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unsere Militärgerichte vor derselben nicht zu scheuen haben und da nur auf diese Weise das Vertrauen zum Richterspruche sich wieder ein- stellen wird. Man hat seither sich daran ge- wöhnt, die Oeffentlichkeit nur von dem Standpunkte aus onzusehen, daß hiedurch der Angeschuldigte geschützt werden soll, und im Ange- schuldigten haben bis jetzt gewisse Parteien nur den Soldaen gesehen, dem immer unrecht geschieht. Sehr bald abeu wird man finden, daß manche Angeschuldigte unter den Soldaten das öffentliche Verfahren sehr unangenehm empfinden werden und daß mancher, der seither als unschuldiges Lamm und als Opfer seiner Vorgesetzten galt, die Oeffentlichkeit verwünschen wird. Daß schon allein durch die Oeffentlichkeit die niederträchtigen Mißhandlungen von Soldaten aushören werden, kann bezweifelt werden, denn die Oeffentlichkeit im bürgerlichen Verfahren hat bis jetzt noch keinen Einfluß auf Verminderung von Totschlag, von Körperverletzungen und Mißhandlungen ausgeübt. Im Gegenteil nehmen Rohheiten aller Art von Jahr zu Jahr zu. allein hoffentlich wird das öffentliche Verfahren das Ergebnis haben, daß wirkliche Mißhandlungen mit der größten Strenge bestraft werden.
Stuttgart, 19. Nov. Im Festsaal der Liederhalle hielt heute abend der bekannte frühere Jesuit Graf Paul v. Hoensbroech einen Vortrag über Ultramontanismus. Der Saal war bis zum letzten Platz besetzt. Redner bemerkt einleitend, daß er weder Sensationelles noch persönlich religiös Erlebtes zum Vortrag bringen werde, da das nicht auf den öffentlichen Markt gehöre. Ultramontanismus ist ein weltlich- politisches System, welches unter Verquickung mit Religion weltlich-politische Ziele anstrebt. Er ist nicht zu verwechseln mit der katholischen Religion, zwischen beiden besteht ein gewaltiger Unterschied, sie sind streng auseinander zu halten. Die Einmischung in weltlich-politische Angelegen- heilen entspricht nicht der Religion Jesu Christi, auf der doch die katholische Religion aufgebaut ist oder sein soll. Im Gegensatz zu Christus haben die Päpste, die doch dessen Nachfolger sein wollen, immer versucht und versuchen es heute noch, irdische Macht an sich zu reißen, anstatt als Hort des Friedens zu wirken, sind sie immer Störenfriede im Leben der Völker und Staaten gewesen, was Redner historisch nachweist. Um den Ultramontanismus bekämpfen zu können, muß man die letzten Ziele desselben genau kennen, was nicht einmal innerhalb der katholischen Kirche der Fall ist. Nach der Lehre der römischen Theologen ist der Papst der Herr der Welt, der Gipfelpunkt jeglicher Souveränität, er kann Regierungen ein- und absetzen, Länder verschenken und verteilen, ganz wie er will, und Staatsgrundgesetze umstoßen nach Belieben. Das war nicht nur im Mittelalter so, sondern noch heute, wenn er die Macht dazu hat. Redner bezeichnet den Kampf gegen den Ultramontanismus als den wichtigsten der Gegenwart, weit wichtiger als denjenigen gegen die Sozialdemokratie. Der Sozialismus würde sich selbst zerstören, weil er nicht herrschen kann; daß der Ultramontanismus es kann, hat er schon bewiesen. Der Kulturkampf war ein schwerer Fehler, die Bedingung, unter welcher er aufgehoben wurde. war ein noch schwererer Fehler, das schlimmste aber ist, daß die Regierungen schwachmütig und ohne Rückgrat sind. Um den Ultramontanismus mit Erfolg anzukämpfen ist ein scharfer Unterschied zu machen zwischen katholischer Religion und Ultramontanismus, die Ansprüche desselben müssen seitens der Staaten konsequent und entschieden zurückgewiesen werden. Die Staaten müßten dem Papst sagen, wir anerkennen dich als obersten Seelenhirten aller Katholiken und hören dich als solchen, aber weg mit der weltlichen Pracht und den Diplomaten, die nicht zu der Religion Jesu Christi gehören. Diese Ideen müssen in die Regierungen und Parlamente getragen werden. Es giebt für die Nation höhere Güter als die materiellen. Nicht eher werde Friede, als bis der Ultramontanismus besiegt am Boden liege. Dem Redner wurde der rauschende Beifall der Versammlung zu teil.
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Horb, 17. Nov. Die städt. Quellwasserleitung wurde schon im Januar 1894 durch Untersuchung von drei Quellen durch Baurat Ehmann von Stuttgart in Angriff genommen. Aus dem nördlich von der Stadt gelegenen Gebirgszuge wurden 1 Jahr lang unverdrossen Stollen 100 Mir. hoch in den Berg Hineingetrieben mit dem schließlichen Ergebnis, daß fünf Quellen mit einer Menge von 22,6 Ltr. Wasser in der Sekunde gesammelt werden konnten, die den Bedarf vollständig decken, die untere Stadt selbstthätig mit Wasser versehen, und die Turbine und das Walzwerk behufs Hebung des Wassers in das Hochsammelbecken mit 320 Kubikmeter Raum am „Schütteberg" für die obere und mittlere Stadt bei 18 Mtr. Gefäll durch eigene Kraft in Thätigkeit setzen. Heute ist nun die ganze Stadt links vom Neckar mit gesundem Wasser überreichlich versehen; ebenso sind die 58 Hydranten fertig, die eine große Menge von Wasser in wirklich stauncnerregende Höhe werfen. Das Werk wird mehr als 100000 kosten. Unternehmer. Aufseher und Arbeiter wurden heute auf Kosten der Stadt verköstigt; eine große Zahl von Einwohnern versammelte sich im Gasthof zum Bären um Baurat Ehmann.
Ausland.
Aus Ungarn. In das Haus eines wohlhabenden Kaufmanns Szatmar ließ sich ein respektabler älterer Herr einführen, der sich Oskar Klein nannte und für einen Kunstmäcen ausgab. Er entdeckte alsbald, daß eine der Töchter des Kaufmanns, ein wunderhübsches Mädchen, das so beneidenswerte Gold in der Kehle habe, das die großen Opernsänger, innen „mache." Das Mädchen sei eine geborene Opernsängerin, erklärte der Mäcen mit Ekstase und die glänzendste Zukunft könne der Dame vorausgesagt werden. Er wolle der angehenden Primadonna dank seiner einflußreichen Verbindungen ein Engagement in München verschaffen und ihr Glück sei gemacht. Die einfachen, leichtgläubigen Eltern, voll Biederkeit und Herzenseinfalt, sonnten sich förmlich im Glücke ihres angebeteten Kindes und zeigten sich außerordentlich gerührt über das edelmütige Benehmen des hochherzigen Kunstfreundes. Der Vater gab der Tochter den väterlichen Segen und zweitausend Gulden bares Geld mit und so reiste die Kunstnovize unter dem Schutze des edlen Herrn Klein nach München. In München — das war vor kurzem — übergab Herr Klein seine Schutzbefohlene dem „Theaterdircktor", Leopold Hartenstein, der bereits sechs andere Mädchen „für sein Theater" engagiert hatte. Klein und Hartenstein wußten vorerst unter allerlei Vorwänden der Ungarin die 2000 Gulden abzunehmen» woranf die ganze Gesellschaft nach Konstantinopel fuhr, um hier ein „Deutsches Theater" zu gründen. Nur zu bald jedoch gewahrten die Mädchen mit Entsetzen, daß sie raffinierten Betrügern und Mädchenhändlern zum Opfern gefallen seien. Sie beschlossen daher, bei der nächsten sich darbietenden Gelegenheit die Flucht zu ergreifen. Es gelang ihnen auch, die Wachsamkeit der Räuber zu hinlergehen und gemeinschaftlich zu fliehen. Unter Gefahren und Abenteuern aller Art kamen die Mädchen dieser Tage in Budapest an. Der Vater der „geborenen Opernsängerin" ist nun mit Hilfe der Polzei bemüht, den „Kunstmäcen" Klein und dessen Spießgesellen, den „Theaterdirektor" Hartenstein, ausfindig zu machen.
Der türkische Sultan scheint um doch endlich Ernst machen zu wollen mit der Ausführung der versprochenen Reformen, wenigstens sind bis jetzt schon ziemlich viele Kommissionen eingesetzt worden, welche diese Reformen zur Durchführung bringen sollen. Die Erregung ist aber noch immer groß. JnEwerik haben fanatische Armenier die Türkei überfallen, worauf sich letztere zusammenrotteten und mehrere 100 Armenier niedermetzelten. Einzelne verbrecherische Armenier scheinen es auf die Hervorrufung neuer Metzeleien förmlich abgesehen zu haben und so schweben alle gesitteten Armenier in fortwährender Todesangst vor den Uebelthaten ihrer eigenen Landsleute.
Indem eng lisch-venezolanischen
Streit haben nun sowohl England als die Ber. Staaten von Nordamerika je 2 Schiedrichter ernannt, welche 4 miteinander den 5. erwählen werden, wie man glaubt, den König Oskar von Schweden, der sich dann durch einen seiner höchsten Richter vertreten lassen dürste. Durch die Ernennung des Schiedgerichts ist eigentlich die Streitfrage selbst so gut wie erledigt. Daß die Venezolaner bei dem Schiedsgerichte Recht bekommen werden, ist nicht zweifelhaft und mit der Abweisung der englischen Ländergier kann sich England um so leichter beruhigen, als ein Schiedsspruch noch lange nicht so schimpflich ist wie eine diplomatische oder gar eine militärische Niederlage.
Es ist ein bekanntes Sprichwort zu suchen, dessen einzelne Silben in nachstehenden Wörtern versteckt find:
Wanderstab — Goldwährung — Morgenröte — Goldannahme — Unwahrheit — Eugenie.
Telegramme.
Saulgau. 20. Nov. Landtagsersatzwahl: Bis abends 10 Uhr wurden gezählt : fürSommer (Centr.) 2904. Tauscher (Soz.) 96 Stimmen. Einige Orte stehen noch aus.
Cannstatt. 20. Nov. Landtagsersatzwahl: Von 9799 Wahlberechtigten haben rund 70°/a abgestimmt. Es erhielten: Bankier Piaff (Deutsche Part.) 2490. Gem.- Rat Seitz (V. Partei) 1402. Redakteur Tauscher (Soz.) 2843 und Landgerichtsrat Gröber (Centr.) 228 Stimmen. Sonach Stichwahl zwischen P f a f f und T a u s ch e r.
Gießen, 20. Nov. Reichstagsstichwahl. Bis heute Miltag wurden gezählt für Köhler (Antis.) 9657. für Scheidemann (Soz.) 5258 Stimmen. Das Ergebnis einer Ortschaft steht noch aus.
Berlin, 20. Novbr. Aus dem Gesetz, entwarf über die Convertierung der 4prozentige» preußischen Consols ist hervorzuheben, daß der Zinsgenuß aus 4 Prozent bis Ende September 1897 belassen wird. Ferner giebt er hinsichtlich der Unkündbarkeit der neuen 3'/rprozeutigen Consols eine Garantie von 8 Jahren. Den Besitzern der Consols wird eine dreiwöchige Frist zu der Erklärung gestellt, ob sie Conversion oder Rückzahlung wünschen.
Frankfurt a. M., 20. Novbr. Das Landgericht hat heute die Klage des Gastwirts Stern, Pächters des Gasthofs „Zum Schwan", gegen die Stadt Frankfurt auf Zahlung von 10 000 -M für die Inanspruchnahme des Gasthofes während der Vorbereitungen zur Aufnahme des Kaiserpaares gelegentlich der Friedens- feier am 10. Mai abgewiesen. Die Kosten wurden, mit Ausnahme von 50 <^, welche der Stadt zur Last fallen, dem Kläger auferlegt.
Paris, 20. Nov. Marchese di Rudiin hat einem Freunde die Versicherung gegeben, er werde die erste beste Gelegenheit benutzen, uni' der Kammer zu erklären, daß das Einvernehmen zwischen den Dreibundmächten niemals vollständiger war als gegenwärtig und daß Italien niemals daran gedacht habe, aus dem Dreibund
auszutreten. „ „ .
Sheffield, 20. Nov. Der erste Lord des Schatzes, Balfour, sagte hier in einer Rede: England könne von dem Verhalten Deutschlands bezüglich der Industrie viel lernen. Der Deutsche halte es der Mühe wert, im Interesse der einzelnen Industriezweige Gel aufzuwenden, während die wissenschaftliche Forsch' ung vornehmlich auf die Industrie angcwende werde in einer Ausdehnung, die Englan durchaus unbekannt sei. Balfour rühmte technischen Institute Deutschlands sehr und h die Thatsache hervor, daß wissenschaftliche Sach verständige in den großen industriellen U nehmungen angestellt seien. Der Mw,s -r betonte die Notwendigkeit einer Wissenschaft A n Erziehung nachdrücklich. Die Beziehungsch ^ Wissenschaft und Industrie werde m nicht hinlänglich begriffen.
England
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.