Hlnteryattender Teil.
Wanda.
Bon Albert Lindner.
(Fortsetzung.)
Noch einmal gab Lars dem Segel eine Wendung und dann lief das Boot fast parallel mit der Groninger Küste aut die Mündung der Ems zurück, zwar über die stachen schlammigen Warten dieses Wellenbereichs, aber ungefährdet, weil Lars auf hoher See so lange gekreuzt hatte, bis die rückkehrende Flut dem Fahrzeug hin- reichende Tiefe bot.
Hinter dem Rücken Lars sank der glühende Sonnenball immer näher der Linie des Horizontes entgegen und überschüttete die vor ihm sitzende Wanda mit Strömen lichten Goldes Der Rand des Sommerhuts deckte noch hinreichend ihre Augen. Ihr hübsches Gesicht war traurigen Ausdrucks voll in den Schooß geneigt. Sie fühlte wohl, wie Lars seinen Blick bewundernd auf die Anmut ihrer Züge hettcte und störte ihn nicht. Sein Auge mochte trinken aus dem Kelche ihrer Schönheit so viel es wollte, ja bis es berauscht war.
Und da lief wahrhaftig die erste Thräne über die Wangen der schönen Frau! Das hatte dem armen Burschen nur noch gefehlt, um ihm den Rest zu geben.
„Frau Baronin!" rief er leise.
„Jawohl, eine Baronin," ließ sie sich bitter hören, „und noch dazu eine von Bomilugk. Wollen Sie mich diesen Titel ewig hören lassen, damit ich selbst im Frieden dieser Natur mein Elend nickt vergessen kann?"
Die Thränen rannen, nickt mehr gehemmt.
„Lars Jcnsen, ich heiße Wanda —"
Sie streckte ihm beide Hände zu und sah ihn an. Lars faßte nach diesen Händen, aber er erhielt sie nicht. Wanda schlug sie plötzlich um seinen Hals und warf sich an seine Brust. Ihre Lippen ruhten einen Moment auf den seinen, daß dem jungen Fischer die Sinne zu vergehen drohten, da ließ sie das Haupt sinken und schluchzte laut.
„Er soll Dich nie mehr peinigen, Wanda. nie mehr!" rief Lars leise, drohend, scharf über ihren Scheitel hin.
„Rette mich! Sei mein Freund, damit ich doch einen habe!" rief es von unten her mit leiser Stimme.
„Wenn Du willst — auf Leben und Tod. Wir verlassen uns nie mehr!"
Er prtßte sie in leidenschaftlicher Wut an sich.
Die Baronin zuckte mit dem Kopf empor und übersah die Umgebung. Der Strand von Borkum lag etwa noch eine Viertelstunde entfernt. Die blendenden Metallscheiben des Reflektors blitzten in der Abendsonne über die hüpfenden Wellen hin.
„Da, Lars, der letzte für heute. Ich vertraue Dir, wie ich Dein bin. Fasse Dich, ich bemerke Spaziergänger am Strande dort!"
Noch einmal halte sie ihn geküßt, dann sich erhoben, war über den Sitz gestiegen, diesmal ohne Hilfe, und nahm wieder auf der vorderen Querbank Platz. Ihr Auge blickte unbefangen nach dem näher rücknden Strande. Das Boot fuhr auf, sie sprang empor, betrat mit einem Fuße den Bord und sprang hinab. Sie hatte eben eine Spazierfahrt gemacht, wie das täglich die Badegäste lhun. Weiter war nichts geschehen.
„Lars", sagte sie leise, während sie den Atlasübcrwurf auf den Schultern ordnete, so leise, daß es nur der Fischer, aber keiner der Spaziergänger hören konnte. „Lars, in den nächsten Tagen dürfen wir uns nicht sehen. Du selbst thue, was Du thun zu müssen glaubst. Gute Nacht, lieber Lars!"
Sie gierig dem Dorfe zu, während Lars Jensen in seiner Betäubung das Boot an den Pfahl gepflockt. Dabei zuckle er einmal mit dem Kopfe empor und warf das glühende Auge in die Richtung des Dorfes, wo eine blaue Robe noch eben zum letzten Male zwischen den Hütten sichtbar wurde.
Zwei Tage danach stand die Baronin Wanda gegen elf Uhr morgens am Landungsplätze des
Dampsbootes, das soeben vom breiten Becken des Dollart her sich der Insel näherte und eine Viertelstunde später den Anker fallen ließ. Unter den Ankommenden, die zu Boote nach dem Lande gekrackt wurden, befand sich ein stämmiger unter letzter Mann in den dreißiger Jahren, auf dessen Gestalt Wanda's Auge bei seinem Aussteigen ruhig, kalt, fast eisig ruhte und auch ruhen blieb, bis der Baron Bomilugk — denn er war cs — dicht an sie herangekommen war. Er verbeugte sich höflich und berührte mit seinem Munde ihre Stirn ganz flüchtig. Erst während dieses Momentes hatte Wanda das Auge zu Boden gesenkt und den Vorhang der Wimpern vorge- zvgen. Der Baron bemerkte nicht, wie blitzschnell ein scharfer gehässiger Ausdruck während des Stirnkusses, der fast ein Ausdruck des Ekels zu nennen war, über das schöne Gesicht geglitten war. Der Baron trat wieder zurück und fragte: ^ „Sie b> finden sich wohl, meine Gnädige?"
„Vollkommen wohl", lautete die leise, aber frostige Antwort. „Wohnung hat sich für Sie im Hotel gefunden. Wenn Sie es wünschen, begleit' ich Sie bis an's Haus".
Der Baron verbeugte sich und bot ihr den Arm. Seine Erscheinung hatte wenig Sympa- thisches. Buschige Augenbrauen machten den ohnehin stechenden Ausdruck des Auges geradezu drohend. Sein Schritt war energisch und klastisch; seine Kleidung war höchst gentlemanmäßig und in allen Teilen elegant und vornehm. Er trug, wahrscheinlich noch von seinem Tiroler Aufenthalt, eine grünbesäumte, graue Jagdjoppe, auf dem dichtwolligen schwarzen Haar einen spitzen Tirolerhut mit der Auerhahnfeder, an den Füßen Stulpenstiefel.
Die Baronin verabschiedete sich bereits an der Thür, nachdem sie ihn eingeladen, nach eingenommenem Diner den Kaffee in ihrer Wohnung zu nehmen >
„8ans Zone, meine Gnädige", warf er nachlässig hin. „Sie wissen, daß wir uns gewöhnt haben, uns in keiner Weise.zu molestieren. Ich werde nach dem Diner sofort den Strand besuchen. Bin furieux. zu wissen, auf was ich denn eigentlich auf dieser Insel mein Gewehr anlegen soll."
Er küßte mit Förmlichkeit die Fingerspitzen der Baronin und trat ins Hotel.
Der Baronin mußte daran liegen, daß ihr Gemahl, der doch auf seinen Jagdausflügen eines Führers oder Boolfahrers bedurfte, diesen in der Person des Fischers Lars Jensen erhielt und sie sorgte bereits am Abend desselben Tages dafür, als der Baron seinen Besuch machte, daß seine bezüglichen Wünsche auf diesen Fischer gelenkt wurden. Rasch entschlossen, wie er in allem zu handeln pflegte, schickte er sofort die Kammerfrau zu Jcnsen's Hütte und ließ Larsen sagen, daß er dessen Dienste als Bootführer für den ganzen morgenden Tag in Anspruch nehme.
In der achten Stunde des folgenden Vormittags stieß das Boot Jensen's mit dem Baron vom Strande. Zwei Fischer, die in der Nähe beschäftigt waren, sagten später aus, daß sie folgendes Gespräch zwischen den Beiden gehört hätten, wobei Lars Jensen auffallend finster ausgesehen und fast unhöflich kurz geantwortet hätte.
„Kann man Seehunde jagen?" fragte der Baron, dessen Stolz es kaum zuließ, dem Fischer einen deutlichen „Guten Morgen" zu bieten.
„Wenn sie sich jagen lassen, warum nicht", antwortete Lars, sich mit seinem Segel be- schäftigend.
„Und wann kann das geschehen?"
„Wenn sie zu Strande kommen, um sich zu sonnen."
„Wenn — wenn! Und wenn beliebt es den Tieren?"
„Weiß ich nicht. Der Jäger liegt lauernd hinter dem Kamm der Dünen und wartet sein Wild ruhig ab."
Der Baron sah höchst ungeduldig aus.
„Und draußen in See ist das nicht möglich?"
„Nein. Der Seehund bemerkt den Jäger schon stundenweit. Es soll nicht leicht sein, auf
offener Ebene, wie das die See ist, sich ungesehen heranzuschleichen."
Das letzte war in spöttischem Tone bemerkt. Der Baron sprang ohne Erwiderung in's Boot und deutete mit dem F nger nach West Südwest.
„D'e Insel dort?"
„Rottum "
„Fahr mich dahin. Ich will Möoen schießen."
„Geht nicht. Ist bei Rottum verboten."
„Verboten? Warum?"
„Die Insel ist holländisch und bildet eine Brutanstalt für die Möven."
„Essen die Holländer diese thranigen Eier?"
„Sie sind cs gewöhnt und verkaufen ihre Gänse-Eier an die deutschen Märkte im Osten. Die Jahresernte an Möoeneiern hat für die holländische Regierung, man sagt, einen Wert von zwei Millionen Ein Regierungskutter liegt zur Bewachung des Seeflügels dort in der Bucht. Wohin also nun, Herr Baron?"
Die letzten Worte stieß Lars heraus, als wenn er unwillig oder unzufrieden damit sei, daß dieser Mensch ihn habe so viel Worte reden lassen.
„So fahrt zum Teufel oder wohin Ihr wollt. Ich denke, daß mir auf hoher See doch was zu Schuß kommt."
Weiter hatten die beiden Fischer von dem Gespräch nichts gehört.
Lars stieß ab und nahm dasselbe Fahr- Wasser, wie an jenem Tage mit Wanda Erst als sein Segel nur noch wie ein weißer Punkt im fernen Westen stand, wandten sich die müßigen zwei Fischer am Strande ihrer Beschäftigung wieder zu: wundgescheuerte Taue wieder auszu- bessern. So lange hatten ihre Augen das Boot verfolgt, während ihre ganze Verständigung nur in Kopfschütteln bestand. einesteils über den wunderlichen Jagdliebhaber, andcrnleils über , das Benehmen des Lars, das ihnen ganz ungewöhnlich war.
Aber die Abfahrt hatte noch einen anderen Zuschauer gehabt Mit scharfem Blicke hatte der junge Fischer, als er kaum zehn Meter weit in See gelangt war, den Strand gemustert und seine Erwartungen nicht geiäuicht gesehen. Auf einer Düne stand eine we'dliche Erscheinung, die mit einem weißen Tuche winkle. Der Baron, der die See musterte, bemerkte sie nicht. Ader das Auge des Fischers glühte in unheimlichem Feuer auf und vielleicht hätte der Baron Bedenken getragen, die Fahrt fortzus-tzen, wenn er den Blick gesehen hätte, den ihm der Bootsführer vom Steuer her zuwarf.
(Schluß folgt.)
(Schlagender Beweis.) A.: „Halten Sie das dunkle oder Helle Bier gesünder?" — B.: „Lassen S' mich aus mit dem Hellem Bier! Neulich trink ich fünf Maß dunkles, war pudelwohl dabei; dann trink ich noch fünf Maß Helles — und aus wars.
(Sprachkundiger Frankfurter.) Lehrer: „Woher hat denn das Porzellan den Namen?" — Der kleine Hans: „Wahrscheinlich davon, weil es so leicht zerbricht, wenn es Hinporzelt!"
Telegramme.
Bremen, 21. Jan. Infolge der Ausdehnung der P e st an der Westküste von Indien hat die hiesige Quaiantänbehörde gesundheitspolizeiliche Kontrolle für alle aus der dortigen Gegend und den persischen Häfen kommenden Seeschiffe angeordnet.
Leipzig, 21. Jan. Das Reichsgericht verwarf die Revision in dem Münchner Haberer- prozeß, sowie in dem Prozeß gegen Dr. Volbeding in Düsseldorf.
Greiz, 21. Jan. Die große Spinnerei und Weberei von Schulz u. Co. ist bis auf die Umfassungsmauer niedergebrannt. 500 Webstühle wurden vernichtet, 250 Arbeiter sind brotlos geworden.
Belfast, 21. Jan. Der hier ausgebrochene Streik in der Spinnerei- und Webereiindustrie hat heute eine große Ausdehnung angenommen. Es feiern ungefähr 10,000 Arbeiter.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.