eitage zu Mr. 20 des GnztbuLers.
Neuenbürg, Samstag den 6. Februar 1897.
Konvertierung der vierprozentigen deutschen Reichsanleihe.
Der im Reichstage eingebrachle Entwurf des Konvertterungsgejetzes. der am 3. Februar mit auf der Tagesordnung stand, hat nahezu vollständig den Wortlaut des Gesetzes für die Konvertierung der vierprozentigen preußischen Konsols. Auch dort soll den Besitzern die Um- Wandlung in dreieinhalbprozentige Schuldverschreibungen angeboten werden, und soll dieses Angebot für angenommen gelten, wenn nicht binnen einer auf mindestens drei Wochen zu bemcssenden Frist die Barzahlung beantragt wird. Wie die vierprozentigen preußischen Konsols, sollen die vierprozentigen Titres der Reichsanlcihe noch bis zum 30. September d. I. mit vier Prozent verzinst werden. Auch die auf Grund dieses Gesetzes in dreieinhalbprozentige umgewandelten Reichsichuldverschreibungen sollen vor dem 1. April 1905 zur Barrückzahlung nicht gekündigt werden dürfen, und die Kündigsoll überhaupt nur auf Grund gesetzlicher Er mächtigung stattfinden können. Ferner wird bestimmt, daß bei der Umwandlung der 4°/oigen Reichsanleihe der Anschaffungsstempel nicht erhoben wird. Eine solche Bestimmung war in der Konvertierungsvorlage für die 4°/oigcn preußischen Konsols nicht enthalten.
Die Begründung, die sich ebenfalls fast genau an die der Konsolskonvertierung anschließt, empfiehlt „angesichts der derzeitigen Lage des Geldmarktes, den Interessen der Gläubiger weit cntgegenzukommcn«, auch in Rücksicht auf künftige Beanspruchung des Reichskredlts. Mehr noch falle ins Gewicht, daß die Reichsanleihcn im wesentlichen in Händen deutscher Gläubiger sich bifindcn, zu erheblichen Teilen als dauernde Anlage kleiner Kcpitalisten. firner von Stiftungen u. s. w. Im allgemeinen Interesse müsse thun- lichst vermieden werden, die Besitzer auf unsichere Spekulationen oder zweifelhafte Ausländsanleihen hinzudrängen.
Eine Herabsetzung auf 3°/» würde dem nicht entsprechen; sie sei auch insofern unbegründet, da der Zinssatz von 3°/o gegenwärtig und wohl für eine unabsehbare Zeit als ein landesüblicher nicht angesehen werden könne. Ferner würde die gleichzeitige Konvertierung der 4 und der 3'/r°/oigen Anleihen des Reiches und der Einzcl- staaten in 3°/„ige so ungeheure Summen zur Konvertierung bringen, daß eine außerordentliche Erschütterung des Geldmarktes und damit des Wirtschaftslebens zu erwarten gewesen wäre. Die deshalb auf nur 3'/s"/o vorgeschlagcne Umwandlung bezieht sich auf einen Nominal betrag von insgesamt 450 Mill. Mark.
Der auswärtige Handel Deutschlands
hat sich im Jahre 1896 recht günstig gestaltet Die seit dem Jahre 1891 anhaltende Steigerung der Einfuhr ist bis auf 36.4 Mill. Tonnen mit einem Wert von etwa 4'/- Milliarden Mk. gestiegen. Aber auch die Ausfuhr hat sehr er treulich zugcnommen, denn sie hat die Höhe von 25.7 Mill. Tonnen mit einem Wert von über 3'/» Milliarden erreicht. Gegen das Vorjahr ist die Einfuhr um etwa 4 Millionen Tonnen, ihr Wert um 327 Millionen Mark, die Ausfuhr um rund 2 Millionen Tonnen und deren Wert um 207 Millionen gestiegen.
Noch schärfer tritt die Steigerung unsers auswärtigen Handels hervor, wenn man um zwei Jahre zurnckgeht und d.ie Zahlen von 1894 mit dem letzten Handglsergebnis vergleicht. Dann ergiebt sich eine Wertstcigerung der Ein fuhr um fast 288 Millionen, der Ausfuhr um 580 Millionen Mark.
In der Ein- und Ausfuhr fällt allerdings auf die Ejd elmetallc ein ziemlich bedeutender Anteil. Die Edelmetall-Einfuhr hatte allein einen Wert von 249 Mill. Mark, die Edelmetall-Ausfuhr einen solchen von 227 Mill. Mark. Aber auch unter Berücksichtigung derselben stellt sich der Warenhandel im engeren
Sinne recht günstig. Gegen das Vorjahr beträgt die Steigerung der Einfuhr dann 203 Mill., die der Ausfuhr rund 86 Mill. Mark.
In der Bilanz zwischen der Ein- und Ausfuhr des Jahres 1896 ergiebt sich trotzdem ein Mehr der Einfuhr von 942 Mill Mk. über die Ausfuhr — gegen 822 Mill. Mk. im Vorjahre. Dies ist indessen nicht ohne Weiteres als ein ungünstiges Zeichen für den Gesamt- stand des deutschen Handels anzusehen. Die Mehreinfuhr von Edelmetallen ändert schon etwas an dem Gesamtbilde zu Gunsten des deutschen Handels. Dann aber ist in dieser Handelsbilanz der ungeheure Verkehr in Wertpapieren aller Art zwischen Deutschland und dem Auslande, der hohe Betrag, den das im Ausland angelegte deutsche Kapital an Zinsen empfängt, nicht mit berücksichtigt. Erst wenn man diesen Zustrom von Werten mit in Betracht zieht, erhält man einen sicheren Anhaltspunkt für die allgemeine deutsche Handelsbilanz, und da Milliarden von deutschem Kapital im Ausland werbend angelegt sind, darf man dreist behaupten, daß das Facit unserer Handelsbilanz im letzten Jahre mit einem Uebcrschuß abschließt.
Unterhaltender Teil.
Herzog Bogislav.
Von E. Escherich.
(Schluß.)
Gerade unter den Fenstern zu des Herzogs Schlafkommer war ein kleiner Ausbau, wie ein Schwalbennest klebte er an dem Schloßgebäude, drinn hatte Frau Brigitte, die Schaffnerin des Schlosses, ihre Wohnung. Bei ihr weilte ihre Schwestertochter Hertha seit dem gestrigen Tag auf Besuch Da alles schlafen gegangen, war das besorgte Kind wach geblieben. Ein seltsam unheimlich Gefühl beklemmte ihr den Atem. Das Gesicht dicht an die Luke ihrer Dachkammer gedrückt, hatte sie in die lautlose Nacht hinaus- gcstarrt — da war der heimlich Vermummte gekommen und wieder gegangen und kaum daß er verschwunden, blitzte cs drüben im Wohnsaal des Herzogs auf wie Feuerschein. Ein furchtbarer Verdacht steigerte sich in Hertha in Zeit eines Augenblicks zur Gewißheit. Wie eine Katze schwang sie sich auf's Doch und klomm den niedrigen First empor. Dann aber pochte sie mit starkem Finger an des Herzogs Fenster: „Wachet auf, Herr Herzog! Feuer! Feuer!!«
Bogislav sprang schlaftrunken empor und nach der Thüre; da er sie aufriß, schlug ihm die feurige Lohe entgegen; durch den Sturm angefacht, hatte sie ihm bereits den Ausweg nach dieser Seite hin verlegt. Aber da pochte es noch einmal gewaltsam an die Scheiben: „Hierher, Herr Herzog «
l Er riß sie auf, verwundert sah er in Hcrtha's Gesicht; sie aber faßte ihn bei der Hand: „Folget mir!« und sie zog ihn hinab denselben Weg, den sie gekommen, durch die niedrige Dachlucke und die Kammer über die schmale Treppe hinunter in den Hof.
Oben schlugen schon die Hellen Flammen aus dem Schloß, auch unten war's lebendig geworden. Henha's Feucrruf hatte die Schläfer allenthalben aufgeschreckt. Die Rosse rissen sie aus den Ställen, die Wagen aus den Sattel kammcrn; der schleppte dies, der jenes in der Verwirrung daher und über allem lohten die feurigen Zungen gen Himmel, und der Sturm trüb sie hinab in die Stadt, von Giebel zu Giebel sprangen sie in einem Flammenmeer begrabend, was Menschenhand einst mühselig aufgebaut.
Hertha halte Bogislav mit sich über den Burgwall hinaus in's Freie gerissen. Jetzt sprengte ein ledig gesattelt Pferd vom Feuer erschreckt daher, den Zügel lang am Boden nachschleppend. Das fing Hertha ein: „Steiget auf Herzog und fliehet! denn hier ist keine Sicherheit für Euch."
Er stand einen Augenblick unschlüssig: „Wohin?"
„Zu meinem Vater heim, für die nächsten Stunden. Das Weitere wird sich finden!"
Da sprang er in den Sattel und hob auch sie zu sich herauf: „In Gottes Namen!" und in die Nacht hinein stob das Roß unter seiner ungewohnten Last, daß die Feuerfunken unter seinen Hufen flogen. —
Das nächste Morgengrauen beleuchtete eine Stätte der Verwüstung. Wo wenig Stunden vorher noch Burg und Stadt Cöslin gestanden, da war nichts mehr als ein riesig rauchender Trümmerhaufen — nur am nordöstlichen Ende war ein einzig klein Häuslein unversehrt geblieben, bevor die Flamme zu ihm gekommen, hatte der Sturm sich gelegt. —
Auf dem Freihof des Bauern Dittmar stand der Herzog zur Abreise gerüstet zwischen dem Hausherrn und seinen erwachsenen Söhnen und vielen herzugckommenen Nachbarn und Gefreundeten. Sie alle waren bereit, ihm das Geleit zu geben nach der Landesgrenze. „Ich will zum Kurfürsten von Brandenburg gehen und ihm meinen Herzogshut zu Füßen legen, denn gegen meine widerspenstigen Edeln kann ich mich nicht behaupten, mein Land kann ich nicht schützen vor ihren raub- und ränkesüchtigen Anschlägen, so will ich es einem Andern in die Hände legen, der sie, wenn es not thut, mit bewaffneter Faust zwingen wird. Auch Euch wird es wohler sein unter dem sicheren Regiment des preußischen Fürsten."
Und die Bauern fanden keine Widerrede für seine Meinung, der alte Dittmar nur schüttelte ihm die Hand. „Ein ganzer Herr und Herzog wäret ihr gewesen unter anderen Umständen und keinen lieberen werden wir uns gewinnen; dennoch ist es besser nach Euerm Willen — denn sicher wäre hier Euer Leben keinen Augenblick — und hättet ihr erst die Augen geschlossen, dann hätten die Herren freies Spiel und dann ade armes Land.
So ziehet also in Gottes Namen hin und entsaget Eurer Würde, aber sichert Euch ein ruhig und glücklich Dasein. Eine Bitte nur haben wir noch, gedenket zuweilen an Euer Vaterland und an Jene, die dort wohnen und in deren Herzen Euch allzeit eine Heimstätte bleiben wird.
Ergriffen erwiderte Bogislav den ehrlich gemeinten Handschlag: „Die treuesten Unter- thanen habe ich gehabt, das Bewußtsein nehme ich mit in die Fremde." Dann wandte er sich nach Hertha um, die still und ernst unter der Hosthüre stand. „Das Leben hast Du mir gerettet aus den Flammen, und mehr als das aus dem armseligen Joch der Bedrückung, und anders nicht kann ich Drr's lohnen, als daß ich Dir Hand und Herz biete; eine Herzogskrone schwebt nimmer drüber, aber wenn Du zufrieden sein magst, eines redlichen Mannes Hausfrau zu werden, so will ich gerne in die Ferne ziehen, nchm ich dann doch den besten Schatz auS der Heimat mit mir."
Hertha hatte ihm mit maßlosem Erstaunen zugehört: „Herr Herzog —"
Ec aber lächelte und fuhr ihr sanft über's Haar: „Ein Herzog bin ich nicht mehr und Keiner der zu gebieten hat; ein Bittender steh' ich vor Dir —" und da sie ihm noch nicht allsogleich Antwort gab, hob er ihr Köpflein zu sich empor: „Will Jene, die mir in der überstandenen Not treulich zur Seite gestanden, mich in den kommenden Gefahren des Lebens allein und uuberateN lassen?«
Da legte Hertha ihre Arme um seinen Hals: „Ich null mit Euch gehen bis an's Ende der Welt!«
Ec aber schwang sie auf seinen Arm und sprang unter die harrenden Männer: „Zürnet nicht Vater Dittmar, wenn ich als lebendig Zeichen an die liebe Heimat Euch Euer holdselig Töchterlein entführe. Kann ich sie auch immer