Wnlerhattender Teil.

Im Dunkel der Nacht.

Eine Erzählung von Otto Eber st ein.

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

Gründling murmelte einen leisen Fluch zwischen den Zähnen; dann setzte er sich wieder seinem Schwager gegenüber, diesen mit keines­wegs sehr freundlichen Blicken musternd.

Du vermutest blos, Drobsch, bist Deiner Sache nicht einmal gewiß. An dem Mädel aber bleibt zeitlebens ein Mackel haften, wenn ihr das Gericht ins Haus kommt," versicherte er mit Nachdruck.

Das laß meine Sorge sein. Freilich mußt Du erst wissen, ob Du auS Amtspflicht von meiner Mitteilung Notiz zu nehmen hast." meinte jener in anscheinend gleichgiltigem Tone.

Zum Teufel mit Deiner Amtspflicht!" brauste Gründling auf.Hast Du mich schon jemals pflichtvergessen gesehen?"

Sichst Du, Du wirst vernünftig; ich wußte cs ja!" rief der Besucher befriedigt. Jetzt will ich Dir auch sagen, daß cs lediglich zum eigenen Besten des Mädchens ist. Du kennst meine Absichten auf sie; sie will aber nichts wissen, weil ihr der Fritz im Sinne liegt. Kommt ihr das Gericht über den Hals, so wird ganz I . . . die Hände über dem Kopfe zu­sammenschlagen; Niemand wird mehr mit ihr Umgang haben wollen; ihre Bekannten werden ihr ausweichen und die Geschäftshäuser ihr die Arbeit entziehen, weil sie einer Person von zweifelhafter Ehrlichkeit nichts mehr anvertrauen mögen. So kommt sie in Not, der Hochmuts­teufel wird ihr ousgetrieben, und sie wird endlich mürbe werden. Siehst Du Gründling, und wenn sie nun tief drinnen in Not und Elend steckt bis über die Ohren, dann klopfe ich wieder bei ihr an, und sie wird mir gewiß nicht patzig und impertinent die Thüre zeigen, sondern mich wie einen rettenden Engel be­trachten. der gekommen ist, sie aus ihrer jammer- vollen Lage zu befreien."

Das ist bestialisch!" murmelte der Beamte für Jenen unhörbar. Dann fuhr er laut fort: Hast Du denn daran gedacht. Drobsch. daß das Mädchen den Spieß umkehren und Dich wegen falscher Anschuldigungen zur Verantwortung ziehen kann, wenn sich Dein Verdacht als völlig grundlos erweist?"

Jener zuckte die Achseln.Ja, lieber Schwager, von wem soll sie denn überhaupt erfahren, daß ich die Hand im Spiele habe?" sagte er im Tone affektierter Verwunderung. Niemand außer Dir weiß davon, und daß Du den Verrmer nicht machen wirst, ist ja selbst, verständlich. Ucbrigens wird sich's ja zeigen, wer recht hat; mich foll's weiter nicht stören, wenn das Mädel so ein bischen die Hehlerin macht; das ist noch lange kein Kapitalverbrechen."

Der Beamte hatte sich nachdenklich in seinen Stuhl zurückgelchnt und blies dichte Rauchwolken vor sich hin. Er schien die letzten Worte seines Verwandten gar nicht gehört zu haben; denn in seinen Mienen war nicht die geringste Veränderung zu bemerken.

Weißt Du, Schwager," nahm der Tischler nach einer Pause wieder das Wort, als der andere noch immer schwieg,mit dem Gelde. welches für mich auf Deinem Hause steht, brauchst Du Dich nicht zu ängstigen; ich brauche es vorläufig nicht. Ich nehm an» daß auf der Hütte, die das Mädchen von seinen Eltern ge- erbt hat, eine Hypothek stünde, die ich an mich bringen und kündigen könnte, um dann bei der gerichtlichen Versteigerung das Häuschen zu er­stehen ; aber die Bude ist schuldenfrei und daher nichts zu machen, freilich ist sie auch kaum anderthalbhunvert Thaler wert."

In diesem Augenblicke trat die Schwester des Drobsch wieder ein, und das Gespräch nahm eine andere Wendung. Gründling ober beteiligte sich nur spärlich an demselben; er war einsilbig geworden, denn die Denkweise seines Schwagers, der eS bisher vermieden hatte, sich in seinem wahren Lichte zu zeigen, trat ihm in ihrer

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ganzen Verwerflichkeit vor Augen und ließ ihn die Schwere seines Amtes, das ihm nicht ge­stattete, zwischen Pflicht und Gefühl zu wählen, doppelt empfinden. Sein ehrlicher, gerader Sinn empörte sich gegen das heimtückische Ge­bühren des Tischlers, und ein unüberwindliches Gefühl von Haß und Verachtung kam über ihn, wenn er der Grundsätze und Ansichten gedachte, die der Bruder seiner Frau in ungeniertester Weise aussprach. Und doch durfte er seine Meinung nicht laut werden lassen, denn Drobsch besaß die Mittel, ihn nicht blos von Haus und Hof zu vertreiben, sondern er war auch im Stande, seine Entfernung vom Amte durchzu- setzen, wenn er sich seinem Willen nicht fügte.

IV.

In der Vorstadt von I . . . war es für gewöhnlich noch öder und stiller, als in den Gassen der eigentlichen Stadt. Die Bezeichnung Vorstadt" rührte noch von Alters her, aus der Zeit, wo I . . . noch Thore besaß, die bei einbrechender Dunkelheit geschlossen wurden. Was sich außerhalb derselben angesiedelt hatte und das waren damals nur wenige, den ärmeren Klassen angehörende Einwohner sie entbehrten auch des Schutzes, den die Thore gewährten und waren mancherlei Belästigungen von übermütigen Burschen und Diebesgcsindel ausgcsetzt. Ganz besonders in Kriegszeiten waren die Borstädter schlimm daran; Freund und Feind plünderte hier, wo ihnen Niemand Widerstand leistete, nach H-rzenslust, und wenn die Stadt die Thore schloß und sich auf diese Weife wenigstens eine Zeit lang vor den unge­betenen Gästen schützte, mußten die armen Be- wohner der Vorstadt die rohen Launen der zügellosen Soldateska jener Tage über sich er gehen lassen.

Aber das wurde mit der Zeit anders, und als die mächtigen Thore aus dicken Pfosten von Eichenholz dem unaufhaltsam fortschreitenden Zeitgeist? weichen mußten, änderten sich auch die Anschauungen der noch nicht ganz in philisterhaften Vorurteilen verknöcherten Klein­bürger. Ein Haus nach dem andern erhob sich in diesem angenehmsten und gesündesten Teile des Ortes, und jetzt waren cS nicht nur bloß die Unbemittelten, welche sich hier niederließen, sondern gerade die bessergestellte Einwohnerschaft suchte sich hier den Genuß der frischen, reinen Luft zu verschaffen. Bon den ursprünglichen Gebäuden aus der Zeit der Thorsperre waren nur noch einige vorhanden, unter ihnen die kleine armselige Hütte, welche das Erbe Hannchens bildete.

Heute machte sich vor diesem Hause, ent- gegen der sonst in dieser Straße herrschenden Einsamkeit, eine gewisse Aufregung bemerkbar. Frauen, zum Teil mit Kindern auf den Armen, standen in Gruppen beisammen und führten eine lebhafte Unterhaltung, von Zeit zu Zeit mit der Hand auf die Wohnung der Handschuhnäherin deutend; hier und da war trotz der winterlichen Lust ein Fenster geöffnet, durch welches ein neugierig blickendes Gesicht schaute und von dem Gespräch der Umstehenden etwas zu er­lauschen suchte, und im Innern des Häuschens schien ein besonders lebhafter Verkehr zu herschen. Vor dem Gebäude selbst aber hatte sich eine Schaar Kinder angesammelt, von denen einige» einander immer wieder vordrängend, durch das Schlüsselloch der geschlossenen Hausthür blickten, die beherzteren aber mit der den Flegeljahren eigenen Dreistigkeit durch die nnderen Fenster in das Innere schauten.

Dort spielte sich eine seltsame Scene ab; wie damals, als der Tischlermeister Drobsch sie so schwer beleidigt hatte, saß Hannchen auch heute wieder in der Ecke des alten Kanapees und schluchzte laut; vor der Kommode mit den gelben Mefstngschlössern aber standen zwei Männer und durchsuchten den Inhalt der aufgezogenen Kästen, wobei sie nicht besonders behutsam ver­fuhren, denn die mit peinlicher Accuratresse ge- ordneten Bänder, Schleifen und all' jene an- mutigen Tändeleien, die in dem Besitztum« eines jungen Mädchens niemals fehlen, wurden von rückcksichtslosen Händen in chaotische Unordnung gebracht.

Da ward hie Thür aufgerissen und ein Mann stürmte herein, erhitzt und atemlos. Es war Barthelfried, der bei der Nachricht von der Haussuchung in Hannchens Wohnung sich sofort aufgemacht hatte, um der Braut seines Bruder­sohnes und Lieblings bcizustehen. Wie er hinter seinem Webstuhle gestsfin hatte, in Lein­wandschürze und gewirkter Jacke, kam er an, schöpfte an der Thür einen Augenblick Atem und warf dann seine abgetragene Pelzmütze auf den ihm zunäckst stehenden Stuhl.

(Forts etzung fo lgt.)

H e id e l b e r g, 23. März. Ein heiteres Stückchen ereignete sich Mittwoch Nacht in der Fahrlgasse hierscldst. Ein Herr, der seit einigen Tagen daselbst ein Partcrrezimmer be­wohnt, wurde durch Lärm im anstoß nden Z>mmer aufgeweckt und sprang, einen Einbrecher vermutend, ohne sich anzukleiden, durch das Fenster auf die Straße, um die Nachbarschaft zu wecken und auf d>.n Dieb aufmerksam zu machen. Bald stellte sich heraus, daß der Lärm dadurch veranlaßt worden war, daß ein Zimmer­nachbar seinen Kleiderschrank öffnete. Beschämt kehrte der mutige Held in sein Zimmer zurück. Da die Thüre aber von innen verriegelt war, mußte er unter dem Gelächter der Um­stehenden den Weg wieder durch das Fenster nehmen.

Ein Telephon im Predig tftuhl anzubringcn ist zwar kein neuer Gedanke, da derselbe schon oft, aber meist nur in scherzhafter Weise angeregt wurde. Jenseits des Kanals ist man aber nunmehr dazu übergegangcn, die Sache wirklich auszuführen und hat sich dieselbe auch gut bewährt. Um nämlich den Bettlägerigen in Hospitälern und Jnvalidenhäusern Gottes Wort zugänglich zu machen, hat man einer Mitteilung des Patent- und technischen Bureaus von Richard Lüders in Görlitz zufolge im Predigt­stuhl der Sankt Michaelis-Kirche am Chester Square in London ein Telephon angebracht. Die neue Einrichtung findet allgemeinen Beifall und soll rrne große Anzahl älterer Pfarrange- höriger ebenfalls den Anschluß nachsuchen wollen.

(Eia Haus für sechszehn Mark.) In der Ortschaft Strehlitz bei Zobten in Schlesien wurde dieser Tage das Gemeindehaus zum Abbruch versteigert. Das Hans enthält sechs Wohnräume. Der Taxwert betrug 10 ^ Das Meistgcbot hatte sich auf ganze 16 gesteigert.

(Aus der Jnstruktionsstunde j Unteroffizier: Aus welchem Hause stammt unser Landesherr?" Rekrut:Aus'm königlichen Schloß!"

Mil dem 1 . April beginnt ein neues vierteljährliches Abonnement auf den

GnzthiUer".

Wir bitten unsere geehrten Leser die Be­stellungen bei der bisherigen Bezugsstelle als­bald zu erneuern, wenn keine Unterbrechung im Empfang des Blattes eintreten soll.

In Neuenbürg abonniert man bei der Ge­schäftsstelle, sonst überall bei den betreffenden Poststellen und Postboten.

Der Enzthäter enthält bekanntlich die amt­lichen Bekanntmachungen sämtlicher Behörden des Bezirks. Wie er über die wissenswerten Ereignisse im Bereiche der Politik schnell orientiert, was ihm besonders durch telegraph. Nachrichten­dienst möglich ist, so legt die Redaktion großen Wert auf gediegenen Unterhaltungsstoff und Mitteilung gemeinnütziger Sachen.

Wir bitten deshalb alle unsere Freunde, mit uns dafür zu wirken, daß

Der Enzthäter"

in jedem Hause bekannt und heimisch werde.

Privat-Arrzeigen

aller Art finden durch den Enzthäler in unserem Oberamtsbezirk die dichteste Verbreitung und sind deshalb von bestem Erfolg.

Wed. u. Werlag des Knztyäkrs.

Nedaltickr, Druck mrd Verlag vda L. Meetz ko Neuenbürg.