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Stuttgart, 2. Dez. Der König und die Königin ließen heute früh, als am 25jähr. Gedenktage der Schlacht bei Champigny, Kränze am Kriegerdenkmale auf dem Fangelsbach-Fried- hofe niederlegen. Vormittags 8 Uhr fand eine Morgenmusik auf dem Hofe der großen Kaserne des Infanterieregiments «Kaiser Friedrich, König von Preußen" (7. württembergisches Nr. 125) statt. Um 9 Uhr folgle Regiments-Appell, bei dem der Regimentskommandeur, Oberst v. Fetter, eine Ansprache hielt, die mit einem dreimaligen Hurrah auf den König schloß. Dann wurde ein Telegramm des Kaisers mit folgendem Wortlaut verlesen:Dem braven Infanterie- Regiment Kaiser Friedrich, dem Regimente meines in Gott ruhenden Herrn Vaters, entbiete ich in dankbarer Erinnerung der bei Champigny er­worbenen Siegeslorbeeren meinen kaiserlichen Gruß." Mittags fand bei Hellem Sonnenschein für die ganze Garnison Feldgottesdienst statt, während auf dem Schloßhofe die Geschütze den Festsalut gaben.

Stuttgart, 2. Dez. Heute abend fand dieFestvorstellung des Infanterie-Regiments Kaiser Friedrich anläßlich der Feier von Villiers und Champigny im großen Saal der Liederhalle statt. Derselbe war mit Büsten, Waffen, Fahnen, Pflanzen u. s. w. aufs schönste dekorieri. Auf verschiedenen Tafeln waren die Namen der Ge­fallenen verzeichnet. Seine Majestät der König und Ihre Majestät die Königin, die Herzoge Albrecht, Robert und Wilhelm von Urach, die Generalität, sämtliche Minister und viele aktive und inaktive Offiziere waren erschienen. Der Saal war von den Veteranen des Regiments, die überaus zahlreich erschienen waren und früheren Regimentsangehörigen vollständig besetzt. Nach der von der Prem'schen Kapelle gespielten Fest- ouverture sprach Hauptmann Spindler den von ihm verfaßten Prolog. Als erstes lebendes Bild folgteBiwak auf der französischen Grenze am 4. August 1870". Bunt durcheinander wogten die Soldaten, dazwischen Marketenderinnen; Soldatenlieder singend beschäftigen sich die Mann- schäften mit Abkochen, aus der Ferne schallt Kanonendonner, endlich kommt ein Soldat da­hergestürzt den Sieg bei Wcißenburg verkündend. Im Lager wird darauf die Wacht am Rhein angestimmt. Das Ganze war sehr wohl ge­lungen Die Veteranen wird es wohl ange­nehm berührt haben die jungen Siebener in der Uniform der Alten gesehen zu haben. Eine ga»ze Reihe solcher Bilder folgten.Auf Vor­posten vor Paris." Besonders wirksam war der Barikaden - Sturm in Champigny" und der Häuserkompf in Champigny". Letzteres stellte die Verteidigung eines Hauses durch Feldwebel Baader vor. Bornen am Fenster, welches einen Blick in das brennende Champigny gewährt, steht der Feldwebel, den Schützen das Ziel an­gehend. Im Zimmer liegen verwundete Deutsche und Franzosen. Im sechsten BildNach der der Schlacht" stehen und knieen die Soldaten an den Gräbern der Gefallenen, die Regimentsmustk spielt einen Choral dazu, eine wirklich ergreifende Episode. Zum Schluß inKaiser und Reich" gruppieren sich die Krieger aller deutschen Stämme um die Büsten des Kaiser Wilhelm I. und Wilhelm II. sowie des Königs von Würt­temberg. die Wacht am Rhein singend. Zwischen den Aufführungen spielte die Regimentsmusik mit Piston-Solo von Hoboist Blumenschein, der besonderen Beifall fand. Auch einige Solo­gesänge wurden vorgetragen. Zum Schluß kamen gymnastische Uebungcn von Unteroffizieren und Manschaften des Regiments, die sehr exakt aus­geführt wurden und alle Anerkennung verdienten. Unter den Klängen der Königshymne u. Hurrah­und Hochrufen der Anwesenden verließen die Majestäten um 9'/» Uhr den Saal. Nach Schluß der Festvorstellung vereinigten sich die aktiven Angehörigen des Regiments mit den Veteranen zum Bankett in den verschiedenen Sälen der Liederhalle.

Ulm, 2. Dez. Am Samstag, dem Gedenk­tage der Schlacht bei Villiers, liefen bei dem hiesigen Feldartillerie-RegimentKönig Karl" (1. württembergisches Nr. 13) sehr huldvolle Telegramme des Kaisers und des Königs

ein. Auch die sächsischen Batterieen, die Mit­kämpfer am Tage von Villiers, sowie das in Straßburg garnisonierende Infanterie Regiment Nr. 126 sandten telegraphische Grüße, die so­fort erwidert wurden. Das hier veranstaltete Artilleriefest nahm einen äußerst glänzenden Verlauf.

Stuttgart. 2. Dczbr. Anläßlich der 25jährigen Jubelfeier des Anteils der württ. Truppen an dem glorreichen Feldzug 1870/71 hat S. Maj. derKönig an den Ehrenpräsidenten des Württemb. Sanitätsvereins vom Roten Kreuz, Se Hoh. den Prinzen Herrmann zu Sachseu-Weimar-Eisenach, der schon damals die Sache des Roten Kreuzes mit einer weit über die Grenzen unseres engeren Vaterlandes hinaus anerkannten Hingabe und Aufopferung in erfolgreichster Welse vertreten hat, nachstehendes huldvollstes Handschreiben gerichtet.Bei der 25jährigen Jubelfeier der Erinnerungslage aus dem glorreichen Kriege von 1870/71 drängt es Mich, neben dem heldenmütigen Verhalten der württembergischen Truppen auch der Thätigkeit des unter Euer Hoheit und Liebdcn Ehrenpräsi­dium stehenden württ. Sanitätsvereins zu ge­denken, der nicht nur in seiner Gesamtheit in der Fürsorge für die kranken und verwundeten Krieger Großartiges geleistet, sondern dessen einzelne Mitglieder auch zahlreiche Beweise auf­opfernder Nächstenliebe gegeben haben. Auch seither hat der württembergische Santtälsverein nicht aufgchört, eine verdienstvolle und segens reiche Wiiksamkeit im Dienste der Krankenpflege, insbesondere in umfassender Vorbereitung für seine eigentliche Aufgabe, zu entfalten. Darum möchte Ich diesen Anlaß nicht vorübergehen lassen, ohne Euer Hoheit und Liebdcn und dem ganzen Württembergischen Sanitätsverein Meinen allergnädigsten Dank und Meine volle Anerkennung für dessen hervorragende Leistungen im Kriege wie im Frieden auszusprechen. Indem Ich Euer Hoheit ersuche, Vorstehendes zur Kennt­nis des Vereins bringen zu wollen, darf Ich Mich versichert Hallen,daß derselbe unterseiner bewährten Leitung seine edlen Ziele auch in Zunkunst mit dem bisherigen Eifer zu verfolgen bestrebt sein wird."

Stuttgart, 3. Dez. Der Oberforstrat v. Probst feierte, wie derSt.-Anz" mitteilt, am 1. d. Mts. sein 50jähriges Dienst- Jubiläum und zugleich das 25jähr. Jubiläum seiner Thätigkeit als Mitglied der Forstdirektion. Da der Jubilar eine öffentliche Feier ablehnte, überreichten ihm die Kollegen ihre Glückwünsche durch eine Abordnung mit Widmung eines silbernen Pokals. Der König hat den Jubilar in einem eigenhändigen Schreiben beglückwünscht. Ebenso brachte Staalsminister Dr. v. Riecke seine Glückwünsche unter anerkennenden Worten dar. Herr v. Probst gedenkt demnächst aus dem Dienst auszuscheiden.

Stuttgart, 28. Nov. Der württcm- bergische Schutzverein für Handel und Gewerbe wirft in seinem neuesten gegen die Spar- und Konsumvereine gerichteten Angriff die Frage auf, was für Staat und Gesellschaft vorteilhafter sei, Weiterentwicklung des Konsumvereinswesens unter schließlicher Aufhebung aller selbständigen Privat­betriebe oder die Erhaltung ein^s freien, selbst ständigen Bürgerslandes? Elfterem Ziele strebe die Sozialdemokratie und mit ihnen die Konsum- Vereine in ihren Konsequenzen zu, die beste Stütze des Staates sei aber ein kräftiger gewerb­licher Mittelstand aus selbständigen Bürgern zu­sammengesetzt. Von den Sozialdemokraten selbst sei betont worden, die Konsumvereine seien für sie nur eine politische Waffe, den Mittelstand zu ruinieren und in das Lager der Sozial­demokratie zu ziehen.

Schorndorf, 27. Nov. Das Resultat bei der heute vorgenommenen Weinversteigerung des in der Konkursmasse des Hospitalpflegers und Weinhändlers Rommel dahier im Quantum von ca. 14844 Liter 1895er und 31389 Liter älteren ausgebotenen Weines war keineswegs günstig zu nennen, obgleich es an Käufern und Interessenten nicht gefehlt hat. Aeltere Weine waren wenig begehrt. Für 1895er wurden 3942 ^ per Liter bezahlt.

Leonberg, 28. Nov. Der Nachkomme des Astronomen Kepler, Glaser Kepler in Lconberg, feierte am Samstag im Kreise seiner nächsten Angehörigen, von denen sich 8 Kinder und 24 Enkel am Leben befinden, die goldene Hochzeit. Der Jubilar steht im 81. und seine Frau im 75. Lebensjahre.

Maulbronn, 28. Nov. Der vor drei 3 Jahren als Junggeselle in Stuttgart ver­storbene Privatier Hayer hat sein großes Ver­mögen dem Gustav Adolf-Verein vermacht. Nach Abzug der Unkosten und Legate beträgt die Erb­schaft etwa 300 000 Dieses Kapital muß als Stiftung erhalten werden, so daß obigem Verein die jährlichen Zinsen mit etwa 12 000 zur Verfügung stehen.

Ausland.

Wien, 1. Dez. Bei dem Duell zwischen dem Minister des Innern Perczel und dem Baron Andrea nski erhielt der letztere eine schwere Kopfwunde. Die Gegner schieden un­versöhnt.

Bern, 3. Dez. Der Nationalrat ge­nehmigte heute einen Kredit von 128 000 Frcs. für die Befestigung des Furkapasses gegen die neue Grimsclstraße hin, trotzdem der Vorsteher des Militärdcpartements die Erklärung abgegeben Halle, daß nach Ansicht des Bundes­rates eine Griknselbefcstigung in absehbarer Zeit stberhaupt nicht nötig sei, so lange die Grimiel- üraße keine Forlsetzun nach Süden erhalte.

Paris, 3. Dez. Gestern wurde in Cham­pigny der 25jährige Gedenktag der Kämpfe vom 30. November und 2. Dezember 1870 be­gangen. Der Präsident des Seinegcneralrats, Lncipin, und der Führer der Patriotenliga. Dvcoulede, hielten Ansprachen; der letztere schloß mit einem heftigen Angriff auf das parlamen­tarische Regime nnd verlangte unter Beifall der Einen und Protestrufen der Andern die Revision der Verfassung, damit Frankreich ein vom Volke gewähltes und dem Volke gegenüber verant­wortliches Oberhaupt erhalle.

Paris, 28. Novbr. Die bevorstehende Volkszählung in Deutschland regt den Berliner Korrespondenten desFigaro" zu folgenden Be­merkungen an: Man spricht in Frankreich von dem unerhörtem Wachstum der amerikanischen Städte; die Statistik beweist, daß sich die Be­völkerung der deutschen Städte noch rascher ver­mehrt. Besonders Hamburg vergrößern sich immerzu, und in 20 Jahren wird es Marseille wahrscheinlich um das Doppelte überflügelt haben. Die Einwanderung nach Frankreich, der Aus­fuhrhandel und der Reichtum Deutschlands haben in demselben Verhältnis zugenommen. Wenn das französische Volk nicht einen energischen An­lauf nimmt, wenn es nicht mächtige Anstreng­ungen macht, dann wird cs von der feindlichen Invasion überschwemmt und von den europäischen Märkten verdrängt. Diese Gefahr steht drohend vor uns.

vermischtes.

Die 19jährige hübsche Anna Kotlin in Prag stand mit ihrem Bräutigam vor dem Traualtar, als auf ihrer Seite eine Altarkerze erlosch, was nach einem ui Böhmen verbreiteten Aberglauben ein böses Zeichen ist. Mit dem Aufschrei:Die Kerze ist erloschen!" sank die Braut in die Arme ihres Bräutigams. Der Schreck hatte sie getötet.

(Schlecht belohnte Vielseitigkeit.) Daß Viel­seitigkeit nicht immer die entsprechende Aner­kennung findet, beweist der weimarische Ort Kranichfeld. Der biedere Gemcindcdiener, der zugleich Ortspolizist, Wald- und Flurhüter, Nachtwächter, Glöckner und Leichenschauer in einer Person ist, erhält für alle diese Mühe im Jahre ganze 210 ^

sJm Theater.)Ah, Herr Huber, sieht man Sie auch einmal mit Frau Gemahlin in einem Trauerspiel! . . Warum haben Sie denn aber einen so schlechten Eckplatz genommen?"Ja wissen Sie, meine Frau kann nicht viel vertragen; nach dem ersten Tobten gehen wir nach Hause!"

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.