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tatsächlichen Güterwert zu Grunde zu legen. Minister v. Breitling: Die angeregte Frage werde bei der Cinführungsgesetzgebung zum bürgerl Gesetzbuch in Erwägung gezogen werden. Abg. Henning führt Klage über die hohen Wechselprotestkosten. Minister v. Breitling: Auch dieser Gegenstand werde im Zusammenhang mit der Neuordnung der freiwilligen Gerichts- barkeit geregelt werden. Abg. Deutler stimmt den Ausführungen des Frhrn. v. Hermann zu. Abg. Pfaff wünscht eine Beschränkung des Umlaufs von kleinen Wechseln. Titel 2 Notare und Titel 3 Amtsonwälte werden genehmigt. Zu Titel 4 Amtsgerichtsschreiber empfiehlt die Kom- misston die Genehmigung der 18 geforderten Gerichtsschreibcrstellen. Berichterstatter Haußmann begründet den Antrag. Es erfolgt Genehmigung ebenso wird der Rest des Kap. 11 ohne weiteres genehmigt. Kap. 12. Gerichtliche Anstalten. Abg. Schach wünscht, daß nicht nur die Pro. viantämter, sondern auch die Strafanstalten ver pflichtet werden, ihren Bedarf direkt von den Landwirten zu beziehen bezw. von den Gewerbetreibenden des belr. Bezirks. Ministerialrat Schwab begründet die dem Landesgesängnis Rottenburg erteilte Erlaubnis von der sonstigen Regel versuchsweise abzugehen. Dr. Kiene: Wenn ein Oekonomicrat geraten habe, das Getreide von 1896, weil cs nicht so gut sei, nicht zu kaufen, so sollte man künftig eben keinen „lateinischen Bauern" fragen, sondern einen andern. (Heiterkeit.) Abg. Schrempf ist mit Ausführungen des Abg. Frhr. v. Hermann nicht einverstanden. Die Staaisanstalten sollten ihre Bedürfnisse jedenfalls bei den Landwirten direkt kaufen, das könne verlangt werden. Die Lage des Landvolks sei eine schwierige. Es ist schmerzlich, wenn die Bauern sehen, daß ausländischer Weizen massenhaft ins Land kommt, und sie selber können oft nicht ihre Frucht an den Mann bringen Die Gefangenen brauchen jedenfalls kein besseres Brot zu haben, als unsere Bauern und Handwerker. Zu Titel 6 Medizinalkollegium fragt Abg. Weidle, wie sich die Regierung zu der Frage des „Wurstfärbens" stelle. Minister v. Pischek: Die Erledigung dieser Frage hänge von der Regelung in Norddeuischland ab. Abg. Schrempf (kons.): Man höre vielfach Klagen, daß aus den Körperschaftswaldungen sehr ungern und nicht genügend Laubstreu abgegeben werde. Den Gemeinden solle in dieser Beziehung mehr Freiheit gelassen werden. Minister v. Pischek: Eine liberale Handhabung des Gesetzes betr. die Körperschaftswaldungen wolle er auch für künftig in Aussicht stellen. Abg. Haußmann-Gera- bronn wünscht eine Kontrollkommission aus Mitgliedern der Amtsversammlungen zur lieber- wachung der Forstorgane einzurichten. Minister v. Pischek und Abg. Sachs halten das für unthunlich. Abg Schrempf: Die Frage der Laubstreu sei für das Landvolk sehr erheblich, mehr als gewöhnlich angenommen werde. Ein Entgegenkommen für die Wünsche der Bauern sei deshalb sehr am Platz Frhr. v. Hermann: Die Ansichten des Abg. Schrempf seien unzutreffend. Gerade im Bezirk Schorndorf sei eine ganz besondere Pflege des Waldes notwendig, onst werden die Weinberghalden ins Thal ge- chwemmt. Die Bauern sollten statt Laubstreu die bessere Torsstreu verwenden Abg. Schrempf (kons) bemerkt, das Urteil darüber, ob seine Aus führungen unrichtig seren, überlasse er ruhig dem hohen Hause und weiteren Kreisen. Eine Wald Verwüstung habe er selbstverständlich nicht befürwortet , wie Frhr. v. Hermann geschildert habe, aber eine liberale Handhabung der gesetz lichen Bestimmungen sei wünschenswert und auch mit dem Interesse. des Volkes wohl vereinbar. Er sei überzeugt im Sinne sehr vieler Bauern gesprochen zu haben. Auf die Frage der Verwendung von Torsstreu erwidere er: Woher soll denn der Bauer heutzutage das Geld hernehmen zur Anschaffung dieser Streu? Frhr. v. Gais- bjerg: Die Torfstreu ist noch viel zu wenig bekannt und sollte mehr benützt werden, dieselbe sei nicht so teuer. Kap. 21 Bezirksverwaltung. Abg. Eckard hält die ergangene Anweisung, daß amtliche Anzeigen nicht nur den Amtsblättern, sondern auch anderen Blättern zugehen sollen, für dankenswert. Einige Bestimmungen
wären aber vielleicht zu ändern. Abg. Hauß- mann ist mit dem Vorredner einverstanden, bemängelt aber anläßlich eines Spezialfalles (in Waiblingen) die Behandlung der Amtsblatt- Redakteure. die von den Oberamtleuten sehr unterwürfig gehalten werden. Minister von Pischek: Es sei nicht richtig, daß die Amtsblatt- Redakteure vor der Regierung zittern, man Hobe auch demokratische Amtsblätter und auch den ultramontanen Oberschwäb. Anzeiger in Ravensburg. (Anm. d. Red. d. Enzth. Von Zittern oder von einer Unterwürfigkeit keine Spur; ebensowenig wird von amtl. Seite auf den redaktionellen Inhalt des Blattes irgend ein Einfluß auszuüben gesucht, was wir hremit für unfern Teil ausdrücklich fcstgestellt haben möchten.)
W e i n s b e r g , 19. März. Gestern Abend 8 Uhr hatten wir über unserer Stadt mehrere schwere Gewitter, verbunden mit heftigen Blitz- und Donnerschlägen mit nachfolgendem ziemlich starkem Schloffenhagel. — In Grantschen schlug der Blitz in eine Scheune. Ein 8jähriges Mädchen wurde von der Bank geschleudert, ohne Schaden zu nehmen.
Ausland.
Athen. 19 März. Die griechische Regierung hat beschlossen, die Kriegsschiffe Alpheios und Pureios von Kreta z u ° rückzuziehen. Oberst Vassos steht noch in Alikianu. Dort wurden 3 Personen als
Spione verhaftet. Der Kreuzer Mykale ist in der letzten Nacht im Piräus eingetroffen.
Er hatte 12 Türken an Bord, die bei dem
Angriff der Türken auf Monodendri in der
Nähe von Platania gefangen genommen worden sind.
Kanea. 19 März. Die europäischen Truppen auf Kreta sollen in folgender Weise verteilt werden: Die Franzosen besetzen Sitia und Spinalonga, die Engländer Candia, die Russen Rethymno und die Deutschen die Sudabucht. Nach Kanea kommen von jeder Macht je 300 Mann, ausgenommen die Franzosen, welche nur 200 dahin senden, obwohl sie dort die sranzösiiche Mission und die Christen schützen müssen, die sich unter den Schutz Frankreichs gestellt haben.
Der frühere Gouverneur von Kamerun und Deutsch Ostafrika, Freiherr v. Soden hat die Leitung des neuen großen Plantagen Unternehmens, welches in Kamerun gegründet wird, übernommen.
Irühlingsanfang.
Der 21. März war den alten Germanen ein großer Jubeltag, denn es siegte das Licht über die Dunkelheit, und es mußte nun endlich Frühling werden. Wir vermögen kaum nachzufühlen, wie unsere Vorfahren sich nach diesem Siegestage sehnten, denn wir leiden nicht so unter den Unbilden der Winterwitterung, wie jene gelitten haben, wir sind nicht den ganzen Winter hindurch auf eine enge, dumpfe, dunkle Hütte angewiesen und haben keine so große Veranlassung zu dem Verlangen nach dem ersten Grün, nach den ersten Früchten des Lenzes. Aber es hat der Name Lenz doch einen schönen, herzerfreuenden Klang behalten, und er wird idn behalten, denn der Sieg des Lichtes über die Dunkelheit sichert das Erwachen der Natur in Flur und Wald.
Die Wiesen erglänzen in frischem Grün, die Sträucher und Bäume treiben Knospen, die Vorboten der herrlichen Blütezeit, und es jubilieren die gefiederten Sänger, die von Tag zu Tag durch Zuzug aus dem Süden sich mehren. Selbst der Kranke, der lebensmüde den Tod herbeisehnt, er wünscht den Lenz, wenn dieser nahe ist, in seiner Herrlichkeit noch einmal zu sehen. Und wenn die Märzensonne auf sein Lager scheint und die Hoffnung m ihm stärkt, noch einmal Hineinblicken zu können in die Frühlingswelt voll Lenzeslust und Blütenduft, da erlischt das Lebenslicht unter der Märzensonne, und bevor die ersehnte Herrlichkeit sit entfaltet, wird der Erdenpilger zur ewigen Ruhe in dunkler Gruft gebettet. Es fordert der März der Opfer viele, wenn eben neue Lebensfreude sich regt.
Im März treten gemeiniglich Aenderungen in den Luftströmungen ein. Werden nun wenig feuchte und dabei warme Winde vorherrschend, so wirken diese mit der Sonne auflockernd und die Atmosphäre, und die verhältnismäßig geringe Menge an Feuchtigkeit in der Winterluft wird auf einen größern Raum verteilt. Die Luft wird dadurch zu arm an Wasserdampf und infolge dessen sogar Gesunden weniger zuträglich, Kranken aber, besonders Brustkranken, gefährlich.
Für jeden Deutschen hat der Frühlingsanfang noch eine besondere Bedeutung, mit welcher die Vorgänge in der Natur in bildliche Beziehung zu bringen sind. Vor nunmehr 100 Jahren, am 22. März. 1797, wurde der Hohenzollernfürst geboren, der als zweiter Sohn
- nicht berufen erschien, die Führung eines Volkes zu übernehmen, der aber von früher Jugendzeit an durch ernste Arbeit zu klarer Erkenntnis dessen sich durchdrang, was not that, um für das Volk ein großes Ziel zu erreichen. In unerschütterlicher Pflichterfüllung trotz geringer Anerkennung lange Zeit hindurch, ja sogar trotz mancher Anfechtungen hat er die Einrichtungen geschaffen, die Preußen, dann Deutschland zum Segen gereichten.
Das Schicksal wollte es, daß dieser edle Sohn der Königin Luise doch an die Spitze des preußischen Staates kam, und nun begannen sofort die Vorarbeiten zur Ausnutzung dessen, was er geräuschlos, kaum von der Welt bemerkt und geahnt, geschaffen. Auch dies mußte unter steten Kämpfen gegen eine mächtige Opposition durchgesührt werden. Mancher Fürst wäre in diesem Kampfe erlahmt, aber König Wilhelm I, hielt unerschütterlich fest an der Verfolgung seines großen Zieles. Die jahrelange Verkennung, die oft in herben, kränkenden Worten sich äußerte, that ihm weh, aber höher als der augenblickliche Beifall stand ihm das Glück seines Volkes
Und durch seine langjährige Fürsorge, durch seine unerschütterliche Pflichterfüllung hat er die schönsten Träume aller deutschen Stämme verwirklicht, ging in ungeahnter Herrlichkeit den Deutschen ein schöner Frühling aus. Das deutsche Volk wird dessen immer eingedenk bleiben, was es seinem ersten Kaiser, Wilhelm dem Großen, zu danken hat, und es wird der erste Tag des Frühlings — wie besonders in diesem Jahre bei der Zentenarfeier — den Deutschen immer ein Tag des Dankes sein.
Hör' es, greiser Heldenkaiser,
Auch auf deinem Himmelsthron!
Ewig wird dein Ruhm erklingen,
Denn wir Deutschen werden singen Ewig von Luisens Sohn!
1797 — 22. Wärz - 1897.
Weise; Deutschland, Deutschland, u. s. w.*) Laßt die frohen Lieder schallen,
Aus des Herzens heißem Drang!
Laßt hinauf zum Himmel Hallen,
Was einst tief im Herzen klang.
Unserm edlen Heldenkaiser,
Der die Einheit uns errang,
Deutschlands Retter, Deutschlands Kaiser, Deutschlands Vater klingt mein Sang.
Rettungslos begann zu sinken Deutschlands Stern für immerdar;
Keine Hoffnung wollte winken,
Dunkler ward es Jahr für Jahr.
Da erschien zu Gottes Ehre König Wilhelms Heldenschar;
Rauschend flog vom Fels zum Meere Preußens sieggewohnter Aar.
Sieh, von seiner Flügel Wehen Sinkt des Nebels dunkle Nacht.
Glänzend sah'n wir auferstehn Unsers Reiches gold'ne Pracht.
Sieh, die Raben sind zerstoben,
Barbarossa ist erwacht!
Staunend sah er glanzumwoben Kaiser Wilhelms heil'ge Macht.
Was bie Waffen uns errungen,
Hielt er fest mit starker Hand.
Deutschlands Stämme hielt umschlungen Seiner Liebe festes Band.
Mit der reinsten Herzensgüte Weihte er sich jedem Stand,
Rastlos war der Nimmermüde Selbst noch an des Grabes Rand.
Was der Ahnherr neu geschaffen,
Hat der Enkel ireu bewahrt.
Freudig steht das Volk in Waffen Fest um seinen Thron gefchaart;
Und da sein getreues Walten Kraft und Milde innig paart,
Wird von allen hoch gehalten Deutsches Schaffen, deutsche Art.
Wilhelms Treue war die Sonne,
Die einst unsre Nacht erhellt.
Ihm zu danken, das ist Wonne,
Die den Busen mächtig schwellt.
Drum aus tiefstem Herzen hall' es Von dem Jura bis zum Belt:
„Deutschland, Deutschland über Alles,
Ueber Alles in der Welt!"
Mülhausen, 22. Februar 1897. C. W. Faber.
*) Wir bringen dieses Festlied nach der „Straßb. Post", weil wir manchem sestgebenden Vereine damit einen Gefallen zu erweisen glauben, daß wir ihm für die von ihm veranstaltete Feier ein vom Geiste tiefer Vaterlandsliebe durchwehtes, schwungvolles und leicht sangbares Lied bieten. Die Redaktion.
Mit einer Beilage
und einer solchen (illustriert) zum hundertjährigen Geburtstage Kais er Wilhelm des Großen, welche als Beitrag zur nationalen Feier des 22. März freundlich ausgenommen werden wolle. Redaktion u. Verlag des Enzthälers.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.