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müssen; das wird er ihm wohl nicht so leicht vergessen.
„Der Fritz Barthel ist ein braver Kerl, auf den man sich verlassen kann," warf der rote Heinrich ein; „aber er hat Pech. Wäre er ein Schurke, hätte er uns Alle verraten können, und er selbst wäre dabei sicher mit einer geringeren Strafe weggckommen. Der arme Teufel hat mit dem Schleichhandel wahrlich noch nichts verdient, denn er machte erst ganz kurze Zeit mit, und deshalb hat es mir leid gethan, daß gerade er den Grünröcken in die Hände lausen mußte."
„Nun, er hat's überstanden; gestern ist er losgekommen; ich habe ihn drüben in Rothenau gesprochen," erzählte einer der Schmuggler, welcher bisher geschwiegen hatte. „Uebrigens ist cs dem noch lange nicht so an den Kragen gegangen, als w-mn cs E'uem von uns passiert wäre, die wir Frau und Kinder haben; ein lediger Kerl schlägt sich immer durch die Welt, Wenn er den Kops nicht verliert "
„Der Pariser hat sein Reff mit Hausierwaren bei mir stehen lassen; er wird also jedenfalls hier vorsprcchen," mischte sich der Wirt tn's Gespräch.
Er wollte noch mehr sagen, aber die Thür ward geöffnet, und der Mann, von welchem eben die Rede gewesen war. trat herein.
Ein Dutzend Hände streckten sich ihm zum Gruße entgegen, und den bewiükommenden Worten hörte man es an, daß sie ausrichtig gemeint seien.
„Freue mich, Dich wiederzusehen, Pariser!" rief der Breitschultrige, welcher eine gew'sse Herrschaft über die Anderen zu besitzen schien, denn sie schwiegen sofort, als er seine Stimme erhob- „Freilich bist Du im Kasten nicht fett geworden, wie ich sehe, aber das läßt sich nach- holen. Pflege Dich erst noch ein paar Tage, ehe Du wieder an die Arbeit gehst, und sammle neue Kräfte; die Feuerprobe hast Du hinter Dir, und nun gehl'S schon besser." l „Wenn Du meinst, daß ich mich wieder mit den Grcnzjägern einlassen soll, Rapp, bist Du im Jrrtume," versetzte Fritz Barthel. „Ich tauge nicht zum Schwärzer und habe genug von dem Hanvwerke."
Er setzte sich und nahm einen Schluck des! heißen Getränkes, das ihm der Wirt vorsetzte. !
„Dummes Zeug, Pariser!" lachte der rote! Heinrich. „Das sind so die guten Grundsätze, die man mit von dem Kasten herunterbringt. Zum Glück sind sie bald wieder vergessen, und mit doppeltem Eifer wirft man sich auf's Geschäft."
„Lehrg>ld hoben wir Alle zahlen müssen." pflichtete Fuchs bei, „darum aber nicht gleich die Flinte in's Korn geworfen. Du mußt lange lausen, ehe Du mit Deinem bischen Hausierkram ein paar Dreier verdient hast. Da geht es bei uns doch rascher. Und cs ist doch ein lustiges Leben — sage mir einer, was er will; ein wenig Gefahr erhöht nur den Reiz, und der Spaß, die Grenzer so recht an der Nase herumgeführt zu haben, ist doch auch etwas wert."
Die Anwesenden stimmten ihm lachend bei, bis Rapp mit kräftiger Stimme Ruhe gebot.
„Der Pariser hat sich als braver Kamerad gezeigt, das muß wahr sein!" rief er. „Wir Alle säßen vielleicht auch jetzt hinter Schloß und Riegel, wenn er geplaudert hätte. Darum stoßt mit an auf das Wohl des Parisers! Kerls wie den lassen wir nicht laufen, und wenn's Dir einmal schlecht geht, Fritz, dann kannst Du auf uns rechnen "
„Bravo!" scholl es von allen Seiten und die Gläser klangen aneinander.
Aber der junge Mann schüttelte das Haupt
„Gebt Euch keine Mühe," sagte er fest; „Euer Geschäft ist nicht das meinige. Ich habe unüberlegt gehandelt, als ich mich Euch an- schloß; aber die Geschäfte gingen schlecht und meine drei Geschwister litten Not. Ich mußte - ihnen Ernährer und Erhalter sein; es jammerte ! mich, sie darben zu sehen; dennoch hätte ich um Alles in der Welt nicht geduldet, daß sie Unterstützung oder gar Almosen empfingen. Jetzt sind sie bei guten Leuten untergebracht, und die Sorge um sie ist mir erleichtert. Ich
aber bin zur Einsicht gekommen, daß ehrlich am längsten währt und daß ein Stück redlich verdientes Brod besser schmeckt, als alle Delikatessen der Welt, wenn sie unrechtmäßig erworben sind. Darum will ich wieder arbeiten, und giebt es vielleicht auch mitunter schmale Bissen, so kann ich sie doch ohne Selbstvorwurf genießen."
Die Pascher hörten verwundert zu, und manchem gingen die Worte des jungen Mannes zu Herzen.
Fritz hatte sich erhoben.
„Ich habe an dem Unglückstage einige Stücke Ware hier zurückgelassen," sagte er zum Wirte; „ich will sie mitnehmen und drüben in Rothenau verwerten. Meine Kundschaft wird längst auf mich gewartet haben."
Der Besitzer der Schenke brachte das Gewünschte. und ohne die Sttchelrcden der Männer weiter zu beachten, lud er sich das Reff auf den Rücken und nahm Hut und Stock zur Hand.
„Du wirst doch den Weg durch die Sümpfe noch finden, Pariser?" höhnte der rote Heinrich. „Sonst warte lieber, bis der Mond untergegangen ist; dann leisten wir Dir Gesellschaft. Für uns ist es jetzt noch zu Helle."
„Sei unbesorgt, ich kenne Weg und Steg," versetzte jener ruhig und ohne Bitterkeit. Dann wünschte er gute Nacht und verließ die Herberge der Schmuggler
Der abnehmende Mond stand bereits tief im Westen, als er m's Freie trat; dennoch übergossen seine matten Strahlen die weile, öde Landschaft noch mit einem leichten Silberscheine, daß es schien, als seien Gräser und Gestrüpp mit frischem Reif überzogen.
Tiefe Stille herrschte rings in der Natur; nur aus dem dürren Schilf und Röhricht, welches häufig in den nahen Moorgründen ^ wucherte, tönte hin und wieder der heisere Schrei ' des Nachtvogels herüber.
Rüstig schritt Fritz auf dem wenig betretenen Wege, der an den Sümpfen vorüber im weiten Bogen nach der entfernten Landstraße führte, dahin, bis er von demselben abdog und einen schmalen, nur dem Kundigen sichtbaren Fußpfad betrat.
(Fortsetzung folgt.)
Der Rheinschiffer Peter Ney hat 40000 üiL j Hauptgewinn, mit Nr. 18 427 der Pirmasenscr ' Kircheribam Lotterie gewonnen, aber bis jetzt hat der Gewinn ihm noch nicht ausgehändigt werden können, weil N y das betreffende Los nicht vorweisen kann. Als derselbe aus der Gewinnliste ersah, daß die große Summe auf seine Nummer gefallen war, hatte er nichts Eiligeres zu thun, als das Los mit seiner Adresse in ein einfaches Briefkouverl zu stecken und in Saarbrücken, wo er gerade mit einem Schiff ange- kommen war, in einen Briefkasten zu werfen, nachdem er den Brief an das, die Gewinne auszahlende Bankhaus Schüler in München adressiert und drei 10 Pfennig-Freimarken aufgeklebt hatte, in dem Glauben, der Brief werde nun eingeschrieben. Auf wiederholtes Anfragen hat das Bankhaus erwidert, bis jetzt sei besagter Brief nicht eingegangen, und es sei daher wahrscheinlich, daß derselbe verloren gegangen sei. Auch die Post in Saarbrücken weiß von dem Briefe nichts. Der Schiffer hat nun die ganze Sache einem Straßburger Advokaten übergeben. Von Bedeutung ist hierbei die Thatsache, daß der Lvtterieverkäufer, bei welchem N das Los kaufte, letzteren bestimmt wieder erkannte.
Meine Verwechslung.) .(zum
Sergeanten, der einen Einjährigen ausbildet): „Nun, Sergeant Müller, die schönen Tage sind nun bald vorüber, die schönen Tage von . . . wie sagt man gleich? (zum Einjährigen gewendet): Nun, Sie Einjähriger, das müssen doch Sie
wissen!" — Einjähriger: „Herr.
meinen wohl die schönen Tage von Aranjuez" ?!
—.„Ja, ja! Ganz richtig. Die
schönen Tage von Aranjuez! ... Ich verwechsle nämlich immer drei Sachen: Die schönen Tage von Aranjuez, den Postillon von Lonjumeau und den schiefen Turm von Pisa!"
(Der Gipfel der Geschmacklosigkeit.) In der „Köln. Ztg " fand sich in den verflossenen Fest, tagen die folgende Anzeige: „Die gestern erfolgte glückliche Geburt eines prächtigen Jubiläums- Knaben zeigen hocherfreut an Hugo Oppenheim und Frau. Betty geb. Maron. Chemnitz, 23. März 1897 "
Telegramme.
B e rl i n, 4. April. Beim Kaiserpaar fand heute mittag eine Fcühstückstafel im Königl. Schloß statt, an welcher auch Fritjof Nansen teilnahm.
Berlin. 4. April. Gegenüber der Meldung aus Hamburg betreffend das Glückwunschtelegramm des Kaisers am 1. April an den Fürsten Bismarck stellen die „Berl. Neueste Nachrichten" übereinstimmend mit den „Leipziger Nachrichten" fest, daß ein solches Telegramm nicht erfolgt sei.
Wien, 4. April. Heute Vormittag fand unter dem Vorsitz des Kaisers und unter Teilnahme sämtlicher Österreich. Minister Inständiger Minlsterrak statt, worin der Kaiser eröffnet?, daß er die Demission des Kabinels Badeni nicht annehme.
Petersburg, 4. April. Das „Journal de St. Peterbourg" läßt sich in einem längeren Artikel schart gegen die agressive und provozierende Haltung und die bedauernswerte Hartnäckigkeit Griechenlands aus. welche die Mächte zwinge, zur Blokade des Golfs von Athen zu schreiten. Griechenland vereitle durch die Belastung seiner Truppen auf Kreta die auf die Wiederherstellung des Friedens gerichtete Aufgabe der Admirale, welche nicht in der Lage seien die wahren Wünsche der Bewohner Kretas wegen des der Natur der Sache nach überwiegenden Einflusses der griechischen Truppen zu ermitteln. Das Blatt tadelt aut das Schärfste das Vorgehen des Oberst Bassos. Gewisse überspannte und gewohnheitsmäßige Unruhestifter gefallen sich darin die Kriegserklärung gegen die Türkei zum 6. April oder zum Tag des Beginns der griechischen Blokade überschwänglich zu empfehlen. Wir weigern uns entschieden die Möglichkeit einer so außerordentlichen Thorheit zuzugeben, deren Folgen Griechenland zu tragen hätte. Es sei Zeit für Griechenland auf Illusionen zu verzichten, die nur zu einer schmerzlichen Enttäuschung führen können.
Athen, 4. April. Ein Erlaß verbietet die Beförderung chiffrierter Depeschen nach dem In- und Auslande. — Bei Herakleion finden noch fortdauernd Kämpfe statt.
Kanea, 4. April. Vormittags 10 Uhr. Die Entwaffnung der Baschidozuks hat heute früh begonnen. Die Baschidozuks in dem Dorfe Kalikut weigerten sich die Waffen auszuliefern, worauf das Dorf von den europäischen Truppen eingeschlossen wurde.
Rom, 5. April. Die Agencia Stefanie meldet aus der Sudabai, die Mächte wiesen die Admirale an, die friedliche Blokade Athens zu beginnen. Die Admirale erwägen die bezüglichen Modalitäten.
London» 4. April. In einer in Southport gehaltenen Rede sagte Curzon bei Besprechung der Orientfrage, die Kriegsmolken im Horizont vergrößern sich, aber dennoch hoffen die Mächte das Unheil abwenden zu können. Die Integrität der Türkei müsse als ein Teil des Völkerrechts behandelt werden. Die Schritte, die Aussicht auf Erfolg haben, dürfen nur von Europa gemeinsam unternommen werden. Ohne Zustimmung der Mächte dürfe Griechenland nicht erlaubt werden, ein Stück des ottomanischen Gebiets zu nehmen. Eine neue Verfassung werde der Insel gegeben werden, nachdem Kreta der Autorität des Sultans entzogen worden sei. Wenn Griechenland die Türkei angreife, könne es kein größeres Verbrechen begehen. Englands Pflicht sei es beim europäischen Konzert zu verbleiben, welches ein Kabinet der Nationen gebildet habe, was der größte Fortschritt des Völkerrechts und der Moral gewesen sei, welchen dieses Jahrhundert gesehen habe.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.