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eingeleitet, wenn in absehbarer Zeit als Folge der Krankheit Invalidität droht und durch ein Heilverfahren Heilung ober wesentliche Besserung in Aussicht zu nehmen ist.

Falls Invalidität bereits eingetreten ist. wenn Aussicht auf Wiedererlangung dauernder Erwerbsfähigkeit vorhanden ist.

Soll also ein Heilverfahren eintreten, so muß die Krankheit noch heilbar oder wesentlich und nicht blos vorübergehend besserungsfähig sein.

Von der Einleitung eines Heilverfahrens ist keine Krankheit ausgeschlossen.

Unter Invalidität im Sinne des Gesetzes versteht man zweierlei Zustände, den der dauern­den und den der vorübergehenden mehr als ein Jahr bestehenden Erwerbsunfähigkeit.

Erwerbsunfähigkeit liegt vor, wenn der Er­krankte infolge seines Leidens um mindestens */, in seiner Arbeitsfähigkeit beschränkt ist.

Bei Beurteilung des Grades der Arbeits­fähigkeit kommen alle Lohnarbeiten in Betracht, welche billigerweise der betreffenden Person in Berücksichtigung ihrer Vorbildung. Berufsthälig- keit usw. zugemutet werden können.

Unter das Heilverfahren fallen folgende Arten der Fürsorge der Versicherungsanstalt:

1 Gewährung von ärztlicher und arznei­licher Behandlung, von Brillen, Bruchbändern und ähnlichen Heilmitteln, sowie von Stärkungs- Mitteln für möglichst vollständige Krastwieder- herstellung;

2. Kur und Verpflegung in einem Krankcn- hause, einer sonstigen Heilanstalt oder einem Re­konvaleszentenhaus;

3. Gtwährung von Lust , Trink- u. Bade- kuren;

4. Uebernahme der Kosten für chirurgische Operationen, für Spezialbehandlung, sowie für Behandlung oder Nachbehandlung mittele Massage. Elektrizität, medico mechanischer Apparate und ähnlicher Heilversuche;

5. Uebernahme der Kosten für Förderung der Rekonvaleszenz außerhalb von Rekonvales- zentenhäusern;

6. Gewährung von Geld und sonstiger Unterstützung, z. B. zu Beschaffung besserer Kost für den Erkrankten, von künstlichen Gliedern und Stützapparaten, von Aushilfe in der Haus­haltung u. j. w.;

. 7. Unterstützung von Angehörigen des er­

krankten Versicherten durch Geld z. B. im Fall der Not, von Barauslagen für den Erkrankten, von Versäumung der Erwerbsgelegenheit aus Anlaß seiner Pflege u. s. w, u. s w.

Außerdem wird von der Versicherungsanstalt in den meisten Fällen den Angehörigen derjenigen Patienten, welche sich in Bädern, Krankenhäusern u. s. w. befinden über die Dauer ihres Aufent­halts daselbst eine Familicnunterstützung in barem Gelbe gewährt, welche in ihrer Höhe je nach der Zahl der vorhandenen unmündigen Kinder u.s.w. bemessen wird.

Diese letztere Maßregel wird dem Erkrankten die beruhigende Gewißheit geben, daß die Familie während seiner Abwesenheit vor Not bewahrt ist.

Gesuchen um Uebernahme des Heilverfahrens ist ein ärztliches Zeugnis anzufchließen. Formu­lare hiezu hat jeder Arzt im Besitz Die Kosten für das Zeugnis trägt die Versicherungsanstalt. Die Gesuche selbst sind bei der Ortsbehöide für die Arbeiterversicherung (Schultheißenämter rc) anzubringen.

Unterhaltender Teil.

Im Dunkel der Nacht.

Eine Erzählung von Otto Eber st ein.

(Fortsetzung.)

Dein in alle Ewigkeit!" wiederholte Hannchen endlich indem sie ihren Kopf an die Brust des Geliebten schmiegte während dieser mit der flachen Hand sanft ihren Scheitel strich. Lange verharrte sie in dieser Stellung! dann hob sie langsam das Gesicht zu dem jungen Manne empor und schaute ihm in die Augen.

Du hast monatelang hinter Keikermauern geschmachtet. Fritz, aber ich vermochte nicht an Deine Schuld zu glauben," sagte sie endlich. Und dennoch muß ich täglich hören, daß Du

Dich vergangen hast und die Strafe eine wohl­verdiente war. Ist es so, wie die Leute sagen?"

Die ganze Gegend weiß so gut, wie Du, weshalb ich angeklagt und verurteilt worden bin, und das ist mir ganz recht, denn jetzt wird mich Niemand für einen Dieb oder Räuber halten, obgleich ich direkt aus dem Zuchthause komme," versetzte jener.Aber über gewisse Dinge habe ich so meine eigenen Grundsätze, die nur das Uebel haben, daß sie mtt gewissen menschlichen Bestimmungen, Gesetze genannt, im Widerspruche stehen."

Du hast Dich strafwürdiger Handlungen schuldig gemacht, und die Gesetze nahmen ihren Lauf," meinte das Mädchen.Das mußte ge­schehen, und Niemand kann verlangen, daß mit ihm eine Ausnahme gemacht werde. Aber ver­sprich mir. Fritz, Dich nie wieder zu vergehen, sondern die Bahn zu verlassen, die Du betreten. Willst Du mir das versprechen?"

Der junge Mann schwieg und schaute finster vor sich hin; in seinem Innern schien ein heftiger Kampf zwischen Liebe und Leidenschaft zu toben.

Was habe ich um Dich gelitten. Fritz, als in unserer Stadl sich das Gerücht verbreitete, man habe Dich gefangen gesetzt!" fuhr die Näherin fort.In Rothenau seiest Du arretiert worden, hieß cs; man habe schon seit einiger Zeit Verdacht auf Dich gehabt und endlich sei es gelungen, Dich abzufassen. Als das Amt in Rothenau verlangte, unser Gericht solle Deine hiesige Wohnung durchsuchen lassen, da kam die erste Nachricht von dem Unglücke zu mir; durch den Polizeidiener Rohemann wurde die Sache stadtbekannt, und am andern Morgen besuchte mich Drobsch und teilte mir mit schadenfrohem Gesicht die große Neuigkeit mit. Ich glaubte, ich würde das Fieber bekommen, so furchtbar regte mich die Schreckensbotschaft auf; alle meine stille Hoffnungen, meine be­scheidenen Wünsche schienen durch sie vernichtet; es war wir, als zeigten die Leute auf der Straße mit Fingern auf mich, als sähe ich über- all hohnlachende Gesichter."

Ich habe Dir viel Kummer bereitet, Hannchen. ich weiß es." entgegnete der Hausierer mit seltsam weicher Stimme, indem er die Hand des Mädchens erfaßte und zärtlich drückte; aber Deine Hoffnungen und Wünsche sollen nicht vernichtet werden; ich will Dir Schirm und Stütze sein und wieder gut zu machen suchen, was ich an Dir verschuldete. Mit dem Schurken Drobsch aber werde tch noch ein Wörtchen reden; er ist wiederholt mit seinem Schwager Gründling in Rothenau gesehen worden und hat häufig in dem Wirtshause, in welchem ich mein Absteigequartier habe, verkehrt"

Wieder war es dem Klange seiner Worte anzuhören, daß die Erinnerung an den Tischler ihn erbitterte. Hätte die Dunkelheit es erlaubt, würde die Näherin auch bemerkt haben, daß sein Gesicht einen finsteren, fast drohenden Aus- druck angenommen hatte. Aber das Alles ent­ging ihr; die tröstenden und beruhigenden Worte des Geliebten allein fanden freudigen Widerhall in ihrem Herzen und belebten aufs Neue den Glauben an die hingebende Liebe ihres Fritz.

In stummem Glücke preßte sie ihre Wange an das Antlitz des jungen Mannes, der im Arme der Liebe seinen Groll vergaß und im Geiste eine lachende Zukunft vor sich erstehen sah.

Endlich riß er sich los.

Leb' wohl mein süßes Mädchen; bald sehen wir uns wieder!" sagte er, ihre Hände drückend. Ich will jetzt meinen Vetter Barthelfried auf- fuchen, mit dem ich mancherlei zu besprechen habe, und dann in der Wohnung nach meinen Sachen sehen. Morgen in der Frühe geht es zurück nach Rothenau, wo ich noch verschiedene Geschäfte abzuwickeln habe; dann komme ich wieder zu Dir."

VI.

In dem niedrigen Gastzimmer einer kleinen, abgelegenen Schenke saßen etwa ein Dutzend Männer beisammen, und der übelriechende Tabaksqualm, der in breiten dichten Wolken

über den Köpfen der Zechenden lagerte und die Flammen der beiden Oellampen so eng ver­hüllte. daß ihr flackerndes Licht kaum notdürftig den kleinen Raum zu erhellen vermochte, bewies, daß sie schon längere Zeit bei den Gläsern sitzen mußten.

Es waren derbe, kräftige Gesellen von sehr verschiedenem Gesichtsausdrucke, Männer von rohem, fast wildem Aussehen, denen der Stemvel des Verbrechens auf die Stirn gedrückt zu sein schien, und gutmütig dreinschauende, in Arbeiter­tracht gekleidete Gestalten, die seltsam mit jenen kontrastierten.

Einige saßen gleichgiltig. fast teilnahmslos auf der Holzbank in der Ecke, bliesen dichte Rauchwolken von sich und stierten vor sich hin, als hätten sie nicht das geringste Interesse an dem lebhaften Gespräche, das laut und ungeniert geführt wurde.

Der Wirt ging in Hemdsärmeln und mit vorgebundener blauer Schürze ab und zu, forderte in derber Weise zum Trinken auf und nahm die leeren Gläser ohne Weiteres weg, um sie wieder zu füllen.

Zwei mächtige zottige Hunde lagen unter den Tischen, und das leise drohende Knurren, welches sie vernehmen ließen, wenn sie der Fuß eines der Gäste unabsichtlich berührte, bewies, daß sie nicht mit sich spaßen ließen.

Heute waren die grünen Spürnasen, Gott straf mich, außer Rand und Band!" rief einer der Männer, ein breitschultriger, handfester Bursche mit wcttergebräuntcm Antlitze.Es fehlte wahrlich nicht viel, so hätten sie mir und dem roten Heinrich das Bischen mühsam über die Grenze geschleppte Krämchen abgejagt."

Sein Nachbar, ein Mann mit brennend rotem Haar und Bark, lachte laut auf.

Unfern Spaß haben wir auch dabei gehabt, Bruderherz," entgegnete er, sich über den Bart, welchem er seinen Beinamenroter Heinrich" verdankte, mehrmals mit der nervigen Hand streichend.Die Grenzer mußten sich weidlich abhetzen, um uns nicht aus dem Gesichte zu verlieren; aber als wir in das Moor kamen, wagten sie doch nicht zu folgen; wir warfen ihnen zum Hohne noch eine Kußhand zu und ließen ihnen das Nachsehen."

Na, dann sind's Neulinge gewesen, dir den Grenzverkehr noch nicht kennen," rief ein bejahrter Mann vom anderen Tische herüber, indem er während des Sprechens die Pfeife aus dem Munde nahm und die Asche auf dem Fuß boden ausklopfte. Mit solchen Gelbschnäbeln läßt sich ein ehrlicher Kerl überhaupt nicht ein; denen aus dem Wege zu gehen, ist keine Kunst."

Du hast Recht, Fuchs; mit der Sorte von Glünröcken hat Unsereins leichtes Spiel," pflichtete ein Anderer bei.Da heißt cs freilich anders aufpassen, wenn einem solche Kerle wie Gründling auf dem Nacken sitzen, Leute, welche die Pfade durch die Sümpfe ebenso gut kennen wie wir, aber leichter durchkommen, weil sie kein Gepäck zu schleppen haben."

Es hätte sich übrigens der Mühe verlohnt, uns heute abzufangen," nahm der rote Heinrich wieder das Wort;ich selbst hatte eine Hocke zu tragen, daß mir beinahe das Kreuz brach, und mein Nero mindestens ebensoviel. DaS müssen die Grenzer auch gewußt haben, denn sie waren wie die Teufel hinter uns her."

(Fortsetzung folgt.)

Professor Rudolf Falb sagt: Am 22. tauchte im Nordwesten Englands eine zweite, am 24. eine dritte und am 26. eine vierte De­pression auf sämtlich Nachwirkungen des stärksten kritischen Termines dieses Jahres, die jedoch einer Tendenz zur Trockenheit gegen­über nur geringe Niederschiäge brachten. Dieser Tendenz wegen dürfte auch der 2. April, ein kritischer Tag II. Ordnung, nur schwach her- vortreten. wie wir denn überhaupt für den ganzen April verhältnismäßig schönes Wetter erwarten. In der 35jährigen Brückncr'schen Niederschlagsperiode fällt das Minimum auf das Jahr 1897. Nachschrift v. Neuenbürg: Der 2. April begann mit Schneegestöber.

««ddkio», Druck und Nerlatz von L. Meetz ln RruenbSrg.