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der übrigens an seiner großen Gestalt leicht kenntlich ist. Er führt einen Revolver bei sich. Die Reichsbank hat schon vor einiger Zeit dem Direktor Hegele gekündigt, sodaß derselbe in etlichen Wochen seinen Posten hätte verlassen müssen. Hegele selbst war. abgesehen von einem beschränkten Kreis von Bekannten, wenig beliebt; dagegen wird seine ahnungslose Familie allgemein bedauert. (Wie gemeldet, hat Hegele in einem Gasthof in Lichtensteig einen Selbstmordversuch durch Morphium begangen und ward ins Spital gebracht.)
Württemberg.
Nachdem die württemb. Kammer der Abgeordneten auch das neue Farren- haltungsgesetz mit großer Mehrheit und die Kammer der Standesherrn das Staatsschulden« konvertionsgesetz mit allen gegen die eine Stimme des Fürsten v. Hohenlohe-Jagstberg angenommen hatte, ist unser Landtag durch Kgl. Rescript am letzten Freitag auf unbestimmte Zeit vertagt worden. Wäre die Vertagung nicht ausgesprochen worden, so hätten die Abgeordneten bis znm Wiederzusammentritt der Kammer ihre Diäten weiter bezogen und das wäre die Staatskasse ziemlich teuer zu stehen gekommen, selbst wenn der Landtag schon wieder auf Mitte Januar einberusen werden sollte. Der Zeitpunkt der Wiedereinberufung ist zwar noch nicht festgestellt. dürfte aber nicht mehr allzulange auf sich warten lassen, da der Landtag bekanntlich diesmal das Budget zu beraten hat, welches mit dem 1. April bereits in Kraft treten soll. Ueberdies stehen ja sehr wichtige Steucrgesetze auf dem Arbeitspensum des Landtags und sowohl der Etat, als diese Gesetzentwürfe werden sehr lange Debatten Hervorrufen, so daß der Landtag auch bei recht frühzeitiger Wicdereinberufung, voraussichtlich bis in den Mai beschäftigt sein dürfte. Die Frage der Verfassungsrevision wird dem Landtag voraussichtlich im nächsten Spätherbst vorgelegt werden. Ueber das diesbezügl. von der Staatsregierung ausgearbeitete Projekt, das einstweilen nur je einem Vertrauensmann der einzelnen Fraktionen der 2. Kammer mitgeteilt wurde, verlautet bis jetzt nur so viel, daß die die sogen. Privilegierten aus der 2. Kammer entfernt und durch, mittels der Proportionalwahlen gewählte, weitere Abgeordnete ersetzt werden sollen. Die seitherigen Bezirkswahlen werden auch in Zukunft noch fortbestehen. Ob Stuttgart und andere größere Städte des Landes weitere Abgeordnete wählen dürfen, scheint noch eine offene Frage zu sein. Ob der von der Regierung ausgearbeitele Verfassungsentwurf auch etwas über die Diäten der Abgeordneten dezw. über die Nichtgewährung von Diäten an solche Abgeordnete, die in Stuttgart und nächster Umgebung wohnen, enthält, ist noch nicht bekannt geworden. Wenn es sich doch um eine gründliche Verfassungsrevision handelt, so wäre auch vielleicht die Frage in Erwägung zu ziehen, wie man dem Berufsparlamentariertum Schranken setzen könnte. Wenn man doch die Lebens- länglichkeit eines Schultheißenamtes als ein Uebel bezeichnet, so darf die thatsächliche Lebens- länglichkett eines Abgeordnetenmandats als ein Landesschaden bezeichnet werden.
Im Bezirk Gmünd ist es anläßlich der Stichwahl zwischen den beiden Zentrumskandidaten, Rektor Dr. Klaus und Pfarrer Schwarz, zu einer hochgradigen Erregung der Gemüter gekommen. Die Stichwahl ist nun glücklich vorüber und Pfarrer Schwarz als Sieger aus der Urne hervorgegangen, aber die Aufregung dürfte in Stadt und Bezirk Gmünd noch lange anhalten. Die katholische Stadtgeistlichkeit von Gmünd hat sich sogar im Staatsanzeiger zu einer öffentlichen Erklärung veranlaßt gesehen, wobei sich die betreffenden geistlichen Herren sogar gegen einen Artikel des kathol. deutschen Volksblattes verwahrten und sich über Erschwerung ihres priesterlichen Berufes beklagten. Die katholischen Geistlichen von Gmünd standen mit einer einzigen Ausnahme auf Seiten des Rektors Dr. Klaus. Die Urheber der Kandidatur Schwarz haben dem Zentrum einen bösen Hieb versetzt.
Die bürgerlichen Kollegien von Stuttgart haben dem Oberbürgermeister wegen seines großen Repräsentationsaufwandes eine Gehaltsaufbesserung von jährlich 3000 bewilligt, was ein gutes Zeichen für den auf dem Rathaus herrschenden Frieden ist. Die bürgerl. Kollegien in der Landeshauptstadt dürfen überhaupt etwas mehr für die Repräsentation der Landeshauptstadt ausgeben.
Stuttgart. Das neue Landesgewerbemuseum wird am dritten Weihnachtsfeiertag wieder geöffnet werden und von Montag den 28 ds. Mts. je von morgens 10 bis nachmittags 4 Uhr (an Werktagen) dem allgemeinen Besuch offen stehen.
Schramberg. Der Kassler des hies evang. Arbeitervereins ist geflohen, nachdem er 350 Vereinsgelder unterschlagen har. Man traute ihm nicht mehr und es stand eine Kassen- revission bevor.
Ausland.
Im österreichischen Abgeordnetenhause hat der Abgeordnete Steiner einen Dringlich- keitsantrag auf Vorlegung eines Gesetzentwurfs zur Bekämpfung des Terminhandels in landwirtschaftlichen Piodukten gestellt. Ueber den An- trag soll in der nächsten Sitzung, am 4. Januar 1897, verhandelt werden.
In der französischen Deputiertenkammer beantragte am Samstag ein Sozialist, die Regierung zu ersuchen, daß sie eine internationale Konferenz der Mächte zu einer allgemeinen Entwaffnung herbeisühre Er verlangte für feinen Antrag die Dringlichkeit. Der Minister- Präsident Mäline sprach sich gegen das Verlangen aus und die Dringlichkeit wurde hierauf mit 490 gegen 35 Stimmen abgelehnt.
Die italienische Verfassung schreibt vor, daß dem Thronfolger bei feiner Vermählung eine Jahresapanage von 1 Million Lire zugewiesen werden müsse. Um die Staatskasse nicht höher belastet zu sehen, erklärte der König Humbert, daß er von seiner Zivilliste, welche jährlich 14'/» Millionen beträgt, diese Million der Staatskasse zurück erstatten werde. Trotzdem führten die Sozialisten in der italienischen Kammer wegen dieser Kronprinzen-Apanage eine f geradezu abscheuliche Szene auf, wobei einer derselben namens Colajani ausrief: „Diese Kammer ist der größte Schweinestall auf der ganzen Erde!" Die Apanage des Kronprinzen wurde aber mit großer Mehrheit bewilligt und ein Antrag auf Kürzung der Kgl. Zivilllste um jährlich eine Million abgelehnt.
In England ist die für die Weihnachtsfeiertage übliche politische Stille schon allgemein eingetreten. Die Schiffsheizer und Dockarbeiter in Glasgow haben aus die Fortsetzung des Streiks verzichtet und die Arbeit zu den alten Bedingungen wieder ausgenommen. — Die Transvaalrepublik hat von den Engländern für den berüchtigten Jameson'schrn Einfall nur 100000 Pfd. Sterling als Entschädigung verlangt, statt einer bedeutend höheren Summe, wie früher gerüchtweise verlautet hatte. Diese 100000 Pfund — 2 Mill. Mark sollen schon nächster Tage an die Transvaalrepublik ausbezahlt werden.
Aus der Schweiz, 22. Dezember. In Neuenburg kam gestern ein Mann auf die Polizeiwache und bat, einen Menschen töten zu dürfen. Ein Polizist ging unter scheinbarem Einverständnis mit ihm zum Untersuchungsrichter, wurde aber auf dem Wege von dem Manne plötzlich gestochen. Nur mit Mühe gelang es, den offenbar geisteskrank gewordenen Mann dingfest zu machen.
Amsterdam, 21. Dezbr. Mehrere geheimnisvolle Frauenmorde, die in jüngster Zeit hier, besonders in einem neuerbauten Stadtteile, vorgekommen sind, wecken den Verdacht, daß ein Geisteskranker die schrecklichen Thaten „Jack des Ausschlitzers" nachahme.
Saint-Brieuc (Frankreich, Departement Cotes du Nord), 23. Dez. Im Frauen- Jrrenhause zu Begard brach heute Nacht Feuer aus. das einen Teil der Anstalt, sowie die ganze anstoßende Kirche zerstörte. Sämtliche 800 Kranke konnten gerettet werden.
K o n st a n l i n o p e l. 23. Dezbr. Ein gestern erlassenes Jrade gewährt Generalamnestie für die Armenier, ausgenommen 84 zum Tode verurteilte, welche zu Freiheitsstrafen begnadigt sind, darunter die Bischöfe von Bitlis und Has- koy. welche in ein Jerusalemer Kloster einge- schlossen werden
Vermischtes.
Berlin, 17. Dez. Eine unangenehme Weihnachtsüberraschung wurde, wie die „Tägl. Rundschau" mitteilt, einem dieser Tage nach mehrmonatiger Abwesenheit von der Riviera in die deutsche Heimat heimkehrenden Ehepaar zuteil. Als es nämlich den Salon öffnete, strahlte ihm in vollem Lichterglanze der von der Decke herabhängende achtflammige Gaskronleuchter entgegen, den das Dienstmädchen in seiner Herzensfreude, nach Italien mitgenommen zu werden, bei der Abreise auszulöschen vergessen und der nun Monate lang, Tag und Nacht, gebrannt hatte. Die Gasrechnung von nicht geringer Höhe ist sowohl für die Herrschaft, wie für die vergeßliche Magd ein bitterer Nachgeschmack zu der schönen Reise.
Aufgabe.
Eine gewisse Summe, mehr als 200, aber weniger als 270 Mark, sollte unter eine Anzahl armer Familienväter, die zu einer Weihnachtsbescherung eingeladeu waren, gleichmäßig verteilt werden. Zwei der Eingeladenen waren nicht gekommen. Daher erhielt jeder der Erschienenen jetzt 50 Pf. mehr, als er sonst erhalten hätte. Wie groß war die verteilte Summe? Wie viele waren erschienen?
Arithmogriph.
1 2 3 5 scheucht Sorg' und Leid,
2 3 9 giebt es zur Weihnachtszeit.
3 9 3 9 als Gottheit bekannt,
4 6 5 5 6 wird ein Mädchen genannt.
5 2 1 6 ist ein bekannter Fluß,
Den man im Osten suchen muß.
6 7 4 8 nennt eine Zahl,
Kommt man hinein, so ist's fatal.
7 2 5 8 hat wenig Wert,
4 6 9 2 wird gern verzehrt.
8 6 5 8 5 schenkt diesmal sicher
Den Kindern Spielzeug und Märchenbücher,
9 2 3 10 2 braucht man täglich,
10 6 4 5 2 im Wind beweglich,
2 9 9 2 ragt himmelan,
9 6 8 3 5 sieht sich wie Seide an.
8 6 5 5 2 strahlt in herrlichem Schimmer, Erfüllt mit heiligem Duft das Zimmer. Dann ist die Zeit der Glückseligkeit,
Der alle Herzen entgegenschlagen,
Und wie sie heißt, die schöne Zeit,
Das werden die Anfangszeichen dir sagen.
Mit dem 1 . Januar beginnt ein neues vierteljährliches Abonnement auf den
„GuztMer".
Wir bitten unsere geehrten Leser die Bestellungen bei der bisherigen Bezugsstelle alsbald zu erneuern, wenn keine Unterbrechung im Empfang des Blattes eintreten soll.
In Neuenbürg abonniert man bei der Geschäftsstelle, sonst überall bei den betreffenden Poststellen und Postboten.
Der Enzlhäler enthält bekanntlich die amtlichen Bekanntmachungen sämtlicher Behörden des Bezirks. Wie er über die wissenswerten Ereignisse im Bereiche der Politik schnell orientiert, was ihm dejonders durch telegraph. Nachrichtendienst möglich ist, so legt die Redaktion großen Wert auf gediegenen Unterhaltungsstoff und Mitteilung gemeinnütziger Sachen.
Wir bitten deshalb alle unsere Freunde, mit uns dafür zu wirken, daß
„Der GrrztlMer"
in jedem Hause bekannt und heimisch werde.
Privat-Arrzeigen
aller Art finden durch den Enzthäler in unserem Oberamtsbezirk die dichteste Verbreitung und sind deshalb von bestem Erfolg.
Wed. «. Vertag des Knzthäters.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh tu Neuenbürg.