Die zunächst zweifelhaften Gerüchte über den angeblich erfolgten Friedensschluß zwi- scheu Italien und Abessinien haben sehr rasch ihre Bestätigung erfahren. Nach einer Mitteilung aus Rom vom 16. November hat die italienische Regierung die offizielle Nachricht erhalten, daß der Friede mit Abessinien am 26. Oktober abgeschlossen worden ist. Menelik selbst telegraphierte diese wichtige Nachricht noch am genannten Tag an König Humbert. Einer Depesche des italienischen Unterhändlers Majors Nerazzini zufolge lauten die Friedensbedingungen wie folgt: Abschaffung des Vertrags von Uccialli, Anerkennung der Unabhängigkeit Aethiopiens, wie die neuerliche Bezeichnung für das gesamte vom König Menelik beherrschte Gebiet lautet; Einsetzung einer Grenzkommission und vorläufige Festsetzung der Linie Mared-Belesa-Muna als Grenze zwischen Abessinien und der erythräischen Kolonie. Die Friedensratifikation erfolgt binnen Monatsfrist, die Freilassung der italienischen Gefangenen findet nach vollzogener Ratifikation des Friedensvertrages statt, sie werden über Harrar und Zeila zurückgesendet werden. Die Entschädigung für den Unterhalt der Gefangenen bleibt dem billigen Ermessen der italienischen Regierung anheimgegeben. Nach Lage der Umstände kann man diese Friedensbedingungen als keine unehrenhafte für Italien bezeichnen, besonders, da sie Italien die Einschränkung seines afrikanischen Koloniebesitzes auf das Dreieck .Asmara-Keren-Massauah nicht zumuten. Auch erlangt fitzt Italien durch den Friedensvertrag mit Abessinien endlich die Auslösung seiner noch in der Gefangenschaft des Negus schmachtenden Landeskinder, während der Verzicht auf den Vertrag von Uccialli, welcher die Oberhoheit Italiens über Abessinien aussprach, nach der italienischen Katastrophe bei Adua selbstverständlich erscheint. Jedenfalls wird man in Italien in allen Kreisen sehr froh sein, daß jetzt das abessinische Abenteuer endlich zum Abschluß gelangt, ein neuer Krieg mit dem Negus hätte Italien doch nur abermalige große Opfer auferlegt und wäre in seinem Ausgange dennoch höchst ungewiß gewesen.
Rom, 17. Nov. Die Agenzia Stefani meldet: Kaiser Wilhelm sandte an
KönigHumberteinherzlichesGlück- wunschtelegramm zum Friedensschluß. — Der Reichskanzler Für st Hohenlohe sandte dem italienischen Ministerpräsidenten di Rudini ein herzliches Glückwunschtelegramm aus Anlaß des Friedensschlusses. Der Staatssekretär des Auswärtigen. Frhr. v. Mar sch all, begab sich persönlich nach der italienischen Botschaft, um dem Botschafter Grafen Lanza im Namen der deutschen Regierung die Herz- lichsten Glückwünsche auszusprechen.
London, 17. Nov. Die Nachricht des Friedensschlusses zwischen Italien und Abessinien wird gleichzeitig von allen Seiten mit Befriedigung und Erleichterung ausgenommen. Die „Times", „Morning Post" und „Daily News" begrüßen darin eine willkommene neue Stärkung des Dreibundes. Die „Times" bemerkt, Italien werde nunmehr Zeit haben, neue Kräfte zu sammeln, um sich zu stärken, für die Rolle, die es möglicherweise an der Seite seiner Bundesgenossen bei der Entwicklung der europäischen Zukunft zu spielen haben wird.
Madrid, 15. Nov. General Weyler hat, wie die „Franks. Ztg." von hier meldet, seinen Truppen die Weisung gegeben, jeden Zeitungskorrespondenten, ob Ausländer oder Spanier, der sich auf dem Kriegsschauplätze zeige, niederzu schießen. (Dies Mittel mag ja insofern nicht unzweckmäßig sein, als es dem amtlichen jTelegraphen ermöglicht, fortan nur spanische Siegesberichte in die Welt zu senden.)
Aus Petersburg meldet ein Privattelegramm: Auf sämtlichen Bahnen Rußlands herrscht großer Waggonmangel. Nach offiziellen Angaben liegen auf den Stationen Getreidemassen für 64000 Waggons, welche vor der Hand nicht expediert werden können.
Die in Ostindien infolge der Mißernte entstandene Notlage gestaltet sich immer ernster. Die Kornpreise steigen weiter, obwohl sich in Bom
bay und Madras Bereinigungen zur Beschaffung billigen Kornes gebildet haben. Außerdem tritt in Indien die Beulenpest auf und fordert unter der Bevölkerung ihre Opfer.
Unterhaltender Heil.
Heiderose.
Kriminal-Novelle von Pieter Vryburg.
(Fortsetzung.)
Tom betrachtete forschend die gebeugte Gestalt des Alten Von Mitleid regte sich in seinem Herzen nichts.
„Hört mich an, alter Freund", sagte er nach einer Pause. „Ich habe das Leben hier satt und gedenke mit meinen kleinen Ersparnissen nach der alten Welt zurückzukehren. Ich werde meinen dauernden Aufenthalt aber nicht in Eng- lond, sondern in Deutschland nehmen, weil man dort billiger lebt. Ihr seid zu alt und wohl auch kein solcher Narr, um Eurem ungeratenen Kinde in die weite Welt zu folgen. Schlechten Dank würde es Euch bringen. Nun ist es nicht unmöglich, eher wahrscheinlich, daß ich noch einmal in meinem Leben dem Burschen Friedrich irgendwo begegne, daß ich dazu beitragen kann, Eurer Tochter Rechte ihm gegenüber mit Nachdruck zu vertreten."
„Wolltet Ihr das, Kamerad?" fragte Williams bewegt.
Tom mäßigte seine Stimme zu einem Flüstern, als er lächelnd erwiderte: „Für einen Bagnobruder, mit dem man zusammen ausgebrochen, thut man schon ein Uebriges."
Scheu blickte Williams sich um.
„Auch Ihr seid zeitlebens verbannt", entgegnet? er leise. „Wenn sie Euch in London fassen —"
„Keine Furcht!" lachte Tom. „Zwanzig Jahre sind eine lange Zeit. Ihr selbst, mein Zellengenosse, hättet mich nicht wiedererkannt, wenn ich mich Euch nicht wieder zu erkennen gegeben."
„Das wohl," meinte der Alte. „Wenn zum Beispiel unser damaliger Aufseher und Peiniger — Gott verdamm' ihn! — Roberts Euch träfe?"
„Haben uns getroffen!" sagte Tom mit einem breiten Grinsen.
„Und?"
„Er hat mich nicht erkannt!"
»Ah!"
„Aber ich konnte dem ehrenwerten Herrn Andeutungen über ein Verbrechen machen, dessen Zeuge ich gewesen, welches — na, ich kann Euch sagen, ein Wort von mir und er baumelt!"
„Nicht möglich — Roberts! staunte Williams. „Wo und was ist er?"
Tom winkte abweisend' mit der Hand.
„Kommen wir nicht von der Sache ab!" mahnte er. „Friedrich ist der Mann, um den es sich handelt. Ich kenne ihn nicht. Sagt mir alles, was ihr von ihm wißt, um Eurer Tochter willen!"
Die Erinnerung an sein Kind lenkte Williams Gedanken von Roberts wieder ab. Mit Ingrimm erinnerte er sich des ersten Auftauchens des Deutschen, welcher vorgab, ein Goldsucher zu sein, während er in Wahrheit, wie nun erwiesen. ein Abenteurer und Schwindler war.
„In seinen eigenen Angelegenheiten", sagte er, „war er so verschwiegen, daß ich nichts Näheres über ihn und seine Herkunft erfahren konnte. Mary mag mehr wissen, gesagt hat sie mir nichts!"-—
Nun hieß es, beiden unverzüglich nachsetzen. Mary hatte schon einen Borsprung von vierzehn Tagen, das mußte eingebracht werden, wenn man nur ermitteln konnte, in welcher Richtung Friedrich geflüchtet war. Wenn nicht anders, mußte Tom sofort nach Melbourne reisen, dem großen Seehafen der Kolonie. Dort lagen jetzt viele Schiffe im Hafen von Sand- ridge, aber nur wenige fuhren aus. Kaum war ein Schiff eingekommen, so desertierten die Matrosen nach den Goldfeldern und Arbeitskräfte für die Ausfahrt wurden dann mit Gold ausgewogen. Das alles wußte Tom aus den Zeitungen.
Auch Friedrich konnte es wissen und diese
Verhältnisse sich zu Nutzen gemacht haben »m unerkannt außer Landes zu kommen und d^ Heimreise sich noch gut bezahlt zu machen Vj.r. leicht war er noch in Melbourne. Jetzt („g. wohl nur alle vier Wochen ein Schiff los- das konnte seine Flucht aufgehalten haben. Aller Wahrscheinlichkeit nach war auch Mary Williams nach Melbourne gereist, da ihr sonst jede Ricku- ung für Friedrichs Flucht fehlte. ^
Diese Gedanken und Erwägungen waren cs welche Tom bestimmten, von Kurinaa soaleick wieder auszubrechen. ^
Er versprach. Williams Nachricht zu geben sowie er Friedrichs oder Marys Spur gefunden haben würde, dann ging er fort. Der alte Schäfer geleitete ihn hinaus.
Die Schafe waren aus den Hürden her. vorgelassen, der Bursche Jim war verschwunden.
„Wahrscheinlich wieder einem Känguruh nachgestellt!" brummte Williams. Der Jagd, teufel steckt in dem Burschen."
Während sie dann noch vor dem Hause standen und plauderten, stahl Jim sich hinten von der Pfahlwand weg. hinter welcher die Unterredung der beiden Männer stattgesunden hatte. — Unbemerkt erreichte er eine das Haus in weitem Umkreise umziehende, dichte Stachel. Hecke. Er kroch an einer Stelle unter derselben hindurch. Auf der anderen Seite verlief parallel mit der Hecke ein breiter und ziemlich tiefer, trockener Graben, welcher die Bestimmung hatte, bei einem etwaigen Waldbrande das Gehöft gegen das Ueberspringen des Feuers zu schützen, ' Gebückt lief Jim in dem Graben entlang, bis zu einer Stelle, wo der „Scrub" an die Umzäunung herantrat. Nun hatte er Deckung.
Mit weniger Schnelligkeit als Vorsicht be> wegte er sich weiter fort in der Richtung nach der Goldstadt.
An einem außer Sicht von Kuringa liegenden Punkte hielt er an, um den heimwärts strebenden Goldgräber an sich herankommen zn lassen
Mit seiner Jagdflinte, die er zum Schutze gegen die Dingos und räuberisches Gesindel stets mit sich führte, schoß er einige buntfarbige Papageien von den Bäumen, wobei er eine große Treffsicherheit verriet.
Es schien aber, als wenn er durch die Schüsse mehr Toms Aufmerksamkeit hinlenken wollte, denn nach jedem Schüsse spähte und lauschte er in den Wald hinaus.
Endlich kam Tom heran und leicht gelang es Jim, der Begegnung den Schein des Zu- fälligen zu geben.
(Fortsetzung folgt.)
Telegramme.
Budapest, 18. Novbr. Der „Lloyd" bezeichnet die Rede des Frhr. v. Marsch all im Reichstage als eine staatsmännische Leistung ersten Ranges, welche die öffentliche Meinung Europas nachhaltig, zum Vorteile der deutschen Politik nach der Bismarckaera beschäftigen werde. Der Eindruck der wahrhaft bedeutenden Rede sei ungeteilt günstig. Die Nebel seien gefallen, die Außenpolitik Deutschlands stehe wieder in voller Klarheit vor den Augen der Welt.
Paris, 18. Novbr. Die „Rcpublique Francaise" konstatiert, der Eindruck, welchen die vorgestern im Reichstage abgegebenen Re» gierungserklärungen hervorgerufen haben, sei, von England abgesehen, überall ein ausgezeichneter.
Triest. 18. Nov. Seit gestern herrscht ein heftiger Borasturm mit empfindlichen Seeverkehrsstörungen. Die griechische Dacht „Sphacteria" konnte nicht von Venedig aus- laufen, wo sie die griechische Königsfamilie ausnehmen sollte.
Belgrad, 18. Nov. Seit gestern herrscht hier und in Semlin ein furchtbarer Orkan, der großen Schaden anrichtet. Der Schiffsverkehr auf der Donau ist eingestellt. Mehrere Schlepper sind zertrümmert. Der auf der AM nach Pancova begriffene Dampfer „Theben wurde vom Sturme ans Ufer geschleudert._
Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.