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meint mit unserm Volke, der helfe mit, daß unser Volk nicht bloß ein tüchtiges, arbeitsames, tapferes, sondern auch ein gottesfürchtiges. frommes. christliches Volk bleibe. Aus dem bitteren Hader der Parteien, der uns auseinander reißen will, müßten wir immer wieder zurückkehren zu der Liebe Gottes, die uns in Christo erschienen ist. Das ist doch zuletzt die einzige Macht der Einigung. Das ist unsere Hoffnung und Rettung. Darum wollen wir mit unfern Kindern fröhlich und dankbar singen:
„Alle Jahre wieder kommt das Christuskind
Auf die Erde nieder, wo wir Menschen sind."
Anterhattender Teil.
So war es gekommen!
Eine Weihnachtsgeschichte.
(Fortsetzung.)
Weihnachten! — Weihnachten war gekommen! Sterndurchflnnmert neigte sich die heilige Nacht zur schlummcrmüden Erde nieder. Geheimnisvoll rauschte es wie von Engelsschwingen durch die stille, klare, mondscheindurchflutete Mitternacht. — Freude, große Freude überall, wo Christenherzen der Geburt des Weltheilandes feiernd gedenken! In den Hütten der Armut, wie in den Wohnungen der Reichen! Ueberall Freude und Lobgesang!
Auch im Hause des Kommerzienrats Felsing herrschte reges Leben! Magdalene hatte, wie alljährlich, so auch diesmal, für mehrere armen Familien des Hinterhauses einen reich mit Geschenken belegten Weihnachtstisch in dem großen Eßiaal ihrer väterlichen Wohnung hergerichtet. Mitten auf der Tafel breitete eine große, herrlich gewachsene Tanne ihre geschmückten, lichter- bestccklen Zweige aus. Eben waren die im Vorzimmer erwartungsvoll harrenden Mütter mit ihren Kindern eingetreten. Magdalene stimmte mit ihrer tiefen, klangvollen Stimme das ewigschöne: „Stille Nacht, heilige Nacht" an, und die Kinder, deren Augen groß und glänzend auf den Lichterglanz des Christbaums gerichtet waren, fielen frisch und fröhlich in den Gesang ein. — Die Bescheerung ihrer Schützlinge, deren Freude und gerührte Dankesworte, bildeten diesmal den Glanzpunkt des heiligen Abends für Magdalene. Mit geheimem Bangen dachte sie daran, daß nach dieser ersten, ihrer eine zweite Beschwerung — die ihres liebevollen, gütigen Vaters für sie selber — harrte. Denn sie fürchtete sich vor ihrem eigenen wunden Herzen, das nicht fähig war. die rechte Weihnachtsfrcude zu empfinden. Und doch liebte ihr Vater, der seine geliebte Gattin, die Mutter seines einzigen Kindes, früh verloren hatte, es nicht, wenn Magdalene traurig oder verstimmt war. Er wollte sein Töchterlein, der er alle Freude und Genüsse, deren sie nur begehrte, gern bereitete, allezeit fröhlich wissen und sich selber an ihrem geliebten Antlitz aufheitern. — So hieß es denn an diesem Abend für Magdalene, sich selbst zu vergessen, fröhlich zu erscheinen, und den Vater froh und glücklich zu machen. — Am folgenden Tage wollte sie dann auch um so freier sich selber leben. Ihr Vater pflegte alljährlich am ersten Weihnachtsfeierlag schon in den Nachmittagsstunden auszugehen, um einer geselligen Feier in einem kaufmännischen Verein beizuwohnen. Magdalene hatte dann die Erlaubnis, sich ihre Freundinnen ein- zuladen und den Tag ganz nach ihrem Gefallen zu verleben. In diesem Jahre nun stand ihr der Sinn noch weniger als sonst nach großer Geselligkeit und sie meldete daher der allen Brigitte, daß sie nur für einen einzigen Gast zu sorgen hätte. Dieser Gast war natürlich ihre Herzensfreundin Ilse. —
Schon über eine Stunde saßen die beiden jungen Mädchen behaglich plaudernd bei einander Das große Zimmer, in dessen Mitte der große, reichgeschückle Christbaum stand, war nur durch das flackernde Kaminfeuer matt erhellt. Die züngelnden Flammen warfen hin und wieder einen magischen Schein auf die dunkeln, weit sich dehnenden Zwerge der Tanne Dann glitzerten und funkelten die goldenen Fäden, die wie ein Spinngewebe schimmernd den ganzen Baum umspannten, und die blitzenden Sterne.
die ihn schmückten, zitterten seltsam bei dem unruhigen Licht. Es ging ein starkes Duften wie ein himmlischer Waldesgruß durch den warmen, wohligen Raum. — Es wurde immer dunkler. Allmählich waren auch die plaudernden Mädchenlippen verstummt. Eng aneinander- gcschmiegt saßen sie schweigend nebeneinander
— Da weckte sie ein scharfer Klingelzug jäh aus ihrem Sinnen aus Magdalene fuhr nervös empor. „Nur jetzt keinen Besuch", seufzte sie verzweifelt, „dann wäre es aus mit der Gemütlichkeit!" — — Kaum waren diese Worte gesprochen , als auch schon die alte Brigitte mit einer Karte in der Hand ins Zimmer trat. — „Ein Herr wünscht Fräulein Magdalene zu sprechen" , meldete sie und gab die Karte ab. Unwillkürlich griff die rasche Ilse zuerst darnach. Sprachlos vor Erstaunen reichte sie dann dieselbe ihrer Freundin hin. — Auf der Karte stand:
Gilbert Kaltenhofs, Doktor der Philosophie
in K. Bis in die Lippen erblaßt, sah
Magdalene hilflos zu Ilse hinüber. — „Fräulein Felsing läßt bitten," wendete diese sich ohne Weiteres an die auf Antwort wartende Brigitte, „führen Sie den Herrn in den Salon!" — Dann stand sie auf, küßte Magdalcnens bleiche Wangen und mit den Worten: „Fasse Mut. mein Herz, Du mußt Dich zusammennchmen!" führte sie das bebende Mädchen in das neben- anlicqende, hellerleuchtetc Empfangszimmer. — „Soll ich gehen oder bleiben, Maggy?" fragte sie hastig, als schon die Thür geöffnet und Dr. Kaltenhofs's hohe, schlanke Gestalt sichtbar wurde. „Bleib! Um Gotteswillen bleib!" hauchte Magdalene, und unfähig, dem geliebten Manne, dem sie jetzt Auge in Auge gegenübertreten mußte, entgegcnzugchen, lehnte sie sich an ihre Freundin, die trotz inneren Herzklopfens keinen Augenblick die äußere, jetzt so nötige Fassung verloren hatte. „Setze Dich, Liebling, ich werde vorläufig die Honneurs machen, raunte sie Magdalene zu. Dann ging sie mit liebens würdiger Anmut dem Fremden entgegen. Befremdend blickte jener in das erregte Gesicht der dunkeläugigen Ilse. — Das konnte doch nicht Magdalene Felsing sein, seine Magdalene, die zu sehen er gekommen war viele Meilen her, just um die heilige Weihnachtszeit! — „Dürfte ich um die Ehre bitten, mich Fräulein Magdalene Felsing vorstellen zu dürfen; mein Name ist Doktor Gilbert Kaltenhofs!" sagte er mit tiefer, wohllautender Stimme. — „Und mein Name ist Ilse Eckart, ich bin Magdalenens beste Freundin und Bevollmächtigte, und hier ist die Gewünschte selber. Mil diesen Worten wies sie lächelnd auf Magdalene, die sich inzwischen den Beiden langsam genähert hatte. „Bitte nehmen Sie Platz, Herr Doktor!" — — Ader sür's Erste lhat er das nicht. Als er Magdalene erblickt ging cs wie Frühlingsleuchten über sein Antlitz. Rasch legte er Hut und Handschuhe beiseite, ergriff Magdalenens beide Hände und blickte ihr lange, lange in die Augen. Ja, das war sie! Zug um Zug ihres seelenvollen Gesichts, das er sonst daheim auf der Photographie betrachtet hatte, erkannte er jetzt wieder und mit herzgewinnender Innigkeit rief er aus: „Grüß Sie Gott, liebwerte Freundin, viel tausend Mal!"
— Magdalene aber, die wieder ganz gefaßt und ruhig geworden war, entzog ihm errötend ihre Hände und nötigte ihn, vor allen Dingen erst einmal Platz zu nehmen. — „Was führt Sie nach Bc.. .. und zu uns her," rief Ilse aus. „Bitte erzählen Sie, Sie können sich doch denken, daß wir begierig sind, uns diese Ueber- raschung erklären zu lassen." — „G wiß, mein Fräulein," erwiderte Kaltenhofs höflich, „ich bin meiner verehrten Freundin natürlich zu allererst eine Aufklärung schuldig; die Sache ist verzweifelt kurz." Dann wandte er sich an Magdalene, die leuchtenden Auges zu ihm aufsah. — Ja, war er auch für sie verloren, so wollte sie wenigstens jetzt den gegebenen Augenblick auskosten, seiner Gegenwart froh zu werden, seiner Stimme zu lauschen und seinen Anblick sich tief ins Gedächtnis prägen zu Lust und Leid ihres gequälten Herzens. Das durfte sie! Niemand konnte ihr das wehren. — „Ich bin gekommen",
Hub Dr. Kaltenhofs also seine Erklärung an, „ich bin gekommen, um — mir eine heißersehnte Weihnachtsfreude zu bereiten. Mit angestrengter Arbeit und vieler Tagesmühe glaube ich, dieselbe wohl verdient zu haben." Er lächelte. — „Br .... kennen zu lernen, ist lange mein Wunsch gewesen, und — nicht zum geringsten Teil bestimmte mich dabei das dringende Herzensbedürfnis, meine liebenswürdige, in letzter Zeit so schweigsam gewordene Korrespondentin persönlich begrüßen zu können!" Und wieder blickte er mit tiefer Innigkeit zu Magdalene herüber, die ihrerseits unter diesen sprechenden Blicken namenlos litt. — „Dies ist^Alles recht nett und liebenswürdig, Herr Doktor." erwiderte Jlfe, die heute zu Magdalenens unendlicher Erleichterung den Löwenanteil der Unterhaltung übernommen hatte, „sehr nett und freundlich; was aber sagt Ihre Frau Geniahlin dazu, daß Sie gerade jetzt, zum heiligen Christfest, da ja doch Jeder gern daheim bei den Seinen bleibt, solche Ausreißer Gelüste an den Tag gelegt haben?" —
(Schluß folgt.)
Telegramme.
Potsdam, 22. Dez. Der Kaiser empfing heute im Neuen Palais im Beisein des Staatssekretärs des Reichsmarineamts und des Chefs des Marinekabinets den Direktor des Nordd. Lloyd Dr. Wiegand, welcher die Ehre hatte, dem Kaiser in längerem Vortrage über die zur Zelt in Bau befindlichen neuen Schiffe des Nordd. Lloyd Bericht zu erstatten.
Berlin. 22. Dez. Das „Bert. Tagbl." meldet aus Ostende: Im Aermelkanal ist ein unbekanntes Segelschiff untergegangen, 19 Mann sind ertrunken.
Stralsund, 22. Dez Der deutsche Schooner „Hulda" ist bei Greifswald unterge- gangen. Der Kapitän und 1 Mann der Besatzung sind ertrunken.
Leipzig, 23. Dezkr. Die Frau eines Generalagenten stürzte ihre 3 Kinder und sich selbst 2 Stock hoch hinab' Ein Kind ist tot, die andern sind schwer verletzt. Vermutlich liegt ein Wuhnsinnsamall vor.
Totland-Bay, 22. Dez. Der Schnelldampfer „Spree" des Nordd. Lloyd ist heute Nachmittag 2 Uhr wieder flott geworden und setzte seine Reise nach Southampton mit eigener Maschine fort.
Zürich, 23. Dez. Bei der Volksabstimmung wurde der Antrag des gänzlichen Verbots der Vivisektion mit 39 476 gegen 17 297 Stimmen abgelehnt. Der Gegenvorschlag des Kantonrats für Tierschutz, welcher den Forderungen der Wissenschaft m weitgehendem Maße Rechnung trägt, wurde mit 35 191 gegen 19 554 Stimmen angenommen.
Madrid, 22. Dez. Infolge von Streitigkeiten wegen der Oktroi-Frage kam es in der Provinz Saragossa zu Unruhen. Die Gens- darmerie mußte Feuer geben und verwundete mehrere Personen.
Tiflis, 22. Dez. Infolge neuerlicher Regengüsse und reichlicher Schneesälle im Gebirge wiederholten sich am 19 und 20. ds. die (Überschwemmungen in dem Gouvernement Kutais. Auch in Gori und in Tiflis fanden Ueber- schwemmungen statt, der Gesamtschaden ist bedeutend.
(Was ist ein Kaffeeklatsch?) Ein Kaffee- klasch ist eine Versammlung, bei welcher die Krähen den Dohlen erzählen, wie schwarz die Raben sind.
In dieser Welhnachtswoche erscheinen 3 Nummern ds. Bl. und zwar heute, morgen und am Samstag. Inserate für das morgen Dienstag vormittag auszugebende Blatt wollen bis spätestens 8 Uhr morgens übergeben werden. Inserate für die am Samstag vormittag erscheinende Nummer sollten bis Freitag den 27. abends übergeben sein.
Dem heutigen Blatt legen wir — unfern Lesern auf den Weihnachtstisch — unsere Wandkalender-Ausgabe. die sich schon in manchem Hause eingebürgert hat, bei.
^Redaktion und Verlag des Enzthälers.
Redaktion, Druck und Verlag von T. Meeh in Neuenbürg.