««8 Stadt. Beritt und Umgebung.

ff Neuenbürg. 28. April. Zu Anfang dieses Jahrs veröffentlichte in d. Bl. ein Volksfreund unter dem Titel «Streiflichter auf unsere Zu- stände", seine Weihnachtsgedanken, die von vielen Seiten als aus dem Volke treffend geschildert bezeichnet wurden. Heute giebt die schauerliche Körperverletzung am Ostersonntag Nacht in Schwann, wodurch ein braver Familienvater, einer der tüchtigsten Bürger im besten Mannesalter hinweggeriffen wurde, zu ernsten Ostergedanken Anlaß Wieder sind eS junge, kaum Militär. Pflichtige Leute, welche ,n ihrer Händclssucht einen fast unglaublich rohen Akt verübten. Es genügt schon zu hören, daß sich dieselben nach ihrer Verweisung aus dem Wirtshause rache- schnaubend mit schweren Prügeln versahen und man weiß, daß man es da mit einem mehr und mehr überhandnchmenden Ucbel, mit einer Sitten- Verwilderung der Jugend zu thun hat. die Jedem zu denken geben sollte. Und nun vollends der entsetzlich wuchtige Schlag blindlings auf einen ganz unschuldigen Mann, der auf so traurige Weise sein Leben lassen mußte. Was anders ist solch bedauernswerte Thatsache als die un- vermeidliche Folge des Geistes der Rohheit und der Zuchtlosigkeit, der Genußsucht und Unsilt- lichkcit, welcher in der kaum der Schule ent wachsenen Generation sich in unser» Tagen so breit macht. Sind solche rohe Handlungen nicht besonders auffallend in der Umgebung größerer Industriestädte? Dahin ziehen die kon­firmierten Leute scharenweise, verlockt durch ver­hältnismäßig leichten Gelderwerb, verlockt durch das ungebundene Leben, das ihnen da entgegen winkt. Sind sie auch während des ordnungs­mäßigen Fabrikbetriebs unter Aufsicht, vielleicht auch unter gewisser Zucht, so dies umsoweniger in der langen Zeit außerhalb desselben. Wäh rend früher im Kleingewerbe unter der Fuchtel des ehrsamen Meisters, oder noch mehr in der Landwirtschaft, die jungen Leute zur Ordnung und guter Sitte angehalten wurden, ist es dank der ausgedehnten Fabrikthätigkeit, dank der falschen Humanität unserer Zeit zu anderen sittlichen Zuständen gekommen. Woher soll wieder eine Besserung kommen. Sie kann nur erfolge» von einem geschloffenen Vorgehen der bürgerlichen Gesellschaft gegen die systematische Volksoergist. ung; wenn das Bürgertum Selbsterkenntnis und Selbstzucht übt. Nicht nur alle Eltern. Vor­münder und Lehrherrn, charakterfeste Männer, ältere gesittete Arbeiter haben den Auswüchsen der losen Burschen entgegenzutreten; sie alle müssen zusammenstehen gegen die verdorbene Jugend; es muß ihnen das Züchtigungsrecht eingeräumt werden, das Zechen in den Wirts- Häusern, überhaupt der Wirtshausbesuch seitens der jungen Leute muß aufs entschiedenste ein- geschränkt werden, wenn es endlich wieder besser werden soll. Jeder wahre Volksfreund muß auf­gerufen werden; es muß aufhören mit der Lau- heit und Ecnergielosigkeit gegenüber solchem verderbenbringenden frechen Treiben. Dann ist angesichts solch roher Thaten das jetzt übliche Strafverfahren meist zu mild; oder hat man schon erfahren, daß es ein abschreckendes Bei- spiel ist, wenn einer, der eine schwere Körper­verletzung verübt, mit einigen oder mehreren Monaten Gefängnis bestraft wird. Es werden die sog. Zuchthäuser gefüllt, welche den Steuer- zahler noch dazu vieles Geld kosten. Will man zur Pranger- oder Prügelstrafe nicht zurückgrerfen, welche doch so heilsam wäre, so sollte man an Stelle der Humanitätsduselei unserer Zeit der Frage der Deportation der Strafverschickung von Uebelthätern nach einer entlegenen Arbeits- kolonie näher treten. Wie Frankreich sein Neu- kaledonien oder Cayenne hat, so konnte auch ein deutsches Sibirien im fernen Süden errichtet werden. Das würde ziehen.

Neuenbürg, 24. April. In einem Telegramm des «C. W." v. 23. ds. wird als Thäter des an Gemeinderal Schwarz in Schwann mit einem Spannbengel verübten Totschlags der Fuhrknecht Duß von Conweiler bezeichnet.

Pforzheim» 22. April. Vor geraumer Zeit schon hat die hiesige katholische Geistlichkeit

, verlauten lassen, daß die diesjährige Frohnlerch- I namsprozession in den Straßen stattfinden werde, während sie bis jetzt immer in der Kirche abge- halten wurde. Das kathol. Pfarramt ist in der That auch um Genehmigung der öffentlichen Prozessionen bei dem Bezirksamt eingekommen und dieses hat ein Gutachten des Stadtrats eingefordert. Letzterer hat sich gegen das Ge­such ausgesprochen, mit der Begründung, daß die Abhaltung einer öff ntlichen Prozession leicht zu Unzuträglichkeiten führen könnte, indem man eine derartige Veranstaltung hier nicht gewöhnt sei. Das Bezirksamt hat eine Entscheidung noch nicht getroffen.

Neuenbürg. 24. April. (Schweine­markt.) Zufuhr ca. 60 St. Milchschweine. wo­von einige zu 2225 Mk. Absatz fanden Verkauf flau.

Deutsches Kelch.

In postalischen Kreisen wird die Erricht­ung eines Step Han-Denkmals angeregt Man hofft, die Kosten durch freiwillige Beiträge zusammenzubringen. Für die Aufstellung des Denkmals hat man den Wilhelms- oder den Leipziger Platz in Berlin vorgeschlagcn.

In dem Rechnungsjahre vom 1. April 1896 bis 31. März 1897 haben die preußischen Staatseisenbahnen einen Ertrag von rund 1140 Millionen Mark ergeben, das sind rund 62 Millionen Mark mehr als im Vorjahre.

Aus Baden. Während des Gottes­dienstes in Meckesheim am Karfreitag mußte eine Frau so gähnen, daß sie sich die Kinnladen verrenkte. Sie brachte dann den Mund nicht mehr zu. Ein Arzt brachte die Frau sofort nach Heidelberg in die Klinik.

Württemberg.

Stuttgart, 22. April. Der formelle Ausbruch des türkisch griechischen Krieges hat bei den europäischen Gelsbörsen keinen besonderen Kurssturz herbeigeführt, da die letzteren an der lleberzeugung festhalten, daß allgemeine euro­päische Verwicklungen daraus nicht entstehen werden. Selbstverständlich ist aber die Speku lation äußerst zurückhaltend, weil das europäische Konzert sich als völlig ohnmächtig erwiesen hat und weil die Reisen des deutschen Reichskanzlers nach Paris und des englischen Unterstaatssckretärs Curzon nach Berlin immerhin die Verhältnisse als unklar erscheinen lassen.

Stuttgart, 17. April. Bolksheilstätte für Württemberg. Wie anderwärts, so hat sich auch in unserem Lande in weiten Kreisen das lebhafte Bedürfnis gezeigt, zur Bekämpfung der gefährlichsten Krankheit, der Lungenschwindsucht, eine Volksheilstälte zu gründen. Vorbesprech ungen zu diesem Zweck, welche unter dem Vor- sitz des Präsidenten des Wohlthätigkeitsvereins. Staatsrat v. Mojer, stallfinden, haben den Plan so weit gefördert, daß demnächst ein größeres Konnte aus allen Teilen des Landes gebildet werden wird, welches die Gründung der Anstalt in die Hand nehmen soll. Die Aufbringung des Gcündungskapitals ist durch ein unter sehr günstigen Bedingungen in Aussicht gestelltes Darlehen wesentlich erleichtert. Einige für diesen Zweck jetzt schon gemachte Zuwendungen werden beim Kassenamt der Zentralleitung des Wohl- thätigkeitsvereins verwaltet.

Ausland.

Wien, 23. April. Kaiser Wilhelm ist gestern Abend 6'/i Uhr nach Dresden abgereist.

An diesem Samstag wird die Brüsseler Weltausstellung, obwohl sie noch in allen ihren Teilen unfertig ist, feierlich eröffnet werden. Ein Urteil über den Wert der Aus stellung kann noch nicht gefällt werden.

In Frankreich nehmen die Radikalen immer entschiedener Partei für die Griechen. Sie haben bereits die sofortige Wiederzusammen- berufung der Kammer beantragt. Aber die Regierung bewahrt eine große Zurückhaltung. Zwar hat ein Ministerrat wegen der Vorgänge auf der Balkanhalbinsel stattgefunden, aber der Präsident Faure hat doch die geplante Reise nach dem Westen angetreten und sich zunächst , nach Nantes begeben.

In dem Pariser Blatte «Figaro stellt Whist Balfrey fest, Deutschland sei wie vor 20Jahren Herr der Lage. Inmitten des WirrwarS wüßten nur Deutschland und England, was sie wollten: erstereS beweise eS durch seine türkenfreundliche Haltung, und Eng­land benutze augenscheinlich die Lage im Osten, um sich dauernd Egyptens zu bemächtigen.

Ein Engländer, dem deutschfreundliche Gesinnungen nachgesagt werden, hat kürzlich eine Aeußerung gethan, die für uns Deutsche Stoff zum Nachdenken bietet. Ja einer Unter­redung. die Sir Ellis Ashmead Bartlett kürzlich einem Berichterstatter des «Gaulois" gewählte, sagte er unter anderm Folgendes:Es kann sein, daß der Präsident der südafrikanischen Republik auf das Drängen Mr. Chamberlains im letzten Augenblick den Vorstellungen der britischen Regierung R chnung trägt. In jedem Falle würde er schwer Unrecht thun, auf Deutsch­land als etwaigen Verbündeten zu rechnen. Was kann uns diese Macht in Afrika thun? Sie ist es ganz gewiß nicht. die uns aufhalten könnte!" Diese Arußerung ist geeignet, zu zeigen, mit welcher Mißachtung man sich über berechtigte Wünsche Deutschlands überall da hinwegfltzen darf, wo der Mangel einer ent­sprechenden Flotte uns der Möglichkeit beraubt, der Aeußerung dieser Wünsche gegebenen Falles genügenden Nachdruck zu verschaffen.

Die Engländer bereiten den weitere» Vormarsch in das Reich des Mahdi vor. Der Marsch soll von Dongola auf Abu Hamed beginnen, sobald der Nil Wasser genug hat. damit die Dampfer über den vierten Katarakt gelangen können.

Eine Meldung aus Athen vom 22. April berichtet von großer Zuversicht der Griechen. Am 20. April hat Kronprinz Konstantin telegraphiert: «Wir halten alle unsere Stell­ungen Die Lage ist ausgezeichnet." Vom 21. April hat er telegraphiert: «Jede Straße» auf welcher die Türken in die thessalische Ebene herabsteigen können, ist durch Concentrierung der Truppen gesichert worden. Ich kann nicht ausführlich telegraphieren, ich kämpfe selbst, Prinz Nikolaus desgleichen."

Ein Mitglied der Finanzkommission des nordamerikanischen Senats hat erklärt, daß die Tarif-Bill nach den Beschlüssen der Kom­mission lediglich eine finanzielle Maßnahme sei und keinen Schutzzoll Tarif darstelle; auch sei die rückwirkende Klausel so abgeändert worden, daß diejenigen, die sie in ihrer früheren Fassung bekämpft hätten, zufrieden gestellt würden.

Unterhaltender Heil.

Die Zuckerzange.

Erzählung von Doris Freiin v. SPätgen.

(Schluß.)

Wieder war eine endlos lange, qualvolle Nacht vorübergegangen. Den nächsten Vor­mittag saß die schöne Frau über ihren Schreib­tisch gebeugt, aber sie halte bereits zwei be­schriebene Briefbogen bei Seite geschleudert und bemühte sich eben, einen besseren, passenderen Anfang zu ersinnen. Ein geöffnetes Blllet lag neben ihr, dessen Inhalt sie bereits zum, Gott weiß wie vielten Male gelesen hatte.

Mit raschem Entschluß schrieb sie nun:

«Sehr geehrter Herr Graf!

Zwischen heute und gestern, als Sie in meinem Boudoir den Kaffee einnahmen, liegt nur ein Zeitraum von Stunden! Allein die kürzeste Frist Momente entscheiden ja oft über das Glück oder Wehe eines Menschen­lebens! Ihrer Versicherung bedarf es nicht, Graf Niko, daß einzig nur das mächtige, welt­bezwingende Gefühl: die Liebe Sie dazu getrieben, jenes, von mir geahnte Geständnis ,christlich abzulegen und um meine Hand zu bitten. Ich weiß, sie sind ein edler, selbstloser Mann, ein Kavalier, ein Charakter. Durch dieses offene Bekenntnis stehen Sie noch höher in meinen Augen als vorher. Ich weiß ferner von Barbara Otterstein, der stets lachenden, scheinbar glücklichenFrau, seit Jahren ein Geheim­nis, das sie seit sieben Jahren tief im Herzen verbarg und welches ihr das Leben oft schwer und kaum erträglich erscheinen ließ. Möge