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Deutsches Aeich.

Berlin, 31. März. Der Kaiser begab sich heute vormittag nach dem Palais des Reichs kanzlers Fürsten Hohenlohe, um ihn anläßlich seines Geburtstages zu beglückwünschen. Bald nach dem Kaiser fuhr die Kaiserin beim Reichs- kanzlcr persönlich vor, um ihm ihre Glück­wünsche zu überbringen. Der Kaiser schenkte dem Fürsten ein wertvolles Album mit Ansichten von Breslau aus den Tagen der Kaiserzusammen- kunft. Die Kaiserin schenkte einen prachtvollen Blumenaufbau. Später erschienen sämtliche Mitglieder des Siaatsministeriums unter der Führung des Staatssekretärs v Bötticher.

Berlin. 31. März. DerReichsanzeiger" meldet die Verleihung der Brillanten zum Groß­kreuz des roten Adlerordcns mit Eichenlaub an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes in Hamm, Slaatsminister Dr. Falk, den ehemaligen Kultus minister im Kulturkampf.

Berlin, 3l. März. Condreodmiral Tirpitz Chef der Kreuzerdivision, ist unter Entbindung von dieser Stellung zur Vertretung des beur­laubten Staatssekretärs des Rcichsmarineamtcs, Admirals Hollmann, ernannt worden.

Im Reichstag gab es, wie schon be richtet, am letzten Samstag in voriger Woche eine ziemlich lebhafte Debatte darüber, ob ein neu zu formierendes Bataillon nach Weingarten oder nach Ulm in Garnison kommen soll. Der würtlemb. Kriegsminister hat vom Bundesrats­tisch aus ganz nachdrücklich die Notwendigkeit behauptet, daß das neue Bataillon nach Ulm kommen soll, was nicht nur billiger wäre, son dein auch im Jnterisse der Mobilmachung ge legen sei. Die Zentrumsabgeordneten Rembold und Gröber traten energisch für Weingarten eia und behaupteten, Weingarten habe für seine Garnison große Opfer gebracht, was jedoch der württ. Kriegsmimster unter wiederholter stürm sicher Heiterkeit des Hauses, die nicht auf seine Kosten ging, gründlich widerlegte. Der Reichs tag hat nun zwar eine Resolution zu Gunsten von Weingarten mit Mehrheit angenommen, aber ihatsächlich hat der Kaiser als oberster Bundksfeldherr das Recht, die Garnisonen der einzelnen Truppenteile zu bestimmen; der Reichstag nur die notwendigen Gelder zu be­willigen oder abzulehnen.

Der Statthalter von Elsaß-Loth­ringen hat sich bekanntlich genötigt gesehen, aus Grund des D'klatur-Paragraphen. zwei in dem gleichen Verlag und mir dem gleichen redaktionellen Inhalt erscheinende Blätter, räm lich dieKolmarer Zeitung" und dieMül Hauser Volkszeitung" zu unterdrücken. Seit langer Zeit hat die Redaktion dieser beiden Blätter in der rohesten Weise die Verhetzung seiner Leser gegen alles, was deutsch heißt, betrieben und schließlich auch noch das Andenken des ersten deutschen Kaisers in maßloser Weise beschimpft, so daß alle Parteien im Elsaß, mit Ausnahme der betreffenden selbst, mit der Unter- drückungsmaßregel durchaus einverstanden sind. Vielfach hatte man erwartet, daß auch das Straßburger BlattDer Elsäßer" mit unter­drückt werde, denn auch dieses Blatt schreibt statt mit der Feder vielfach mit der Mistgabel. Vielleicht läßt es sich aber den letzten Schritt des Statthalters als Warnung dienen. Nebenbei bemerkt hat sich diesmal wieder gezeigt, wie notwendig das Fortbestehen des Diktatur-Para- graphen ist.

Berlin, 30. März. Die Veröffentlichungen über die neuen Entdeckungen von Nob. Koch werden hier mit lebhaftestem Interesse, ober auch nicht ohne starke Zurückhaltung ausgenommen. Man erinnert sich eben nur zu gut der Ent­täuschung, die dem Jubel über das erste Tuber kulin folgte, und will abwarten, ob es Koch diesmal wirklich gelungen ist, eine völlig unan. fechtbare Entdeckung zu machen, oder doch seine erste so zu verbessern, daß sie einerseits unbe­dingt zuverlässige Wirkung aufweist, anderseits aber keine schädlichen Folgen hat. Vor 6 Jahren war man zu optimistsich gewesen, und der da­maligen Enttäuschung entspricht die jetzige große Zurückhaltung.

Hamburg, 1. April. Die Geburts- tagssseier des Fürsten Bismarck

> wurde zu Friedrichsruh im engsten Familien- kreise begangen. Die Zahl der eingelaufenen Glückwunschdepeschen. der großen und kleinen Postsendungen sowie der kostbaren Blumen- gaben ist sehr groß. Militärmusiken konzertierten.

Hamburg, 1. April. Unter den zahlreichen Glückwunschtelegrammen, welche dem Fürsten Bismarck aus Anlaß seines 82. Geburtstages zugegangen sind, be­findet sich auch, wie verlautet, ein solches des Kaisers, welches in sehr herzlichen Ausdrücken abgefaßt ist.

München, 30. März. Der Prinz» Regent hat den s. Zt. von dem Münchener Schwurgericht wegen des dreifachen Mordes in der Karlstraße zum Tode verurteilten Maurer I Berchthold zu lebenslänglichem Zuchthaus be­gnadigt.

Die diesjährigen Kaisermanöver be ginnen am 26 August. Die Kaiserparade über das 2 bayerische Armeekorps findet am 1. Sep. bei Würzburg, die über das erste am 2. Sept. bei Nürnberg statt.

Sie feierten auch.

Es ist eine von vielen zuverlässigen Leuten bezeugte Thatsache, daß von der allgemeinen Feststimmung mit ergriffen und auch wohl im Gedenken an den alten schlichten Helvenkaiser so mancher Sozialdemokrat die Hundertjahrfeier mitbegangen und statt der roten Nelke eine Korn­blume im Knopfloch getragen hat Sogar der sozialdemokratische Reichstagsabgeordn-te Auer hat mitgefeiert. Auer, der im Gegensatz zu der Partcilchre wiederholt seinen Nationalismus be­tont hat. der auch ein guter Anhänger seiner, der katholischen Kirche gebl'eben ist, Auer 'st. wie derDeutschen Tageszeitung" mitgeteilt wird, am Hundertjahrtage mit Frau und Kind öfter unter der feiernden Menge gesehen worden; sein achtjähriges Töchterchen trug ein Korn­blumensträußchen. Davon hat unzweNelhaft auch das führende Organ der Sozialdemokratie. der Vorwärts", Kenntnis, wenngleich es sich in Verlegenheit vor dieser ihm unheimlichen Thal sachs einfach ausschweigt. Auf der andern Seite ist auch der Terrorismus, den die Sozialdemo­kratie auf ihre Anhänger ausübt, wiederholt in Erscheinung getreten. So wurden in Berlin viele Arbeiter an der Ausschmückung und Er­leuchtung ihrer Wohnung von den sozialdemo­kratischen Vertrauensleuten gehindert. Ver schiedenen Gewerbetreibenden, die ebenfalls ihre patriotische Gesinnung zum Ausdruck bringen wollten, wurde sogar mit Entziehung der Kund­schaft, also mit dem wirtschaftlichen Ruin ge­droht. In R-xdorf wurden zwei Wirte, die sich an dem Festzuge beteiligt hatten, noch an dem selben Abend von den Sozialdemokraten boykot tiert. Im großen und ganzen aber hat die Sozialdemokratie, wie gesagt, dem patriotischen Fluge des Volkes keine Fesseln anlegen können. Die Sozialdemokratie mag im stände sein, mit ihren revolutionären Redensarten die Köpfe zu verwirren: die Herzen, die ebenso gut und treu unter dem Arbeuerkittel wie unter dem höfischen Galakleid schlagen, die hat sie Gott sei Dank noch nicht in ihrem Bann. Davon und somit von der im Grunde gesunden Seele unsers Volkes hat wiederum die Nationalfeier Zeugnis gegeben. Und das ist ein Zeugnis, das uns an der Zukunft unseres Vaterlandes nicht ver zweifeln läßt.

Württemberg.

Stuttgart, 1. April. Aus Anlaß des heurigen Geburtsfestes Bismarcks wurde das Denkmal desselben auf der Planie in der Ncckarstraße mit einem Lorbeerkranz geschmückt

Stuttgart. 1. April. Bei der am 24. und 25. März d. I. hier abgehaltenen V. Prüfung der Lehrer der Gabelsbergcr'schen Stenographie haben sich fünf Kandidaten be­teiligt. Hierbei wurde folgenden Bewerbern das Befähigungszeugnis erteilt: Lehrer Jahndorf, Gmünd; Kaufmann Maier, Ellwangen ; Kameral- amtsassistenl Reichert. Aalen und Fräulein Emma Groß. Hall. Die Prüfung wurde geleitet durch den Regierungskommissär Professor Erbe, Stutt­gart.

Eßlingen, 29. März. Ein Rekrut namens Häupter aus Unterensingen wollte im Uebermut aus der äußeren Pliensaubrücke auf der Randmauer entlang laufen, stürzte aber dabei ziemlich hoch hinab und wurde tot auf­gefunden.

Ausland.

In der Thronrede zur Eröffnung des österreichischen Reichsrates heißt es u. a.: Kann die Haltung Griechenlands in der gegenwärtigen Phase keinesfalls auf die Billig, ung der Großmächte zählen, so muß anderseits auch die Türkei beherzigen, daß sie eine große Verantwortung auf sich laden würde, falls sie unter Verkennung ihrer vitalste» Interessen, und gegen die einstimmigen Ratschläge der europäischen Mächte sich der Beseitigung völker­rechtlicher Mißbräuche entziehen und damit einen Zustand erhalten sollte, der den Schein steter Beunruhigung in sich trägt.

Bern. 1. April. Za dem Raubmord imPo st wagen desNachlzugesBern- Genf wird weiter gemeldet: In dem dem WertsachemranSport dienenden Postwagen des Schnellzuges Bern Genf ist in der letzten Nacht der Schaffner Angst aus Zürich durch einen Revolverschuß ermordet worden. Die Postsäcke wurden ausgeschnitten und ihres Inhaltes be­raubt. Der geraubte Betrag ist noch unbekannt. Angst war allein im Postwagen und nahm zu­letzt in Lausanne Sendungen entgegen. Der Wagen ist zwischen Lausanne und Bern nicht mehr geöffnet worden. Das Verbrechen wurde v>rmutlich auf dieser Strecke verübt. Von dem Thäter fehlt bis j tzt jede Spur.

In Frankreich ruft anläßlich des Panamaskandals ungeheure Sensation auch die Enthüllung hervor, daß der fiühere Kammer­präsident Burdeau als Unteragent Artons figuriert und letzterem diejenigen Abgeordneten bezeichnet hat. welche sich leicht bestechen lassen. Burdeau habe, so meldet ein Pariser Blatt, für diese Schleppkrägerei 50000 Franks von Arton bekommen. Wäre in F-ankreich ein Monarch an der Spitze des Landes gestanden, so hätten derartige Bestechungen nichts genützt und wären deshalb überhaupt nicht vorgekommen. Burdeau, der im vorigen Jahre gestorben ist, wurde auf Staatskosten feierlich beerdigt.

Paris, I. April. Die Versuche, welche Professor Nocard an der Tierarzneischule in Alfort mit dem neuen Koch'schen Tuberkulin unternahm, hatten so günstige Ergebnisse, daß Ministerpräsident Möline demnächst einen Gesetz­entwurf einbringen wird, wonach die Viehzüchter und Molkereibesitzer verpflichtet sind, ihre Kühe einer vorherigen Tuberkulinprobe zu Unterwerken.

Im englischen Unterhaus führen die Minister immer noch eine ziemlich drohende Sprache gegen die Transvaalrepublik. Letztere aber läßt sich erfreulicherweise nicht einschüchtern. Die Transvaalburen haben den Engländern schon einmal gezeigt, wo Bartel den Most holt, und sind nötigenfalls in der Lage, es ihnen noch einmal zu zeigen.

Während die deutsche Auswanderung noch den Vereinigten Staaten von Nord­amerika bereits in den achtziger Jahren von 100 000 Personen auf 85 000 Personen im Jahre zurückgegangen war. hat sie sich in den neunziger Jahre« noch weiter vermindert; im Jahre 1896 erreichte sie nur die Zahl von 27 360 Personen.

Aus New - Aork wird gemeldet: Nach einer Mitteilung des Sum aus Guthrie in Oklahoma hat ein Wirbelsturm die Guthrie benachbarte Stadt Eh an dl er zerstört, wobei 12 Personen getötet und etwa 150 Personen verletzt wurden.

Washington, 1. April. Das Repräsen- tantenhaus genehmigte mit 205 gegen 12 l St. in der Schiußabstimmung die Zollvorlage und beschloß ferner mit 201 gegen 150 Stimmen, daß die Vorlage von heute ab in Kraft trete. Diese Bestimmung trifft nicht die bereits auf der Ozeanüberfahrt begriffenen Waren.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.

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