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für den Frieden Europas beitragen. Nachdem noch der Zar in den deutschen Gewässern herzlich willkommen geheißen wird, schließt der Artikel wie folgt: Ihm verdankt Europa zum großen Teil eine Gestaltung der Weltlage, die uns erlaubt, den Verlauf der Begegnung bei Danzig und die Weiterreise des russischen Monarchen mit aufrichtigen Wünschen zu begleiten.
Berlin, 10. Sept. Im städtischen Asyl für Obdachlose har sich gestern Abend eine peinliche Scene abgespielt, die zweifellos die Berliner Stadtverordnetenversammlung und das Gericht beschäftigen wird. Es wurde dort der sozialdemokratische Stadtverordnete Verlagsbuchhändler Hoff- mann, der sich in Begleitung eines Parteigenossen, des Cigarrenhändlers Schulz unter der Maske eines Obdachlosen hatte aufnehmen lassen, von Angestellten des Hauses durch Schlagen gemißhandelt und zwangsweise aus der Anstatt entfernt. Ihrem Ersuchen, vor den Inspektor geführt zu werden, wurde nicht entsprochen. Erst durch die Vermittlung des benachbarten Polizei-Reviers gelang es ihnen, den Beamten zu sprechen und mit Hilfe dieses einige der Schuldigen feststellen zu lassen.
London, 9. Sept. Wie aus P r e to ria berichtet wird, hat der Buren-Kommandant Sucher den Oranje-Fluß überschritten und sich von Neuem in dem Bezirk von Aliwalnorth festgesetzt. Dewet macht Austrengungen, um mit seinen Truppen zu ihm zu stoßen. — Infolge der jüngsten Zerstörung eines englischen Militär-Zuges durch die Buren, beabsichtigen die Engländer, von nun an Buren- Notablen zu veranlassen, in den Militärzügen Platz zu nehmen. Plan hofft, daß dadurch die Buren von ihren ferneren Angriffen auf die Militärzüge Abstand nehmen werden. Diese Maßregel soll zuerst auf die Eisenbahnlinie Pretoria—Pietersburg in Kraft gesetzt werden. — Die Engländer haben eine Buren-Abteilung von 60 Mann, die sich in dem Distrikt und in den Schluchten von Malagis- berg aufhielt, überrascht und angegriffen. Die beiderseitigen Verluste sind noch nicht bekannt.
Attentat aus Mac Kinley.
Berlin, 9. Sept. Ueber das Attentat gegen den Präsidenten Mac Kinley wird dem Kleinen Journal aus Buffalo gemeldet: Unter dem Verdacht der Mitschuld an dem Attentat wurde hier ein gewisser Alfons Stutz verhaftet, der sich für einen' beurlaubten deutschen Offizier ausgab. Es wurde eruiert, daß er am 30. August auf dem Dampfer Deutschland der Hamburg-Amerika-Linie in New-Iork ankam und in Buffalo gleichzeitig mit Niemann eintraf. Bei diesem wohnte er auch in Buffalo. Stutz wurde einem Verhör unterzogen und da er die gestellten Fragen in unbefriedigender Weise beantwortete, wurde er in Haft genommen. — Der Vater des Attentäters wurde in seinem Wohnorte zu Cleveland interviewt. Er stammt
aus Haio in Posen, von wo er im Jahre 1871 nach Amerika einwanderte. Ich kann für das Verbrechen meines Sohnes keine Entschuldigung finden, sagte der alte Mann. Er verdient gehängt zu werden. Aber ich glaube, er ist wohl das Werkzeug anderer gewesen.
— Die letzten Bulletins über Mac Kinleys Befinden lauten günstig. Der Arzt Mac Burney äußerte übrigens, es könne niemand sagen, ob der Präsident wieder genesen werde. Wahrscheinlich vergehen drei Wochen, bevor man den Kranken gefahrlos transportieren könne. Der Arzt Dr. Mann erklärt gleichfalls, daß der Präsident nicht außer Gefahr sei, doch seien die Anzeichen günstig, insbesondere die freie Bewegung der Eingeweide. — In einem weiteren ärztlichen Bericht heißt es: Obwohl Mac Kinley zuerst einige Stunden nach der That frei von Schmerzen war, hat er doch später erheblich gelitten. In dem bewußtlosen und halbbewußt- losen Zustand hat er gestöhnt, als läge er in Agonie. Als er wieder zum Bewußtsein gekommen war, hat er kein Zeichen von Schmerz geäußert. Der Rönt- geuapparat wird nur Verwendung finden, falls in der Nähe des vermutlichen Sitzes des Geschosses bedenkliche Anzeichen auftreten. Es heißt auch, daß der Präsident häufig Opiate erhalte, da sonst die Schmerzen seine Kraft aufzehren würden. Mac Kinley's Grippe-Anfall vor zwei Jahren und Symptome Bright'scher Nierenkrankheit gefährden die Genesung; indessen hoffen die Aerzte, daß sein kräftiger Lebenswille und seine Enthaltsamkeit vor alkoholischen Getränken günstig wirken. Die zweite Kugel ist noch nicht gesucht. — Der Attentäter Czogolß, ist in eine unterirdische Zelle gebracht worden, weil man Anschläge auf das Gefängnis befürchten Die Depeschen sagen ausdrücklich, es dürfen keine Reporter zu ihm. — Er soll im weiteren Verhör ausgesagt haben, er sei dem Präsidenten drei Tage lang gefolgt, bis er einen günstigen Augenblick zu Verübung der That gefunden habe. Niemand habe von dem Attentat gewußt und er habe keinen Mitschuldigen.
Berlin, 9. Sept. Der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung zufolge lautet das Telegramm des Kaisers an den Präsidenten Mac Kinley: In tiefe Trauer versetzt durch die Nachricht von dem ruchlosen Attentat auf Ihr Leben, spreche ich Ihnen mein und des ganzen deutschen Volkes Mitgefühl mit Ihnen aus, von dem das Land betroffen worden ist. Möge Gott Ihnen sichere und schnelle Genesung schenken. Auch an die Gemahlin des Präsidenten sandte der Kaiser in seinem und.der Kaiserin Namen ein Beileids-Telegramm.
Buffalo, 10. Sept. Das letzte ärztliche Bulletin besagt, daß sich der Zustand des Präsidenten Mac Kinley fortdauernd bessere. Keine Anzeichen lassen darauf schließen, daß eine Entzündung bevorsteht. Tie Mitglieder der Familie Mac Kinley sind ebenso beruhigt wie die Aerzre. Alles läßt eine baldige Genesung erwarten.
Vermischtes.
— Ein Mitglied des landw. Vereins in Marbach, dem auf seiner Reise durch Spanien eine Notiz über ein Mittel gegen die Maulund Klauenseuche in die Hände kam, teilt im „Landw. Wochenbl." folgendes darüber mit: Um die Maul- und Klauenseuche zu heilen, wird gegenwärtig in Frankreich nach vielen Versuchen mit vorzüglichem Erfolg ein Mittel angewandt, welches vor kurzem Dr. V. Jarre in Paris bekannt gegeben und welches das französische Ackerbaumini- sterium unverzüglich anzuwenden empfohlen hat. Es ist dies kein Geheimmittel und leicht anwendbar, bestehend aus einer Auftragung einer konzentrierten Lösung von chemisch reinem .4eiänM ellrowieuw. Diese Lösung wird 33prozentig hergestellt und mittelst eines großen Baumwollwattepfropfens, welcher damit getränkt, der von der Krankheit befallene Teil des Tiermaules leicht gerupft. Tie Heilung ist so rasch wie sicher. Tiere, welche tagelang jede Nahrung verweigert, 5 Minuten nach der Be- tupfung mit dem LMäum ebroustvuw suchen von selbst wieder das Futter, und nur selten ist die Anwendung des Mittels im Maul zu wiederholen nötig. Die Behandlung der Klauen ist länger und schwieriger, doch das Endresultat gleichfalls befriedigend. Hauptbedingung ist, daß das Mittel chemisch rein, dennsobald dieses mit.4.eiänrn sulkurioum vermischt ist, ist die Heilung fraglich. Diese Behandlung durch Betupfung hat niemals Nebenkomplika- tiouen inflammatorischen Charakters zur Folge, was durch viele Versuche bewiesen ist und was von großem Werte. Ter Haupterfolg wurde hauptsächlich mit dieser Behandlung bei Schweinen erzielt, welche so stark an der Maul- und Klauenseuche leiden. Die Versuche des französischen Ackerbauministeriums mit genanntem Mittel wurden an allen Arten von dieser schrecklichen Krankheit befallenen Tiere vorgenommen, ebenso nicht nur von renommierten Tierärzten, sondern in vielen Fällen von den Vichhaltern selbst, welche die Instruktionen der Tierärzte befolgt und stets zufriedenstellende Resultate erzielt haben.
— Die Erbauung einer Kirche in Lützen Hardt OA. Horb ist als dringendes Bedürfnis anerkannt worden und hat S. M. König Wilhelm II. die Erlaubnis zu einer Geldlotterie bei welcher 1330 Geldgewinne mit 48000 zur Ausspielung kommen, mit einem Hauptgewinn von 20 000 ^-/L, erteilt. Die Armut der Gemeinde Lützenhardt und deren Bewohner dürfte allenthalben bekannt sein. Wer zu diesem so dringenden Kirchenbau einen kleinen Baustein beizutragen gewillt ist, der versäume nicht seine wohlwollende Unterstützung durch Abnahme von Losen ä, 1 bei Generalagent I. Schweickert in Stuttgart zu bethätigen, zumal obige Generalagentur noch niemals eine Kirchenbaulotterie verschoben hat, wird auch diese ganz bestimmt am 24. September durch das Glücks- Rad gehen.
Andys Herz klopfte laut, aber die Ruhe, mit der Nordau ihr entgegentrat, gab auch ihr die Fassung wieder, so daß sie im stände war — fast wie im Vorübergehen — die Frage an ihn zu richten:
„Sind Sie müde, da Sie sich nicht am Spaziergange beteiligt haben?"
„Ich habe Schmerz im Knie," antwortete er mit einer höflichen Verbeugung. „Deshalb kehrte ich hierher zurück. Das Gehen war mir unbequem."
„Schmerz im Knie?" fragte sie, stehen bleibend, rasch und erschreckt. „Im kranken?"
„Ja," antwortete er und setzte dann, als überraschte ihre Frage ihn, hinzu: „Sie wissen, daß ich ein krankes Knie habe?"
Heiße Röte überzog ihr Gesicht. „Sind Sie mir so böse, daß Sie mich, auch wenn kein anderer zugegen ist, nicht erkennen wollen? Sie haben wohl eine zu schlechte Meinung von mir?"
„Im Gegenteil — die beste. Und die haben Sie um mich verdient. Welcher Kranke wäre dem Arzte, der ihn hergestellt, nicht dankbar?"
Sie sah ihn betroffen an. „Ich habe Sie nicht hergestcllt," sagte sie. „Als ich Sie verließ, waren Sie noch krank, und das Leiden, das Sie" — sie stockte — „während unseres Zusammenseins quälte, ist, wie ich soeben mit Bedauern höre, noch immer nicht ganz gehoben."
„Doch! Der heutige Schmerz hat damit nichts zu thun. Ich habe das Knie gestoßen und will es deshalb schonen. Aber Sie haben doch sicher nicht vergessen, daß die Wunde am Knie nicht die einzige war, unter der ich litt. Die andere war viel schmerzhafter, und daß Sie mich von ihr beireit haben, hat mich Ihnen zu stetem Danke verpflichtet. Das Mittel, das Sie anwendeten, war so scharf, daß es heilen mußte."
Sie schwieg einen Augenblick; dann sagte sie leise:
„Was hätte ich Ihnen schreiben können, das Ihnen lieb gewesen wäre? Ich glaubte, besser zu thun, indem ich Ihnen nicht antwortete."
Er lächelte bitter. „Und indem Sie mir durch die Frau Oberin sagen ließen, Sie wollten für mich beten."
„Sie sehen nicht ein, daß dies das Höchste ist, was wir für unsere Nebenmenschen thun können."
„Nein," antwortete er warm, „ich sehe das nicht ein; aber ich bergreife, daß, wenn ein Mann einem Mädchen die heiße Liebe und Verehrung seines Herzens darbringt und sie kein Wort der Erwiderung für ihn findet, die Beleidigung so groß ist, daß er sie weder vergessen kann noch darf. Ich begreife, daß, wenn das Mädchen, dem dieser Mann in einsamen Stunden einen Einblick in das schwere Leid seines Lebens gewährt, dem er alles, was ihn belastet, vertrauensvoll mitgeteilt hat, ihn ohne Abschied verlassen kann, ohne sich auszumalen, wie er in fieberhafter Ungeduld, in Verzweiflung nach ihr verlangen mußte — daß dies Mädchen eine so vollständige andere ist, als er in ihr sah, daß von einem Wiedererkennen, wie Sie es eben nannten, nicht die Rede sein kann. Die, die ich als Schwester Andrea kannte und verehrte, und das Fräulein Märker, der ich hier zu begegnen die Ehre habe, sind für mich zwei vollständig getrennte Personen."
Sie fand kein Wort der Verteidigung; ihr Mund war diesen Anklagen gegenüber wie versiegelt. Mehrere Minuten herrschte vollständiges Schweigen. Dann erklang plötzliches Lachen in der Nähe. Nordau horchte auf.
„Das ist Ihre Frau Schwester," sagte er in seinem sonstigen ruhigen Tone. Die Gesellschaft kehrt heim; wir wollen uns ihr anschließen."
(Fortsetzung folgt.)