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dem gegenüber liegenden Geschäftshaus von Hermann Schmoll u. Cie. wurden durch die Explosion fast sämtliche Fenster zertrümmert. Feuerwehr und Rettungsmannschaften waren sofort zur Stelle.
Frankfurt a. M., 14. Sept. Ueber die Explosion in der Droguerie von Klocke u. TscharUe liegen folgende weitere Nachrichten vor: Der Ausläufer der Firma und der zufällig vorübergehende Sohn des Briefträgers Faber wurden getötet. Der letztere wurde durch den Luftdruck an das gegenüberliegende Haus geschleudert, wobei ihm der Schädel zertrümmert und der Kopf nahezu vom Rumpf gerissen wurde. Lebensgefährlich verletzt wurde der Lehrling Karl Einschütz, er erlitt schwere Brandwunden. Der schwer Verletzte, der 2 Stunden unter den Trümmern gelegen hatte, wurde in das Krankenhaus verbracht. — Ferner wurde berichtet: Nachmittags 1 Uhr wurde die Leiche des verschüttc- len Kommis Hermann Reinicke gefunden. Die Aufräumungsarbeiten wurden durch den anhaltend uiederströmenden Regen in bedeutendem Maße erschwert. Den schwerverletzten Lehrling Karl Einschütz hofft man am Leben erhalten zu können. Er war vernehmungsfähig. Er sagte über die Ursache der Explosion aus, daß sie darin zu suchen sei, daß er und der Ausläufer im Keller ein Streichholz anzündeten. Durch die Gewalt der Explosion wurde die schwere Ladendecke auf die Straße ge-^ schleudert. Tie Leute in den über dem Laden befindlichen Wohnungen mußten sich über eine Leiter aus dem Hause retten. Bei den Aufräumungsarbeiten erlitten mehrere Feuerwehrleute leichte Verletzungen. Der Inhalt und die Decke des Ladens sind vollständig in den Keller gesunken. Das Haus hat sich von den Nachbarhäusern losgelöst und mußte gesprießt werden. Ter Trambahnverkehr dürfte bis morgen unterbrochen sein.
Berlin, 13. Sept. Betreffs der Instrumente der alten Pekinger Jesuiten-Stern- warte verbreitet eine hiesige Lokal-Correspondenz folgende Mitteilung: Tie Instrumente der Pekinger Sternwarte sind nicht als Kriegsbeute nach Potsdam gebracht worden, sondern sie sind von der deutschen Regierung durch den Gesandten in Peking nach Einnahme der chinesischen Hauptstadt angekauft worden. Die Kaufsverhandlungen wurden indes erst perfect, als Li-Hung-Tschang daselbst eintraf. Tie chinesische Regierung wollte daraufhin mit den Instrumenten dem deutschen Kaiser ein Geschenk machen, doch soll eine derartige Gabe vom Kaiser Wilhelm abgelehnt worden sein.
Berlin, 15. Sept. In Betreff der politischen Ergebnisse, zu denen die Kaiser-Zusammenkunft bei Danzig geführt hat, behauptet der Lokal-Anzeiger aus zuverlässiger Quelle mitteilen zu können, daß in den Unterredungen der beiderseitigen leitenden Staatsmänner eine Verständigung über die Grundlage der zukünftigen deutsch- russischen Handels-Beziehungen noch nicht erreicht werden konnte.
Brüssel, 15. Sept. Der amerikanische Gesandte erklärte, es sei die höchste Zeit, daß die civilisinen Nationen strenger gegen die Anarchisten Vorgehen. Man sollte die Drohungen der Anarchisten weit mehr berücksichtigen als bisher. Es wäre schon vor einem Jahre von Anarchisten angekündigt, daß der König von Italien und Mac Kinley von ihnen zum Tode verurteilt worden seien. Die Amerikaner in Brüssel haben auf 6 Monate Trauer angelegt.
Paris, 15. Sept. Eine Unmasse Ansichts- Postk arten ist in Umlauf gesetzt. Die Adresse lautet: An Seine Majestät den Zaren in Com- pisgne. Auf der Rückseite befindet sich eine Zeichnung von dem bekannten Carrikaturisten Billette. Die Zeichnung stellt den Präsidenten Krüger dar mit seinem bekannten Cylinder, langem Gehrock und barfuß, gebückt unter der Last eines schweren Lireuzes. Neben der Zeichnung wird der Zar in einem Gedicht ersucht, durch seinen Schiedsspruch den Burenkrieg zu beenden.
Mac Kinley
Buffalo, 14. Sept. Präsident Mac Kinlesi ist in verflossener Nacht um 2 Uhr gestorben. Die gestern ausgegebenen Bulletins meldeten plötzlich eine Verschlimmerung; die letzte Nachricht lautete: Buffalo, 13. Sept. Der erste behandelnde Arzt Mac Kinlcys, Professor Burney ist über die unerwartete Verschlimmerung im Zustand des Präsidenten äußerst beunruhigt. Die Cabinets-Mitglieder sind heute Nachmittag eingetroffen, um im Falle einer Katastrophe zur Stelle zu sein. Augenblicke des Bewußtseins wechseln mit solchen der Bewußtlosigkeit ab. Die Kräfte schwinden bedenklich. Die Magenwunden, welche zugenäht waren, scheinen wieder aufgegaugen zu sein, denn der Präsident klagt und stöhnt in den Augenblicken des Bewußtseins. Der Magen verträgt nicht den leisesten Reiz. Die Herzthätigkeit ist seit heute früh bedenklich im Schwinden. Die Situation erscheint äußerst kritisch. Frau Mac Kinley ist schon Mitteilung gemacht. Allerdings hat man die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben. Man hofft, der Präsident werde Dank seiner Constitution die KrisiS überwinden. Die Ansicht der Aerzte über die Ursache der jüngsten Verschlimmerung geht dahin, daß der im Augenblick des Attentats im Magen befindliche Inhalt eine langsame Entzündung der Därme hervorgerufen hat, deren schlimme Folgen erst jetzt in die Erscheinung treten.
Buffalo, 14. Sept. Der Präsident verschied um 2 Uhr 15 Min., nachdem er seit gestern Abend 7.50 bewußtlos gewesen war. Ein Geistlicher war nicht zugegen. Die letzten Worte waren: „Lebt alle wohl! Es ist Gottes Weg. Sein Wille geschehe!" Diese Worte wurden von Dr. Mann ausgezeichnet. Frau Mac Kinley sah ihren Gemahl zuletzt zwischen 11 und 12 Uhr Nachts.
hören. Da sie ihm alles Gute wünschte, hätte sie sich freuen müssen, daß ein Mädchen aus vornehmem Hause, ihm gesellschaftlich gleichstehend, schön und reich, ihm gewogen zu sein schien — aber sie vermochte das nicht. Im Gegenteil, diese Vermutung legte sich ihr schwer aufs Herz und stimmte sie traurig.
Margaretens Verehrer fand sich ein, um die Damen zum Strande zu holen. Aber da man sich Andys wegen beim Frühstück verspätet hatte und es sehr heiß zu werden drohte, gab man den Seeweg auf und beschloß, sich gleich für die Tennispartie umzukleiden.
Oben von ihrem Fenster aus konnte Andy auf den Spielplatz schauen. Sie sah den Grafen — der mutmaßlich seiner Hand wegen nicht zum Baden gegangen war — auf einer Bank sitzen und mit Fräulein von Greiflingen, die ihm gegenüber saß, sprechen. Er hatte einen Rosenstrauß vor sich liegen, der gewiß seiner Nachbarin bestimmt war. Andy trat vom Fenster zurück; sie wollte es nicht mit ansehen, wie sie ihm zulächeln, wie er sie anschauen würde.
„Ich bin müde und bleibe zu Hause," erklärte sie ihren Schwestern. In der That sah sie so aus, und die Ihrigen "drangen deshalb nicht in sie, mitzugehen. Die kleine Susi klatschte in die Hände. „Dann bleibst du bei mir, Tante Andy, nicht wahr?"
„Ja, bei dir," antwortete Andy.
Es wurde ihr leichter ums Herz, als sie mit dem Kinde allein im Garten war. Sie nahm Susi in ihre Arme und ließ sich von ihr Verse und Geschichten hersagen. Das unschuldige Geplauder der Kleinen that ihr wohl und half ihr, ruhig zu werden.
„Welch ein Schatz," dachte sie, „ist doch ein solch kleines liebes Wesen! Und wie wenig weiß Thea dies Glück zu würdigen! Aber das ist nicht ihre Schuld!"
Sie saß am Sterbebette uud hielt die Hand ihres Gemahls in der ihren. Die Kabinetsmitglieder wurden einzeln um dieselbe Zeit ins Sterbezimmer gelassen. Die unmittelbare Todesursache steht noch nicht fest, daher ist die Autopsie der Leiche nötig. Die Leiche wird nach Washingt on gebracht und dort aufStaatskostenbestattet. Roo- sevelt leistet den AmtSeid da, wo ihn die Todesnachricht erreicht. Die Minister geben sofort ihre Entlassung, um Roosevelt die Gelegenheit zu geben, ein neues Kabinet zu bilden, wenn er dies wünscht.
Buffalo, 14. Sept. Als kurz nach Mitternacht daS Gerücht entstand, der Präsident sei gestorben, stürmten die erbitterten, die Straßen füllenden Volksmassen nach dem Gefängnis, wo sich Czolgosz befindet, wurden aber von Schutzleuten zu Fuß und zu Pferde zurückgedrängt.
Berlin, 14. Sept. Der Lokal-Anzeiger meldet aus London: Der bisherige Vicepräsident Roosevelt war vorgestern auf der Jagd in das Adirondock-Gebirge gegangen uud hatte keiuc Ahnung von der Verschlimmerung im Befinden Mac Kinley's. Das Jagdgebiet liegt im oberen Staate New-Aork, 10 Meilen von allen Verkehrsmitteln. Man schickte sofort beim Eintreffen der Kunde von der Verschlimmerung berittene Boten in die Wildnis, um ihn zu suchen. Er wurde erst spät gefunden und konnte die Station North Creek nicht vor gestern abend spät erreichen. Ein bereit gehaltener Extrazug bringt ihn über Saratoga nach Buffalo. — Das amerikanische Kabinett tritt heute in Buffalo zusammen, um sich über das Begräbniß-Ceremoniell schlüssig zu machen. Die Beisetzung findet in Mac Kinley's Heimat Canton in Ohio statt.
Wien, 15. Sept. Ein hier weilender Verwandter Roosevelts bezeichnte denselben zwar als einen Mann von starker Natur. Derselbe sei aber keineswegs der Chauvinist, für den er auf dem Kontinent gelte.
Uermischtes.
Aus China. Der Frieden mit China ist unterzeichnet; Prinz Tschun ist vom Kaiser empfangen worden. Wie sieht es nun in China selber aus? Wie stellen sich jetzt die Behörden des himmlischen Reiches zu den Europäern, vor allem zu den Missionaren, und auch zu den eingebornen Christen? Es kommen darüber aus China erfreuliche Nachrichten. Die Missionare haben ja vielfach teils auf höheren Befehl teils aus eigenem Antrieb, um die Wut der Chinesen nicht noch mehr zu reizen, ihre Posten verlassen. Nun ziehen sie wieder ins Land, um die alten Stellungen einzunehmen oder die durch den Tod der Märtyrer entstandenen Lücken aus- zufüllen. Dabei werden ihnen, wie cs scheint, nirgends besondere Schwierigkeiten in den Weg gelegt; mehrere Missionare rühmen vielmehr das Verhalten der Behörden und der Bevölkerung. Die Beamten laden sie selbst zum Teil ein zurückzukehren und
„Warum bist du so traurig, meine liebe Tante?" unterbrach Susi sich plötzlich in ihrer Erzählung.
„Tante Andy ist müde," antwortete sie und lehnte ihren Kopf an des Kindes Schulter.
Die Gartenthür wurde geöffnet, und ein fester männlicher Schritt kam näher. Andy, die glaubte, daß es der Diener sei, richtete sich nicht auf. Der Eingetretene, Graf Nordau, blieb stehen und schaute zu der lieblichen Gruppe hin. „Doch, du bist traurig," sagte das Kind eben. „Bitte, sei wieder fröhlich." Andy hob den Kopf und lächelte der Kleinen zu. „Ist es so recht?"
In diesem Moment fiel ihr Blick auf den Grafen. Errötend sprang sie auf. „Verzeihen Sie mein Eindringen," sagte Nordau, nähertretend. „Ich habe von meinen Verwandten so viel Vorwürfe wegen meiner unverzeihlichen Undankbarkeit gegen das gnädige Fräulein anhören müssen, daß ich mir selber wie ein Ungeheuer erscheine und mein Unrecht gut machen möchte. Darf ich Ihnen diese späten Rosen überreichen? Ein glücklicher Zufall brachte mich in Ihren Besitz und es fehlt mir sonst jedes Mittel, Ihnen meinen Dank auszudrücken."
Andy nahm die Rosen in Empfang und ließ Susi ihr kleines Gesicht hineindrücken.
„Du bist ein sehr guter Onkel," sagte das Kind. „Ich habe dich lieb." Andy bat den Grafen, Platz zu nehmen. „Außer mir finden Sie niemand von der Familie, Mama ist an den Strand gefahren und die anderen spielen Tennis. Wenn es Ihnen recht ist, bleiben wir im Garten. Die schönen Tage dürften jetzt doch gezählt sein."
„Tante Andy ist traurig," erzählte Susi.
Andy schüttelte den Kopf. Zum Kinde gewendet sagte Nordau: „Warum ist deine Tante traurig?" (Fortsetzung folgt)