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Amts- und AuzeigeölatL für dm Bezirk Katw.
76. Jahrgang.
Erscheint Dienstags, Donnerstags und Samstags. Dir EirrrÜckungSaebÜhr beträgt im Bezirk und in nächster Umgebung 9 Pfg. die seile, weiter entfernt 12 Pfg.
Donnerstag, den 26. September 1901
Vierte!
Her Abonnementspreis in der Stadt Mk. 1.10
teljährlicher
ins Haus gebracht, Mk. 1. 15 durch die Post bezogen im Bezirk; außer Bezirk Mk. 1i 35.
Amtliche Bekanntmachungen.
** Ostelsheim, 23. Sept. Gestern fand hier im „Rößle" die Herbstversammlung des Bienenzüchtervereins Calw statt, der auch einige Mitglieder des Böblinger Bezirkes anwohnten. Der Vorstand, Hr. Kaufmann Knecht, referierte über die Ausstellung des Landesvereins in Heilbronn. Er zollte dem Heilbronner Ausstellungskomitee alle Anerkennung betr. Anordnung der Ausstellung; er betonte auch, daß den Ausstellungsgegenständen neben der nötigen Qualität auch der Glanz und der Schimmer nicht fehlen dürfe, wenn sie Effekt machen und Preise erzielen sollen. Der 2. Punkt der Tagesordnung, das Wachsauslassen und Wabengießen, soll bei nächster Versammlung "praktisch vorgezeigt werden; darum wurde er nur kurz erörtert. Zum Schluffe wurde auf einem Bienenstand gezeigt, wie ein Volk eingewintert werden soll. Das Bienenjahr 1901 ist für unfern Bezirk kein gutes, weil der Wald nicht honigte; der Honigertrag ist gering; etwa entnommenen Honig muß der Bienenzüchter meist durch andere Futtermittel ersetzen.
Stuttgart, 22. Sept. Die gxoße Viehhandlung Gebr. Rothschild in Cannstatt hat gestern ihre Zahlungen eingestellt. Der vor wenigen Tagen verstorbene Hauptinhaber der Firma Aron Rothschild hatte das ihm von so vielen soliden Metzgern der hiesigen Stadt entgegengebrachte Vertrauen dadurch mißbraucht, daß er sich Blanco- Accepte aus Gefälligkeit unterschreiben ließ, sie mit erheblichen Beträgen ausfüllte und in Umlauf setzte. Es sind solcher Wechsel, soviel sich bis jetzt feststellen ließ, mit zusammen 200—300 000 Zwei geachtete hiesige Ochsenmetzger sind dadurch, daß auf sie allein je 46 000 Accepte in Umlauf ge
setzt wurden, vor den Konkurs gestellt; andere sind mit weniger großen Beträgen in Mitleidenschaft gezogen. Auch verschiedene hiesige und auswärtige Bankiers, welche die Wechsel diskontiert haben, werden Verluste erleiden. Die Firma Gebr. Rothschild sucht z. Zt. noch ein außergerichtliches Arrangement zu treffen. In der Aktivmasse sollen sich ca. 100000 befinden, worunter wohl viele zweifelhafte Ausstände.
Oßweil, 22. Sept. Ein blutiges Drama versetzte heute Vormittag laut „Ludw. Ztg." die hiesige Einwohnerschaft in große Aufregung. Der Privatier Strenger hatte mit seinem Pächter, Bäcker und Wirt Geiger zum „Stern", wegen des Pachtverhältnisses wiederholt Streit bekommen, der heute in Thätlichkeiten ausartete. Strenger versetzte Geiger 11 Stiche in den Leib, während die Frau des elfteren zum Revolver griff und 2 Schüsse auf Geiger abgab, die jedoch fehlgingen. Für das Leben des Schwerverletzten ist- das Schlimmste zu befürchten.
Ulm, 23. Sept. Um das Münster vollständig fertigstellen zu können ist die Ausgabe einer neuen Lotterie in drei Serien in allen deutschen Staaten in die Wege geleitet worden. Wie man vernimmt, erhebt das preußische Finanzministerium gegen eine Zulassung der Lotterie in Preußen Schwierigkeiten. Da dort die Klassenlotterie einen Teil der Staatseinnahmen bildet und die mißliche wirtschaftliche Lage ohnehin schon einen Einnahmeausfall voraussehen läßt, will man der Klaffenlotterie nicht noch eine Konkurrentin erstehen lassen; auch wird darauf verwiesen, daß man bei den Zulassungsgesuchen der früheren Lotterie schon geltend gemacht habe, daß ein gleiches Gesuch nicht
mehr einlaufe. Wie weiter verlautet, hat der cvang. Kirchengemeinderat in dieser Sache ein Immediatgesuch an den Kaiser gerichtet.
Ulm, 23. Sept. Das Kriegsgericht der 27. Division, das wegen der beim Manöver befindlichen Zeugen in Villingen (Baden) tagte, verurteilte den Feldwebel Straub vom 120. Infanterieregiment wegen Mißbrauchs der Dienstgewalt in über 50 Fällen zu 4 Monaten Festungshaft. Vizefeldwebel Zeiler vom gleichen Regiment erhielt wegen des gleichen Vergehens in 7 Fällen 2'/> Monate Festung.
Ulm, 24. Sept. Der hiesige Wirtsverein beschäftigte sich in seiner letzten Versammlung mit der Frage, was gegenüber jenen Bierbrauereien zu thun sei, welche ihr Flaschenbier an Private verkaufen und so die kleineren Wirte schädigen. Es wurde beschlossen vorerst einmal den betr. Bierbrauereien nahe zu legen, den Kleinhandel auszugeben, im Weigerungsfall aber das Bier nur von solchen Brauern zu beziehen, die keinen Flaschenbierhandel treiben.
Münsingen, 23. Sept. Seit einigen Wochen weilt hier Kunstmaler Max Hagendorn aus Stuttgart zwecks Hebung des hiesigen Hafnergewerbes. Die Einrichtung einer Lehr- und Musterwerkstätte für Töpferei ist bereits in Angriff genommen worden. Hafnermeister Johannes Freitag von hier, in dessen Gebäude die Lehrwerkstätte eingerichtet wird, wurde zum Vorsteher und Lehrmeister ansersehen. Der Plan des Herrn Hagendorn geht dahin, das schwäbische Geschirr in seinen Formen und seiner Bemusterung bedeutender auszugestalten, das Hausgewerbe zu erhalten und dasselbe durch besseres und schöneres Geschirr und
Nachdruck verboten.
Dem Leben zurückgegeben.
" Roman von B. Ernst.
(Fortsetzung.)
„Sei nicht böse, lieber Papa," bat Andy.
Sie wagte nicht, im Laufe des Vormittags zu ihren Kranken hinzugehen, sondern begleitete ihre Angehörigen an den Strand. Dort traf man mit dem größten Teile der Badegesellschaft zusammen, und der Kommerzienrat wurde herzlich begrüßt und denen vorgestellt, die er noch nicht kannte. Zu diesen gehörte auch Herbert. Frau Märker fügte bei der Vorstellung hinzu, daß er der Sohn des Grasen Nordau sei, mit dem man in Wiesbaden zusammen gewesen war; sie wunderte sich, daß ihr Gatte, der doch genau wußte, wie sehr der junge Graf sich um Andy bemüht hatte, ihn wie einen Fremden behandelte, dessen Namen er zum erstenmal hörte. Es war ihr dies doppelt erstaunlich, da er sonst die Schwäche hatte, den Umgang mit vornehmen Leuten zu suchen; sie konnte es nicht unterlassen, ihm leise und bedeutungsvoll zuzuflüstern, wie sehr sie es bedaure, daß diese Partie durch Andys Eigensinn nicht zu stände gekommen sei. „Wenn du hier gewesen wärst," setzte si: hinzu, „hätten sich die Beziehungen vielleicht wieder anknüpfen lassen; ich allein konnte nicht daran denken, einen solchen Versuch zu unternehmen, zumal der Graf Andy völlig verschmerzt zu haben scheint, und sich wenig oder gar nicht um sie kümmert."
Diese letzte Erklärung war sehr beruhigend, und Herr Märker hielt es für überflüssig, seiner Frau näheren Aufschluß zu geben. Er ersparte seiner Familie gern jede Aufregung, und jetzt, da Gras über jene Sache gewachsen war und man sich bald trennte — vielleicht auf Nimmerwiedersehen — wäre es Thorheit
gewesen, die Geschichte noch einmal aufzurühren. Mit Befriedigung sah er in den nächsten Tagen, daß der Graf sich fast beständig zurückzog und daß er ihm an der Mittagstafel wo das Zusammensein unvermeidlich war, nicht ganz unbefangen begegnete. Der Kommerzienrat selber besaß — infolge des Glücks, welches alle seine Unternehmungen begünstigt hatte — ein so sicheres Auftreten, daß er mit dem größten Gleichmut dem, der ihn beleidigt hatte, gegenüberstehen und ihn übersehen konnte. Mit dem Baron Perger verkehrte er so freundlich wie beim Beginne der Saison, che er noch eine Ahnung von der Verwandtschaft mit dem Grafen Nordau gehabt hatte. Einmal versuchte der Baron, das Gespräch auf seinen Neffen zu bringen und- anzudeuten, wie sehr dieser seine damalige Handlungsweise bereue; aber Herr Märker unterbrach ihn mit den Worten: „Die Sache ist aus der Welt geschafft und ich möchte nicht mehr daran erinnert werden."
Die Familie des Kommerzienrats wunderte sich, daß der Vater sich gar nicht für den erwärmte, der ihnen allein ein so großes Interesse einflößte und der vornehmste Gast der Saison war. Frau Märker machte sogar einmal die Bemerkung: „Es kommt mir vor, als hättest du etwas gegen den Grafen." Aber als ihr Gatte ruhig darauf erwiderte: „Was sollte ich gegen jemand haberr, den ich gar nicht kenne?" war sie natürlich überzeugt, sich geirrt zu haben. Mvy war die einzige, die instinktiv die Abneigung des Vaters gegen Nordau fühlte. So wenig man mit dem letzteren in Berührung kam — denn er schien nur noch für die Greiflingen da zu sein — dies wenige genügte, um ihr klar zu machen, daß der Vater nicht der Freund des Grafen sei. Ihr Zartgefühl empfand dies schmerzlich, die geringste ablehnende Miene entging ihr nicht und verletzte sie.
Und da sie nun durch d s Vaters Verbot verhindert war sich ihren Schützlingen zu widmen, mußte sie beständig in der Gesellschaft weilen und wie vorher Herberts Namen mit dem des Fräuleins von Greiflingen nennen hören. Am