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126.

Amts- und Auzeigeölaii für den Bezirk Gatw.

76. Jahrgang.

Erscheint Dienstags, Dann er StagS und SamS:ogS. Die EinrückungSgebühr beträgt im Bezirk und in nächster Umgebung S Prg. die Zeile, weiter entfernt 12 Pfg.

Dienstag, den 22. Oktober 1901.

ß Vierteljährlicher AbsnnementsvreiS in der Stadt Me. 1.10

ins Haus gebrach:. Mk. 1. 15 durch die Post btzvgen im Bezirk; autzer Bezirk Mk. 1. 35.

Tagesneuigkeiten.

^Amtliches ans dem Staatsanzeiger.) Am 18. Oktober ds. Js. ist von der Evangelischen Oberschulbehörde die Schulstelle in Hornberg, Bezirks Calw, dem Unterlehrcr Karl Drük in Horrheim, Bezirks Aurich/Vaihingen a. E., über­tragen worden.

Breitenberg, mit den Wohnplätzcn Glas­mühle und Weikenmühle, hat eine Telegraphen- anstalt mit Telephonbetrieb erhalten. Die Eröff­nung findet am 22. ds. statt.

Röthenbach, 18. Oktbr. Der auf der Station Höfen angestcllte Eisenbahnpraktikant Eiscle schoß sich gestern hier in selbstmörderischer Absicht eine Kugel in den Kopf. Auf dem Trans­port nach dem Krankenhaus in Neuenbürg starb der junge Mann.

-s Deckenpfronn, 20. Okt. Mit dem Bau der Wasserleitung wurde nicht, wie geplant, im Frühjahr, sondern erst im August be­gonnen. Die Bemühungen, noch andere Orte, Oberjesingen, Kuppingen, Gärtringen, die auch unter Wasserarmut zu leiden haben, mit der hiesigen Ge­meinde zu einer Gruppe zu vereinigen, um ein größeres Wasserleitungswerk zu stände zu bringen, schlugen fehl. So blieb unser Ort auf sich allein angewiesen, entschloß sich aber trotz der hohen Kosten, die sich auf 120130 000 belaufen dürften, und wovon 90000 auf 50jährige Tilgung ausgenom­men wurden, zur Erstellung einer Wasserleitung. Die Quelle mit vorzüglichem Trinkwasscr aus dem Sandsteingebirge wird im Sulzer Thal im sogen. Himmcnreich" gefaßt und liefert in der Sekunde 1,2 l. Das Punipwerk mit Turbinenanlage und einer Leistungsfähigkeit von 812 Pferdckräften

wird in nächster Nähe der Kreuzung der Straßen Wildberg-Gülrlingen und Wildberg-Tulz erbaut. Es hat das Wasser 207 m hoch zu heben. Vom Hochbehälter, der imoberen Wald" angelegt ist, wird das Wasser mit einem Höhendruck von 25 40 m in den Ort geleitet. Die ganze Länge der Leitung beträgt ca. 5^/- km. Daran ist schon ein gutes Stück, die Verlegung der Röhren vom Ort bis zum Reservoir und von da aus-der größere Teil der Grabarbciten ins Sulzer Thal, vollendet, so daß bei anhaltend günstiger Witterung die Hoff­nung nicht ganz unberechtigt ist, das ganze Werk könne noch vor der Einwinterung fertig gestellt und der allgemeinen Benützung übergeben werden. In den bewährten Händen von Oberbaurat Ehmann, Stutt­gart, liegt die Bauleitung.

Stuttgart, 16. Okt. Eine mutige That hat ein trauriges Ende gefunden. Eine junge Dame, Fräulein Anna Bachner, eine geborene Tübingerin, kam bei einem Gang über die Königs­straße gerade dazu, wie ein kleiner Knabe Gefahr lief, von einem schnell daherfahrenden Wagen über­fahren zu werden. Von allen Umstehenden hatte sie allein den Mut, einzugreifen. Sie sprang schnell entschlossen hinzu und riß den Knaben weg, der mit einigen unbedeutenden Schürfungen davonkam. Da­gegen kam sie selbst zu Fall und erlitt schwere Verwundungen. Heute ist die mutige Lcbensretterin an ihren Verletzungen gestorben.

Stuttgart, 18. Lkr. Hier nimmt die Arbeitslosigkeit immer mehr zu. So sind im September 1000 Stellengesuche mehr als im Vorjahr Vorgelegen und 1600 Arbeitsuchende tonnten nicht befriedigt werden. Um diesem Zustand ab- znhelfen, stellten G.-R. Dietrich und G.-R Kloß in der heurigen GcmeinderatSsitznng den Antrag,

die städtischen Notstandsarbeiten jetzt schon beginnen zu lassen. Der Vorsitzende, Oberbürgermeister Gauß, teilte mit, daß sich die Bauabteilung bereits mit dieser Frage befaßt und beschlossen habe, die sofortige Inangriffnahme dieser Arbeiten zn ermög­lichen, sodaß demnächst mit der Ausführung derselben begonnen werden könne.

Stuttgart, 19. Oktbr. Im sogeuanten China-Prozeß, der bekanntlich wegen Be­leidigung der deutschen China-Truppen auf Antrag des preußischen Kriegsministeriums gegen denBe­obachter" vor dem Stuttgarter Landgericht anhängig gemacht worden ist, ist eine neue Wendung einge­treten. Die Anklage, die sich bisher auf einen Ar­tikel des Beobachters bezog und gegen den Chef­redakteur Schmidt, sowie gegen Redakteur Freund richtete, ist nunmehr auf zwei weitere Artikel und dieserwegen gegen Redakteur Freund ausgedehnt worden. Von der Verteidigung, die für diese Ausführung durch Ladung einiger Zeugen, darunter des Generalfeldmarschalls Graf Waldersee, einen Wahrheitsbeweis antreten will, ist deshalb ein Vertagungsantrag gestellt wor­den, demzufolge der Termin vom 25. Oktober noch­mals verschoben wird.

Cannstatt, 17. Okt. Gestern abend 7 Uhr stieß ein von Münster leer nach Stuttgart zurück­fahrender Landauer des Leihstallbesitzers Kurtz dort in der Nähe der Eisfabrik mit einem auf der Rück­fahrt von Stuttgart begriffenen nicht beladenen Fuhrwerk des Gutsbesitzers Hörr von Mühlhausen zusammen. Der Kutscher des Landauers wurde vom Bock geschleudert und erhielt Verletzungen im Gesicht und an den Händen. Am Landauer brach die Deichsel und ein Rad. Tic Pferde des Land­auers scheuten; eines derselben rannte gegen einen

Nachdruck verSorcn.

Lady Diaua's Geheimnis.

Roman von Florcnce Marriat.

1. Kapitel.

In Monaco.

Im Rauchzimmer eines der ersten Hotels van Monaco saßen in später Stunde noch eine Anzahl Herren verschiedener Nationalität zusammen. Die mei­sten von ihnen hatten mit mehr oder weniger Erfolg ihr Glück am grünen Tisch versucht, berechneten jetzt ihren Gewinn und Verlust und diskutirtcn eifrig über die Chancen des Spiels. Nur ein junger Mann, anscheinend ein Sohn Albions, beteiligte sich nicht an dem Gespräch; in der Fensternische lehnend, rauchte er schweigend seine Cigarre und begnügte sich, der Unterhaltung zuzuhören.

Das Erscheinen des Oberkellners, der mit sichtlich bestürzter Miene eintrat, unterbrach die Reden der Herren.Was giebt's, Henri?" rief man ihm zu. Der Mann sprudelte hastig einige Sätze hervor, deren Inhalt, obwohl verworren vorgcbracht, dennoch sofort die Aufmerksamkeit sämtlicher Anwesenden erregte.

Konnten Sie denn nichts ausrichten, Henri?" fragte einer der Gesellschaft. Und was sagt der Wirt, Herr Legros, dazu?"

O, der ist ganz außer sich," erwiderte der Oberkellner,denn er glaubt, daß sich der arme Herr ein Leid anthun wird. Und das in unserem Hotel.' Es ist schrecklich. So etwas ist bei uns noch nie vorgekommen!"

Wundern würde es mich nicht!" warf ein Holländer ein.Er hat die letzten Tage wie toll gespielt, wir haben es ja alle gesehen. Wenn er nun vorzieht, diese Welt mit einer besseren zu vertauschen, so lassen Sie ihm doch das Vergnügen."

Aber der Skandal! Bedenken Sie doch!" jammerte Henri verzweifelt.

Pah, was liegt daran! Ter Mann hat sein Geld mir vollen Händen ausgestreut und Ihr Wirt ist dabei nich: zu kurz gekommen. Lassen Sie den armen Burschen doch in Ruhe!"

Hat denn Herr Legros mit ihm unterhandel: oder versucht, die Thüre ge­waltsam zu öffnen?" fragte ein Anderer.

In diesem Augenblick erschien der Wirt selbst, ein kleiner, dicker Mann mit kahlem Kopf, dem der Angstschweiß auf der Stirne stand. Er hatte die letzten Worte gehört, denn er wiederholte in erregtem Tone:Versucht die Thüre zu öffnen? Meine Herren, ich schwöre Ihnen, daß ich alles gerhan habe, was ich konnte. Als der Herr vom Spieltisch zurückkehrte, fiel mir gleich sein starrer Blick auf. O, ich kenne diese Art. Mit aller Höflichkeit redete ich ihn an; er würdigte mich aber keiner Antwort und schloß sich sofort in sein Zimmer ein, wo er über eine Stunde hin und herlief. Jetzt ist es still geworden und deshalb befürchte ich das Schlimmste."

Die ihm zunächst Sitzenden brachen in lautes Gelächter aus.Ist das alles?" rief einer.Gehen Sie doch, Lcgros! Sie haben ein wenig zu lief ins Glas geschaut! Wozu dieser Lärm? Der Mann kommt müde und abge­spannt zurück und weil er statt nach Ihrer Unterhaltung mehr Bedürfnis nach Ruhe hat, schließen Sie daraus, daß er einen Selbstmord plant. Lächerlich!"

Nein, nein, meine Herren!" widersprach der Wirt.Die Sache ist wirklich nicht zum Spassen. Glauben Sie mir, ich kenne die Anzeichen solcher Katastrophen besser wie Sie. Der Herr ist nicht allein verzweifelt, sondern voll­kommen gleichgültig gegen sein Leben und alles andere. Das konnte man auf seinem Gesicht lesen. Und er wird sich töten, versichere ich Ihnen, wenn er nicht daran verhindert wird."