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eine ziemlich mäßige. Auch der Handel gestaltete sich nicht besonders lebhaft. Rege Nachfrage war nach gutem schweren Mastvieh, das aber nur in ganz geringer Anzahl ausgestellt war, weswegen die zahlreich erschienenen Mastochscnbändler als bald wieder den Markt verließen. Recht lebhaft wurde auf dem Schweinemarkt gehandelt. Die in größerer Zahl feilgebotenen Milchschweine vnd Läufer fanden raschen Absatz, jene um 12 bis 20 otL, diese zu 35—70 otL per Paar.
Anstand.
Paris, 19. Dez. Bei der Besprechung der Kammerverhandlungen über das Kriegs- budget stellt der „Figaro" nach genauen Er- kundigungen fest, daß für Frankreich die baldige Notwendigkeit in Aussicht steht, eine umfassende Umwandlung in der Bewaffnung des Heeres, namentlich der Artillerie, herbetzuführen. Die Regierung werde außergewöhnliche und beträchtliche Geldbewilligungen fordern müssen: über 200 Millionen für "die Artillerie und beinahe 100 Millionen für die Infanterie. Diese Forder- ungen. sagt das Blatt, dürften sehr bald ein gebracht werden.
C h L l o n s su r Ma r n e. 19. Dez. Die Marne ist in reißendem Steigen be- greiffen. Man befürchtet große Hochwasser. zumal die jüngst niedergegangenen Schneemassen von dem eingetretenen Regen plötzlich aufgelöst werden.
Cuneo, 19. Dez. Zahlreiche Lawinen sind in Piemont niedergcgangen. Eine derselben hat das Bahnhossgebäude von Limone verschüttet. Menschenleben gingen dabei nicht verloren. Eine andere Lawine ging auf der Straße nach Balderies nieder und begrnb mehrere Arbeiter.
A u s A m e r i ka . 17. Dez. Aus New- Dork wird ein furchtbarer Schneesturm gemeldet, wie er seit 1888 nicht erlebt worden sei. Der Verkehr zu Wasser und zu Lande stockt völlig. Der vergangene Sommer war in Amerika bekanntlich außergewöhnlich heiß.
Die Verhaftung des englischen Arbeiterführers Tom Man in Hamburg und seine Ausweisung von dort hat sogar zu einer diplomatischen Aktion geführt. Tom Man hatte sich bei seiner Regierung über die ihm deutscherseits gewordene Behandlung beschwert. Lord Salisbury ließ mit der Unterstützung des englischen Botschafters in Berlin die Sache genau untersuchen, die Untersuchung ergab, daß die Verhaftung und Ausweisung Tom Mans vollkommen gerechifertigt war.
In der Türkei sind zu den politischen Wirren nun auch religiöse hinzugetreten. Für Ueskneb wurde ein Bischof Ambrosius von der Synode mit schwacher Mehrheit gewählt, gegen den namentlich die Serben energisch protestierten und ihn im Schulhaus belagerten, damit er von der Amtswohnung des Bischofs nicht Besitz ergreifen könne. Sie drohen sogar mit einer Lossagung vom Patriarchat in Konstantinopel, also mit einem Schisma, wenn Ambrosius nicht entfernt werde. Giebt aber der Sultan diesen serbischen Forderungen nach, dann ärgern sich die Griechen und die Bulgaren. Die Botschafter der Großmächte sollen nun in der Hauptsache bezügl. gemeinsamer Schritte zur Erzwingung von Reformen beim Sultan sich geeinigt haben. Letzterer kommt aus den Aengsten und Nöten gar nicht mehr heraus. Er fühlt sich nunmehr auch von der jungtürkischen Partei bedroht und soll eine große Anzahl derselben bereits haben hinrichten lassen. eM .. W
Paris, 17. Dez. Das große Loos der Panama-Lotterie gewann eine arme Marseiller Marktfrau.
Unterhaltender Heil.
Die Löwendame.
Eine Weihnachtshumoreske von Gustav Höcker.
(Fortsetzung.)
„Hat er einen Bart?" forschte die Neugierige weiter.
„Einen Barl?" lächelte der Gatle. „Nein."
„Na, na! Es soll Vorkommen, daß sich im reiferen Alter ein Schnurrbärlchen einsindet," verplapperte sich kur Onkel wieder.
Eduard hustete.
„Bei einem Universitätsfreunde meines Mannes?" frug Bertha. „Der dürste denn doch schon über den Primanerflaum hinaus sein. Da Dein Freund 14 Tage bei uns bleibt," fuhr sie fort, die Schnur von dem Packele lösend, „so habe ich, damit es ihm an keiner Bequemlichkeit fehlt, noch dieses nützliche Möbel angeschafft."
Die Hülle sank.
„Ein Stiefelknecht!" riefen Onkel und Neffe wie aus einem Munde und brachen in unbändiges Gelächter aus.
„Wenn der ihm nicht zu weil ist," rief der alte Herr, so muß er auf sehr großem Fuße leben."
„Das ist bei dem sogenannten starken Ge schlechte meistens der Fall," gab Bertha zurück. „Doch entschuldigen Sie mich, Onkelchen, ich muß in die Küche, um nach den Karpfen zu sehen." Damit schlüpfte sie zur Thür hinaus.
„Ich werde D'ch jetzt der Gesellschaft meiner Frau überlassen Onkel," sagte Ellern, nach seiner Uhr sehend. „Es ist Zeit, daß ich zum Bahnhof gehe, um die Mama in Empfang zu nehmen. Doch, da habe ich ja ganz vergessen, den Brief zu öffnen."
Er riß das Couvert auf und nahm eine beschriebene Karte heraus.
„Nun wahrhaftig! ein Redakteur ist doch das geplagteste Geschöpf unter der Sonne", rief er ärgerlich, nachdem er gelesen hatte. „Da habe ich unseren Localreporter beauftragt, ein paar Zeilen über die Ausladung einer berühmten Menagerie zu schreiben, die in dieser Stunde mittelst Extrazugs hier eintrifft, und jetzt teilt er mit, daß er zu einem großen Fabrikbrande müsse, der eben aus einer Vorstadt telegraphiert werde, und ersucht mich, den Menagerie-Artikcl selbst zu übernehmen. Wie soll ich nun den wilden Bestien und meiner Schwiegermutter zugleich die Honneurs machen? Ich kann mich doch nicht zerteilen."
„Ich helfe Dir aus der Verlegenheit, mein Junge", rief der Onkel eifrig, „Du empfängst die Schwiegermutter, ich empfange die wilden Tiere und schreibe Dir den Menagerieartikel." (Er war bereits in seinen Reiscpelz gefahren) „O, ich Hab' einmal als Qintaner den besten Aufsatz in der ganzen Klaffe geliefert."
„Ich bin Dir sehr dankbar," sagte Ellern, dem das nicht sonderlich zu imponieren schien, „aber erlaube mir, eine andere Teilung der Arbeit vorzuschlagen. Nimm Du die Schwiegermutter auf Dich und überlaß mir die Menagerie."
Der alte Herr fügte sich und Beide giengen.
„Wohin entführst Du mir denn den Onkel?" frug Hertha aus der Küche heraus.
„Wir werden nicht lange ausbleiben". erwiderte Eduard ausweichend.
Franzi öffnete den Herren zuvorkommend die Vorsaalthüre und lauschte dann, was beide, wahrend sie die Treppe Hinabstiegen, mit ein- ander sprachen.
„Wer kommt denn zuerst an", hörte sie den Onkel fragen, „die Menagerie oder sie?"
„Beide kommen zugleich an."
„Verzeihe meine Vergeßlichkeit, aber wie heißt das Wort, woran ich sie erkennen soll?"
„Sürah, Onkelchen. Sürah!"
Dann verloren sich die Stimmen.
„Ei, ei, Herr Doktor" , resümierte Franzi, das ist ja eine recht saubere Geschichte! Erst zwei Monate verheiratet! Was man doch erlebt, wenn man bei vielen Herrschaften herumkommt!"
In die Küche zurückgekehrt, laßt? sie sich ein Herz, ihrer ahnungslosen jungen Herrin bas furchtbare Geheimnis zu enthüllen. Der erwartete Besuch sei gar kein Universitätsfreund des Herrn Doktors, eröffnet? sie dieser, nachdem sie einige geheimnisvolle Andeutungen voraus- geschickt hatte. Sie habe — natürlich gegen ihren Willen — mit ihren eigenen Ohren angehört, wie der Herr Doktor dem Onkel anverlraute, der Gast )ei eine Dame, und ihm einfchärfte, um Gotteswillen der gnädigen Frau nichts davon zu verraten. Es fei eine atte Flamme des Herrn Doktors.
Bertha wollte kein Wort davon glauben. Aber Fränzi trat mit einem so vermessenen Schwure für die Wahrheit ein, daß die junge
Frau, die ohnehin stark zur Eifersucht neigte, irre wurde. Nun fielen ihr auch die seltsamen Reden des Onkels ein, als sie gefragt hatte, ob Eduards Freund verheiratet sei und ob er einen Bart habe, wobei sie an ihrem Gatten eine ge- wisse Verlegenheit beobachtet zu haben glaubte, und endlich das Gelächter der beiden beim An- ' blick des Stiefelknechts.
„Sie heißt Sarah," ergänzte Fränzi ihren Bericht, „und der Herr Doktor ist eben mit dem Onkel zum Bahnhof gegangen, um sie abzuholen. > i Der Onkel empfängt sie, weil sich der Herr Doktor wahrscheinlich geniert, denn denken Sie nur, gnädige Frau, sie kommt mit der großen Menagerie an."
Hertha stieß einen Schrei aus. Sie hatte einmal in den früheren Jahrgängen der „Morgenpost" geblättert und darin ein von Eduard geschriebenes Feuilleton gesunden, worin er in schwungvollen Worten eine sehr schöne junge Löwenbändigerin gefeiert hatte. O', nun war's sonnenklar, es war die Löwendame! 14 Tage wollte der geheimnisvolle Gast verweilen, und auf ebenso lange Zeit war auch die Menagerie angesagt.
Wenn noch etwas gefehlt hätte, die junge Frau in ihrer verzweifelten Seelcnstimmung zu befestigen, so war es die gallenbittere Anklage, - die Fiänzi jetzt gegen die gesamte Männerwelt schleuderte, indem sie erzählte, wie zwei Liebhaber ihr untreu geworden und der dritte am Tage vor der Hochzeit mit ihrem ganzen Ersparnis durchgebrannl sei. Sie begann bei diesen Erinnerungen kläglich zu heulen und Hertha brach in stilles Weinen aus.
^ Aber die junge Frau ermannte sich, der heilige Zorn, der in ihr emporflammte, gab ihr Kraft. Sie wollte der Löwendame einen Em- ! piang bereiten, an den dieselbe Zeit ihres Lebens j denken sollte
„Fränzi!" gebot sie mit unheimlicher Ent- ! schlossenheit, „wenn es läutet, so kümmerst Du Dich nicht darum, überlaß alles mir." i
„Es wird nicht läuten". versetzte Fränzi,
„die Herren haben den Vorsaalschlüffel mitgenommen."
Hertha begab sich in das Fremdenzimmer, in welches der Gast voraussichtlich zuerst geführt werden würde, zündete die Lampe an und schritt wie im Fieber aus und ab. Als nach langem Warten ihr lauschendes Ohr das Geräusch des Schlüssels an der Vorsaalthüre vernahm, trug sie die Lampe in das anstoßende Gemach und kehrte wieder in das Fremdenzimmer zurück.
Hier herrschte eine undurchdringliche Finsternis, selbst von der Gasbeleuchtung der Straße drang kein Schimmer herein, denn die Rouleaux waren ^ herabgelassen.
(Schluß folgt.)
sEin Münchener Kinds „Du Franzi! warum sann denn d'Stocksisch so dumm?" — „Na! das macht halt's viele Waffa sausa!"
Telegramme.
Berlin, 20. Dez. Dem „Hanöoer'schen Kurier" zufolge wurde gegen den im Prozeß Leckert-Lützow vielfach genannten Polizeiagenten Normann Schumann ein Strafverfahren wegen falcher Anschuldigung eingeleitet.
Hamburg, 20. Dez. In der heute einbe- rufenen Versammlung der Ewerführer, welche von über 2000 Personen besucht war, wurde einstimmig beichloffen, die bisherige Solidarität mit den Ausständigen aufrecht zu erhalten. ,
Wien, 20 Dez. Nach Privatmelbungen sind bei einer Exvlosion in der Zechenji-Grube 42 Bergleute getötet und 19 schwer verletzt, ,26 werden noch vermißt.
- ZNM- In dieser Weihnachtswoche erscheint das nächste Blatt am Mittwoch und das übernächste am Donnerstag, je vormittags, soszeitig, daß die Postexemplare schon von '/s12 Uhr an versandt werden können. Inserate für beide Nummern w irden sich je abends zuvor erbeten.
Red. u. Verlag des Enzthälers.
Redaktion, Druck und Verlag voa C Meeh in Reuenbürg.