»«s Stadt, Bezirk und Umgebung.

/X Schwann. 22, Jan. Seit etwa vier Wochen herrschen hier und im benachbarten Conweiler die Masern unter den Kindern in hohem Grade. Während diese Krankheit am Anfang ihres Auftretens einen gutartigen Ber. lauf nahm, zeigt sie sich jetzt bedeutend schlimmer und tritt in manchen Fällen Lungenentzündung hinzu. Verschiedene Kinder, welche die Krank- heit gut überstanden haben, legen sich nun zum zweiten Male, was wohl eine Folge davon ist. daß diese Kinder nach überstandener Krankheit wieder zu bald ins Freie gelassen worden sind Es dürste deshalb vre Mahnung an die Eltern am Platze sein, ihre Kinder nach übersiandener Krankheit bei gegenwärtig frostiger Witterung nicht zu bald wieder, wie man sagt,auf die Gasse* zu lassen.

Deutsches Seich.

Ein Hort des Bottes.

Es werden in unseren Tagen so viele Stimmen der Unzufriedenheit laut. Wo irgend die Interessen eines Einzelnen oder eincr.ganzen Berufsklosse um des Ganzen willen eine Ein schränkung erleiden, da sorgt die noch in keiner Zeit so ausgebildete Oeffentlichkeit der Presse dafür, daß Kassandrarufe den Markt erfüllen. Ist doch erst vor kurzem ganz offen als oberster Grundsatz der Parteipolitik die Losung verkündigt worden:Schreien ist im politischen Leben die Hauptsache!* Nicht jedem ist cs verliehen, hiernach die lauten Klagen über unsere Wirt schriftliche und politische Lage, über den Ruck gang unserer Zustände auf ihren Kern zurück- zuführen und an jener Losung zu bemessen, Wir glauben gerade am Geburtstage unseres Kaisers, an dem alle Deutschen zu ihrem Ober­haupte mit Dankbarkeit und Freude emporblicken und in ihm den Träger der deutschen Einheit,' den Schützer aller deutschen Interessen, den Schirmer des europäischen Friedens begrüßen, eine besondere vaterländische Pflicht zu erfüllen, wenn wir offen, ehrlich und ungeschminkt den Thatsachen ins Auge schauen und uns klar machen, welche Beschwerden berechtigt, welche unberechtigt sind.

An Klagen und Beschwerden, an Grund zur Unzufriedenheit und an nicht erfüllten Wünschen wird es nie auf der Welt fehlen, und sie werden um so lauter sich äußern, je glän» zender kurz zuvor Ereignisse von wcltgesch cht sicher Tragweite sich zugetragen haben, je größer der wirtschaftliche Druck ist, der auf allen Er werbszweigen, vor allem auf der Landwirtschaft, wie bei uns, so in der ganzen Welt, ruht Aber alle diese Klagen und Beschwerden können doch nie so in den Vordergrund treten, daß sie uns die Freude am Dasein, die Freude an unserm mächtigen, innerlich gesunden, stolz emporblühenden Vaterlande, die Freude an unserm eigenartigen, lebensfrischen, für alles Schöne und Große empfänglichen und es uner müdlich fördernden kaiserlichen Herrn stören könnten.

Jeder Vergleich, dem unsere Verhältnisse im Innern mit dem Auslande unterzogen werden können, wird nicht zum Nachteil unseres Vater­landes ausfallen. Wir erfreuen uns nahezu auf allen Gebieten menschlicher Thätigkeit und nicht zum mindesten auch auf dem politischen und parlamentarischen Gebiete wenn auch nicht guter, so doch durchweg besserer Zustände, als unsere Nachbarländer. Wir erfreuen uns vor allem einer festen und kräftigen Monarchie, wie sie rn keinem Staate der Welt so tief und so unerschütterlich in der Volksseele wurzelt.

Mit Recht sprach Herr o. Bennigsen im Reichstage den Satz aus:In Deutschland hat die Monarchie die tiefste» Wurzeln; denn hier ist, einzelne trübe Zeiten abgerechnet, die Monarchie, das Fürstentum, ein wahres Volks- fürstentum gewesen. Hier in Deutschland ist wirklich der Fürst der anerkannte Träger der Volksgewalt, geehrt als höchste Spitze des ganzen Volkstums, und hier in Deutschland hat min­destens mehr als in irgend einem Lande der Geschichte sich das Fürstentum in den Dienst des Volkes gestellt. Von Friedrich dem Großen

ist der Ausspruch bekannt und ihm nach­folgend haben andere Fürsten nach demselben Spruch gehandelt: der König soll der erste Diener seines Volkes, seines Staates sein. Und daraus ist gerade die Liebe und die Verehrung und das gefestigte Ansehen der Monarchie in Deutschland bis in die neueste Zeit, trotz der vielen Umwandlungen über dem Meere und in Europa und trotz der Unsicherheit der gleichen Bsrfassungsform in andern Ländern erhalten geblieben. Dieses große köstliche Gut für unser deuisches Volk wollen wir uns erhalten und wollen es vor weiterer Unterwühlung schützen.* Würdiger w ssen wir nicht die nationale Feier des Geburtstages unseres Kaisers zu be gehen, als das wir uns diese Mahnungen frisch und lebendig vergegenwärtigen.

Berlin, 23. Jan. Der Kaiser fuhr heute Vormittag beim R e i ch s ka n z le r vor und nahm einen längeren Vortrag desselben entgegen. Wie derNordd. Allg. Ztg.* mit­geteilt wird, währte der Bortrag des Reichskanzlers nahe an zwei Stunden. Dasselbe Blalt erfährt, die Beratung der Militär st rafprozeßordnung und des dazu gehörenden Einführuugsgesetzcs habe in den beteiligten Bundesratsausschüssen nunmehr begonnen

Der Reichstag hat am Freitage den Etat des Reichsamts des Innern erledigt. An diesem Tage drehte sich die Debatte namentlich um die Biehseuchengefahr. Mehrere Abgeordnete wünschten die absolute Grenzsperre gegen die Bieheinfuhr. Der preußische Landwirtschafts­minister, Freiherr v. Hammerstein, erklärte, man habe bereits nach verschiedenen Seiten gesperrt, die russische Grenze werde gleichfalls alsbald gegen die Schweine abgesperrt werden. Der Finanzminister habe Mittel zur Verfügung ge­stellt zur Erforschung des Seuchenbacillus. Am Samstag standen der Etat der Reichsschulden und des Rechnungshofs und die Novelle zum Unfallversicherungsgesetz auf der Tagesordnung.

Dem Reichstage ist der Entwurf einer neuen Grundduchordnung für das deutsche Reich zugegangen.

Der preußische Justizminister Schönstedt hat an die juristischen Fakultäten eine Verfügung über eine Reihe eingreifender Aenderungen des Rechts st udiums und der ersten juristischen Prüfung erlassen.

Berlin, 19. Jan. Einem Berichterstatter erklärte Staatssekretär v. Stephan, eine Ver­minderung der Telephongebühren sei vorläufig nicht thunlich. Der Ausfall von Millionen müßte durch neue Steuern gedeckt werden, das ginge aber nicht an, weil das Telephon ganz überwiegend den gebildeten Klassen zugute komme. Es sei ja richtig, daß die Telephonabonnenten in kleinen Städten verhältnismäßig mehr zu zahlen hätten als in großen. Aber eine Reform fei nur möglich in Verbindung mit einem brauch varen Gesprächszähler und der sei trotz aller Bemühungen bis jetzt noch nicht erfunden. Die Verwendung des Fahrrads im Dienste der Post erklärte Stephan gleichfalls für unthunlich. Den Landbriefrrägern sei es gestattet, sich eines eigenen Raves zu bedienen. Die allgemeine Einführung >ei aber unpraktisch, schon weil die älteren Leute dann entlassen werden müßten.

München, 22. Jan. Zu der Absicht, in diesem Jahre bayerisch-preußische Manöver in Gegenwart des Kaisers abzu halten, schreibt dieAugSb. Abendztg.* :schon im vorigen Jahre wurden Verhandlungen über gemeinsame Hebungen gepflogen, welche im Jahre l897 oder 1898 stallfinden sollten. Es war in Aussicht genommen, die beiden bayerischen Armeekorps an der bayerifch-württembcrgischen Grenze gegen Würtlemberger und Badener operieren zu lassen. Mit diesem Projekt soll auch der beabsichtigt gewesene Ankauf eines Schlosses in Mittelfranken durch den Kaiser in einem gewissen Zusammenhang gestanden haben. (Er handelte sich um das dem Kammersänger Anton Schott gehörige schloß Abenberg.)

Gegen die Verschlechterung unserer deutschen Sprache richtet sich eine Stelle im Bescheid der k. Regierung in Merseburg

an die ihr unterstellten Schulaufseher, die weiterer Beachtung wert ist: Unserer wiederholten Er­innerung daran, daß alle irgend entbehrliche» Fremdwörter in den Niederschriften zu vermeide» sind, ist noch immer nicht allgemein entsprochen worden (Ausdrücke wie Diskussion, Debatte lassen sich z B. ausreichend durch Besprechung. Erörterung wicdergcben) Auch machen wir bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam, daß die Schule und ihre Lehrer vornehmlich dazu be­rufen sind, manchen Unebenheiten und Sprach- widrigkeiten, die aus dem kaufmännischen Ge­schäfts- und sogen. Zeitungsstile in den allge­meinen Sprachgebrauch einzudringen drohen, nachdrücklich und sorgfältig entgegenzuwirken. Wir erwähnen nur den zunehmenden Gebrauch des hinweisenden Fürworts derselbe, dieselbe, dasselbe, statt des persönlichen und besitzanzeig­enden Fürworts (z. B. Wir haben die Verfüg, ung empfangen und werden dieselbe (statt sie) aussühren). Die Gewohnheit, einfache Zeitwörter durch Verbindungen von Zeitwörtern zu um­schreiben (z. B. zur Vorlage bringen statt vor- legen, in Wegfall kommen, statt wegfallen) unü die Biegung der Eigenschafts- und Mittelwörter, wenn sie als Aussagen gebraucht werden (z B. die Leseprobe war eine gute statt gut) Das Eigen- schaftswort wird m Aussagesätzen wohl in der lateinischen, aber nicht in der deutschen Sprache angewandt.

(Der Prozeß um die Friedensfestrechnung.) Wie wir erfahren, hat der Besitzer des Hotels Zum Schwan* in Frankfurt a. M. sich btt dem Urteil erster Instanz nicht beruhigt, sondern Berufung eingelegt. Er wartete dazu den letzten Termin, den 17. Januar, ab in der Annahme, daß vielleicht doch eine gütliche Einigung za Stande käme. Das ist jedoch nicht geschehen.

Ein Rechenexempel.

Die Sozialdemokraten verweisen bei ihren Versuchen, die Unzufriedenheit zu schüren und hierdurch für ihre Ideen Anhang zu gewinnen» mit Vorliebe auf einzelne reiche Leute, indem sie es so daistellen, als ob die Verhältnisse der Un­bemittelten bedeutend gebessert werden könnten, wenn man das gesamte Einkommen der Reichen und Armen gleichmäßig unter alle verteile. Die Unrichtigkeit dieser Behauptung ist schon wiederholt festgestellt worden. Auch durch die Zahlen, welche der preußische Finanzminister dem Landtage über die Veranlagung der Einkommen» und der Vermögenssteuer zugejtellt hat, wird schlagend nachgewiesen, daß die Sozialdemokratie den Leuten mit ihrer obigen Behauptung blauen Dunst Vormacht.

Aus den amtlichen Angaben geht zunächst hervor, daß mehr als drei Viertel der Haus- haltungsvocstände und sonstigen, bei entsprechen­dem Einkommen als Steuerzahler heranzuziehen- den Personen von der Einkommensteuer im Jahr 1897/98 befreit sind, weil ihr Einkommen geringer ist als 900 Mark jährlich. Das sind mehr als 8,6 Millionen. Ihnen gegenüber stehen die 2,65 Millionen Steuerzahler, die nicht weniger als 127 Millionen Mark Steuern be­zahlen müssen. Das gesamte Einkommen der­selben beläuft sich auf 6086 Mill. Mk Nimmt man an, daß die von der Einkommensteuer be­freiten 8,8 Mill. durchschnittlich 900 Ein­kommen haben, so ergiedt dies für sie zusammen 7740 Mill. 900 Mark ist zwar als Durchschnitt etwas hoch gegriffen, denn viele haben zweifel­los ein weit geringeres Einkommen; aber andere wieder werden, trotz ihrer Einschätzung thatsäch» sich ein höheres Einkommen haben; sind doch unter ihnen mehr als 232000 zurErgänzungs­steuer* hcrangezogen, weil sie über 6000 Mark Vermögen haben.

Wie dem auch sei, das gesamte Einkomme« der Bevölkerung würde trotz des zu hoch ange- setzten Durchschnittseinkommens von 900 Mk sür die von der Einkommensteuer Befreiten nur 6086 Mill. -ff 7740 Mill. 13826 M'll. Mk. betragen. Auf jeden der 11,2 Millionen die Zahl der Besitzer von Einkommen unter und über 900 Mark würden somit im Durch­schnitt 1234 Mk. Einkommen entfallen, wenn nach dem Rezepte der Sozialdemokraten ver­fahren würde. Im sozialistischen Staate würden