Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.

Neuenbürg, 20. Dez. 1896.

Meihrmchte? <

Es ist im Leben der Völker genau dieselbe große Wellordnung erkennbar, wie in dem Lebensgang des einzelnen Menschen: des Lebens ungemischte Freude wird keinem Sterblichen zu Teil. Die Vorsehung, welche alle irdischen Dinge leitet, hat es in ihrem unerforschlichen Ratschluß beschlossen, daß Licht und Schatten, Freud und Leid, Erfolg und Mißerfolg auf dem Lebenspsade der Menschheit unablässig wechseln. Unsere ganze Lebenspilgerschaft in ein steter Kamps mit widrigen Schicksalsmächten um das Dasein. Sie währt si-benzig Jahre und wenn es hoch kommt, so sind es achtzig Jahre, und wenn unser Leben köstlich gewesen ist, so ist cs Mühe und Arbeit gewesen. Diese Worte dis Pjalmisten bewahrheiten sich im Leben des einzelnen, wie der Gesamtheit; es ist hier wie dort ein hartes Ringen und Streiten, dem der Erfolg nur selten zu Teil wird, fast nie nach menschlichen Wünschen und Hoffnungen.

So war es zu allen Zeiten, und so wird es bleiben bis an der Welt Ende. Die Menschen rühmen sich so gern ihrer Geistes- und Seelen- kräste, welche einen so tiefen Einblick in den natürlichen Werdegang der Dinge und so weite Freiheit zur Bethätigung des menschlichen Willens gestatten. Aber so hoch auch die bewußte Geistes, kraft des Menschen und der durch seine sittliche Thalkraft bedingte Fortschritt der Kultur geschätzt werden mag, keine menschliche Vernunft reicht aus, der göttlichen Weltordnung entgegen­zuwirken; das nur auf seine eigene Kraft ver­trauende Individuum sieht sich auf Schritt und Tritt einem höheren Willen unterworfen. Mensch­licher Unverstand kann sich hochmütig eine Zeit lang gegen diese Einsicht verschließen, aber noch immer ist die menschliche Unvollkommenheit den Völkern und Einzelmenjchen später oder früher .fühlbar zum Bewußtsein gebracht worden, und /noch immer war es eine unglaubliche Oede des Herzens und Gemüts, die Platz griff, wo man nur dem Vernunftkultus nachging.

Man kann dieses Los der Menschheit be­klagen, aber man ändert es nicht mit mensch­lichem Trotz und menschlicher Verzweiflung. Gott läßt sich nicht ungestraft spotten; wohl hat er der irdischen und zagenden, mit sich selbst zerfallenen Menschheit einen Trost gegeben, an dem sie sich auszurichten vermag. Wer diesen Trost sucht, wird ihn finden. An jedem Weih- nachtsseste bringt er sich der Menschheit von neuem dar, als Friedensgruß aus der Höhe, als göttliche Botschaft von der Geburt unseres Heilandes, welcher die Welt umfaßt mit den Klammern der Liebe und sie zu den Höhen weist, von welchen den Völkern und Menschen allein Hülfe kommt. Darin beruht der unver­gleichliche Zauber, welcher dem Weihnachtsfest eigen ist: es schaffet der ruhelosen Seele den lang ersehnten Frieden. Gerade in unserer Zeit reiben sich die Völker und Menschen mehr als früher auf in der Jagd nach vergänglichen Dingen. Mehr wie je geben sie menschlicher Selbstsucht und Ueberhebung Raum. Um so eindringlicher redet das wiederkehrendeWeihnachts- fest zu ihnen, adzulassen vom Hader und Streit, und sich der Liebe und Eintracht, der Selbst- einkehr und dem Glauben zuzuwenden. Möge diese Weihnachtsbotschaft in unserer Mitte recht viele empfängliche Herzen finden.

7 Neuenbürg, 20. Dez. (Zur Bürger­ausschußwahl eiliges.) Eine am Samstag Abend stattgehabte Wählerversammlung hat durch Akklamation beschlossen, die Mitglieder der bis­herigen Hälfte des Ausschusses, welche auszu­scheiden haben, wieder in den Wahlvorschlag zu bringen. Zufolge schriftlicher Abstimmung kommt an Stelle eines im vorigen Jahre in den Ge­meinderat gewählten Hrn. W. Essig Rob. Silber­eisen in Vorschlag. Es müssen bekanntlich 7 Mit­glieder gewählt werden. Um eine Stimmen­zersplitterung zu vermeiden, vereinige man sich auf folgende Namen: 1) Pfrommer Will)., Flaschner, 2) Frautz, Christian, Sensen­schmied, 3) Wagner, Friedrich, Kronenwirt,

4) Bellon, Jmanuel, Wagner, 5) Werk, Albert, Dreher, 6) Proß, Christian, Platz­meister, 7) Silbereisen, Robert, Bäcker.

Neuenbürg, 20. Dez. In den letzten Tagen fand hier Gemeindevisitation (bis­her Nuggericht genannt) durch das K. Oberamt statt. Den Schluß bildete am gestrigen Sams­tag abend vor den versammelten bürgerlichen Kollegien der feierliche Akt des Huldigungs- Eids der Jünglinge von den Jahrgängen 1874 bis 1880. Hr. Oberamtmann Pfleiderer belehrte dabei die jungen Leute über die staats­bürgerlichen Rechte und Pflichten und fügte in einer Ansprache mit eindringlichen Worten die Mahnung an, daß die jungen Bürger den an sie herantretenden Versuchen zur Auflehnung gegen die bestehenden Gesetze und zur Verletzung von Recht, Sitte und Ordnung, widerstehen mögen, so daß sie sinngemäß ehrsame Bürger und tüchtige, nützliche Glieder der menschlichen Gesellschaft werden mögen.

Neuenbürg. 20. D?z. Heute fand die Uebernahme und gründliche Prüfung des neuen Orgelwerks in der Stadlkirche durch den staatlicherseits bestellten Ocgelrcvidenten, Hrn. Seminar Musikoberlehrer Hegele von Nagold statt. Hr. Hegele hatte auch das Ocgelspiel zum Bocnnttagsgottesdienst in meisterhafter Weise übernommen. Die gespannten Erwartungen der Kirchengemeinde sind in hohem Maße er füllt. Hr. Dekan U h l nahm die Ocgelweihe in feierlicher Ansprache vom 'Altar aus vor. Nachmittags schloß sich ein überaus gelungenes Kirchen-Konzert an. Wir werden das Nähere darüber folgen lassen.

N e u e n b ü r g , 21. Dez In den Tagen der Weihnachtszeit lassen es sich die Vereine angelegen sein, ihre Mitglieder um den Christ­baum zu sammeln, um in fröhlicher Gemeinschaft und durch eine Gabenverlosung Weihnachten zu feiern. Den Reigen damit eröffnet« gestern abend wieder der Turnverein. Wie gewohnt, übten die gebotenen Aufführungen wieder ihre Anziehungskraft aus, so daß die ganzen Räume des Gasth zur Post voll besetzt waren. Der Verein zeigte wieder seine gesang­lichen und seine turnerischen Leistungen, letztere durch gelungene Pyramiden, in schönstem Lichte. Ein neues humoristisches Oaartett wurde vor- gesührt und mit großem Interesse, Heiterkeit und Beifall ausgenommen. Mit seinen Christ- baumfeiern folgen der Militärverein am Stephans- tag, der ev. Arbeiter- und Jünglings-Verein am nächsten Sonntag und der Liederkranz, wie alljährlich, am Neujahrstagc.

Deutsches Aeich.

Hamburg, 19. Dez Der Senat be­antwortete eine Resolution der Ausständigen, in der sie die Vermittlung des Senats anrufen dahin, er sei der Ansicht, der Ausstand wäre vermieden worden, wenn nicht das Vorgehen der Arbeiter eine ruhige Erörterung ihrer Forderungen und Beschwerden unmöglich gemacht hätte. Er erachte es deshalb für die Pflicht der Aus ständigen zunächst die Arbeit, soweit dies noch ausführbar sei, unverzüglich wieder aufzunehmen, damit der Ausstand beendet werde. Hiernach werde der Senat veranlassen, daß eine eingehende Prüfung der Lohnverhältnisse und Arbeitsbe­dingungen der Hafenarbeiter, sowie die ver wandten Gewerbe vorgenommen werde, um et­waige Mißstände in gemeinschaftlicherVerhandlung der Arbeitgeber und Arbeiter zu beseitigen.

Würzburg, 19. Dez. Nach dreitägiger Verhandlung wurde der Handelsmann Abraham Hanauer wegen Mei neids. Verleitung zum Meineid, Urkundenfälschung, Betrugs und Dieb­stahls, begangen bei Geld- und Zielgeschäften, vom Schwurgericht zu 9 Jahren Zuchthaus, 600 Geldstrafe und 9 Jahren Ehrverlust verurteilt.

Aus Baden, 19. Dez. Die am 1. Jon 1897 in Geltung tretende Braumalzsteuer, welche unsere Kammer in ihrer letzten Tagung beschlossen hat, soll zwar durch rhre Abstufung die Kleinbrauer berücksichtigen, dürfte aber wohl kaum die ungeteilte Zustimmung der letzteren finden, weil sic mit mancherlei Umständlichkeiten verbunden ist. Während die großen Brauer sich

eine Kontrvllschrotmühleanschafsen werden, müssen die kleinen sich einen Malzkasten bauen lassen, der mit zwei Kunstschlössern versichert wird und dessen Schlüssel der Acciser erhält. Will der Brauer Malz, so muß er erst den Acciser holen lassen, der bei dem Malzentnehmen zugegen zu sein hat. Bis die L ute daran gewöhnt sind, wird noch manche Faust im Sack gemacht werden.

Konstanz, 19. Dez. DieKonstanzer Zeitung" meldet: Der Direktor der hiesigen Reichsdanknebenstelle, Hegele, ist seit gestern Morgen verschwunden. In der Kasse wurde ein Fehlbetrag von 3L0 000 festgestellt, den Hegele veruntreut hat Uebcr Hegeles Verbleib ist noch nichts bekannt.

Slraßburg i. E., 1k. D.-z. Gestern vor­mittag ist ein Kind des in der Wachhelmer Gasse wohnenden Viktor Rehm lebendig verbrannt. Der 3'/-jährige Knabe spielte während der Ab­wesenheit seiner Eltern mit Zündhölzern, seine Kleider gerieten in Brand und das Kind erlitt den Erstickungstod. Die Leiche ist gänzlich ver­kohlt.

Württemberg.

Das früher von dem jetzigen Beobachter- Redakteur, Schmidt, redigierte Lehrerfachblatt Lehrerheim" wußte neulich zu berichten, daß demnächst ein neues Volksjchulgesetz der württ, Kammer der Abg. vorgelegt werde. Die Meld­ung wurde aber vomSlaatsanzeiger" als un­richtig bezeichnet. Ein derartiges Gesetz wird ja in absehbarer Zeit zu erwarten sein. aber zur Ausarbeitung desselben gehört Zeit und viel Arbeit, namentlich wenn alle diejenigen Wünsche berücksichtigt werden sollen, welche während der letzten Kammertagung sozusagen als leitende Grundsätze für ein künftiges Volksschulgesetz angenommen wurden.

Aus Stuttgart wird gemeldet: ,.Der Güte des kaiserl. Statthalters in Elsaß-Lothringen hat derSchwäbische S ch il l erv erein" den Besitz einer für ihn sehr wertvollen Schiller- reltquie zu danken. Der Fürst hat nämlich in den letzten Tagen eine bisher in der Untversiläts- und Lanvesbivliothek zu Straßdurg verwahrte Haarlocke Schillers nebst einer Urkunde des Overbibliothekars, Geheimen Regrerungsrats Professors Dr Barack, über deren Echtheit dem Verein überwiesen.

Stuttgart, 18. Dez. Der Mörder der SelmaReuß in Ulm sollte durch einen an einen Soldaten der Fremdenlegion in Saigon gerichteten, als unbestellbar zurückgeschickten und von der Post der Staatsanwaltschaft übergebenen Brief entdeckt sein. Schon war der Verdächtige nach langen Verhandlungen bis Algier gebracht worden, als es ihm. wie dieWürttb. Volksztg." berichtet, einfiel, seinen wahren Namen zu ge­stehen und unter Vorlage seiner Photographie bei der Verwaltung des Landgerichtsgefängmsses in Hall den Nachweis anzutreten, daß er an dem fraglichen Tag zu Hall hinter Schloß und Riegel gesessen sei. So hat auch diese vermeint­liche spur des Mörders nicht zum Ziele ge­führt. Es scheint sich um einen schlau einge­fädelten Plan des Fremdenlegionärs zu handeln, von Saigon wieder fortzukommen.

Leulkirch. 18. Dez. In Roth wollte ein Forstwart sein Gewehr reinigen, als sich dasselbe plötzlich entlud und die Ladung un­glücklicherweise seiner Frau in den Kopf drang. Die Verletzung soll eine lebensgefährliche sein.

Ja Tübingen macht der Selbstmord zweier Studenten Aussehen. Ein Medi­ziner aus Hamburg, ein fleißiger junger Mann, der sein Examen nahezu vollendet hatte, und ein Theologe aus Bernstadl, der schon 16>Scmester studiert, erschossen sich. Jeder m seiner Wohnung.

Nagold, 20. Nov. Von einem schweren Unglück wurde gestern die Familie des Metzger­meisters Maier betroffen. Das 3jähr. Knävlein derselben fuhr auf einem Bergschlitten unter die Räder eines schwerbeladenen Wagens und wurde überfahren. Das Kind war sofort tot. Den schwer geprüften Eltern wendet sich die allge- meine Teilnahme zu. Den Fuhrmann trifft keine Schuld.

Altensteig,-17. Dez. (Marktbericht.) Auf dem gestrigen Markt war die Zufuhr an Vieh