktor Hacks, genannt „Bataile", war sein fröhlicher Gehilfe bei diesen Erfindungen In Rom glaubte man alles. Taxil las unglaubliche Briefe vor, die Miß Vaughan vom Kardinal Parocchi, anderen Kardinalen und päpstlichen Hausprälaten erhielt. Als der Bischof von Charleston in Rom auf den Schwindel aufmerksam machte, befahl der Papst ihm, zu schweigen, und sendete Miß Vaughan seinen Segen. Jetzt dauert der Schwank lange genug, Taxis hat ein schönes Geld damit verdient und macht ihm nun ein Ende, indem er ihn ausplaudert. Die Zuhörer, großenteils katholische Geistliche waren zuerst zerschmettert und wollten sich daoonmachen; Abbs Ganier rief jedoch: „Haben wir den Mut zu bleiben!" und gab das Zeichen zu wütendem Tumult. Er und andere Geistliche unterbrachen die Erzählung des frech lächelnden Taxil mit dem Ruf: „Lump! Schändlicher Strolch! Wir würden Dir alle Knochen im Leibe zerbrechen, wenn wir unsere Stöcke nicht draußen gelassen hätten" u. s. w. Die Sitzung endete unter wüstem Geschrei der Einen und Hohngelächter der Andern.
Hlnteryattender Teil.
Falsche Spuren.
Criminal-Novelle von Ferdinand Hermann.
(Fortsetzung.)
Der Sanitätsrat war nun wirklich nahe daran, aus der Fassung zu gerathen.
„Ein Verbrechen?" stammelte er. „Und woraus wollen Sie das schließen?"
„Aus einer ganzen Reihe von Gründen. Erstens: aus diesem Chloroformgeruch, der sich seit dem gestrigen Abend im Zimmer erhallen hat, als von einer viel stärkeren Anwendung des Anästhilikums herrühren muß, als sie der Gebrauch einer sehr schwachen Lösung, wie man in den Apotheken gegen Zahnschmerzen verabfolgt, erklären würde."
„Zweitens: aus den überaus ruhigen Gesichtszügen der Toten, die sich wohl durch die rasche und geschickte Anwendung eines unmittelbar wirkenden Betäubungsmittels, niemals aber durch einen, wenn auch noch so sanften natürlichen Tod erklären lassen. Drittens: aus dem
rätselhaften Umstande, daß die Aufwärterin die sonst stets verschlossene Himerthür des Hauses offen gefunden hat. Viertens aber, und das scheint mir trotz seiner Geringfügigkeit ein sehr bedeutsames Argument zu sein, aus der That- sache. daß die Verstorbene, welche anscheinend während des Schreibens von einem plötzlichen Tode ereilt worden ist, die Feder verkehrt in der Hand hielt — in einer Lage, in welcher man sie unmöglich zum Schreiben benutzen kann. Ich bitte Sie. sich selbst zu überzeugen, Herr Sanitätsrat!"
Mit völlig verblüffter Miene hatte der alte Herr, der sich sonst auf seinen Scharfsinn nicht wenig zu Gute hielt, der klaren und ruhigen Auseinandersetzung des Anderen zugehört, und obwohl er anfänglich sehr geneigt schien, ihm energisch zu widersprechen, folgte er doch jetzt mit den Blicken der angedeuteten Richtung und sah zu seiner Ueberraschung. daß der Andere vollkommen recht hatte, indem die Stellung des Federhalters zwischen den Fingern der Leiche eine durchaus unrichtige war. Aber sein beleidigtes Autoritätsbewußtsein, und die Erinnerung daran, daß er bereits im Begriff gewesen war, einen ordnungsmäßigen Totenschein auszustellen, hinderten ihn daran, den Ausführungen des Anderen zuzustimmen.
„Ihre Indizien sind allerdings sehr spitzfindig zusammengestellt, Herr Kollege," sagte er nicht ohne Schärfe, „und ich will auch auf Ihren Wunsch sehr gern auf die Ausfertigung eines Totenscheines verzichten. Aber Sie werden verzeihen, wenn ich auf Grund einer ungleich längeren und vielleicht auch vielseitigeren Praxis, als die Ihrige bisher sein konnte, weniger schnell in meinen Folgerungen bin und mich Ihrer kriminalistischen Auffassung der ziemlich einfachen Sachlage vorläufig noch durchaus nicht anzu- schließen vermag: Erstatten Sie immerhin die Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Mir aber erlauben Sie wohl, mich zu empfehlen, da ich mich mit Rücksicht auf Ihren Scharfsinn und auf Ihre Energie wohl für überflüssig ansehen darf!"
Er nahm in der That seinen Hut und entfernte sich mit einem keineswegs wohlwollenden Gruße, während zu seinem Aerger der jüngere Arzt keinen Versuch machte, ihn zurück zu halten.
Dieser rief die Aufwärterin noch einmal herein und schärfte ihr ein, während seiner Abwesenheit im Hause zu bleiben und Keinem, wer es auch immer sein möge, mit Ausnahme von obrigkeitlich legitimierten Personen den Eintritt zu gestatten; wie sie überhaupt dafür aufzukommen habe, daß nicht die kleinste Veränderung vorgenommen werde. Von seinem Verdachte sagte er ihr natürlich nichts, denn es war wohl anzunehmen, daß die Frau, welche schon jetzt nur sehr ungern allein mit der Hülle der Verstorbenen zurückdlieb, unter keinen Umständen zu längerem Verweilen zu veranlassen gewesen wäre, wenn sie geahnt hätte, daß cs sich hier möglicher oder wahrscheinlicher Weise um ein Verbrechen handle.
Sie erstaunte und erschreckte darum nicht wenig, als nach Ablauf einer halben Stunde zwei Droschken vorfuhren, aus deren einer der Doktor mit drei anderen, schwarz gekleideter, sehr ernstaussehenden Herren stieg, während aus der zweiten mehrere uniformierte Schutzleute sprangen, die sich im Gefolge der ersterwähnten Personen dem Hause näherten. Am ganzen Leibe zitternd öffnete sie die Thür, und sie beruhigte sich erst, als ihr der Doktor die Versicherung gab, daß sie für ihre eigene Person nichts zu fürchten habe und daß man von ihr nichts anderes verlangen würde als eine offene und wahrheitsgemäße Auskunft auf die Fragen welche man an sie zu richten habe.
Die drei schwarzgekleideten Herren sahen denn in der Nähe nicht gar jo fürchterlich aus, als es ihr erst hatte scheinen wollen und sie ließen sich sogar herbei, ihr in ziemlich freundlichem Tone ihren Namen zu nennen. Der Aelteste von ihnen, ein Fünfziger mit strengen, harten Gesichtszügen und einem scharfen, beinahe stechenden Blick, war der Untersuchungsrichter Pürwald, während sich seine beiden Begleiter als Polizeikommissar Wangemann und Referendar