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entdecken und — ich gelobe es — ich will die Uhr wieder in Gang bringen!"
Er trat bescheiden zurück und seine Anna drückte ihn wieder auf den Sessel nieder.
Eine Weile herrschte tiefes Schweigen in der Ratsversammlung, dann wurden vereinzelte Beifallsrufe laut, die allmählich zu einer allgemeinen Kundgebung für den Künstler an schwollen. Man beschloß. Jehan Boernave zu der Uhr zu führen, damit er den toten Mechanismus mit seiner kunstfertigen Hand wieder belebe.
Am folgenden Tage sollte der Beschluß aus- gefühlt werden.
Wie damals, als die Uhr eingeweiht wurde, versammelten sich zur festgesetzten Zeit wieder auf dem Platze vor dem Münster Tausende von Menschen und harrten auf das Erscheinen des Künstlers.
Er erschien in einem verschlossenen Wagen, an seiner rechten Seile saß Anna und auf dem Rücksitz der Stettmeister Peter Schwarber. Vor dem Portal des Münsters hielt der Wagen. Die Drei stiegen aus und begaben sich in das Münster.
Der Rat der Stadt hatte sich bereits im südlichen Querschiff des Chores versammelt.
„Bnd hier," sagte Jehan Boernave zu seinem jungen Weibe, „und warte bis ich wiederkomme. Du, mein Teurer", wandte er sich an Peter Schwarber, geleite Du mich auf die kleine Galerie zu der Uhr."
Anna nahm aus einem Kirchenstuhle Platz, faltete die Hände im Schooß und aus ihrem Herzen stieg ein Gebet voll heiliger Inbrunst zu dem himmlischen Vater empor.
Mit festgeschlossenen Lippen, etwas zittrigen Ganges schritt Jehan Boernave an der Seite seines Schwiegervaters auf dem breiten Mittelgange durch den heiligen Raum nach dem Querschiff zu dem dort versammelten Rat.
Mit ernstem, feierlichen Schweigen wurde er empfangen.
Ohne Verzug führte ihn Peter Schwarber die Treppe zu' der kleinen Galerie hinauf; die Väter der Stadt folgten und nahmen im Hintergründe der Uhr Ausstellung.
Jetzt stand Jehan Boernave neben seinem kunstvollen Werke. Seine Brust wogte krampfhaft und er atmete hörbar mit halbgeöffneten Lippen, ein Beben überlief seine Gestalt und tiefe innere Erschütterung spiegelte sich auf seinem von fahler Blässe überzogenen Antlitz wieder.
Was mochte der Unglückliche in diesem Augenblicke empfinden!
Er wollte sein Werk, das ihm unsterblichen Ruhm eingetragen, woran er fünf lange Jahre mit rastlosem Fleiße gearbeitet hatte, zerstören. Das Wunderwerk war ein Kind seines Geistes und seines Herzens zugleich! Und er wollte es opfern, um den Undank der Bürgerschaft Straß- burgs zu bestrafen.
Aber jetzt wurde er in diesem Entschlüsse schwankend. Ein schwerer Kampf ging in seiner Seele vor — daher das Beben seines Körpers, daher der Ausdruck tiefer Erschütterung auf seinem Antlitz
Endlich zwang er sich zur Selbstbeherrsch, ung, seine Züge versteinerten sich, ein unbeugsamer Entschluß sprach sich darin aus.
Der Kampf war vorüber, die Ruhe in seine Brust zurückgekehrt, er war mit sich eins geworden
Was wollte er? —
Sein Werk wieder in Betrieb setzen oder es der Vernichtung überliefern?
Sein finsteres Antlitz verriet, was er zu thun fest entschlossen war, aber Niemand ahnte es. Er öffnete das Gehäuse mit fieberhafter Hast. Seine Hände griffen in das Rädergetriebe, tasteten an dem wunderbaren Mechanismus herum, berührten hie eine Feder und da.
Plötzlich ein schrilles Geräusch, als fingen auf einmal die Räder an, sich mit rasender Schnelligkeit zu drehen, ein starker Ruck, die Zeiger auf dem Z'fferblatt kreisten windschnell herum, die heiligen drei Könige verneigten sich einmal über das andere vor der Jungfrau Mutter; der Hohn krähte rasch hintereinander, verschluckte die Laute, die Glocken klangen und schwirrten, dann ein grelles Knirschen, ein mark
erschütterndes Gerassel, ein furchtbarer Krach — und wieder unbeweglich wie vorher verharrten die Zeiger! —
Der blinde Meister hatte sein Werk zerstört, in einer Minute die Frucht seines jahrelangen Fleißes vernichtet! —
Die lauten Jubelrufe des vor dem Münster versammelten Volkes verwandelten sich in ein weithin schallendes Wutgeheul.
Die Väter der Stadl standen wie starr da vor dem, was sich hier begeben hatte, — sie wußten sich nicht zu fassen, sahen einander ratlos an und riefen wirr durcheinander.
Peter Schwarber aber erkannte sofort, was Jehan Boernave gethan halte, und er zitterte für dessen Leben. Er ergriff ihn beim Arme, zog ihn m>t sich fort und schritt mit ihm die Treppe in das Cvor hinab.
„O. Du Unglückseliger, was hast Du gethan?" flüsterte er dem Künstler zu.
Dieser antwortete im dumpfen Tone:
„Mich gerächi!"-
(Fortsetzung folgt.)
Aus der Schweiz, 17. Februar. Wie Kinderaugen sehen und wie Kindermund spricht, davon giebt das Luzerner „Vaterland" ein erbaulich Geschichili": Die Mutter steht auf und legt, auf sein Bitten, ihr kleines Schätzchen in ihr Bett. Und die Kleine schaut recht aufmerksam zu, wie Mama Toilette macht. Jede Bewegung verfolgt sie und es entgeht ihr auch nicht, wie Mama einen gewissen Gegenstand aus dem Glas nimmt und in den Mund bringt. Auch in den nächsten Tagen macht das Kind die gleiche Beobachtung und neugierig fragt es schließlich den Vater: „Pape, worum tuet au dsMame-n alli Marge Stein is Müli?"
Auflösung des Arithmogryhs in Nr 27 Anden Pilme, Holland, Reit Orgel Don, Jbria Thor Elbe — Aphrodite.
Richtig gelöst von Karl Scholl, Wilhelm Gollmer, Rob. Silbereisen, Rich. Bischer, Rudolf Hartmann, Hans Rubensdörffer, Richard und Bertha Kölle in Neuenbürg; Fritz Roth in Ottenhausen.
Zahlenrätsel.
1243695287 Ein kleines Haus
2 10 11 17 11 Ein Beweismittel
13 12 14 Eine Hauptstadt
16 II 2 14 II 2 Namen einer Königin
6 10 15 16 6 13 Ein Vogel
9 12 17 11 10 11 Eine Bezeichnung für den
Adel (Venedig)
18 2 5 6 11 14 Eine beliebte Zeitschrift.
6 10 6 19 6 Bezeichnung für Schüler.
13 11 20 II 9 8 15 Eine Pflanze.
Die Anfangsbuchstaben von oben nach unten und die Endbuchstaben von unten nach oben gelesen bezeichnen eine künstliche Anlage früherer Zeit. 3. M
Telegramme.
München, 21. Febr. In der Möbel- und Teppichhandlung von Bernheimer am Maximiliansplatz brach heute Mittag Großfeuer aus, welches binnen 2 Stunden die umfangreichen Räumlichkeiten im Souterrain und Parterre zerstörte. Die oberen Stockwerke blieben verschont. Der Schaden wird auf über 1 Million geschätzt, da die meisten der kostbaren Teppiche, Gobbelins rc. verbrannt sind.
London, 21. Febr. Das Reutersche Bureau meldet aus Kanea: Ein kleiner Handelsdampfcr einer griechischen Gesellschaft, der mit Lebensmitteln und Zelten für die Aufständischen beladen war. wurde von einem englischen Torpedoboot beschlagnahmt und in den Hafen eingebrachl.
Sofia, 21. Febr. Die „Agence Bal- canique" meldet: Die Regierung habe mit dem französischen Werke Creuzeot eine erste Bestellung auf eine Anzahl Kanonen abgeschlossen.
London, 21. Febr. Eine vom engl. Konsul aus Kanea eingegangene Depesche besagt, die Garnison Vukolts habe den griechischen Truppen verzweifelten Widerstand geleistet und den Feind 3—4 Meilen zurück
geworfen. schließlich sei sie jedoch durch die überwältigende Uebermacht des Feindes zum Weichen gezwungen worden. Nur 18 türkischen Soldaten sei es gelungen, nach der türkischen Linie von Kanea zu gelangen Auch die Garnison des Forts Agria sei von griechischen Truppen bedroht gewesen, es sei ihr aber gelungen, sich ohne Verlust zurückzuziehen.
Kanea, 21. Febrb. Am 20. ds. Mts. abends machten die Muhamedaner in Rhetymno, welche durch die Nachricht von der Niedeimetzel- ung ihrer Glaubensgenossen in Sitia aufs Heftigste gereizt waren, einen Ausfall und griffen die Posten der Aufständischen an. Der Kampf dauert noch fort. Der griechische ObersEassos hat die Okkupation Kretas durch Griechenland nunmehr proklamiert.
Kanea, 21. Febr. Nach dem Kampf bei Agria besetzten die Griechen 2 Türme. Die türkische Besatzung dieser Forts hat sich noch Kanea zurückgezogen. Drei griechische Olfiziere sind im Kampfe gefallen.
Athen, 21. Febr. Die „Agence Havas" meldet: Gerüchtweise verlautet, daß 700 griechische Soldaten mit Geschützen bei Kisf'ma gelandet sind. — Die Zeiiung „Asti" ve> öffentliche eine Erklärung, welche der König Georg von Griechenland dem hiesigen Gesandten einer auswärtigen Macht gemacht hatte. Dabei erinnerte der König daran, wie er bemüht gewesen sei, die Aufmerksamkeit Europas in einem für Kreta günstigen Sinne auf die dortigen Zustände zu lenken, aber nur die Schaffung einer Gens- dacmcrie auf Kreta, sowie Reformen errichtet hat, welche die letzten Feindseligkeiten hervorriefen. Der König habe zum Schluffe gejagt, „Meine Geduld ist erschöpft, ich habe mich zur Annckliop von Kreta entschlossen, als der eines Landes, welches mit Leib und Seele zu Griechenland gehört. Dieser Einschluß wird ev. gegen mich Zwangsmaßregeln veranlassen, aber ich werde den ganzen Hellenismus aus meiner Seite baden. Ich habe meiner Armee befohlen, die Okkupation Kretas nicht auizugeben, d>ssen Ver- Waltungsverhällnisse geregelt werden sollen. Sie können meine Erklärung Ihren Kollegen milteilen.
A t h e n, 21 . Febr. Wie die Agence Havas meldet, ist Prinz Nikolaus in Larissa eingetroffin.
Athen, 22. Febr. Die „Agence Havas" meldet: Anläßlich der Kundgebung einer Volksmenge von 30000 Personen auf dem Palaisplatze erschien der König auf dem Balkon und äußerte, daß er das Mandat des gesamten Volkes ausführe. Ec danke für die ausgedrückten Gefühle und wünsche, Gott wolle Griechenland schützen und in den gemeinsamen Anstrengungen stärken.
Athen, 22. Febr. „Agence-Havas-Meld- ung". Ein türkisches Transportschiff nahm in Herakleion türkische Soldaten auf und gehl, begleitet von einem englischen Torpedoboote nach Kanea. um dort ebenfalls Sodaten aufzunehmen. Es verlautet, eine gestern von Oberst Bassos übermittelte Erklärung au die Admirale betreffe lediglich einen etwaigen Angriff auf Kanea. deshalb werde Bassos die strategisch wichtigen Punkte im Innern der Insel besetzen.
London, 22. Febr. Wie die „Daily News" aus Canea meldet, wurde gestern nachmittag 4 30 drei britischen, einem italienischen, einem russischen und dem deutschen Kriegsschiffe das Signal gegeben, das Feuer auf die Stellung der Krelenser zu eröffnen. Im Ganzen wurden 70 Schüsse abgefeuert und der von den Kretern gehaltene Ort zerstört. Die Flagge wurde bald niedergeholt; nach 10 Minuten wurde das Ein- stellcn des Feuers angeordnet, worauf die Flagge wieder gehißt wurde.
London, 22. Febr. Reutermeldung aus Athen: Der griechische Kronprinz hat dem Bataillon seines Regiments, welches auf Kreta gesochten hat, folgendes Telegramm gesandt: Ich bin stolz auf den glänzenden Sieg, welchen mein Regiment davongetragen hat und beglückwünsche die Offiziere und Soldaten. Den als Helden gefallenen Soldaten wird ewiges Andenken bewahrt bleiben.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.