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einige alte Bücher, unter ihnen die Bibel und ein ziemlich abgegriffener Kalender. In den Blumentöpfen am Fenster aber blühten Primeln und Alpenveilchen, und das ganze Aussehen der Zimmerpflanzen verriet, daß eine sorgende Hand ihrer wartete. In der Sophaecke lag eine Katze und hielt Mittagsruhe, während in dem Draht» bauer am Fenster ein Zeisig sein einförmiges Liedchen ertönen ließ.
Unter dem kleinen gefiederten Sänger saß an dem Nähtische ein junges Mädchen und ließ die Nadel flink durch die mageren Finger gleiten. Eine Partie fertig genähter Handschuhe lag vor ihr auf dem Tische, während einzelne kunstgerecht zugeschnittene wollene Stoffstückchen der Zusammensügung zu dem gleichen wärmenden Zwecke harrten. Das Mädchen selbst war schlank und zierlich gewachsen; schönes blondes Haar schmückte ihr Haupt, und ihre Züge zeigten, ohne von hervorragender Schönheit zu sein, doch große Regelmäßigkeit. Aber auf ihrem Antlitze lag auffällige Blässe, wie sie Personen eigen ist, denen ihre anstrengende sitzende Lebensweise die Bewegung in frischer Lust, unmöglich macht, und die Ränder der Augen waren leicht gerötet, eine Folge ausdauernder Arbeit bei mangelhaftem Lichte. Emsig und unverdrossen handhabte das Mädchen die Nadel, und nur wenn draußen auf dem knirschenden Schnee sich die Fußtritte eines Vorübergehenden hören ließen, warf sie einen flüchtigen Blick zwischen den Blumenstöcken hindurch auf die Straße hinaus.
Da klopfte es leise an die Thür, und auf den Ruf des Mädchens trat ein Mann ins Zimmer, der, wie dies in kleinen Städtchen üblich ist, keine besondere Besuchsloilette angelegt, sondern seinen Arbeitsanzug nur mit einer frischen blauen Latzschürze ergänzt hatte. Leise, fast schleichend, schob er sich durch die halb- geöffnete Thür, nahm die Mütze vom Kopf und drückte das Schloß ebenso unhörbar wieder zu. Dann nahte er sich mit süßem Lächeln dem Mädchen, und ihm die derbe Hand reichend, sagte er:
„Guten Tag, Jungfer Hannchen! Immer so fleißig?«
Hannchen berührte mit den Fingerspitzen die ausgcstrcckte Rechte des Mannes, während eine Wolke des Unmutes über ihr bleiches Antlitz flog und sie kaum hörbar erwiderte:
„Guten Tag, Meister Drobsch!"
Dieser rückte einen Stuhl ans Fenster und setzte sich der Näherin gegenüber.
„Ein saurer Bissen Brod, für ein Ver- kaufsgeschäst arbeiten zu müssen I« begann er, und man hörte es seiner Stimme an, daß er sie zu einem weichen, mitleidig sein sollenden Timbre zwang.
„Ich arbeite gern," erwiderte das Mädchen
kurz.
„Ich weiß ja und in der ganzen Stadt ist es bekannt, daß Sie ein fleißiges Kind sind," versetzte der Tischlermeister; „aber cs thut mir in der Seele weh, wenn ich sehen muß, wie Sie sich von früh bis in die sinkende Nacht hinein ums tägliche Brod abmühen. Sie verdienen ein besseres Loos, Jungfer Hannchen."
„Nun, vielleicht ist mir auch noch einmal ein solches beschicken," erwiderte jene; aber ich bin auch jetzt mit meinem Schicksale nicht unzufrieden."
„O Du liebe Bescheidenheit!" rief Drobsch im Tone mitleidiger Bewunderung. „Was haben Sie denn von Ihrem jungen Leben? Nichts als Plage und Arbeit, Sorge und Mühe, und Sie könnten es doch so gut haben, wenn Sie nur wollten."
„Da ich es nicht besser haben will, verdiene ich es auch nicht besser," sagte die Näherin mit kurzem Auflachen; aber sofort wieder ernst werdend, fügte sie hinzu: „Wenn Sie mir wieder mit der alten Geschichte kommen wollen, Meister, so kennen Sie meine Ansichten, und Sie werden gut thun, sich endlich Ihre Mühe zu ersparen."^ 7 . L
„Sie sind noch zu jung, Hannchen, um schon jetzt für Ihr Alter sorgen zu muffen." versetzte der Mann, ohne die Bemerkung des
Mädchens zu beachten. „Die Jugend denkt nicht daran, daß einst Zeiten kommen, wo es mit der Hände Arbeit nicht mehr so recht gehen will. Dann klopfen Not und Sorge an die Thür, und Niemand ist da, der sie verscheucht. Sehen Sie, Hannchen, so kommt es früher oder später, und es ist daher gut, daß die erfahreneren Leute für das junge Volk mit denken und sorgen. Sie stehen ganz mutterseelenallein da; das Häuschen ist das Einzige, was Ihre Eltern hinterlassen haben. Wollen Sie denn zeitweilig Handschuhe nähen?"
„So lange es geht, ja, und wenn ich es nicht mehr kann, wird der liebe Gott weiter helfen," sagte das junge Mädchen ruhig und bestimmt.
„Darauf verlassen Sie sich nur nicht so fest; denn sehr oft ist das Ende vom Liede das Armenhaus!" warf Drobsch ein. indem er die Hand der Näherin zu erfassen suchte, was diese aber verhinderte. „Sie wissen, Hannchen, daß ich Ihnen gut bin und daß ich nichts mehr wünsche, als daß wir ein Paar würden. Ich bin Witwer, habe eine ansehnliche Wirtschaft, mein schönes Haus und so noch ein paar hübsche Thälcrchen nebenbei; was hat es da also für Not? Wenn ich auch kein windiger Bursche mehr bin, von dehnen sich heutzutage die Mädchen die Köpfe verdrehen lassen, so bin ich doch auch noch kein Greis; ich bin ein wohlhabender und geachteter Bürger, sitze mit unter den Stadtverordneten, und ein Mädchen, dem ich die Hand biete, wird sicherlich von allen
heiratslustigen Töchtern I.'S beneidet.
Also sagen Sie Ja, Hannchen, und in acht Tagen ist Hochzeit."
Seine Stimme klang womöglich noch zärtlicher als vorher, und als er seine Eigenschaft als Stadtverordneter erwähnte, nahm einen Moment lang sein ganzes Wesen etwrs Hoch- mütiges an. Aber nur einen Augenblick, dann verfiel er wieder in die bisherige weiche Redeweise. und das süßlichste Lächeln verdrängte wieder den dünkelhafen Zug, der um seinem Mund lagerte.
„Wenn Sie mit Ihren Reden nicht auf hören, Meister Drobsch. dann verlasse ich die Stube!" rief das Mädchen in einem so festen, energischen Tone, wie man ihn dieser zarten Gestalt kaum zugetraut hätte. Dabei warf sie ihre Näherei mit einer sehr entschiedenen Handbewegung auf den Tisch und erhob sich augenscheinlich, um ihre Drohung wahr zu machen. Aber der Tischler erfaßte sie am Arme und drückte sie sanft auf den Stuhl zurück, während es in seinem Auge aufblitzte wie Wetterleuchten.
„Daß es bei Euch jungem Volke doch gleich lichterloh brennt!" sagte er. indem er sich zu einem Hellen Lachen zwang; „aber man weiß schon, Strohfeuer hält nicht an. Vielleicht besinnen Sie sich noch eines Besseren, Jungfer Hannchen; denn mit dem da ist'S doch nun vorbei!"
Er zeigte bei diesen Worten auf das Bild des Soldaten, das unter dem Spiegel hing.
(Fortsetzung folgt.)
Eine schn eidige Braut. Der Einbrecher im Hohenzollern-Museum, Adolf Katz hat in Berlin unter dem angenommenen Namen d'Homet einen ganzen Roman durchlebt. Ende vorigen Jahres wurde auf der Eisbahn im Tiergarten ein Herr Adolf d'Homet einer jungen Dame aus angesehener Familie vorgestellt. Der Fremde machte einen durchaus distinguierten Eindruck und wußte sich Zutritt zu der Familie der jungen Dame zu verschaffen. Bald darauf verlobten sich Beide mit Einwilligung der Eltern der Braut. D'Homet hatte als seine Mutter eine Frau d'Homet in Pforzheim ange- geben; eine Erkundigung über die Verhältnisse der Dame ergab ein durchaus günstiges Resultat. D'Homet lebte in schönster Eintracht mit seiner Braut und seinen künftigen Schwiegereltern; er lebte auf großem Fuße, besuchte viel das Opern. Haus und verkehrte ausschließlich in ersten Restaurants und Caf 6 s. Geld hatte er immer in genügender Menge zur Verfügung. Erst als die Mutter d'Homets, deren Besuch aus Anlaß
der Verlobung wiederholt angekündigt wurde, immer wieder ausblieb, schöpfte man schließlich Verdacht und zog abermals in Pforzheim Erkundigungen ein. Dieselben ergaben ein höchst überraschendes Resultat. Es stellte sich heraus, daß Frau d'Homet gar keinen Sohn hatte, und daß der in Berlin verhüttete d'Homet mit dem wegen Mordverdachtes, Fahnenflucht, wiederholten Einbruchs usw. steckbrieflich verfolgten, wiederholt vorbestraften Sohn der Inhaberin eines angesehenen Piorzheimer Restaurants, Frau Katz identisch ist. Adolf Katz alias d'Homet hatte jedoch gemerkt, daß etwas gegen ihn im Werke sei, und war plötzlich verschwunden. Nur der Entschlossenheit und Gewandtheit seiner Braut ist seine schließliche Verhaftung zu danken Einige Tage nach seinem Verschwinden begegneten sich Beide unter dem Brandenburger Thor. Die junge Dame that, als ob nichts vorgefaüen wäre, und äußerte lediglich ihr Er- staunen darüber, daß Katz sich so lange nicht hatte sehen lasten. Das machte Katz sicher und bewog ihn. seiner Braut sich von Neuem anzu- schlüßen. Beim Passieren des nächsten Schutzmannes bat das Mädchen diesen, den Katz, der polizeilich gesucht werde, festzunehmcn. Katz entfloh, und es entspann sich eine wilde Jagd durch den Tiergarten hinter dem flüchtigen Verbrecher. Einem berittenen Schutzmann gelang cs schließlich, denn Mann zu fassen.
Spiel des Zufalls. Gelegentlich des Todestages Kaiser W lhelms I. sei auf ein seltsames Zahlenspiel aufmerksam gemacht, zu dem eine Reihe der wichtigsten Daten aus deS alten Kaisers Lebensgeschtchte Gelegenheit bietet. Im Jahre 1829. als sich Prinz Wilhelm mit der Prinzessin Augusta von Weimar vermählte, verkündete ihm wie man erzählt, eine Wahrsagerin drei der wichtigsten Jahre seiner Geschichte: das Jahr 1849, in dem er an der Spitze der preußischen Truppen gegen die Aufständischen in Baden kämpfen sollte, das Jahr der Kaiser- krönung 1871 und das Todesjahr 1888. Sie fand diese Zahlen, indem sie zu dem Jahr 1829 die Quersumme der Zahl, zu der gewonnenen Summe wieder deren Quersumme addierte rc. Also: 1829 -j-I-j-8-s-2-s-9— 1849 -s- I -j- 8 -f- 4 ff- 9 1871 ff- 1 ff- 8
ff- 7 ff- 1 — 1888. Diese „überraschende Kombination" wird nur dadurch ermöglicht, daß man ganz willkürlich in die zweite Stelle der Zahlenreihe das Jahr 1849 setzt. Ein viel wichtigeres Datum wäre doch das der Regentschaft (1858) oder die Thronbesteigung (1861). oder der Krieg von 1866 gewesen. Diese Zahlen paßten aber nicht in das „geheimnisvolle Spiel des Zufalls" und mußten daher dem Verhältnis- mäßig unbedeutenden Jahre 1849 Platz machen.
Der älteste Veteran der deutschen Armee» Herr Leopold v. Bähr vollendete am 6 . dS. sein 1.04. Lebensjahr! Mündliche, schriftliche und telegraphische Grüße von Nah und Fern bekundeten die große Liebe und Verehrung, die man allgemein für den durch eine wunderbare Fügung und ein so seltenes Alter reich Gesegneten hegt. Andere Ehrungen, die früher diesen Tag auszeichneten, unterblieben mit Rücksicht auf die geschwächte Gesundheit des Gefeierten.
EineFrau mit einer langen Schleppe ging ins Theater; ein Mann der ihr etwas zu nahe kam,(-tritt auf die Schleppe. Mit höchst empfindlicher Miene wendet sie sich gegen diesen um: „Sie OchS, haben Sie keine Augen?" — „Entschuldigen Sie, ich habe nicht gewußt, daß eine Kuh einen so langen Schwanz hat."
Schieberätsel.
Kirche Gastrin Milan Saat
Retter Roon Wasa Weimar
Läufer Schnee Berlin Löwe
Meer.
Die obigen 13 Wörter sind untereinander zu schreiben und so lange nach der Seite hin zu verschieben, bis eine senkrechte Reihe einen allverehrten deutschen Fürsten nennt. Ist dies der Fall, so nennt eine andere senkrechte Reihe ein patriotisches Fest.
Stedaktüm, Druck mW Verlag voa L. Meeh tu Neueubärg.