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Anstand.

DerSchlachtrapport" der Polizei über die im Wiener Prater anläßlich der sozialisti­schen Maifeier vorgekommenen blutigen Unruhen stellt 47 Verwundete, 35 Polizisten und 12 Zi- vilisten, und 32 Verhaftete fest.

Paris, 4. Mai. In einer Wählerver­sammlung des Arbeiterviertels La Billette kam es vorgestern zu einem blutigen Zusammenstoß zwischen den gegnerischen Parteien. Einer der sozialistischen Kandidaten für den Gemeinderat Barnot wurde von Anhängern seines Mitbe­werbers, eines Sozialrevolutionären, von der Rednerbühne herabgerissen und mit Stockhieben und Fußtritten schwer verletzt. Es entstand eine furchtbare Rauferei, an der sämtliche Wähler der verschiedensten Richtungen teilnahmen und die erst durch das Einschreiten der Polizei bei­gelegt wurde.

Rom, 5. Mai. Der Herzog von Sachsen- Meiningen mit Gemahlin, welche inkognito reisen, begaben sich nebst Gefolge zu Wagen zum Be­suche des Dichters Voß und dessen Gemahlin nach deren Villa nach Frascati. Auf dem Rück­wege wurde der Wagen des Herzogs von zwei Kerlen, die mit Taschentüchern vermummt und mit Gewehren bewaffnet waren, bei Frascati angehalten. Der Herzog mußte den Angreifern sein Portemonnaie mit ungefähr 60 Lire über­geben, worauf diese sich zurückzogen und den Wagen weiterfahren ließen.

Konstantinopel, 5. Mai. DieTimes" meldet vvn hier: Ein Beschluß des Militärrates setzte die Dienstzeit im ganzen türkischen Heer von vier auf drei Jahre herab.

Teheran, 5. Mai. Die Nachricht von der Ermordung des Schahs ist nunmehr in alle Teile des Reiches gedrungen und hat vereinzelte Ausschreitungen hervorgerufen. In Schiras wurden Warenvorräte geplündert. In der Nähe von Schiras versuchte der Pöbel das Juden­quartier zu plündern. Die Juden verjagten aber die Räuber, indem sie von den Dächern Steine auf sie warfen. Im Ganzen herrscht jedoch Ruhe und man hegt keine ernsten Befürchtungen.

Maufsauah, 5. Mai. Gestern Nach­mittag 2 Uhr lagerte das ital. Operationskorps bei Cheserber ^ Stunden von Adigrat. Die direkte Verbindung mit der Garnison Adigrat wurde sofort wieder hergestellt. Der Komman­dant von Adigrat. Major Prestinari, stattete dem General Baldrssera in seinem Lager einen Besuch ab. Die Abessinier belästigten das Ope­rationskorps den ganzen Tag von den Flanken aus während des Marsches wie im Lager. Der Feind zeigte sich aber niemals in Masse, sondern schwärmte überall. Er hielt die Berge Amoleita und Zeban besetzt. Ras Mangascha hält die, die Umgebung Adigrats beherrschenden Positionen besetzt, so daß eine Räumung des Forts zur Zeit schwierig ist.

Aus Italien, 3. Mai. Der Vesuv wirft seit einiger Zeit größere Lavamasien aus, fodaß Besteigungen unmöglich sind und die Bergführer, die nur vom Fremdenverkehr nach dem Gipfel leben, Not leiden. Auch der Ver­kehr mit dem Observatorium ist abgefchnitten. Doch glaubt man nicht, daß ein größerer Aus- brach bevorsteht.

Anteryaltender KrU.

Milli's Geheimnis.

Roman von S. S. Ham er.

(Schluß.)

Milli schwebte wochenlang zwischen Leben und Tod, die wilden Fieberphantasien wollten gar nicht weichen trotz der Bemühungen der Aerzte und der aufopfernden Pflege der Schwester Agathe. Schließlich siegte doch ihre jugendliche Natur über die böse Krankheit, aber als sie die Augen wieder im vollen Bewußtsein aufschlug, fühlte sie sich so schwach, daß sie weder sprechen noch auch den Arm heben konnte. Je weiter ihre^Gesundheit fortschritt. desto mehr sehnte sie sich nachMaus" und Schwester Agathe hatte ihre liebe Not mit ihr. denn sie wollte das Kind, wenn auch nur auf einen Augenblick, sehen, was

die Aerzte jedoch noch nicht gestatteten. Alle Versicherungen, daß es gut aufgehoben sei, ver­mochten Milli nicht zu beruhigen. Auch quälte sie der Gedanke, ob es nicht ihre Pflicht sei, Hans von ihrer Lage zu verständigen und ihn zu bitten, Grete nach Eichdorf zu nehmen. Nach reiflicher Ueberlegung kam sie zu dem Entschluß, die Dinge noch ein Weilchen gehen zu lassen, wie sie gingen.

Wieder verstrichen einige Wochen und Milli wurde in die Rekonvaleszentenabteilung des Spitals versetzt. Jetzt durfte Schwester Agathe ihrer Bitte Nachkommen und Grete holen lassen. Milli begab sich in das kleine Empfangszimmer, wo die Patienten, ohne von der Neugier Fremder belästigt zu werden, ihre Gäste begrüßen können. Sie lauschte auf jedes Geräusch im Korridor, die Minuten wurden ihr zur Ewigkeit und noch immer wollte sich das Trippeln der kleinen Kinderfüße nicht vernehmen lassen. Aber was war das? Wachte oder träumte sie? Diese Fuß­tritte, diese Stimme! Sie hatte ja bereits jede Hoffnung aufgegeben, sie je wieder zu hören

Wäre es nicht besser, wenn sie die Patientin vorbereiten wollten, wer sie zu sehen wünscht?" klang es an ihr Ohr.

Sie sprang wie elektrisiert auf und mit dem Aufschrei:Karl! Mein Karl! sank sie ohn­mächtig in die Arme ihres Mannes. Bald schlug sie jedoch wieder die Augen auf groß und leuchtend.

Schwester Agathe, die bereits Zeugin mancher rührenden Szene gewesen, versicherte später, daß sie noch nichts so sehr erschüttert wie das Wieder- sehen dieses Ehepaares. Unter Lachen und Weinen baten sie sich gegenseitig um Verzeihung. Was immer auch die Beiden getrennt haben mochte, Mangel an Liebe war es gewiß nicht! Agathe ließ die Glücklichen allein. Auf dem Korridor begegnete sie der Schwester, welche ausgeschickt war, Grete aus der Anstalt zu holen. Sie küßte das reizende Kind, nahm es an der Hand, öffnete leise die Thüre des Em­pfangszimmers, schob es hinein und zog die Thür ebenso leise wieder zu.

Einen Augenblick blieb Grete verwirrt auf der Schwelle stehen, dann erklang es gleichzeitig aus dem Mund der drei glücklichen Menschen: Mama! Maus! Grete!»

Karl eilte auf die verwirrte Kleine zu, hob sie auf seinen Arm und überschüttete sie mit Küssen.

Mama! Ich will zur Mama!" schrie sie zappelnd und ihr Mäulchen zum Weinen ver­ziehend, denn sie hatte vor dem fremden, bärtigen Mann Angst.

Karl ließ sie sachte in den Schooß der Mutter gleiten und umschlang dann Beide in stummer Umarmung. Auch Milli brachte kein Wort hervor. Nun sie den geliebten Mann und ihr Kind hatte, raubte ihr das Glück die Sprache. Vergessen war Leid und Kummer, die Ver­gangenheit sank in Nichts zurück. Milli lebte nur der seligen Gegenwart.

Maus, sag' schön:Willkommen Papa!" sagte sie nach einer langen Pause, die Händchen der Kleinen faltend.

Willkommen, Papa!" wiederholte Grete.

Weißt Du, Karl, diese Worte habe ich sie gelehrt, während Du damals in Hamburg warst. Sie pflegte sie später öfter zu plappern und ich wußte doch, daß Du nicht heimkehren würdest!" erzählte Milli, ihren Arm zärtlich um seinen Hals schlingend.

Mein armes, armes Weib! Was mußt Du in dieser langen Zeit gelitten haben! Und das Alles durch meine"

Sie schloß ihm den Mund mit einem Kuß und bat:

Sag' das nie wieder! Ich allein habe den Irrtum begangen. Zwischen Mann und Weib darf kein Geheimnis stehen, warnte mich Tante Liese an meinem Hochzeitstage und wie Recht hatte die Gute! Ader glaube mir, nicht aus Mangel an Liebe, sondern nur aus falscher Scham habe ich Dir nicht erzählt, was ich Dir hätte erzählen müssen."

Eine Stunde lang plauderten die Wieder­vereinten und tauschten Frage und Antwort aus

über ihre Erlebnisse seit ihrer Trennung, i>, kam Schwester Agathe, um Karl und Grelli« verabschieden, denn Milli bedurfte nach all ss» Aufregung dringend der Ruhe.

Karl besuchte sie täglich und sie erhöhe U zusehends, denn nichts ist der Gesundheit,, förderlich, wie Glück und ei» frohes Gemüt In ihrer Herzensgüte nahm sie sogar dj, Schwiegermutter und namentlich Hans in SG» denn Karls Erbitterung war grenzenlos. ^

Du thust Unrecht. Hans zu grollen. Ei hat redlich versucht, mich in Eichdorf zurück^ halten und mir Geld gegeben, als ich da««s bestand, nach Hamburg zu gehen."

Weshalb wolltest Du aber nach Hamburg?« fragte Karl erbittert.

Sie blieb die Antwort schuldig, denn lüg,, konnte sie nicht und aus ihrem Schweigen erriet Karl die Wahrheit.

Grete blieb bis zur vollständigen Genesm ihrer Mutter in dem Kinderajyl, dem Karl ei«, beträchtliche Geldspende zuwendete; auch ließ« sich's nicht nehmen, die für Grete gesammelt, Summe den betreffenden Damen zurückzu« statten.

Mittlerweile mußte Hans das Häuscha räumen. Die Mutter durfte bleiben, wo sie und auch die gesamte Einrichtung behalten, ! Karl schaffte für sich in Hamburg eine i neue an, ließ auch zwei geräumige Zimmer bauen und nahm ein tüchtigesMädchen K Alles" auf. Erst als all diese Umwälzungen vor sich gegangen waren, brachte er Weib M Kind in das alte Heim zurück. Milli nm schöner denn je. Die furchtbaren Schicksals, schlüge hatten ihr Herz nicht verhärtet; sie lies weder ihre Schwiegermutter noch Hans entgeh«, was sie durch sie gelitten und so viel Güte er­weichte schließlich das Herz der alten Frau und so sehr sie Milli früher gehaßt, so sehr liebt! sie sie jetzt.

Nur Sabine hielt sich fern, sie war wütend darüber, daß sie das Häuschen hatte räum« müssen.

Karl verkaufte seinen Anteil an derDia­mantgrube" in Jnnfield, denn er hatte die Last verloren, nach Amerika zu gehen undgenug von der Well gesehen", wie Milli neckend sagt!, Seine Ehe blieb fortan eine ungetrübte und Milli hatte auch nicht das kleinste Geheimnis vor ihrem Mann.

Telegramme.

Wien, 6. Mai. In derFreien Presse" giebt der Dichter Voß eine Schilderung des llebtt- falles auf den Herzog von Sachsen-Meimng«. Die beiden Vermummten hatten mit der Be­drohung, die Pferde niederzuschießen, den Wagen angehalten und dem Kutscher verboten, sich uni- zuschauen. Einer sprang an den Wagen des Herzogs, die Flinte auf ihn richtend. Der Herzag verbot Voß und den Lakeien, einzugreisen und fragte die Briganten, wie viel sie verlangen. Diese bedeuteten pantomimisch, man möge Ad auf den Boden werfen. Die Gemahlin deS Herzogs blieb, wie dieser, vollkommen ruhig. D>e Briganten, die merkbar aufgeregt waren, v!l> schwanden sofort, nachdem ihnen das Geld hi»' geworfen worden war.

London, 6. Mai. Die ,-P"? ^ Gazette" hat Grund zu glauben, daß die W> richt, Cecil Rhodcs und Alfred Beit hätten ihrm Rücktritt als Direktoren der Chartered-Kowpagnü angezeigt, wohl begründet sei.

Bukarest. 6. Mai. DieAgenze Ro­maine" meldet: Studenten veranstalteten geü" Kundgebungen gegen die unargische Jahrtaujen' feier, versammelten sich im Cismigiu-Garten nn durchzogen geordnet die Hauptstraße. Die M spielte nationale Weisen. Ungefähr 40000 i-' fonen schloßen sich dem Zuge an. Kein ' fall kam vor, es herrscht vollständige Ruhe.

Kairo. 6. Mai. Reuter meldet amtM Die italienischen Truppen rückten wohlveyn in Adigrat ein und entsetzten die Garnison.

Alexandrien. 6. Mai. Die breitet sich aus, gestern kamen 17 Erkcanlu g und 11 Todesfälle vor. _,

Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.

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