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Im vierten hannoverschen Rttchstagswahl- kreise Osnabrück steht demnächst eine Neuwahl bevor. Um den Sieg des Zentrums zu ver­hindern, soll eine Einigung zwischen National- liberalen, Bund der Landwirte und Antisemiten Versucht werden. Es schweben nun Berhand lungen, um Dr. Karl Peters als gemeinsamen Kandidaten dieser Parteien aufzustellen.

Der diesjährige Parteitag der Christlich Sozialen findet in Hessen am 26 Februar statt.

Bei den gemeldeten Verhaftungen wegen Meineids in Luckenwalde handelt es sich um den gesamten Vorstand des sozialdemokratischen TurnvereinsVorwärts" und 8 Mitglieder des Vereins.

In der Konsektionsbranche steht ein großer Ausstand bevor, über den folgende Meid- 1 ungen vorliegen. In Hamburg wurde beschlossen, die Arbeit in sämtlichen Konfektionsgeschäften niederzulegen. Eine Versammlung der Kon fcktionsschneider und -Näherinnen in Stettin hat beschlossen, in einen Generalstreik einzutreten. Ebenso beschloß in Breslau eine von über 1000 Schneidern und Schneiderinnen besuchte Ver sammlung einen allgemeinen Ausstand zu de ginnen. Auch in anderen Städten wird von der Sozialdemokratie sehr lebhaft für den Aus stand agitiert Die Beschwerden der Streikenden richten sich namentlich gegen die sogenannten Zwischenmeister, die die Löhne herunterdrücken und auch den Handwerksmeistern große Kon­kurrenz machen.

Die genaue Prüfung der Bücher und B<> stände der Offenburger Sparkasse ergab, daß der Rechner Baur seit 1«86 359 000vlL unterschlagen hat. wozu 54 000 «kL Zinsverlust kommen.

Württemberg.

Stuttgart, 6 Febr. (Corresp. d. Enzth.) Ein lenkbares Luftschiff, das ists, was uns nach allen großen Erfindungen des 19. Jahr- Hunderts einschließlich der Röntgenstrahlen noch fehlt, um das ün äo sieelö würdig zu krönen. Kein Geringerer, als der gleich zu Beginn des 1870er Krieges so berühmt gewordene Reiter oifizier Graf Zeppelin hat sich seit 5 Jahren mit dieser Frage beschäftigt und heute abend führte er einer ebenso zahlreichen als destin- guierten Zuhörerschaft, in welcher sich S. Mas der König, die Herzöge Albrecht und Robert, die Minister Dr. v. Fader und Dr. v. Riecke, die ganze Generalität, viele hohe Beamte und die Mitglieder des Jngenieurvereins befanden, das Ergebnis seiner mühevollen Arbeiten in einem lichtvollen Vortrage vor. Der Redner, von Prof. Zemann dewillkommt und als neuaufge- nommenes Mitglied des Jngenieurvereins be­grüßt. führte zunächst alle hervorragenden Vor arbeiten bezügl. lenkbarer Luftschiffe an, erläuterte ihre Versuche, Mißerfolge und Erfolge und ver­weilte besonders eingehend bei dem französischen Hauptmann Renard. der schon 1888 während der Manöver bei Meudon ein lenkbares Luit schiffLa France" voriührie. das er mehrfach nach dem Aufstiegsort zurückbrachte, welches ober höchstens 6.5 Mir. Geschwindigkeit in der Se­kunde erreichte und auch mehrfache andere Mängel aufwies, die Hauptsache, die Lenkbarkeit, aber im Prinzip doch gelöst habe und inzwischen sicher bedeutend vervollkommnet wurde, wenn auch die Franzosen darüber schweigen. Auf den Ver­suchen Rvnard's hat Graf Z ppelin weiter ge baut, nicht mit phantastischen halsbrecherischen Experimenten, sondern Schritt lür Schritt mit wissenschaftlichen Berechnungen und mit wesenl lich verbesserten oder von ihm und von andern erfundenen neuen Rohmaterialien und technischen H lssmitteln. So hat er selbst zur Ausnahme des Gases ein Porenverdichtungsmittcl des Seidenstoffes erfunden, das monatelang kein bischen Gas durchdringen läßt. Seine mit Gittertiägern an dem zigarrenförmigen Renard schen Ballon angebrachte Gondel ist äußerst sinnreich und fest angebracht, trägt dornen Moioiflügcl und hinten Steuerflügel; das Ganze, durch einen Daimlermotor aus Aluminium mit 610 Proz Kupferlegierung betrieben, kann sich bis zu 1100 Meter erheben, bis zu lllOOIrg Belastung tragen und nötigenfalls 7 '/s Tage ununterbrochen in den Lüften bleiben. Alles ist

«in Rechnung genommen: die Ausdehnung des Gases durch Wärme und Sonnenstrahlen wird ausgeglichen indem man das nicht etwa ent weichen läßt, sondern in Reserveräume über leitet, so daß der Ballon nicht platzen kann und doch kein Gas verliert. Auf- und Abstieg des Fahrzeugs wird ohne Ballastauswerfen oder Gas­verlust äuß-rst sinnreich durch Schrägsttllung der Gondel zum Ballon bewirkt, man landet aegen den Wind ganz gefahrlos. Alle diese Vorzüge des Z ppelin'schen Fahrzeuges hat eine von dem preuß. Kriegsministerium eingesetzt, Prüfungskommission rückhaltlos anerkannt. Da­gegen berechnet diese als Moximalgeschwindiqkeit des Fahrzeugs ca. 5 Meter pro Sekunde, Gras Z ppelin mindestens 12 Meter. An diesem Widerstreit ist die Förderung des Zeppelinsichen Projekts zum Stillstand g'kommen. Aber die Kommission fußt auf einer Rechnungs Methode, welche aus der Wasserschifffahrt hergeleitet ist und auf d-n Luftwiderstand keine analoge An Wendung finden kann, was dem Grafen be­deutende Männer der Wissenschaft, wie Prof Müller in Breslau und 3 Tage vor seinem Tode auch der berühmte Prof. Hlmholtz-Berlin ausdrücklich zugegeben haben. Ueb.rdres hat Reaard bei seinen Versuchen mit derLa France" ähnliche Luftwiderstände gefunden, wie Graf Z ppelin sie ausrechnet. Auch Baurat Groß in Eßlingen, früher lange Jahre bei Krupp in Essen praktisch thätig und aus der Ballistik der Geschosse mit den Luftwiderständen genau be­kannt, hat die Berechnung des Grafen genau nachgcprüfl und sie für richtig befunden; ebenso auch das ganze Material nachgeprüft und die Kostenanschläge, das spez,fische Gewicht u. s. w und dabei alles als richtig anerkannt. Des­halb ist der Graf überzeugt, daß sein Fahr­zeug praktisch ausgeführt, wochenlange Reisen von täglich über 1000 lrna mit ziemlich schwerer Be­lastung zurücklegen kann und im Kriege wie im Frieden von der allergrößten Bedeutung für das deutsche Volk würde. (Großer anhaltender Bel­tall) Die nachfolgenden Redner, Prof. Ernst von der technischen Hochschule. Präsident von Leibbrand im Ministerium des Innern und Prof Baudirektor Bach an der technischen Hoch schule anerkennen ausnahmslos die gründliche w ssensch iftliche Arbeit und die großen Erfolge des Grafen, plaidieren für praktische Ausfühiung des Projekts, welches rasch die letzten Zweifel heben und rufen ihm ein herzliches Glückauf zu. Auf die Frage v. Leibbrands, ob nicht ein kleines Modellluftschiff zuerst gebaut werden könnte und wie hoch sich etwa die Kosten eines solchen Sch ffes belaufen würden, erwidert Graf Zeppelin, ein für praktische Zwecke doch nicht verwend­bares Modellichiff würde nicht viel weniger kosten als ein Vollschiff und letzteres käme, wenn eist d>e Fabriken ihre Einrichtungskosten bestritten hätten, auf ca. 250300 000 -/-L zu stehen. Der Wert eines solchen Schiffes wäre enorm, ein Luftschiff könnte die vaterländische Kriegs­flotte über das Herannahen der feindlichen Sch ffe aus ungeheurer Entfernung schon de nachrichtigen. Postsendungen und Passagiere mit großer Schnelligkeit auf die größten Entfern ungen beföidern und auch die Meeresliefen er­forschen, denn je höher man über ein Meer auf- stiige, desto tiefer sehe man in dasselbe hinein. Vor allem aber gelte cs, daß Wir bei einem etwaigen Kriege ein ungeheuer wertvolles Hilfs mittel, das der Feind besitze, nicht schmerzlich vermissen müssen. (Beifallssturm.)

Ulm, 7. Febr. Die bürgerl. Kollegien haben gestern beschlossen, auf der unteren Bleiche weitere 16 Arbeiter Wohnhäuser zu bauen, die unter günstigen Bedingungen in den Eigenbesitz von Arbeitern und niederen Bediensteten über­gehen können. Dem Saalbauverein, dessen dis jetzt gezeichnetes Aktienkapital vom Rohbau des Anwesens in Anspruch genommen ist, wurde zur inneren Einrichtung von der Stadl ein Kapital von 25 000 ^ unkündbar und zinsfrei aus 10 Jahre überlassen; dafür entsendet die Stadl einen Vertreter in den Aufsichtsrat des Saalbau­vereins. Die Ulmer Schützengilde hatte seit Jahrzehnten ihre Sch'eßstälte in der Fnedrichsau und damit allerdings einen der schönsten Schuß und Festplätze des Landes, neuerdings ist aber

k die Friedrichsau, der anwachsenden StadtbevWi, ' ung entsprechend mehr und mehr zu Anlage und Spielplätzen^ umgeschaffen worden, so hch die Nähe der Schießstände Gefahren mit sij bringt. Die Schützengilde muß deshalb iM,> halb 2 Jahren sich nach einer anderen Gelege», heit umiehen.

Hohenheim, 6. Febr. Kürzlich wurde wie erwähnt, an einem Patienten des Katharine»! Hospitals. K. Schauperr aus Stuttgart, im hi,s physikalischen Laboratorium auf Veranlasse^ und unter Anwesenheit von Medizinalrat H,, von Burckhardt photographische Aufnahme« mittelst Röntgen'schen Strahlen durch Pr«i Mack ausgeführr, in der Absicht, eine in h, linken Hand des Patienten steckende Revolver, kugel, deren Sitz nicht genau bekannt war. z, ermitteln. Zwei nach einander bewerkstellig!! Aufnahmen ließen übereinstimmend mit voll» Deutlichkeit den Ort der Kugel erkennen. Geste,, wurde von Dr. v. Burckhardt mittelst operativ» Eingriffs die Kugel entfernt; sie befand sjj genau an der durch die Photographie ken»l, sich gemachten Stelle.

Telegramme.

Berlin, 7. Februar. In der Budg», kommission des Reichstags fragte Richter d« Frhrn. v. Marschall, ob er die Verantwoil- lichkett für die Depesche des Kaisers an di, Präsidenten Krüger übernehme Freiherr v«> Marichall erklärte, er übernehme die volle Bn anttvortlichkeit

Der Rcichsanzeiger veröffentlichtem, Erlaß des Kriegsministeriums, betr. die varzeivg, Veröffentlichung des Amnestieerlasses durch du, Vorwärts". Der Erlaß stellt fest, daß och dem Ergebnis der Disziplinaruntersuchung «j, Verschulden eines Angehörigen des Kriegs» steriums ausgeschlossen sei. Zur Veröfsinilch ung wurde ein am 16. Januar nachmittags iil die Redaktion desVorwärts" gebrachtes, N scheinend in der Druckerei von Mittler u Sch, entwendetes Exemplar des Armeeverordnuvgsi blattes benützt. Die Disziplinaruntersuchuiigijlj damit abgeschlossen und wegen der EinleitW des Strafverfahrens das Erforderliche veranlag worden.

Oldenburg, 7. F.bc. Die Beerdige der Groß Herzog in fand heute Vormittag li Uhr statt. Der Feier wohnten der Kaiser n»b Gefolge und eine große Anzahl Fürstlichkeit!», sowie die Mitglieder des großherzoglichen Hach bei. Der Kaiser hat um 4 Uhr die Rückrch nach Berlin angetrelen.

Sofia, 7. Febr. Die Fürstin Marli Louise ist heute mit ihrem jüngsten Toh»i, dem Prinzen Cyrill, abgereist. Fürst Ferüliml begleitete die Fürstin bis Zaribrod.

New - Iork, 7. Febr. An der ganz« atlantischen Kustenlinie richtete gestern ein Stm bedeutenden Schaden an. Aus mehreren Ort« des Küstenlandes werden Ueberschwemmung« und Unglücksfälle gemeldet. In New Jork m! Brooklyn stürzten mehrere Gebäude ein. Di Stadt Boundbrook in New-Jersty ist teilwch unter Wasser gesetzt. Die Verbindungen daß sind abgeschnitten; viele Einwohner der Stad sollen umgekommen sein. Zu Morrislowa « New Jersey platzte unter dem Drucke des E geschwollenen Wassers ein Damm; 25 Mensch werden dort vermißt. In Newbritain stiirzd heute eine über den P quepuchfluß sühreiil» Brücke ein, wobei 20 aus der Brücke mit Repa«» turarbeiten beschäftigte Arbeiter mit in den MI stürzten.

Falb kündet für die nächsten Tage Sink« der Temperatur und Schncefälle an. Vom § bis 13. Febr. wird cs bei abnehmenden Nied!« schlügen und fallender Temperatur trocken; vk« cinzelte Schneefälle. Vom 14. bis 20. FebrB nehmen die Schneefälle zu, es tritt schlieM grimmige Külte ein. Vom 21. bis 29 FebrB werden wir schönes mildes Wetter bekomm^ Am 13. ist Sonnenfinsternis und einKritisch zweiter Güte! Am 26 Mondfinsternis und t» Kritischer" erster Kraft.

Mit einer Beilage.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.