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weist, daß Professor Schweninger Friedrichsruh. wo er dieser Tage eingetroffen war, bereits wieder verlassen hat, um sich nach dem Süden zu begeben. Eine Südlandsreise würde der lang­jährige Vertrauensarzt des Fürsten Bismarck jetzt gewiß nicht angetrelen haben, wenn der Ge sundheilSzustand des Altreichskanzlers wirklich ernstere Bedenk n einflößte.

In verschiedenen Blättern wird es auffällig bemerkt, daß Deutschland sich an dem an Griechenland gestellten Ultimatum beteiligt habe. Das Auffällige soll darin liegen, daß Deutschland zuvor erklärt habe, es sei unter seiner Würde, mit Griechenland weiter über Kreta zu verhandeln. Der Vorwurf ist durch­aus ungerechtfertigt. Deutschland hat nur mit den Großmächten verhandelt. Von einem Ver­handeln mit Griechenland kann ebenso wenig die Rede sein, wie man von einem Verhandeln sprechen kann, wenn etwa ein Gericht eine Exe­kution vollstreckt oder eine Vorladung erläßt.

Berlin. (Getreidemarkt-Bericht.i lieber dem gesamten Getreideverkehr lagert ein allge­meiner Schwächezustand, welcher sich besonders in letzter Zeit recht fühlbar gemacht hat. Wenn sich auch zuweilen etwas Nachfrage nach greif­barer Ware zeigte, so war dieselbe doch nicht bedeutend. Besondere Beachtung fand gutes Brotgetreide. Auf Futtergetreide drücken die billigen Anerbietungen von nordamerikanischem Mais. Den herrschenden Witterungsverhält­nissen schenkte der derzeitige Getreide-Verkehr nur insoweit Beachtung, als man bei dem milden Wetter der letzten Tage, welches man für die ausgehenden Wintersaaten für günstig hält, ein baldiges Offenwerden der Schiffahrts­wege erwartet. Bemerkenswerte Preisveränder­ungen gegen die Vorwoche sind für Weizen und Roggen kaum zu notieren. Hafer lag still uud unverändert. Mais andauernd billig angeboten.

Aus der R h c i n p f a lz , 26 F>b. (Wein- markl.) Im Verkauf der 1896cr ist es vor­nehmlich an der Oberhaardt anhaltend lebhaft; aber auch an der Unterhaardt finden fortgesetzt Einkäufe dieses billigen Jahrganges statt. 1000 Liter kosten an der Oberhaardt 200270, an der Unterhaardt 300 -425, im Bezirk Dürk­heim 325625 Mark.

Mannheim. 24 Febr. (Holzmarkt.) Im Brettcrgeschäft herrscht anhaltend rege Nach­frage, das Angebot bleibt dahinter zurück. Die Vorräte an den süddeutschen Stopelplätzen haben sich in letzter Zeit nur unwesentlich verändert. An den Herstellungsplätzen sind die Bestände unbedeutend. Hiesige Händler biete« heute die 100 Stück 16' 12" 1" Bretter in guter Sorte zu 165 vkL frei niederrheinischer Schiffsstalion an. Die Schiffsfracht nach dem Niedcrrhcin beträgt für die 100 Stück 3,20 Am hies. Rohholzmarkte ist der Verkehr jetzt belebter. Die Rheinflößerei ist jetzt wieder eröffnet, auch die Zufuhren auf dem Neckar beginnen wieder.

Karlsruhe, 1. März. Der gestrige Tag galt mitten in die Faschingslust hinein einer ernsten Erinnerungsfeier an den vor 50 Jahren vorgekommenen Brand des Hoftheaters mit seinen Menschenopfern, deren 63 auf dem Denkmal des allen Friedhofs verzeichnet stehen, ohne Gewähr dafür, daß damit auch alle Ver unglückten ermittelt wurden. Die Blätter bringen Erinnerungen an das furchtbare Ereignis, und von den Einzelheiten ist eine besonders schauder­erregend die förmliche Röstung eines Menschen, der mit halbem Leibe aus einer Fensterumrahm, ung heraushing. Der damalige Kaminfeger- meistcr Bautz gelangte bis in seine Nähe und rief ihm zu. sich herabfallen zu lassen; doch der Unglückliche konnte nur aniworten. daß er innen von krampfhaft geschlossenen Händen an den Beinen festgrhalten werde. Die Verunglückten, darunter 27 aus Karlsruhe, waren fast aus- schließlich Besucher des obersten Ranges, die schon mehr als eine halbe Stunde vor Beginn der Vorstellung gekommen waren, um der FaschingszauberposseDer artesische Brunnen« anzuwohnen. Das Feuer brach beim Anzündcn der Flamme der neuen Gaseinrichtung in der Hofloge aus, wo der Brenner einer Lampe her­abgefallen war, so daß sofort bei der Berührung

mit dem Licht eine lange Flamme emporzüngelte. Die Katastrophe wurde gesteigert durch den Um- stand, daß die ganze Plafondwandung zum Teil aus Gründen der Akustik mit altem Stoff über­zogen war, der sofort in Brand geriet und einen ungeheuren Qualm verursachte, in gewissem Sinne noch ein Glück, denn es trat bei manchen, die sonst einen langsamen Flammentod erlitten hätten, ein rascher Erstickungstod ein. Der Nachkjang des entsetzlichen Unglücks tönte weithin durch die Welt und gab neben den Katastrophen des Theaters in Nizza und des Ringtheaters in Wien den nächsten Anstoß zu durchgreifenden Sicher- ungsbauten und allgemeinen Anordnungen für den Theaterdau. Auf dem alten Friedhose fanden heute Ansprachen des Stadtpfarrers Längin und des Bezirksrabbiners Appel stall; Musikvorträge erhöhten den Eindruck der Feier, die sich an dem mit Kränzen geschmückten Denk­mal der Verunglückten vollzog, wo sich auch Angehörige derselben eingefunden hatten. Eine zahlreiche Menschenmenge war anwesend, obwohl gleichzeitig in den Hauptstraßen ein tolles Masken­treiben hin und her wogte.

Ersingen, 2. März. Heute wurde von unserer Jugend ein schon lange nicht mehr gesehener und allezeit willkommener Gast, näm- lieh der Storch, mit Freuden begrüßt. Derselbe umkreiste im Fluge längere Zeit das Dach des Schulhauscs, auf welchem er sich zuletzt auch niederließ, um das der Ausbesserung bedürftige Nest zu besichtigen. Seit heute ist der Sommer­frischler eifrig bemüht das Nest auszubouen, möge ihm das Wetter bei der Arbeit günstig sein. Es ist dies das zweite Jahr, daß unserer Jugend Gelegenheit geboten ist, den Frühlings­boten, der sich in diesem Jahre frühzeitig ein- stellle, begrüßen zu können.

Anstand.

Die meisten Pariser Blätter geben der Erwartung Ausdruck, daß Griechenland seinen Widerstand jetzt aufgeben werde. Nach einer Meldung derPetite Ropublique" sind Vorbe­reitungen zur Mobilisierung eines französischen Reservegeschwaders für die Levante getroffen.

Aihen, 5. März DasAnusvlatt« veröffentlicht einen Einberufungsbefehl für die Reserven der Jahresklassen 1891, 1890, 1889 und 1888 binnen 3 Tagen.

London, 5. März. Etwa 100 Unter- Hausmitgliedcr, darunter einige frühere Minister, sandten dem König von Griechenland für die der Insel Kreta erwiesenen Dienste ihre wärmsten Glückwünsche, worin sie auch die Wünsche für das Gedeihen Griechenlands ausbrückten.

Der englische Feldzug gegen die feind­lichen Ful ach an der Nigerküste ist zum Ab­schluß gelangt. Das Expeditionskorps der Nigergesellschast besetzte die feindliche Hauptstadt Jlorim nach zweitägigem Kampfe.

Washington. 4 März. Der Präsident verlas bei seinem heutigen Amtsantritte eine Botschaft an das Volk der Vereinigten Staaten, worin ausgeführt wird, das finanzielle System bedürfe der Reform; der Geldumlauf müsse auf eine dauernde Grundlage gestellt werden. In den Finanzgesctzen müssen solche Aenderungen vorgenommcn werden, daß die Regierung künftig nicht mehr genötigt ist, eine so bedeutende Geld­reserve zu unterhalten. Der Präsident sicherte seine herzliche Bereitwilligkeit zur Mitwirkung zu, wenn der Kongreß die Einsetzung eines Aus­schusses beschließe, der die Revision der Gesetze über Münzprägung, Bankwesen und Geldumlauf beraten solle Der Frage des internationalen Bimctollismus werde baldige ernste Aufmerksam­keit zugewendet werden. Es werden beständig Bemühungen ins Werk gesetzt werden, den­selben durch die Mitwirkung der andern Mächte herbeizuführen. Der Werl des bereits geprägten und noch zu prägenden Silbers müsse mit allen verwendbaren Mitteln in einem festen Verhältnis zu Gold erhalten werden. Der Kredit der Re­gierung, die Integrität des Geldumlaufs und die Unverletzlichkeit der bestehenden Verpflicht­ungen müssen gewahrt werden. Sodann betonte der Präsident die Notwendigkeit strengster Spar­samkeit in jedem Zweige der öffentlichen Aus­

gaben. Die feste Politik der Regierung sei, die Masse der Einnahmen aus der Besteuerung der fremden Erzeugnisse zu erhöhen. Der leitende Grundsatz der auf die Erhöhung der Einnahme» mittels der Einfuhrzölle gerichteten Finanzgesetz, gebung sei, die heimische Industrie und die Ent- Wicklung des Landes zu schützen und zu fördern. Pflicht des Kongresses sei es. den Fehlbeträgen ein Ende zu machen durch eine Schutzzollgesetz, gebung, welche die festeste Stütze des Staats­schatzes sei. Eine solche Gesetzgebung werde die Regierung im Jnlande und Auslande kräftigen und in hohem Maße dazu verhelfen, dem Ab­flüsse aus der Geldreserve Einhalt zu thun.

Telegramme.

Wilhelmshaven, 5. März. Der Kaiser hat heute Mittag 12 Uhr 30 Min. die Rückreise nach Berlin angetreten.

Bremen, 5. März. Der Kaiser traf, von Wilhelmshaven kommend, in Begleitung des Prinzen Heinrich um 3 Uhr nachmittags auf dem hiesigen Bahnhof ein und begab sich zu Wagen nach dem Ratskeller. Die Bevölker­ung breitete dem Kaiser einen herzlichen Will­komm. Gegen 5 Uhr verließ der Kaiser den Ratskeller wieder und begab sich zu Wagen nach dem Bahnhof zurück, wo die Abreise als­bald erfolgte.

Hamburg, 5. März. Wie derHamb. Börsenholle« gemeldet wird, ist der bei Mewquay gesunkene Dampfer der zur Reeoerei von Robert M. Sloman und Cie gehörende DampiecSyrakus«. Die gesamte Be­satzung von 30 Mann samt Kapitän ist mit dem Schiffe zugrunde ge­gangen.

Kopenhagen, 5. März. Dem von derBerlingski Tivende« nach Athen ent­sandten Bcricherstatter gegenüber hat sich, wie das genannte Blatt meldet, König Georg in folgender Weise ausgeipcochen: Die Nation vermöge die aufreibende Erregung, die die un­unterbrochenen Erhebungen auf Kreta hcrvor- riefen, nicht länger zu tragen. Die griechischen Finanzen seien außerstande, die kretischen Flüchtlinge, deren Griechenland gegenwärtig 17 000 beherberge, zu unterhalten. Eine Autonomie sei für Kreta undenkbar, weil die Kreter eine solche verwerfen würden. Die Zurückberufung der griechischen Truppen von der Insel würde das Zeichen zu neuen Metzel­eien sein wegen des ungeheueren Fanatismus der muselmännischen Bevölkerung, die sich von sechs Großmächten unterstützt sehe.

Kanea, 5. März. Heule ging der eng­lische Konsul auf Einladung des englischen Admirals nach Selino, um die Aufständischen aufzufordern, die eingcschlvffenen Muselmanen abzichen zu lassen.

Kanea, 5. März. Heute sind 3 Panzer­schiffe, 1 russisches, 1 englisches und 1 fran­zösisches von der Sudabai kommend hier einge­troffen. Die Konsuln der Mächte haben von den Geschwaderchess die Ermächtigung erhalten, sich nach Selino einzuschiffen, um den Versuch zu machen, die Aufhebung der Belagerung Kandanos zu veranlassen. Die griechischen Kriegsschiffe wurden von den Geschwaderchefs ermächtigt, sich mit dem Obersten Bassos in Verbindung zu setzen. Das griechische Schiff Atheios ist von hier nach Platania abgegangen. Durch die Aussage der Offiziere und türk­ischer und albanesischer Gensdarmen ist scstgestellt worden, daß 2 Gensdarmerieunteroffiziere die Führer der Rebellion unter den Gensdarmen gewesen sind. Der eine davon ist seit 9 Monaten Kawasse beim englischen Konsulat.

London, 5. März. Die Admiralität erhielt ein Telegramm von dem englischen Admiral aus Suda, wodurch die Behauptung, daß die Admirale die Türken gegen die Griechen beschützen, als Versuch der Irreleitung der öffentlichen Meinung, namentlich von Athen aus, bezeichnet wird.

Athen, 5. März. Die beiden letzten Jahrgänge der Reserven sind nunmehr auch einberufen.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.