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hiesigen Zigarrenladen und kaufte für 60 ^ Zigarren, welche er mit einem 1 vf6-Stück, das er aus der Tasche zog, bezahlte. Nachdem er die 40 L zurückerhalten. behauptete er sofort, es sei ihm im Laden sein Portemonnaie mit annähernd 100kL gestohlen worden und be- züchtigte die Tochter des Geschäfts. Ein herbci- gerufener Schutzmann fand aber das Portemonnaie m seiner Tasche. Letzterer hatte aber schon vorher von dem Geschäftsinhaber seine 100 -/L verlangt, weshalb der Schutzmann den angeblich Bestohlenen wegen versuchter Erpr«ffung flstnahm und dem K. Amtsgericht übergab.

Blaubeuren, 20. April. Lehrer dynastie. Anfangs März starb zu Merklingen (O.A. Bloubeuren) Schullehrer Jakob Bau. mann. Der 1. Vorfahre seines G.schlech-s trat den Schuldienst in Merklingen am 1 Mai 1622 an. und seitdem war immer der Sohn der Nachfolger des Vaters. Gewiß ein Fall, der ziemlich einzig dastehen dürfte!

Weinsberg. 22. April. Der heute hier abgebaltene Holz- und Pfahlmarkt war mit 80 Wagen Pfählen befahren, welche alle rasch verkauft wurden. Gesägte Pfähle kosteten das Hundert »fL 3.103,60. gespaltene von 4 bis 4.80 vkL Der Handel in Bauholz war flau, hingegen gesucht waren Bretter und Latten, die Zufuhr war jedoch hierin schwach.

Ausland.

Wien, 21. April. Kaiser Wilhelm stattete im Laufe des heutigen Tages dem Minister Goluchowski einen mehrstündigen Besuch ab und besuchte die hier weilenden Erzherzoge. Hule abend 6 Uhr fand im Zeremoniensaale der Hof. bürg F>sttafel statt, an welcher außer Kaiser Franz Josef und Kaiser W lhelm mit seinem ganzen Gefolge die hier anwesenden Erzherzoge, der deutsche Botschafter mit den Mitgliedern der Botschaft, Oberhofmarschall Fürst Lichtenstein, der Minister des Auswärtigen u. a. Fürstlich­keiten und Würdenträger teilnahmen.

Aus Wien depeschiert man derVoss. Z": Heute fand die Beeidigung Dr. Luegers statt. Vor dem Rathause waren Genoss nschaftea, Ge sangvereine und eine zahlreiche Menschenmenge zur Begrüßung Luegers versammelt. Nach der Beeidigung fuhr Lueger vor die Hofburg, um dem Kaiser für die Bestätigung zu danken. Die auf dem Wege dahin und auf dem innern Burg> Platze angesammelte Menge brach beim Erscheinen Luegers in stürmische Hochrufe aus, die sich nach der Audienz wiederholten. Die Polizei nahm einige Verhaftungen vor.

Haag, 21. April. Die Königin und die Königin Regentin werden sich am 30 d. M nach Stuttgart zum Besuche des württemb. Königspaares begeben, von da nach Wien.

Der Präsident der französischen Republik, Faure, hat eine Reise nach dem Westen des Landes angetreten und auch die meisten Minister sind z. Zt. von Paris abwesend. Bedauerlicherweise behaupten einzelne Pariser Blätter Deutschland habe die Türkei veranlaßt, gegen Griechenland endlich loszuschlagen, weil Deutschland hoffe, dadurch die Türkei zu einer Anglicderung an den Dreibund zu bewegen. Ein solcher Genosse des Dreibundes, wie die Türkei, wäre aber gefährlich, denn dieser Freund würde von den übrigen Freunden mehr verlangen, als sie ihm geben können.

Obgleich die Panama-Untersuchung fast völlig eingeschlafen zu sein scheint, wird von oft gut unterrichteten Seiten erklärt, daß diese Ruhe nur die Ruhe vor dem Sturme sei. Zu­nächst sollen vier weitere ehemalige Parlamen- tarier eine Vorladung vor den Untersuchungs- lichter erhalten. Dann aber soll nunmehr fest, stehen, daß nach den Ferien die Aufhebung der parlamentarischen Immunität des bekanntesten, größten und meistgenannten unter den verdächtigen Parlamentariern verlangt werden wird.

Paris, 21. April. Die hiesige ottoma- nische Botschaft teilt folgende Depesche aus Konstantinopel von gestern abend 11 Uhr 49 Min. mit: Das Dorf Kriechora (östl. Kriegs­schauplatz) ist von den türkischen Truppen de- setzt. Die Division Neschat Paschas nahm sämt- liche Punkte, welche die Ebene von Larissa be­

herrschen. In diesen Positionen und in Badji wurden mehrere Gefangene gemacht sowie Schieß- Vorrat und Waffen erbeutet. Die am Meluna- Paß geschlagenen Griechen sind in westlicher Richtung und nach Larissa zu geflohen.

Nachdem im Orient das lange drohende Gewitter nun mehr zum Ausbruch gekommen ist, fragt es sich jetzt nur, was die Großmächte thun werden, deren Uneinigkeit deutlicher als je zu Tage tritt Eine Blockade Kretas hat. nachdem der Krieg nun einmal nicht mehr verhindert werden konnte, thatsächlich keinen Zweck mehr, und wenn, wie wahrscheinlich, die Dreibundmächle ihre Schiffe vor Kreta nach Hause beordern, jo hat das russisch französische Bündnis Gelegenheit, sich gegenüber den Engländern zu erproben. Nach­dem die Großmächte den Ausbruch des Kriegs sicht haben verhindern können. so wächst von Tag zu Tag die Gefahr, daß sie einander selbst in die Haare geraten werden, und wenn nur inmal die ersten Schüsse zwischen Russen und Engländern gewechselt werden, so kann dieser Brand unter Umständen ganz Europa ergreifen. Daß Deutschland nicht zu England stehen, son­dern Rußland unterstützen wird, ist zu erhoffen; denn damit haben wir die verhältnismäßig beste Aussicht, wenigstens nicht direkt in einen Krieg flneingezogen zu werden.

Wie aus Rom gemeldet wird, wurde auf der Konsulta erklärt, daß die Stellung der Großmächte zur Kretafrage durch den Krieg in keiner Weise berührt wird. Die Aktion gehe ihren alten Weg, die Mächte würden dem kriegführenden Teil unmittelbar nach dem ersten entscheidenden Schlage einen Waffenstillstand oktroyren, und von der Türkei wisse man, daß sie sich dem Willen Europas ohne Weiteres selbst dann fügen würde, wenn der Sieg, wie es zu erwarten stehe, sich ihr zuneige. Auf Griechenland werde die ernste Lage und die völlige Aussichtslosigkeit seines Unternehmens einen heilsamen Druck ausüden. So hofft man, daß ein Waffenstillstand binnen kurzer Zeit zur Thatsache weroe. Ein Bombarde­ment von Saloniki würden die Großmächte nicht gestatten.

Die Engländer haben eine neue Truppensendung nach Kreta gemacht und scheinen sich daselbst häuslich einrichten zu wollen, da aber auch die Russen mindestens eben so viel Sodaten auf Kreta gelandet haben, so kann es sich leicht ereignen, daß einmal Russen und Engländer wegen des Besitzes der Insel Kreta hintereinander geraten. Nebenher haben die Engländer eine starke Flotte nach Südafrika entsendet, verheimlichen aber deren Zweck vorläufig noch Voraussichtlich werden die Engländer eines schönen Tages die Dclagoabai den Portugiesen einfach wegnehmen, was zu verhindern die Portugiesen zu schwach sind.

London, 21. April. Wie das Reutersche Bureau von einer besonderen Quelle aus Wien erfährt, wird an maßgebender Stelle versichert, daß der Ausbruch des griechisch-türkischen Krieges in keiner Weise die Lage auf Kreta beeinflussen könne, da die Mächte der dortigen muselmani­schen Bevölkerung Sicherheit gewährleistet hatten. Die Mächte würden ihre Bemühungen fortsetzen, um den Frieden auf der Insel herzustellen und derselben eine autonome Regierung zu erwirken

Athen, 20. April. Die Ankunft Ricotti Garibaldis mit 500 italienischen Frei­willigen ist bereits signalisiert. Sein Eintreffen wird heute noch erwartet. Der Minister des Innern fordert in einem Erlaß sämtliche Bürger Griechenlands auf. zum Wohle des Vaterlands die Waffen zu ergreifen. In der griechischen Fremdenlegion befinden sich bereits 27 Deutsche, darunter auch ein Lieutenant I a h n k e.

Konstantin opel. 21. April. Aus Elas- sona eingctroffene D Peschen melden, daß alle Grenzposten auf griechischem Gebiet zwischen dem Fluß Heragi und Nezeros von den Türken ge­nommen seien. Marschall Edhem Paschas Hauptquartier befand sich gestern in Myreve. Der Marschall rückt anhaltend vor.

Klausenburg. 21. April. Von einem bei dem siebenbürgischen etwa 400 Seelen zähl­enden Dorfe Dank gelegenen Berge löste sich

ein etwa 120 Morgen großes Stück des Ab­hanges los und riß einen großen Teil des Ortes mit sich fort. Alles, was ihm in den Weg kam, Häuser, Hürden, sowie Menschen und Tiere wurden unter den Erdmassen begraben.

In Boswyl in der Schweiz wurde der Vikar Siegrist während der Predigt von einem Hirnschlag getroffen. Der Unglückliche mußte, da die rechte Seite gelähmt wurde, von der Kanzel getragen werden.

Ein seltenes Familienfest hat am Karfreitag die Familie des schweizerischen Malers Gehri in Münchenbuchsee begangen: die gleichzeitige Konfirmation der vor 15 Jahren zur Welt gekommenen Vierlinge, 2 Mädchen und 2 Knaben, alle 4 gesund und munter. Ist eine Vierlingsgeburt an und für sich schon eine große Seltenheit, so kann es geradezu als Unikum gelten, Vierlinge so gedeihen zu sehen, wie eS bei den Kindern Gehn der Fall ist.

Nizza, 21. April. Bei dem Juwelier Leriche auf der Avenue de la Gare drangen Diebe nachts vom Keller aus durch den Fuß- boden in den Laden und stahlen für 80 000 Francs Schmucksachen.

Eine größere Anzahl von Mädchen­händlern in R u s s i s ch. P o l e n ist in den letzten Tagen abermals von den Polizeibehörden verhaftet worden. Insgesamt wurden 35 Per­sonen gefänglich eingezogcn. Die Bande ver­kaufte die Mädchen nach Argentinien u. Brasilien. Es gelang der Polizei besonders in Warschau, Radow uns Lublin bei den verdächtigen Personen zahlreiche Briefschaften zu beschlagnahmen.

Telegramme.

Berlin, 22. April. Der Staatssekretär des Auswärtigen Frhr. v. Marschall stattete heule Mittag dem Fürsten von Bulgarien einen Gegenbesuch ad und hatte mit ihm eine längere Unterredung.

Wien, 22. April. Die Frühjahrs. Parade auf der Schmelz vor den beiden Kaisern nahm bei schönem Wetter einen glänzen­den Verlauf. Die Truppen waren in vier Treffen aufgestellt und standen unter dem Be­fehle des Korpskommandanten Grafen Uexküll. Anwesend waren die Erzherzöge, die Minister, das diplomatische Korps, der Bürgermeister Dr. Lueger und andere Würdenträger. Gegen 8^/« Uhr erschien Kaiser Franz Joseph, ritt die Fronten ab und üoernahm das Kommando. Bald darauf kam Kaiser Wilhelm in der Oberstenuniform seines Husarenregimenls Nr. 7, von den Hochrufen der Menge, durch militärische Ehrenbezeugungen und die preußische National­hymne empfangen. Kaiser Franz Joseph er­stattete den Frontrapport, worauf die beiden Kaiser die Fronten entlang ritten. Kaiser Franz Joseph führte sodann die Truppen an seinem erlauchten Gaste vorbei. Der Parademarsch ging stramm und tadellos von statten. Als das 7. Husarenregiment in Sicht kam, ritt Kaiser Wilhelm ihm entgegen und führte es dem Kaiser Franz Joseph vor. Die Parade dauerte länger als eine Stunde. Unter dem Jubel der Bevölkerung verließen die beiden Monarchen alsdann das Paradefeld.

Paris, 22. April. Der deutsche ReichskanzlerFür st Hohenlohe reiste heute Abend über Straßbujrg zurück.

Rom, 22. April. Heute Nachmittag 2^/» Uhr wurde auf den König während der Fahrt nach dem Rennplätze von dem Arbeiter Pietro Acciarito ein Mordversuch mitttels Dolchstoßes unternommen. Der König blieb unverletzt und setzte die Fahrt nach dem Rennplatz fort, wo er stürmisch begrüßt wurde. Der Verbrecher wurde verhaftet.

Melunapaß, 22. April, Der Vor­marsch der Türken nach der thessalischen Ebene begann am 20. April früh morgens. Nach mehrstündigem Kampfe wurde Tyrnavos, gestern Mittag von den Türken erstürmt.

Mit einer Beilage.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.