453
Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.
Laut Bekanntmachung des K. Ministeriums, Abteil, f. d. Berkehrsanstalten, wurde von der Handels-u Gtwerbekammer Calw zu Mitgliedern des Beirats der Verkehrsanstalten ge- wählt: I. Als Vertreter des Handels und derGewerbe: Eugen Staelin, Fabrikant in Calw; als Ersatzmann: Albert Ko ch, Fabrikant in Rohrdorf. II. Als Vertreter der Landwirtschaft: Gutsbesitzer Weiß in Ottenhausen (wie bisher); als Ersatzmann: alt Adlerwirt Dingler, Gutsbesitzer in Calw.
Pforzheim, 26. Juni. Gestern mittag m st,2 Uhr ab entlud sich über unserer Stadt ein heftiges Gewitter, verbunden mit wolken- burchartigem Regen, welcher in und um Pforzheim, besonders an den Thalhängen außerordentlichen Schaden angerichtet bat. Die größten Zerstörungen richtete das Wasser in der Altstadt an. Die von den umliegenden Höhen mederstürzenden Wassermasseu suchten, nachdem die Dohlen in der Erstnger und Bretiener Straße gefüllt waren, ihren Weg in östlicher Richtung, der neuen Bahnanlage entlang. An dem Abhang am Blumcnheckweg stürzte das Wasser ab und bildete einen 2'/, Meter hohen Wasserfall. Welche Gewalt das Wasser hatte, ist daraus zu ersehen, daß es an dieser Stelle ein Becken von 2 Meter Tiefe und beträchtlichem Umfang ausgewühlt hat. Der freie Platz beim Gasthaus zum Ochsen glich einem Sec und die Altstädter Straße einem Strome. Keller und niedergelegene Wohnräume der anliegenden Häuser wurden mit Wasser gefüllt. In dem Wasser schwammen eine Menge Ratten, welche ihren Tod durch die Flut fanden. Zwischen östlicher Karl-Friedrich-Straße und Lindenstraße wurde eine Stützmauer derart gelockert, daß sie zu- samwenbrach. Auch an den Abhängen des Hachel. längs der Kaiser Wilhelmstraße und der Güter« siraße rc. ist der Schaden in Gärten, Feldern und an den Wegen sehr erheblich. Auf der anderen Thalseite war das Bild keineswegs erfreulicher. Vom Tiergarten und Seehausweg, sowie vom sogen. Jungfernbrunnen her wälzte sich die Flut wie ein reißender Wildbach zu Thal über Feld und Garten hin, alles mit sich reißend. Gegenüber dem Gymnasium in der Dillsteiner Straße brach eine Stützmauer zusammen. In einigen Fabriken in der Bleich- stroße mußte die Arbeit unterbrochen werden, da durch die Wassermassen die Dampfkessel außer Dienst gestellt wurden; die Straße selbst war e>n großer See. — Aus allen Gegenden der Stadt lauten die Nachricht gleich unerfreulich And selbst in der Umgegend des Marktplatzes wird über Schaden berichtet.
Deutsches Weich.
Berlin, 26.Juni. Handelsminister v.rhr. v. Berlepsch hat nach der „National- Mung« seine Entlassung eingereicht. i-s wird dem genannten Blatte zufolge ange- »onimen, daß das Gesuch gewährt werden wird.
Berlin, 26. Juni. Mit einem Extra- We traf am Donnerstag mittag Bizekönig ^'Hung-Tschang in Friedrichsruh ein. E Bizekönig wurde von den Grafen Herbert A'2/siarck und Rantzau empfangen und ins Moß geleitet. Sein Gefolge bestand halb aus »Wesen, halb aus Hamburgern. 14 Personen am Frühstück teil. Fürst Bismarck Ä"? Li-Hung-Tschang im Familiensalon und i», uut ihm vor Eintritt in den Saal l Worte, indem er sagte, er fühle sich b« berühmtesten Staatsmann Chinas
,. sich zu sehen. Li-Hung-Tschang erwiderte,
. ^ ?"rkn seine Erfolge in China nicht so ^ ^ Thaten Bismarcks in Deutschland,
v si Bismarck entgegnete, sie hätten beide ihrem Li k? ""großes Land regieren helfen, worauf Ni'-^g'Tlcharig bemerkte, er hätte nur China, Ilm« m bagegen der ganzen Welt Gutes ge- dem N ^^-b erschien Fürst Bismarck mit bakn-, ""b geleitete ihn bis zum Eisen-
berrl^'>. ^er verabschiedete sich der Fürst beoriib» Händedrücke. Die Menschenmenge bei m-"..8ärsten bei seinem Erscheinen und i
r Rückkehr mit jubelnden Zurufen. Li- >
Hung-Tschang fuhr nach 3 Uhr nach Berlin zurück
Berlin, 24. Juni. Der Reichstag nahm nach sechsstündiger Beratung die wesentlichste Bestimmung der bürgerlichen Eheschließung auf Grund der Vereinbarung an. die zwischen den Nationalliberalen, dem Zentrum und der Reichspartei zustande gekommen war, während der Versuch der Ultra-Konservativen, das Prinzip der bürgerlichen Ehe durch die Einführung der fakultativen (freigestellten) Zivil ehe zu durchbrechen, mit einer geradezu kläglichen Minderheit scheiterte. Der konservative Abgeordnete Kropatschek selbst führte aus: Er habe die Einführung der obligatorischen Zivil ehe seiner Zeit tief bedauert, aber die Institution habe doch der evangelischen Kirche eine große Selbständiekeit gebracht. Man möge es daher so lassen, wie es jetzt sei, und von jedem evan gclischen Christen verlangen, daß er seine Ehe kirchlich einsegnen lasse. Und dieser Ansicht war auch der Reichstag, der den Antrag des Grafen Roon mit erdrückender Mehrheit ablehnte. Das Zentrum hat einige das Wesen der Zivilehe nicht unmittelbar berührende, wenn auch nicht unbe denkliche Zugeständnisse herausgeschlagen; im Uebrigen begnügte es sich mit einem Proteste und der Erklärung, daß die Ehe nach katholischer Anschauung der staatlichen Zuständigkeit entrückt sei. Wie der bisherige Zustand in den letzten 20 Jahren keinen Anlaß zu Klagen gegeben hat. wie die gläubigen Katholiken und Protestanten auch bisher den Vorschriften des Zivilehegesetzes nachkamen und der bürgerlichen Trauung die kirchliche folgen ließen, so wird dies auch ferner in derselben Weise geschehen, und es bleibt zu hoffen, daß nach dem heftigen Streit, der nn vergangenen Frühjahr von hochkonservativer und ultramontaner Seite erhoben wurde, nunmehr bald wiederum volle Beruhigung eintrete.
Straßburg, 25. Juni. Im großen Hafen vor dem Metzgerthor wollte in einem dort ankernden Schiffe ein 11 Jahre altes Mädchen Feuer im Herde anzünden, benutzte aber dabei leider dre Petroleumkanne, welche explodierte. Das brennende Petroleum ergoß sich über das Kind, das im Nu in Flammen stand. Auf den Hilferuf des armen Mädchens eilte der Vater herbei, ergriff das Kind und sprang mit ihm in das Wasser. Dann brachte er die mit schweren Brandwunden bedeckte Tochter in das Spital.
Aus Osthofen i. Elf. wird d. I. vom 23. Juni geschrieben: Ein Ausflug in die Wälder mit ihrem würzigen Tannenduft ist etwas Herzerhebendes und Erquickendes, aber in der Blütenperiode des Weinstocks sollte ein Städter sich auch einmal in unsere Rebberge hinauswagen. Dieser Blütenduft, dieses Aroma würde ihn geradezu bezaubern. Welche Fülle von Blüten öffnen bei dem günstigen Wetter ihre Kelchlein und verbreiten einen Wohlgeruch, der allen anderen übertrifft. So still und bescheiden wie das Veilchen zeigt sich die Blüte der Rebe verdeckt unter dem schützenden Blätterdach. Wenn der Weinstock so wie jetzt seinen Fortgang hat, wird der Rebmann wieder mit neuem Eifer arbeiten, um Erfolg zu erzielen für seinen sauer vergossenen Schweiß. Noch vielen Gefahren sind die Reben bis zum Herbst aus- gesetzt, wovor uns Gott bewahren möge!
Württemberg.
Die Stuttgarter Ausstellungen im neuen Landesgewerbemuseum, wie in und neben dem Stadtgarten werden zur Zeit von der Stuttgarter Bevölkerung zahlreich besucht; dagegen hat der Zuzug von Fremden in die Landeshauptstadt nach dem entsetzlichen Trubel der landwirtschaftlichen Wanderausstellung in Cannstatt sehr erheblich nachgelassen. Die Stutt- zarter Gasthofbesitzer, welche für den ganzen Sommer hindurch auf allnächtlich besetzte Häuser gerechnet hatten, sehen sich in ihren Hoffnungen getäuscht. Freilich ist eben die bayr. allgemeine Gewerbeausstellung in Nürnberg, die eine große Anziehungskraft ausübt und verhältnismäßig sehr nahe an Stuttgart liegt, als Hauptursache des nachlaffenden Verkehrs in Stuttgart zu betrachten. Die württ. Landbevölkerung aber
ist schon allenthalben mit der Heuernte beschäftigt und findet gegenwärtig keine Zeit nach Stuttgart zu reisen. Dazu kommt, daß nicht wie bei der allgemeinen Ausstellung im Jahre 1881 alle möglichen Städte und Döner des ganzen Landes bei der Ausstellung vertreten sind, sondern nur das Kunstgewerbe und was mit der Elektrizität in irgend eine nähere Beziehung zu bringen ist. Vi'le werden nie Ausstellung auch erst anläßlich des anfangs August staltsindenden deutschen Sängerfestes besuchen.
Stuttgart, 19. Juni. Die Norddeutsche» Unternehmer, welche ganze Waggon, ladungen Schellfische nach Stuttgart und andere Städte Württembergs einführen, machen glänzende Geschäfte; trotzdem sie das P'und zu nur 17 Pf, bei kleiner Ware sogar zu 12 Pf. abgcben.
H e i l b r o n ii. 24 Juni. Gestern abend hielt Oberbürgermeister Hegel maier in dem hiesigen „Scherwegverein" anläßlich einer geselligen Unke,Haltung eine donnernde Philippika gegen die wüsten Agitationen, denen er und verschiedene städtische Beamte ausgesetzt werden und betonte, daß der eigentliche Bürgerstand, der friedliebend sei, diesen Hetzereien, die nur von einigen gew ssenlojcn Schreiern ausgehen, völlig ferne ssthe. Sein Hoch aus die Stadt Heilbronn wurde mit brauendem Bestall ausgenommen.
Aus dem N e u f se n e r t h a l, 24. Juni. Wie sich aus Mitteilungen und Selbstbeobachtungen ergab, hatte das Unwetter am 16. Juni Abends zwei fast entgegengesetzte Richtungen genommen. Der Zusammenstoß beider Gewitter war für die Gemeinde Linsen Hofen von vernichtender Wirkung. Die Hagelmaffe kam den Leuten gar nicht zur vollen Anschauung, weil sie im selben Moment von den Flutwellen des entsetzlichen Wolkenbruchs sortgeschwemmt wurde. Das aus Straßen und Feldern fußhoch sich heranwälzende Wasser war daher eisig und kalt und von stechendem Schwefelgeruch. Die Eismassen müssen ungeheuer gewesen sein, wenn man bedenkt, daß man in der Linsenhofer Weinberghalde „im Sand" ganze Weinberge durchsuchen kann, ohne ein Schoß zu sindcn/ das noch einen Kopf hat. Nichts als Stummeln, an denen da und dort noch ein zerfetztes Blatt hängt. Fuß tief ist auch der Boden fortgerissen. Vergebens sucht man ihn im Thälchen unten. Das ganze Wiesenthälchcn war viele Fuß tief überflutet und das Wasser nahm seinen Weg über das Ackerfeld hinein in die ziemlich tief eingeschnittene Straße nach Frickenhausen, welche, nach den Spuren zu urteilen, ganz angesüllt gewesen sein muß. Man kann wohl sagen, daß Linsenhofen bloß durch seine äußerst günstige Lage vor Zerstörung bewahrt blieb, da keines der vielen Thälchen, aus denen stromartig das Wasser sich wälzte, direkt auf das Dorf zugeht. Die Straße von Beuren nach Frickenhausen leitete gleich einem Sicherheitskanal schützend die Fluten von Linsenhofen ab. So sind die Häuser im allgemeinen verschont geblieben, dagegen sind die Fluren vernichtet, die Acker- und Gartengewächse sind bis zur Unkenntlichkeit zerstört. Die Not der Bewohner ist groß. (S. M.)
Saaten ft andsbcricht für Württemberg vom Monat Juni 1896. Der St. Anz. teilt die Ergebnisse der amtlichen Erhebungen des K. Statist LandcSamtS über den Saalenstand im Juni d. I. für das Land im Ganzen wie für die einzelnen Kreise mit.
Die Gesammtlage, wie sie sich aus den eizr- gekommenen Berichten der Saatenstandsderichterstatter für die Mitte des Monats ergiebt, stellt sich wie folgt dar: Noch vor Schluß des Mai kam die Wärme mehr und mehr allgemein zur Herrschaft, und cs erhielt sich dieselbe bis zum Berichtsabschluß (19. Juni). Da außerdem in der Berichtsperiode von Mitte Mai bis 19. Juni im größten Teile des Landes ergiebige Niederschläge und im Juni zahlreiche Gewitterregen niedergingen, welche nur wenig Abkühlung brachten, so wurde durch die feuchlwarme Witterung der letzten Wochen die Vegetation sehr gefördert, umsomehr als es nicht nn Sonnenschein fehlte. Nur aus einigen Bezirken wird gemeldet, daß die Niederschläge bis Mitte Juni nur strichweise stattgefunden haben, so Neckarsulm, Weinsberg, Gera- bronn, Künzelsau, Mergentheim. Leider waren die häufigen Gewitter zwischen 1. und 18. Juni, am meisten diejenigen vom 5., 16. und 18. teils von Hagel, teils von Wolkenbrüchen, welch letztere Wasserschäden ver-