Württemberg.

Heilbronn, 1. März. In der Nacht vom Freitag auf Samstag drohte in Bückingen wieder ein Brand aus- zubrechen und zwar in dem Hause des Schreinermeisters Stengel, dessen Haus im vergangenen Herbst schon zum größten Teil abgebrannt und nunmehr im Ausbau begriffen ist. Als der Brandstiftung dringend verdächtig wurde der Schreinergeselle des Stengel sestge- nommcn. Dieser hatte in seiner Schlaskammer ein Feuer aus Hobelspänen angezündet und wurde hiebei betroffen. Es ist nun die Ver- mutung ausgetaucht, daß der Bursche, da er schon im vergangenen Herbst bei Stengel war, auch damals den Brand verursacht habe. Bekanntlich ist in jener Nacht, in welcher der Brand bei Stengel entdeckt wurde, zu gleicher Zeit die gegenüber liegende Scheuer des Wein­wirts Carle in Hellen Flammen stehend, an- getroffen worden.

Heilbronn, 2. März. Ein gutgekleideter Mann im Alter von 2428 Jahren, der sich als den Sohn eines Lehrers ausgab. hat gestern unter verschiedenen, offenbar falschen Vorspiegel­ungen, sich milde Gaben zu verschaffen gesucht. Dabei nannte er Namen von Geistlichen und anderen hervorragenden Persönlichkeiten und behauptete, diese hätte ihn zu den betr. Personen geschickt.

Vom Federsee 27. Febr. schreibt man demAnz. v. Oberl.": Ein Akt der rohesten Brutalität, welcher von bubenhaster Roheit und Gewissenlosigkeit zeugt, wurde dieser Tage in Oggelshausen verübt. Dem dortigen Schäfer, welcher seine Schafe in einem Schopfe des Gemeinderais Zell hatte, wurden nicht weniger als 12 Stück Schafe mit Messerstichen so übel zugerichtel, daß 5 davon soiorr verendeten bezw. geschlachtet werden wußten und vorerst ein Schaden von etwa 100 entstand. Jedes der verletzten Tiere hat 1012 Messerstiche erhalten. Was den bubenhaften gemeinen Thäler zu dieser teuflischen Thal wohl bewogen haben mag, ist uns nicht bekannt, ob aus Rache gegen den Schäfer oder bloß um seine Roheit zu zeigen.

Crailsheim, 2. März. (Gewitter.) Gestern Abend zwischen 6 und 7 Uhr hatten wir das erste Gewitter in diesem Jahre; dasselbe war von starkem Donner und Blitz be­gleitet.

Stuttgart. jLandesproduktenbörse. Bericht vom 1. März von dem Vorstand Fritz Kreglinger.s Im Getreidegeschäit ist es recht ruhig, Verkehr schwach. Der allgemeinen Lage nach dürste zwar die Tendenz etwas zuversichtlicher sein, da Argentinien bis jetzt fast gar nichts exportierte und die sichtbaren Vorräte m Amerika stark abnehmen, 'auch Rußland nur spärlich Angebote macht. Die süddeutschen Märkte zeigten schwachen Verkehr. Preise etwas abgeschwächt. Wir notieren Per 100 Kilogr. frachtfrei Stuttgart je nach Qualität und Lieferzeit: Weizen, württ. 17 »kt, bayr. 17 50 ^ bis 17 »« 80 Ülka

18 75 ^ bis 19 »«, Saxonska 18 »kt 75 ^ bis

19 »kt, Rumänier 18 »kt 75 ^ bis 19 »kt 50 ^!, Ameri­

kaner 19 »« «! bis 19 »tt 50 Walla-Walla 19 »kt 25 , Kernen, Oberländer 18 »kt bis 18 »«

25 Dinkel, gering 10 gut 12 Roggen russ. 14 »-L ^ bis 14 50 -s, rumän. 14 »tt 50

Gerste, bayr. 17 »kt 50 Hafer, württ. 13 »kt bis 14 »kt, russ. 15 »kt 25 ^ bis 15 »tt 90 Mais, Mixed 9 50 bis 9 »kt 65 -j, Laplata gesund 10 »«, be­schädigt 9 »kt 40 ^ bis 9 »kt 60 Die Preis-

Notierungen, die nach einem Beschluß des Börsenaus­schusses vom 18. Jan. d. I. bis jetzt unterblieben sind, erfolgen von heute ab, nachdem die Börsenord­nung sestgestellt ist, wieder regelmäßig.

Ausland.

Paris, 1. März In Konstantine wurden inneihalb der letzten vier Wochen 3 Soldaten des Strafbataillons erschossen, weil sie sich an ihren Vorgesetzten thätlich vergriffen halten. Im dortigen Mtlitärgesängnis befinden sich derzeit nicht weniger als zehn Soldaten, die wegen des­selben Deliktes zum Tode verurteilt worden sind. Die radikalen Blätter protestieren gegen die Hinrichtung dieser Delinquenten, indem sie be­haupten, daß nur die in den Strafbalaillonen übliche barbarische Behandlung daran schuld sein könne, wenn die Soldaten sich zu Thätlichkeiten gegen ihre Vorgesetzten Hinreißen lassen.

Marseille, 1. Mär;. Die Furcht vor der Pest hat für die Stadt Marseille bereits große Uedelstände im Gefolge. Die großen in- bischen Frachtdampfer, denen durch die strengen Quarantäne Vorschriften geradezu unüberwind­liche Schwierigkeiten in den Weg gelegt wurden, ziehen es vor, mit ihren Waren andere Häfen auszusuchcn. Der früher so lebhafte Verkehr auf der hiesigen Rhede ist deshalb in bedenk­licher Weise zurückgegangen. Die großen Oel- und Seifenfabriken mußten einen Teil ihrer Arbeiter entlassen, da es ihnen wegen der mangelnden Zufuhr bereits an Rohmaterial ge« bricht; von demselben Schicksal sind die Dampf, wühlen bedroht, da das von ihnen bestellte indische Getreide nicht ausgeschifft werden durste. Selbstverständlich leiden auch die Marseiller Kaufleute schwer unter diesen Verhältnissen und mehr als ein Drittel der Arbeiter sind bereits seit Wochen ohne jeden Verdienst. Die Stadt, deren Finanzen sich in einem recht kläglichen Zustand befinden, will dem wachsenden Elend durch die Ausführung von Notstandsbauten steuern, da dies jedoch eine Hilfe in ziemlich weiter Sicht ist. hat Dr. Flaissiere, der soziali- stische Bürgermeister von Marseille, der wenigstens der einheimischen Arbeiterbevölkerung Brot ver schaffen möchte, die Industriellen mittels Mauer­anschlags aufgefordert, die ausländischen Arbeiter zu entlassen und anstatt derselben französische zu beschäftigen. Unter der fremden Arbeiterschaft, die zumeist aus Italienern besteht, herrscht über diese seltsame Bethätigung sozialistischer Grund­sätze seitens des Herr» Flaissiore lebhafte Er­regung.

Athen, 1. März. Agence Havas. Die Vertreter der Mächte setzten sich ins Einver­nehmen über den Wortlaut der der griechischen Regierung zu überreichenden Note und unter­breiteten denselben auf telegraphischem Wege ihren Regierungen, um deren Genehmigung zu erhalten und eine Uebereinstimmung zwischen diesem Wortlaut und demjenigen der Note her- zustellen, welche der Pforte überreicht werden soll. Beide Noten werden am gleichen Tag der Türkei und Griechenland unterbreitet werden.

Kanea, 1. März Die fremden Kriegs schiffe, die am 25. Febr. nach Selino abge­gangen sind, sind noch nicht hieher zurückgekehrt. 3 Muhammedaner, die auf dem Landweg von Selino hieher geflüchtet sind, erzählen, daß die Lage ihrer Kameraden eine sehr kritische sei. Diese Nachricht hat unter den hier anwesenden Türken große Aufregung hervorgerufen. Zahl- reiche, äußerst erregte Versammlungen werden gehalten. Man befürchtet Repressalien. Die Plünderung von Haleppa geht weiter: Das Haus des französischen Konsuls wurde geplündert. Die Nachricht von der Einnahme Stavros durch die Christen wird bestätigit. Die Auf­ständischen hat das Fort nach ihrer Vereinigung mit Truppen der regulären griech. Armee mit Kanonen angegriffen.

Canea, 2 März. (Havasmeldung). Die Befehlshaber der fremden Kriegsschiffe haben beschlossen, Selino und Candano unter den Schutz der Mächte zu stellen 4 Schiffe sind dahin ab- gegangen. Oberst Vaffos wurde aufgefordert, den türkischen Familien freien Abzug zu ge­währen.

Canea, 2. März. (Havasmeldung.) Heute nachmittag revoltierten die türkischen Gendarmen, denen die Löhnung nicht bezahlt worden war, in der Nähe des Residenzpalastes. Europäische Seemannschaften gaben Feuer. Schließlich hißten die Gendarmen eine weiße Flagge und ergaben sich. Auch die Gendarmen, die in dem Palaste auf Posten waren, meuterten und schossen aus die Oifiziere, welche den Palast verlassen wollten. Der Oberst der Gendarmerie wurde getötet. Die Gendarmerie verbarikadierte sich. Italienische, englische und österr.-ungarische Oifiziere ver­handeln mit denselben, um ihre Entwaffnung zu erlangen.

Konstantinopel,2. März. (Wiener­meldung.) Die Botschafter überreichten der Pforte die Noie betreffend Kreta. In derselben wir das Vorgehen der Mächte gegen die Annexion Kretas durch Griechenland, sowie in Betreff der

Entfernung der griechischen Truppen und der Kreta zu verleihenden Autonomie angezcigt und begründet ,

London, 2. März. Die Einreichung der Kollektivnote in Athen und Kon­stantinopel wird für heute oder morgen erwartet. Nach Meldungen derTimes" wird Griechen­land zunächst keine Frist zum Abzüge gestellt. Auch soll bis zuletzt darüber Unsicher­heit bestanden haben, ob gleichzeitig mit der Note auch schon die Ankündigung des Zwangs für den Fall, daß Griechenland sich nicht fügte, zu machen sei. Ein Bericht derTimes" aus Athen erklärt, ein Nachgeben Griechen­lands sei einstweilen undenkbar, da die Leitung nicht mehr in den Händen des Königs oder der Regierung, sondern in denen einer wilderregten Demokratie sei, die ein Ultimatum der Mächte mit einem Gegen­ultimatum beantworten wolle, das einen europäischen Krieg in Aussicht stelle.

London, 2 März. Unterhaus. Das Haus ist überfüllt. Harcort beantragt Ver­tagung des Hauses, um die Aufmerksamkeit auf die kretische Frage zu lenken und wünscht zu wissen, ob die anderen 5 Mächte den von der englischen Regierung angekündigten Vorschlägen zustimmen, oder ob diese Vorschläge irgend welche Abänderung erlitten haben. Die ganze kretische Schwierigkeit sei durch das Mißlingen der Vereinbarungen zu Anfang des vorigen Jahres verschuldet. Dieses Mißlingen rühre davon her. daß man auf der Idee beharrte, die Türkei könne reformiert werden, wenn man es der Türkei überlasse, für die Ausführung der geeigneten Reformen Sorge zu tragen. Harcourt drückt seine Befriedigung darüber aus. daß die Autonomie von Kreta an die erste Stelle gesetzt worden sei. Eine wirkliche Autonomie sei aber nicht denkbar ohne Abschaffung jeglicher türk­ischer Herrschaft auf Kreta. Die Kreter selbst wünschen die Vereinigung mit Griechenland, die Einverleibung mit Griechenland iympatistere mit dem griechischen Vorgehen. Redner warnt die Regierung vor den Gefahren des von ihr be­tretenen Weges, eines Weges, auf dem sie nicht ihr eigener Herr sei und auf dem sie zu Hand­lungen gedrängt werven könnte, gegen welche das Gewissen der englischen Nation sich uuf- lehnen könnte. Die Opposition behält sich durchaus das Recht vor, solche Handlungen ihrer Kritik zu unterziehen. Im Oberhause ersuchte Lord Chamberlain die Regierung in ähnlicher Weise um Auskunft.

Madrid, 2. März. Wie eine Depesche aus Manila meldet, ist infolge der Verhaftung Jquel Lledor, der sich den Titel eines Generals der Aufständischen" beilegte, von der Polizei eine neue Verschwörung entdeckt worden. Lledor arbeitete an der Bewaffnung der Bevölkerung von Novalichst, um in die Provinz Bulacan einzufallen.

Washington, 2. März. Mac Kinley ist heute vormittag hier eingelroffen. Der Ein­zug in die Bundeshauptstadt erfolgte auf den Wunsch des Präsidenten ohne Eskorte und ohne Prunkentfaltung.

Telegramme.

B e r l i n. 3. März. Die Kesselschmiede der Borsig'schen Maschinenanstalt in Moabit ist heute Nacht völlig niederge­brannt. Die Entstehungsursache des Feuers ist unbekannt.

London, 3. März. Die Denkschrift Goschens über den Flottenctat 1897/98 wurde gestern im Parlament verteilt. Das Schiffs­bautenprogramm umfaßt den Bau von 4 Schlacht­schiffen, 3 drittklasstgen Kreuzern, 2 Korvetten, 4 Kanonenbooten, 2 Torpedobootzerstörern und einer neuen königlichen Jacht. Im ganzen sind 108 Fahrzeuge im Bau, wovon 66 im Laufe dieses Jahres fertiggesteüt werden, Die Zahl der Schiffsmannschaften wird im Laufe des Jahres um 6300 Mann, einschließlich 121 Offi­ziere vermehrt.

Mit einer Beilage.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg. ,